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OerLliches und Sächsisches. Gttendorf-Dknlla, -7. Februar 1903. — Ueber die Frage: „Ich leiste 2 Jahre Garantie" äußert sich Geheimer Justizrat Hermann Meyer in Breslau in der Zeit schrift „Das Recht" (herausgegeben von Dr. Theodor Soergel, Helwingsche Verlagsbuch handlung in Hannover und Leipzig): Es wird wohl von Werkmeistern und Verkäufern in Prozessen geltend gemacht, darin liege nur eine Beschränkung der Gewährleistungspflicht. An und für sich werde an dieser Pflicht nichts geändert, nur sei die Berücksichtigung von Mängeln nach 2 Jahren ausgeschlossen. Hier wird nun wieder verschieden ausgelegt. Manche verlangen zur Berücksichtigung, daß die Mängel nicht nur in zwei Jahren sich gezeigt haben, sondern daß sie auch innerhalb der Garantie frist gerügt werden. Aber die Garantiefrist wird doch gewöhnlich auf Verlangen des Käufers oder Bestellers gesetzt. Ich glaube, jeder, dem ein Uhrmacher sagt, er leiste auf 2 Jahre Garantie, wird, wenn er die Uhr kauft, das Gefühl haben, mehr gesichert zu sein, mehr Rechte zu haben, als ein anderer, dem keine Garantie geleistet wird. Den Verkehrs verhältnissen dürfte folgende Auslegung ent sprechen: Wer bei Verkauf eines Fahrrades, einer Uhr oder bei Uebernahme eines Werkes (Dachdecken, Anstrich eines Hauses) zwei Jahre Garantie leistet, der verpflichtet sich damit, wenn innerhalb zweier Jahre nach Uebergabe oder Abnahme eine Reparatur nötig wird, solche unentgeltlich zu machen, auch wenn ohne jede Schuld des Garantieleistenden der Mangel ent standen ist, z. B. der Hausanstrich blättert ab, ein Ziegel fällt herunter, die Feder der Uhr bricht. Eine Ausnahme macht ein äußerer Zufall, der nicht zu vermeiden war, Schuld des Empfängers oder Schuld eines Dritten. Aber Las sind alles Ausnahmen, welche der Verkäufer (Werkmeister) zu erweisen hat; er haftet innerhalb zweier Jahre, wenn sich nicht aufklären läßt, wie der Mangel entstanden ist. Dresden, 16. Februar. Der Vor mittags 6 Uhr 14 Minuten von Breslau ab gehende Schnellzug nach Dresden—Leipzig er litt am Sonntag infolge des starken Schnee sturmes innerhalb der preußischen Strecke nam hafte Verspätung, so daß in Görlitz der An schluß nach hier nicht erreicht wurde. Die sächsische Staatsbahnverwaltung ließ zur Weiter beförderung der direkten Reisenden vormittags 9 Uhr 30 Minuten einen Sonderzug von Görlitz bis Leipzig in Verkehr setzen. Die Ankunft desselben erfolgte auf hiesigem Haupt bahnhofe vormittags 11 Uhr 19 Minuten. Dresden. Wie in Leipzig geht man auch hier seitens der orgarnisierten Gewerk schaften mit dem Plane um, in Dresden ein Arbeiter-Sekretariat zu errichten. In gewerk schaftlichen Kreisen bezeichnet man die Lösung dieser Frage als sehr dringend. Das Gewerk schaftskartell wird deshalb demnächst hierzu Stellung nehmen. Schwepnitz. Zur Einführung eines geregelten Feuerschutzes hat man nun auch hier eine freiwillige Feuerwehr ins Leben gerufen. Bretnig. Am Sonnabend früh wurde auf hiesigem Revier, im Brücknerschen Walde ein Reh in der Schlinge verendet vorgefunden. Der Rehwechsel führte aus dem bäuerlichen ins fiskalische. Daraufhin stellte die Gen darmeriebrigade Wachtposten daselbst aus, die auch noch am selbigen Tage nachmittags einen vielfach vorbestraften, übel beleumdeten Mann, namens Grützner aus Bretnig als Wilddieb festnehm.n konnten. Grützner hatte sich in verdächtiger Weise um das Reh zu schaffen gemacht, auch wurden in dessen Wohnung ver schiedene, auf Wilddieberei schließende Gegen stände entdeckt. Er wurde sofort ins Amts gerichtsgefängnis Pulsnitz eiugeliefert. Kamenz. Ueber den flüchtig gewordenen Leutnant Münzenberg vom Kamenzer In fanterie-Regiment wird mitgeteilt, daß seine hinterlassenen Schulden