Volltext Seite (XML)
unterließ aber das Anfahren. Nachmittags 4 Uhr sammelten sich auf der „Glückhilfsgrube" viele Arbeiter an, welche die Arbeit niedergelegt hatten, und zogen in den Grubenanlagen umher, kehrten sich auch nicht an die Aufforderungen des Directors, nach Hause zu gehen, wenn sie nicht ar beiten wollten. Als die Menschenansammlungen immer gefahrdrohender wurden, begab sich der Director Festner nach Hermsdorf zu dem Vorsitzen den der Gewerkschaft. Kaum hatte er die Grube verlassen, so ging die Menge zu Gewaltthätigkeiten über. Die Verlesesäle und Fahrhauerstuben wurden gestürmt und die Aufseher aus denselben unter Bedrohungen und Mißhandlungen vertrieben. Auch in die Kesselhäuser und Maschinenräume drang die tobende Menge ein und verjagte die Maschinen- und Kessel wärter. Die Steiger mußten durch das Fenster flüchten. Auch die meisten der übrigen Beamten verließen das Verwaltungsgebäude, von der schrei enden Menge verfolgt und beschimpft. Der im Zeichenbureau verbliebene Assistent Anders wurde von einer Rotte, welche die verschlossene Thür eindrücktc, hinuntergejagt und mißhandelt, wobei ihm Uhr und Kette ge stohlen wurden. In rocht erheblicher Weise wurde auch der Kalkulator Menzel, der Kassenkontroleur Wolff, der Assistent Hauffe und der Berg inspektor Grunenberg mißhandelt. Namentlich auf den Letzteren konzen- trirte sich die Wuth der Menge; als es ihm gelang, zu flüchten, erscholl der Ruf: „Schlagt ihn todt!" hinter ihm her, und als ihn an der Barriere des Bahnüberganges seine Verfolger wieder einholten, schlugen sie ihn von Neuem so, daß er zu Boden fiel; schließlich nahmen ihn einige Häuer in Schutz und brachten ihn blutüberströmt nach dem Gasthaus zu „Glück- Hilf". Der Obersteiger Völkel, der zufällig in die Nähe kam, konnte sich vor gleichen Mißhandlungen nur dadurch retten, daß er sich in ein nahes Haus flüchtete und sich dort zwei Stunden lang in einer Bodenkammer versteckt hielt. Bei dem gewaltsamen Eindringen der Menge in die Räume des Verwaltungshauses wurden sechs Thüren cinge- schlagen und erbrochen und etwa 17 Fensterscheiben zerschlagen. In den Bureaux wurden Spiegel, Bücher, Flaschen, Gläser, Kleiderständer, Bil der ec. zertrümmert und viele Dinge gestohlen. Auf der „Friedenshoff nungsgrube" ging die Menge am 14. Mai zu Gewaltthätigkeiten über. Die Vorstellungen des Direktors, daß noch Arbeiter in der Grube seien und daß die Menschen beim Stillstehen der Maschinen durch Explosion verunglücken könnten, fruchteten nichts. Die Fenster wurden eingeschlagen und mit Steinen nach dem im Kesfelhause stehenden Beamten geworfen. Dem Bergrath Irmer gelang es noch, ungefährdet durch die Menge zu kommen, die übrigen Porsonen aber wurden sämmtlich mehr oder minder schwer mißhandelt. Währenddessen wurden die Schachtgebäude weiter de- molirt und Alles zerstört, was überhaupt nur zerstört werden konnte. Das Schwurgericht fällte folgendes Urthcil: Es wurden wegen schweren Landfriedcnsbruchs vcrurtheilt: der Arbeiter Henkel als Rädelsführer zu 7 Jahren Zuchthaus und 7 Jahren Ehrverlust, der Schlepper Sopek zu 3 Jahren, Schlepper Büttner und Lehrhäuer Schiller zu 4 Jahren, Schlepper Scholz und Schlepper Schmidt zu je 5 Jahren, Schlepper Heydorn und Grubenarbeiter Zimmer zu je 2 Jahren, Schlepper Wilsch zu 3 Jahren nnd Schlepper Konrad zu 1 Vr Jahren Zuchthaus. Ferner wurden unter Bewilligung mildernder Umstände 17 Schlepper zu 1 bis 4 Jahren Ge- sängniß, 5 wegen einfachen Landfriedenbruchs zu 1 bis 3 Jahren Gefäng- niß verurtheilt. Einer wurde freigesprochen. Am Donnerstag gelangte die zweite Gruppe der aus Anlaß der Ex- cesse am Waldenburger Streikgebiet Angeklagten zur Aburtheilung. Von den 15 Angeklagten wurden der Lehrhäuer Pohl wegen schweren Land sried ensbruchs