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2°hrg. mH H-st. Zu beziehen durch alle Redakteur: Der Jahrgang erscheint Suchhaudlungcn des Än- u. Auslandes, Hugo Tveppe», in Wölf Monatsheften von vier Sogen, sowie Postämter. R°alschul-Ob-rl°hr-r. das Heft 80 Pf. Auf den Halligen. Von Alfred Kirchhoff. Vor Schleswig's Westküste zeigt uns die Landkarte eine zahlreiche Gruppe größerer und kleinerer Inseln, die den ge rechtfertigten Eindruck machen, Trümmer des ehemals hier weiter gen Westen reichenden Festlandes zu sein. In der Thai schwindet noch jetzt täglich zweimal Stunden lang das darum sogenannte Wattenmeer loder Haff) bis auf einige tiefere Rinnen von dem seichten Grund, der diese Inseln zur Zeit der Ebbe also vollkommen mit dem Festlande verbrückt; eine Hebung dieser Gegend um wenige Meter würde Schleswig mit einem fruchtbaren Landgürtel von durchschnittlich 4 Meilen Breite verbrämen, auf welchem unsere heutigen nordfriesischen Inseln als sanfte Erhebungen, theilweise als schroff abge schnittene, aber kaum mehr als mannshohe, völlig ebene Tafeln emporragen müßten. Ganz sicher ist das Gegentheil einer Hebung, eine langsam erfolgte Senkung, die wirkliche Hauptursache der Landzer trümmerung an dieser wie an der deutsch-niederländischen Südküste der Nordsee gewesen. Die ost- wie die nordfriesischen Inseln, beide durch seichtes Wattenmeer blos während der Flutstunden jedes Tages völlig vom „festen Wall" — so nennt der Friese das Festland — getrennt, bezeichnen eine ehemalige, erst zur Zeit, da der Mensch schon hier weilte, zu Jnselreihen verkümmerte deutsche Küste; und noch vor ihnen ist das offne Meer so seicht, wie fast nirgends im gesamten Nordseebereich. Die Zehnfadenlinie entfernt sich kaum einmal noch (an der englischen Küste vor der Humber-Mündung) so weit vom nächsten Land wie z. B. vor Silt; denn gerade dieser nordfriesische Archipel hat eine die Schiffahrt fernab scheuchende mächtige Flachseebreite von weniger als 10 Faden (d. h. 18,3 Meter) vor sich, und das erweckt die Vermuthung, daß noch außerhalb dieses, in der Verlängerung des westjüt- ländischen Küstenzugs gelegenen Raumes eine mächtige Land masse gänzlich Seeboden wurde durch die nämliche Senkung, welche den „Watten" einen so amphibischen Charakter ver liehen hat und nur einigen Landfetzen als Inseln daselbst Aus allen WeNtheilen. IX. Jahrg. vollständiges Freibleiben von der zeitweiligen Bedeckung durch die Wellen der Flut vergönnte. Aber wodurch wird diese Senkung als wirklich geschehen bewiesen? Einfach dadurch, daß unter dem Meeresspiegel auf dem Boden des nordfriesischen Wattenmeeres massenhafte Funde früherer Waldungen gemacht worden sind; Erlen und Birken, Eichen und Haselnußsträuche, Kiefern und Fichten haben Stamm- und Zweigreste oder Früchte, ja die Erlen z. B. so trefflich erhaltene Fruchtstände hier hinterlassen, daß man unmöglich an eine Anschwemmung denken kann — versichern doch die Inselbewohner, mehrfach Baumstümpfe im festen Untergrund des Wattenmeer-Sandes und -Schlickes festwurzelnd gefunden zu haben, so z. B. Eichenstümpfe bei Oland. Hier durch wird nun nicht blos eine Senkung desjenigen Gebietes bezeugt, welches gegenwärtig unsere nordfriesischen Inseln und Watten befaßt, sondern zugleich das Verschwundensein eines Wohl ziemlich hohen und breiten Vorlandes im Westen, welches zum Schutz diente gegen die Seewinde; denn deren starker Salzgehalt und deren noch zur Sommerzeit, namentlich bei der Richtung aus Nordwest, bisweilen frostiger Temperatur grad macht es bei der gegenwärtig schutzlosen Lage völlig unmöglich, die Frieseninseln zu beforsten. Man darf in einigen, der Tertiärformation angehörigen Antheilen des Silter Bodens (im Rothen Kliff und Morsum- Kliff) Ueberreste des einstmaligen Westwalles erkennen. Als derselbe durch beständige Anbrandung des Meeres von Westen her schmaler und durch gleichzeitige Senkung immer niedriger wurde, hatten bei heftigeren Sturmfluten die Wogen endlich gewonnenes Spiel: sie sprangen über die niedrigeren Theile des Schutzwalls, die sie zu tieferen Breschen umformten, und rissen mächtig hinein in den dahinterliegenden weichen Boden einer, durch Stauung der Süßwasser bis dahin moorigen, Wohl nur auf flachen Hügelwellen dichter bewaldeten Ebene. Genau so wie nachmals Sturmfluten, wenn sie die Schutz bauten des Menschen an diesen vielgefährdeten Küsten, die 29