wohl gegen 50 000 Mark betragen. Er ist der einzige Sohn eines Dresdener Lehrers. Zittau. Bei den Abräumungsarbeiten auf einer Brandstätte sind 17 Silbermünzen aufgefunden worden, die 1753 geprägt sind und auf der Vorderseite das Bildnis Friedrich Augusts des Starken tragen. Die Rückseite zeigt im Felde zwei Adler mit zwei kämpfenden Reitern Meißen, 14. Februar. Nachdem der Stadt Meißen erst vor einigen Jahren das beträchtliche Kapital von rund 250000 Mark neben einem wertvollen Grundstück durch den hier verstorbenen Dr. Donner zu wohltätigen Zwecken (Genesungsheim) vermacht worden ist, hat sie abermals eine reiche Erbschait ange treten. Die Testatorin ist die am 8. d. M. verstorbene Privata verwittwete Wolyn cz, die mit ihrem schon früher verstorbenen Gatten zwölf Jahre lang das ehemalige, nun um gebaute Hotel „Zum Hirsch" am Markte be wirtschaftet hat. Sie setzt in ihrem Testament die Gemeinde ein mit der Verpflichtung, ihrem seit 1877 verschollenen, wohl kaum noch am Leben befindlichen Sohne das Pflichtteil zu gewähren und bestimmt weiter außer niehreren Legaten an Private 30000 Mait für die Stadt Meißen und je 1000 Mark 0eu Kirch gemeinden Cölln, Zscheila und Meißen, sowie 1500 Mark der Kirchgemeinde S*. Afra, welche die Fürsorge für die Grabstätte des verstorbenen Ehepaares zu übernehmen hat. Die gesamte Hinterlassenschaft beträgt 206 000 Mark, wovon etwa 25000 bis 30 000 Mark an Legaten abgehen. Damit übersteigt das Stiftungsvermögen der Stadt Meißen die Million. Ende 1896 betrug es . "t rund 450000 Mark. Die Zinsen der W ,> iczschen Stiftung darf der Stadtrat nach en>em Er messen zu gemeinnützigen Zwecken ve wenden. — Das Stadtverordnetenkollegium tewilligte auf Antrag des Stadtrates 2000 Mark zur Herstellung eines Stadtmodelles im Anschluß an das vom Dombauverein in Aust ug ge gebene und gegenwärtig im Dresdner Kunst- verein ausgestellte Modell vom Bur.Mrge und vom Dom, mit dem es zusammen auf der diesjährigen Deutschen Städteausstellung in Dresden ausgestellt werden soll. Böhla. Hier wurden in zwei gleich zeitig geschlachteten Schweinen Trichinen ge funden. Die Tiere hatten zusammen ungefähr 6 Zentner Fleischgewicht. Großenhain. Ein seit Mai 1902 von der Staatsanwaltschaft Plauen wegen Diebstahls steckbrieflich verfolgter Handarbeiter und Kellner aus Luckenwalde wurde am Sonn abend in hiesiger Stadt betroffen und fest genommen. Großenhain. Auf der Landstraße gestorben ist am Montag Nachmittag 3 Uhr ein älterer Haudwerksbursche, der seinen Weg von Großenhain nach Folbern nahm. Zwischen Naundorf und Folbern wurde es dem Manne übel; Vorübergehende führten in weiter und hofften, mit ihm bis Folbern zu kommen. Doch nach einer kurzen Wegstrecke sank der Mann um, ein Herzschlag hatte seinem Leben ein Ende gemacht. Aus den Papieren des Toten ging hervor, daß dec Verstorbene aus Stolpen gebürtig war und Albin Prasser hieß. Ortrand. Ein bedanerlicher Unfall er eignete sich in Großkmehlen. Der Zimmer polier Weser war auf seinem Grurdstücke mit Lem Sprengen von Steinen beschäftigt. Als ein Schuß versagte, ging Weser nachsehen; im selben Augenblicke ging der Schuß los und verbrannte Weser schwer im Gesicht und an den Händen. Das Augenlicht ist gefährdet. Weser wurde nach Halle in eine Augenklinik gebracht. Leipzig. Die Verhandlung gegen den ehemaligen Direktor der Leipziger Bank Exner wegen betrügerischen Bankerotts und Ver- Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich z Mark. Durch die Host bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für dis Ortschaften Vttendsrf-Okrilla mit Morihdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Md und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag zo Uhr. Inserate werden mit so Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. 