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hieren und Dividieren von Professoren gelehrt! Da gab es noch keine Kettenbrüche, Dezimalbrüche, Logarithmen und Faktorentafeln, welche heute uns das Eindringen in das mathematische Gerüst des Werkes so erleichtern. Immerhin ist man auch gegenwärtig genötigt zu probieren. Die meisten Aufgaben gestatten nur eine näherungsweise Lösung, und der Grad der An Näherung, die mehr oder minder günstige Zerlegbarkeit der Zahlen sind nicht im ersten Augenblicke zu übersehen. Von einer Anzahl Lösungen ist meist die für den besonderen Fall günstigste erst auszuwählen. Denkt man sich ferner in welch unvollkommenem Zustande damals die Werkzeuge waren, von denen viele erst erdacht werden mußten, so erscheinen uns die Leistungen unserer Vorfahren noch um vieles höher. Die Kunstuhren stellen, wie bemerkt, auf möglichst einfache, leicht faßbare Weise die Erscheinungen dar, welche der Zeitrechnung im weiteren Sinne zu Grunde liegen. Diese sind: die Zeitartcn, die Bewegungen der Himmelskörper und die Mondphasen; ferner alles was zur Feststellung des Kalenders Verwendung findet. Die rechnerische Grundlage zu entwickeln, wird zunächst unsere Auf gabe sein; dann aber die Besprechung, wie die betreffenden Bewegungen durch Räderwerke hervorzubringen sind, wie dies bisher geschah oder er folgen könnte. Die Wirkung der streng mathematischen Gesetzen unterworfenen Mecha nismen haben für den Laien stets etwas Geheimnisvolles, weshalb auch an den meisten dieser monumentalen Werke sich Sagen knüpfen, als ob ihre Erbauer allein im stände gewesen wären, sie in Betrieb zu setzen, oder durch eine geringe Beschädigung den Stillstand der Uhr hervorbringen könnten. Manche sollen es auch gethan haben, weil sie mit Undank belohnt wurden. Die ist indes selbstverständlich falsch. Thatsächlich sind die Werke in ihrem heutigen Zustande nicht die Arbeit eines Einzelnen, sondern Uhrmacher, Ma thematiker, Astronomen, bildende Künstler sind nach Verlauf einer gewissen Zeit, meist anläßlich notwendiger gründlicher Reparatur, zusammengetreten, um die Kunstwerke zu verbessern, zu erweitern, zu ergänzen und auf die jeweilige Höhe der wissenschaftlichen Forschung zu bringen. Daß, vom Stande der Neuzeit betrachtet, in dem Nebenwerk mancherlei Verirrungen, Uebertreibungen vorkommen, daß der Servilismus u. s. w. in den Zuthaten mancherlei Geschmacklosigkeiten geschaffen, welche mit dem Wesen der meisten Kunstuhrwerke in grellem Widerspruche stehen, ist eine durch die Verhältnisse zu entschuldigende Thalsache. Derartige Ausartungen wird die Hand des die Renovierung besorgenden Meisters mit Recht beschränken oder unterdrücken. Hierher gehören z. B. die geschmacklosen Aenderungen, welche die Ol- mützer Rathausuhr im Anfänge dieses Jahrhunderts über sich ergehen lassen mußte u. a. m. Erinnert uns nun einerseits die Darstellung der ihre Bahnen durch messenden Himmelskörper an jene unwandelbaren Gesetze, welche im Weltall herrschen, und erwecken sie dadurch den Glauben an eine für alle Zeiten