zu 4 Jahren Zuchthaus, drei andere zu 9 Monaten bis 2 Jahren Gefängniß verurtheilt. Wegen einfachen Landfriedensbruch wurde 1 Angeklagter zu 2 Jahren, 7 andere Angeklagte zu je 1'/^ Jahren, Einer zu 1 und Einer zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt. Ein An geklagter ging wegen seines jugendlichen Alters straffrei aus. Wien, 27. Juli. Der Saatenstands- und Erntebericht konstatirt, daß das Jahr 1889 für den weitaus größeren Theil von Galizien und fast ganz Schlesien ein vollständiges Mißjahr, für den größeren Theil von Böhmen und Mähren ein ungünstiges oder minder günstiges Jahr ist. Dagegen gehört der Jahrgang in Tirol zu den gesegnetsten seit Dezennien, der für die übrigen Alpen- und Karstländer zu den guten. Die Raps ernte ist ungünstig und noch unter der Hälfte einer Durchschnittsernte. Die Zuckerrübe zeigt einen größtentheils befriedigenden Stand. Der Hopfen läßt in Steiermark nur gute, in Böhmen eine mittlere und in Galizien eine mittlere bis schlechte Ernte erwarten. Schweiz. In Verfolg von Weisungen des Bundesraths hat die Regierung dlS Kantons Genf eine Anzahl Nihilisten, französische Anarchisten und deutsche Sozialisten ausgewiesen, welche keine regelmäßigere Papiere besaßen. Ucber die Krankheit des Großfürsten Konstantin Nikolajewitsch ent nehmen wir dem „Grashd." nachstehende Einzelheiten. Se. kaiserl. Hoheit empfing seine Tochter, die Königin der Hellenen, am Donnerstag, den 18. Juli. An diesem Tage, d. h. Donnerstag, fühlte sich der Großfürst außerordentlich wohl und war besonders heiter. Am anderen Morgen, d. h. am Freitag, hatte wie gewöhnlich der Maffagist Zutritt, der denn auch den Beginn der Lähmung der Finger der rechten Hand bemerkte. Die Paralysis dehnte sich dann auf weitere Theile des Körpers aus. An den ersten beiden Tagen weigerte sich der Großfürst Nahrung zu sich zu nehmen, und sie mußte ihm auf künstlichem Wege eingeflößt werden. Am Mon tag, den 22. Juli, nahm der Kranke seine Leibspeise, eine Beetensuppe zu sich. Die Endglieder des rechten Beines wurden beweglich. Der Groß fürst machte zuweilen Anstrengungen, um zu sprechen, doch vergebens; zu weilen ringen sich Laute und unverständliche Worte hervor. Indessen ver steht man ihn. Der Großfürst könnte zwar mit der linken Hand schreiben, da aber absolute Ruhe geboten, hat man diesen Nothbehelf nicht angewandt, und Niemand wagte, ihm diesen Vorschlag zu machen. London, 27. Juli. Heute Nachmittag hatin der Privatkapelle des Buckinghampalastes die Trauung der ältesten Tochter des Prinzen von Wales mit dem Carl of Fife nach dem dafür aufgestellten Program statt gefunden. Die Königin mit den anderen Mitgliedern der königlichen Fa milie, der König von Griechenland, der Kronprinz von Dänemark und der Großherzog von Hessen wohnten der Feier bei. Die Königin hat dem Carl of Fife die Würde eines Marquis und Herzogs unter dem Titel Marquis von Macduff, Herzog von Fife verliehen. London, 27. Juli. Der „Standard" meldet aus Shanha»: Durch das abermalige Austreten des gelben Flusses sind in der chinesischen Pro vinz Chantting verheerende Ueberschwemmungen angerichtet worden und zahlreiche Menschenleben verloren gegangen. Vaterländischer. — Zwei Fragen von bedeutender Tragweite für den Gewerbe- und Handwerkerstand sind jüngst von der Handels- und Gewerbekammer Zittau sowohl an alle Innungen, als auch an die Gewerbevereine zur Beantwortung gestellt worden: 1. Ob es wünschenswerth sei, eine Alters grenze zu ziehen, wonach Gewerbetreibende erst nach Zurücklegung eines ge wissen Alters selbstständig werden können? 