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Die folgenden Blätter suchen also zunächst einen praktischen Nutzen, sie überliefern jüngeren Kunstgenossen einige Handwerksregeln in anspruchs loser Form. Die Veranlassung dazu sand ich in gelegentlichen Anfragen einzelner Schaffenden und in den Dramen, welche ich in der Handschrift zu lesen hatte. Wohl Jeder, dem das Vertrauen Anderer ein schriftliches Urtheil über ein neues Stück abfordert, hat erfahrm, wie schwer, ja wie unmöglich es ist, eine ehrliche Ueberzeugung im Raum eines Briefes so zu begründen, daß der Dichter, noch warm von der Arbeit und befangen in den beabsichtigten Wirkungen, die Billigkeit des Tadlers und die Be rechtigung der sreniden Ansicht erkenne. Und nicht immer ist Muße die Handschrift zu lesen und eingehend zu anworten. Was auf diesen Blättern in Kürze dargestellt wird, ist auch kein Geheimniß, kein neuer Fund. Fast Jeder, der auf unserer Bühne einige Erfahrung erworben hat, handhabt, mehr oder weniger sicher, die fol genden Regeln. Auch nicht die möglichste Vollständigkeit technischer Vor schriften suchte ich zu erreichen. Sie lassen sich sehr häufen, jeder Schaf fende besitzt seine besondere Art zu arbeiten und gewisse ihm eigene Mittel zu wirken. Es kam hier darauf an, die Hauptsache herauszuheben und dem jüngeren Dichter den Weg zu weisen, aus dem er sich selbst zu för dern vermag^ Wenn aber der Freund sragm sollte, ob, wer selbst für die Bühne schreibt, nicht vorziehe, die Arbeitsregeln durch eigene Erfindung an nehmbar zu machen, so will ich dieses Buch auch entschuldigen. Es werden alljährlich in Deutschland vielleicht hundert Dramen ernsten Stils ge schrieben, wohl neunzig davon verschwinden in Handschrift, ohne auf die Bühne, selbst ohne zum Druck zu gelangen. Von den zehn übrigen, welche eine Ausführung durchsetzen, geben vielleicht nicht drei den Darstellern eine würdige und lohnende Aufgabe, den Zuhörern die Empfindung eines Kunstgenusses. Und unter den vielen Werken, welche untergehen, bevor sie lebendig geworden sind, sind allerdings zahlreiche Versuche Unfähiger,