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Interesse war, als die Regierung jener uns befreundeten Nation daran die Hossuung zn knüpfen schien, einem vielgeprüften Lande die Bürgschaften einer geordneten und friedliebenden Regierung zu gewinnen, hat dem Gouvernement des Kaisers der Franzosen oen Vorwand geboten, in einer dem diplomatischen Verkehr seit langer Zeit unbekannten Weise den Kriegsfall zu stellen und denselben auch nach Beseitigung des Vorwandes mit jener Ge ringschätzung des Anrechts der Volker auf die Segnungen des Friedens scstzuhalten, von welcher die Geschichte früherer Be herrscher Frankreichs analoge Beispiele bietet. Hat Deutschland derartige Vergewaltigungen seines Rechtes und seiner Ehre in früheren Jahrhunderten schweigend ertragen, so ertrug es sie nur, weil cs in seiner Zerrissenheit nicht wußte, wie stark es war. Heute, wo das Band geistiger und rechtlicher Einigung, welches die Befr.iungskriege zn knüpfen begannen, die deutschen Stämme je länger desto inniger verbindet, heute, wo Deutschlands Rüstung dem keine Oefsnung mehr bietet, trägt Deutschland in sich selbst den Willen und die Kraft der Abwehr erneuter französischer Gewallthat. Es ist keine Uebcrhebung, welche Mir diese Worte in den Mund legt. Die verbündeten Regierungen, wie Ich selbst, wir handeln in demselben Bewußtsein, daß Sieg und Niederlage in der Hand des Lenkers der Schlachten ruhen. Wir haben mit klarem Blicke die Verantwortlichkeit ermessen, welche vor den Gerichten Gottes und der Menschen Den trifft, der zwei große und friedliebende Völker im Herzen Europa's zu verheerenden Kriegen treibt. Das deutsche wie das französische Volk, beide die Segnungen christlicher Gesittung und steigenden Wohlstandes gleichmäßig genießend und begehrend, sind zu einem heilsamer» Wettkampfe berufen, als zu dem blutigen der Waffen. Doch die Machthaber Frankreichs haben cs verstanden, das wohlberechtigte aber reizbare Selbstgefühl unsers großen Nach barvolkes durch berechnete Mißleitung für persönliche Interessen und Leidenschaften auszubcuten. Je mehr die verbündeten Negierungen sich bewußt sind, Alles, was Ehre und Würde gestatten, gcthan zu haben, um Europa die Segnungen des Friedens zu bewahren, und je un zweideutiger es vor Aller Augen liegt, daß man Uns das Schwert m die Hand gezwungen hat, nut uni so größerer Zuversicht wenden Wir Uns, gestützt auf den einmüthigcn Willen der deutschen Regierungen, des Südens wie des Nordens, an die Vaterlands liebe und Opferfreudigkeit des deutschen Volkes mit dem Auf ruf zur Vertheidigung seiner Ehre und seiner Unabhängigkeit. Wir werden nach dem Beispiel Unsrer Väter für Unsere Freiheit und für Unser Recht gegen die Gcwaltlhat fremder Er oberer kämpfen und in diesem Kampf, in dem Wir kein anderes Ziel verfolgen, als den Frieden Europa's dauernd zu sichern, wird Gott mit Uns sein, wie er mit Unfern Vätern war. Der König verlas die Rede anfangs mit tiefer Bewegung; seine Stimme wurde erst im Laufe der weiteren Verlesung wieder fester, während ihn am Schlüsse abermals die Bewegung übermannte. Die Versammlung beantwortete jeden Satz der Rede mit begeistertem Beifall und mit dem Rufe: Sehr wahr! Bei den Schlußsätzen wurde der Beifall fast stürmisch, so daß das Versländniß der Vorlesung fast verloren ging. Alsdann erklärte Graf Bismarck die außerordent liche Session des Reichstages für eröffnet, worauf der König unter einem, vom sächs. Minister Freih. v. Friesen ausgebrachten begeisterten, nicht enden wollenden Hoch den Saal verließ, womit der feierliche Act beendet war. In der Nachmittags 2 Uhr eröffneten Sitzung theilte Graf Bismarck dem Reichstage mit, daß der französische Geschäftsträger ihm soeben die Kriegser klärung Frankreichs überreicht habe. Lebhafter, nicht enden wollender Beifall beantwortete diese Mit theilung. — Ueber die Förmlichkeit der Präsidenten wahl und der Ausloosung in Abtheilungen setzte sich das Haus durch einstimmigen Beschluß hinweg. Das Bureau, wie es am Ende