2. Jahrgang. Mittwoch, den 18. Februar 1903. schleieruug wurde am Montag sofort nach Er öffnung vertagt. Seiten der Verteidigung ist der Antrag gestellt worden, den Vorsitzenden des Gerichtshofes, Dr. Müller, wegen Be fangenheit abzulehnen. Der Gerichtshof hat heule Dienstag über diesen Antrag beraten und hat das Urteil r/z10 Uhr vormittags verkündet. Crimmitschau, 14. Februar. In seiner letzten Sitzung am 10. d. M. hat sich der Rat im Prinzip mit der Einverleibung des Vorortes Leitelshain einverstanden erklärt, ist aber dafür, daß weitere Verhandlungen erst zu Anfang 1906 eingeleitet werden, bis zu welcher Zeit die Anleihe von 1889 in Höhe von 288 500 Mark gedeckt und auch durch Uebernahme des Amtsgerichtsgebäudes in städt ischen Besitz Expeditionsräume geschaffen werden. — Das Gesuch einiger hiesiger Krankenkassen, ein Statut für eine allgemeine Ortskranken kasse für hier und Umgegend zu genehmigen, hat der Rat abgelehnt, weil sich bei der Ver schmelzung nicht sämtliche hiesige Krankenkaffen beteiligen. Es bestehen hier zur Zeit fünf Orts-, elf Jnnungs-, vierzehn Betriebs- und drei freie Hilfskassen mit ungefähr 9000 Mit gliedern. Limbach, 16. Februar. Lehrer Johann Petran, früher Priester der Diözese Linz, der dann protestantisch wurde und zuletzt als Lehrer in Sachsen wirkte, ist zur katholischen Kirche zurückgekehrt. Die „Chemnitzer Allgemeine Zeitung^ schreibt hierzu: „Der frühere katholische Priester Petran war, nachdem er zur evange lischen Kirche übergetreten, bis Anfang dieses Jahres in Kändler bei Limbach als Vikar für eine unbesetzte Lehrerstelle tätig. Doch läßt sich von einer segensreichen Wirksamkeit in feiner Gemeinde umsoweniger reden, als sich die Erbitterung über sein dienstliches und wirt schaftliches Leben, namentlich auch seine Aus fälle gegen Luther und den protestantischen Glauben und über sein ganzes ärgernis erregendes Verhalten bis zum Exzeß steigerte, bis endlich seine Absetzung durch das Kultus ministerium verfügt wurde. Allerdings er reichte ihn diese nicht mehr, da Petran vor ihrem Eintreffen unter Mitnahme seines noch unverdienten Monatsgehaltes am 9. Januar aus Kändler geflüchtet war. Sicher hat die katholische Kirche an Petran nicht mehr ge wonnen, als die protestantische mit Vergnügen eingebüßt hat." Aus der Woche. Bei der Etatsberatung im Reichstage, die täglich in Anwesenheil von mindestens einem Dutzend und mehr Abgeordneten stattfindet, werden nach Möglichkeit Wahlreden zum Fenster hinaus gehalten und die Parteien überbieten sich in Versprechungen; man rechnet im allge meinen damit, daß das große Publikum, das „Herdenvieh", leicht vergißt und bringt sich des halb in empfehlende Erinnerung. Das neue Wahlreglement — das „Klosett-System", wie es geschmackvoll bezeichnet wird — ist vom Bundesrat angenommen worden; von den Diäten für die Reichstagsmitglieder aber bleibt alles still und der Reichstagsrestaurateur macht ein langes Gesicht. Die Soldaten haben es besser, sie sollen täglich am Traktament zehn Pfennige mehr erhalten — wenn die Mittel des Reiches dieses erlauben. Es steht nur zu befürchten, daß so mancher junge Vaterlands verteidiger damit zum Schlemmer und die er ziehliche Wirkung, die sonst der militärische Dienst zweifellos hat, teilweise aufgehoben wird. Denn bei den heutigen Zeitläuften gerade ist Sparsamkeit eine hervorstechende bürgerliche Tugend und es geht- zur Not auch mit geflickten Strohdächern, wenn man solche nicht durch Ziegel ersetzen kann. Aus diesem Grunde war es auch mindestens überflüssig von Herrn von Podbielsky, daß er das Tisch tuch zwischen sich und dem Bund der Land wirte zerschnitten hat, denn nun muß ein neues gekauft werden und die Kosten muß der ohnehin schon so