2. Mit welchem Jahre würde es thunlich sein, Gewerbe selbstständig auszuüben? Dieser für den Gewerbe stand so wichtigen Angelegenheit ist u. A. auch in Löbau ein reges In teresse geschenkt worden. Die am 18. d. M. abgehaltene Versammlung des Gewerbevereins beschäftigte sich mit beiden Fragen und schloß sich nach lebhafter Debatte bereits bei der ersten Frage den von sämmtlichen Jnn- ungsvorständen gefaßten Beschlüssen voll und ganz an, dahingehend, „daß es recht und wünschenswerth sei, wenn eine auf gesetzlichen Bestimmungen beruhende Altersgrenze geschaffen würde, nach welcher überhaupt niemand früher selbstständig werden kann, sei er Gewerbetreibender, Kaufmann, Handelsmann, Gastwirth rc., und zwar erst dann, wenn alle, die für eigene Rechnung ein Geschäft betreiben wollen, sei es welcher Art cs sei oder welchen Namen es trage, von dieser Gesetzbestimmung getroffen werden." Als Altersgrenze wurde das vollendete 24. Lebensjahr mit überwiegender Majorität festgehalten und man suchte dies mit Recht damit zu begründen, daß die deutsche Nation in erster Linie diesen Zeitpunkt in Berücksichtig ung ihres Militärs festzuhalten schuldig sei, indem die gesündesten und thatkräftigsten jungen Leute dem Heere angehören müssen, und es diesen doch nur in seltenen Fällen vergönnt ist, vor vollendetem 24. Lebensjahre einen eigenen Herd zu gründen; zudem würde gerade dieser Grund auch die jungen Leute aller anderen Berufsarten treffen. — Ein schrecklicher Unglücksfall trug sich am Freitag am EliaSplatz in Dresden zu. Nach der Blumcnstraße kamen zwei führerlose Pferde mit einem Lastwagen gestürmt und überfuhren im Nu eine des Weges komniende Frau mit ihren beiden kleinen Kindern. Während eins von den letzteren, ein vierjähriges Kind, anscheinend unverletzt davonkam, blieb das andere, im Alter von sieben Jahren, dem die Räder über den Unter leib gingen, sofort todt und die bedausrnswerthe Mutter wurde sehr schwer, insbesondere am Kopfe, verletzt nach dem Karolahause gebracht. Das Durch gehen der betreffenden Pferde, die zum Tränken am Brunnen auf der Blumenstraße still gestanden hatten, war dadurch veranlaßt worden, daß ein vorüberfahrender Kutscher dem einen Pferd einen Peitschenhieb versetzte. Und durch diesen Kutscherscherz ist ein Menschenleben getödtet und ein anderes in schwere Lebensgefahr gebracht. Auch das Fuhrwerk ist auf der Blumen straße zertrümmert liegen geblieben, während die Pferde die Blumenstraße hinaus weiter gerast sind. — In eine höchst fatale Situation brachte man dieser Tage in einem Orte in der Nachbarschaft Meißens einen recht geizigen Onkel. Der selbe beabsichtigte ein Schwein zu schlachten und sorgte dafür, daß ja Niemand von seiner ausgedehnten Verwandtschaft etwas davon erführe, denn ein Stück Wellfleisch oder Wurst abzugeben, war ihm äußern Spaß. Der Fleischer ist also zur Stelle und das Schlachten beginnt, da traut der Onkel seinen Augen und Ohren kaum, denn ein straffer Junge tritt mit freundlichen „Guten Morgen, Onkel!" ein. Es war der Neffe, der schnell kurzen Prozeß machte, einen Löffe lherzuholte und sich nachseiner Art zu schaffen machte. Der Onkel warf ihm dabei wüthende Blicke zu. Mitten in dieser Arbeit öffnette sich die Thür zum zweiten Male und drei Frauen, Hand körbchen ani Arme, begrüßten in freundlichster Weise unsern erstaunten Onkel, es waren wiederum Anverwandte. Dem alten Geizhals zitterten beim Abschaben der Borsten die Hände, denn die Frauen machten die Küche zurecht, deckten den Tisch rc. Immer und immer mehr Verwandte — es waren gerade 12 — trafen ein und warteten selbstverständlich auf das Wellfleisch. Wohl oder übel mußte denn nun der Onkel gute Miene zum bösen Spiele machen und sah mit Ingrimm, wie es seinen Neffen, Basen und Nichten schmeckte, konnte aber nicht begreifen, welcher glückliche Zufall die ganze Gesellschaft zum Schweineschlachten geführt habe. Da endlich kommt in die Sache Licht. Eine freundliche Nichte dankte bestens