der vorigen Session bestanden hat, soll die Geschäfte des gegenwär- tjgen führen. — Der Gesetzentwurf, betreffend den außerordentlichen Geldbedarf der Militär- und Marine verwaltung, der dem Reichstag vorliegt, verlangt 120 Millionen Thäler. Der Wortlaut der französischen Kriegserklärung ist folgender: Der unterzeichnete Geschäftsträger Frankreichs hat in Aus führung der Befehle, die er von seiner Regierung erhalten, die Ehre, folgende Mittheilung zur Kennlniß Sr. Ercellenz des Herrn Ministers der auswärtigen Angelegenheiten Sr. Majestät des Königs von Preußen zu bringen: Die Regierung Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen, indem sie den Plan, einen preußischen Prinzen auf den Thron von Spanien zu erheben, nur als ein gegen die territoriale Sicherheit Frankreichs gerichtetes Unternehmen betrachten kann, hat sich in die Nothwendigkeit versetzt gefunden, von Sr. Ma jestät dem Könige von Preußen die Versicherung zn verlangen, daß eine solche Kombination sich nicht mit seiner Zustimmung verwirklichen könnte. Da Sc. Majestät der König von Preußen sich geweigert, diese Zusicherung zu erthcilen, und im Gcgenlhcit dem Bot schafter Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen bezeugt hat, daß er sich für diese Eventualität, wie für jede andere, die Möglich keit vorzubehalten gedenke, die Umstände zn Rathe zu ziehen, so hat dio Kaiserliche Regierung in dieser Erklärung des Königs einen Frankreich eben so wie das allgemeine europäische Gleich gewicht bedrohenden Hintergedanken erblicken müssen. Diese Er klärung ist noch verschlimmert worden durch die den Kabinette» zugcgangcne Anzeige von der Weigerung, den Botschafter des Kaisers zu empfangen und auf irgend eine neue Auseinander setzung mit ihm cinzugehen. In Folge dessen hat die französische Regierung die Ver pflichtung zn haben geglaubt, unverzüglich für die Vertheidigung ihrer Ehre und ihrer verletzten Interessen zu sorgen und, ent schlossen, zu diesem Endzwecke alle durch die ihr geschaffene Lage gebotenen Maßregeln zu ergreifen, betrachtet sic sich von jetzt an als im Kriegszustände mtt Preußen. Der Unterzeichnete hat die Ehre, Sr. Ercellenz u. s. w. die Versicherung seiner hochachtungsvoll«! Ergebenheit anszudrücken. (unterzeichnet) Le Sourd. Berlin, 19. Juli 1876. In der Sitzung des Reichstages am Mittwoch, 20. Juli, nahm derselbe einstimmig die Absendung einer Adresse an den König an. Bei Vorlesung derselben erhob sich das gesammte Haus, die Trübünen, sowie die in der Hofloge Anwesenden, und hörten den Inhalt stehend an. Der Kronprinz ist von Sr. Majestät dem König zum Obercommandirenden der gesamnuen süddeutschen Armee ernannt worden, ein Beweis dafür, wie hoch wichtig der König diese Stellung erachtet und für die erfreuliche Thatsache, daß die Schutz- und Trutzbünd- nisse allerseits in Treue aufrecht erhalten werden. Zum Commandirenden der zweiten Armee ist Prinz Friedrich Earl ausersehen. Der König selbst wird das Ober kommando über die gesammte deutsche Armee führen. Die Franzosen führen Proklamationen bei sich, welche — im Falle des Eindringens in Deutschland — die Hannoveraner zur Empörung auffordern sollen. Köln. Hier, wie im ganzen Rheinlande, wächst die Begeisterung und Opferfreudigkeit von Stunde zu Stunde. Reiche Gaben für hervorragende Thaten der deutschen Armee gehen schon ein; in der Vorstadt Ehren feld haben sich 60 junge Leute als Freiwillige gemeldet. Köln. Aus Saarbrücken ist vvm dortigen Zollinspektor nach Köln gemeldet worden, daß dort am Morgen des 19. Juli die Franzosen einen Einfall auf preußisches Gebiet gemacht, sämmtliche Räumlichkeiten des Nebenzollamts Solsterhöhe und zwei Grenzaufseher gefangen nach Frankreich abgeführt haben. Kiel. Die gesammte Studentenschaft der hiesigen Universität hat einstimmig beschlossen, als Freiwillige in die Armee einzutreten und Schritte zur Verwirklichung dieses Beschlusses gethan. Diese Hand lung entspricht vollständig der Stimmung, welche im ganzen Herzogthum herrscht.