stark belastete Staatssäckel tragen. — — Die sächsische Tragödie ist am Mittwoch durch den Spruch des Sondergerichts zu einem vorläufigen Abschluß gekommen. Das menschliche Mitgefühl mit der Verurteilten, die sich seelisch und körperlich in schlechter Verfassung befindet, regt sich allenthalben wieder, aber die Empfindungen des Abscheus vor dem immer noch vorlauten „andern" bleiben sich selbstverständlich gleich. — Die aus wärtige Politik hat keine Etappen zurückgelegt; nur in der Venezuelafrage ist man insofern einen Schritt weitergekommen, daß man sich darüber geeinigt hat, einen gewissen Teil dem Haager Schiedsgericht zu unterbreiten. Man weiß bereits aus einem früheren Vorgänge, daß das ein sehr kostspieliges Vergnügen ist, fast ebenso teuer, wie ein kleiner Krieg. Ein europäischer Souverän als Schiedsrichter würde es gewiß billiger, wenn auch nicht besser machen. — Chamberlains Auftreten in Südafrika ist insofern mißglückt, als die Idee des eng lischen Imperialismus dadurch nicht ge- won en hat und das mannhafte Auftreten de Wets hat mal wieder den Bur gezeigt, wie ihn der Deutsche liebt und achtet, — ein Bild, dessen Umriffe durch gewisse durch die Umstände vielleicht gebotenen Leisetretereien der anderen Führer etwas verwischt war. „Die Afrikander fortan Eine Nation!" so lautete Chamberlains oft wiederholte Parole, der nun de Wet die andere entgegengesetzt hat: „Aufrechterhaltung Les burischen Volkstums!" Dagegen kann Chamberlain mit Chaki und Drahtzäunen nicht an und wenn er nocb so sehr um „Dankbarkeit" der Buren bettelt, die er seinem Souverän als Ergebnis der Afrikatour zu Füßen legen möchte. — In Marokko verlaufen die Dinge scheinbar im Sande. Bu Hamara ist nicht gefangen und geköpft, sondern sein Wahlspruch ist noch immer „Kopf oben!" Zu entscheidenden Resultaten dagegen dürfte er es aber noch nicht bringen. — Ein Vorspiel des Humbert- ProzefseS beschäftigt gegenwärtig das Pariser Gericht. Therese Humbert hatte beim Verhör einen ihrer Gläubiger, Cattani, einen Wucherer genannt nnd dieser sie daraufhin wegen Be leidigung verklagt. Das Publikum nimmt für die „große Therese" Partei, die sich in Pose zu setzen versteht. Für hervorragende Schau spielerinnen haben die Pariser Verständnis und es erscheint gegenwärtig fraglich, ob sie Ma dame Humbert oder Madame Sara Bernhard für die größte Künstlerin halten. Mit aller Gewalt soll nun auch noch die Dreyfus-Affäre nochmals an die Oeffentlichkeit gezerrt werden — der Gerechtigkeit halber! Als ob in diesem Falle überhaupt ein gerechtes Urteil möglich wäre. Das verurteilende Erkenntnis von Rennes und im Anschluß daran die Begnadi gung stellen ein Kompromiß dar, bei der sich alle Teile beruhigen sollten. — In dem Hexenkessel des Balkans brodelt es ganz ge waltig. Macedonien scheint zu einem „Bißchen Herzegowina" werden zu sollen. Die wider spruchsvolle Haltung Bulgariens, von dem aus der Aufstandsgedanke immer neue Nahrung empfängt, trägt an der Unsicherheit der Lage die Mitschuld und man weiß nicht genau, ob Rußland mit diesem Schwanken einverstanden ist. Der arme österreichische Kaiser hat seinen Kopf recht voll. Während der mehr als 50 Jahre seiner Regierung hat er so manches opfern müssen: Die Lombardei und Venedig, die Sekundogenitux in Toskana, die Führung Deutschlands. Bosnien ist dafür ein magerer Erfolg und auch dieser ist durch die fortdauern den Agitationen der interessanten Nationalitäten auf der Balkanhalbinsel beständig bedroht. Für uns Reichsdeutsche ist die Sache nur insofern von Bedeutung, als sich an ihr ein Weltbrand entzünden kann. So lange die orientalische Frage im eigenen Fett schmort, wird Herr v. Bülow die Flöte nicht wieder in die Hand nehmen, die er in der Kretafrage beiseite ge legt hat.