für die Einladung nnd erbittet sich auch noch für die Mama, die vom Hause nickt fortgekonnt habe, ein Stück Wellfleisch. „Was? Einladung, mir gar nicht eingefallen!" rc. Alle sind natürlich erstaunt und holen ihre Einladungskarten hervor. Ein „guter" Freund wußte von dem Schlacht feste und hatte die ganze Verwandtschaft zum Onkel geladen. Da man nun einmal da war, wurde auch weiter gegessen, der Onkel aber beabsichtigt gegen den guten Freund klagt ar zu werden. — Am 26. d. M. hat sich ein Bergarbeiter in Halsbrücke dadurch getödtet, daß er eine Dynamitpatrone in den Mund nahm und dieselbe anzündete. Der Kopf des Unglücklichen war entsetzlich zersprengt. — Dresden, 26. Juli. Nachdem erst vor wenigen Tagen aus Ver anlassung der Differenzen der königl. Musikdirector Ehrlich (vom Genadier- regiment' Nr. 100) seinen Abschied zn nehmen sich genöthigt sah, ist am Dienstag Vormittag auf Befehl des Ncgiments-Commandcurs Oberst von Egidy der königl. Musikdirector Trenkler des 2. Grenadicrregiments in Ge wahrsam genommen worden; das königliche Gericht der 1. Division Nr. 23 verfügte Tags darauf seine Inhaftnahme als UntersuchungSgefangencr. Ordnungswidrigkeiten bei dem Ankauf von Instrumenten sollen zur An zeige gebracht worden sein. Näheres bleibt abzuwarten. — Roßwein, 24. Juli. Die Zahl der durch kleine unbeobachtet gebliebene Verletzungen entstandenen tödtlich verlaufenden Blutvergiftung ist durch einen neuen bedauerlichen Fall vermehrt worden. Der Gutsbe sitzer Zill im benachbarten Etzdorf, ein rüstiger Greis von 74 Jahren, welcher noch am vorigen Sonnabend Korn auf dem Felde mähte, verletzte sich am Abend des genannten Tages den kleinen Finger der linken Hand an einem rostigen Nagel. Leider trat in Folge dessen Blutvergiftung ein, welche, da sofortige ärztliche Hilfeleistung verabsäumt wurde, schnell weiter um sich griff und bald derart vorgeschritten war, daß auch der nun herbei geholte Arzt keine Rettung mehr bringen konnte. Am Montag Abend wurde der Unglückliche durch den Tod von seinen schweren Leiden erlöst. — Das betrübende Vorkommniß sei eine erneute dringliche Mahnung, bei selbst geringfügigen Verletzungen, wenn Blutvergiftung zu befürchten ist, mit der schleunigen Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe nie zu zögern. — Meißen. Bei dem heftigen Gewitter, welches sich am Nachmittag des 24. Juli über unserer Stadt und der Umgegend entlud, hat ein Blitz schlag den auf freiem Felde befindlichen Gutbcsitzer Steiger aus Gasern tödt lich getroffen. — Ein früher Herbst steht in Aussicht, wenn man den Imkern glauben darf. Dis Biene prophezeit durch ihre Thätigkeit ein baldiges Ende der Honigtracht, also die Nähe des Herbstes. In gewöhnlichen Jahren werden die männlichen Bienen (Drohnen) erst im August aus dem Stock Hinaus getrieben damit sie dann dem Hungertods verfallen. In diesem Jahre hat die Drohnenschlacht jetzt schon ihren Anfang genommen; ja selbst die Drohnen brut, die noch hier und da in den Stöcken sich vorfindet, wird erbarmungs los aus den Zellen gerissen und zu den Stöcken hinausgeworfen. — Die mündliche Schenkung einer Sparkassenforderung durch die mit der Ermächtigung zur Einziehung Seitens des Geschenkgebers er folgte Aushändigung des Sparkassenbuches an den Beschenkten ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Strafsenat, vom 8. April d. I. in Verbindung mit der Einziehung der Forderung Seitens des Beschenkten eine giftige, durch Uebergabe vollzogene Schenkung einer beweglichen Sache. Ist aber dix Einziehung der Forderung nach dem Tode des Geschenkgebers vom Beschenkten nicht für sich, sondern für den Nachlaß erfolgt, so ist die Schenkung nicht giftig. Der Beschenkte hat alsdann das Geld auf Verlangen der Erben zum Nachlaß herauszuzahlen.