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Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 32. Dienstag den 26. April 187Ü. Tag esgeschichte. Die „C. Z." schreibt: Auf erhobene Zweifel hat das Ministerium des Innern entschieden, daß nicht nur bei Gesuchen um Erlaubniß zum Ausschänken von Branntwein allein oder zum Kleinhandlel mit Brannt wein und Spiritus, sondern auch beiGesuchen, welche ganz allgemein auf Erlangung der zum Betriebe der Gast- oder Schankwirthschaft ge richtet sind, die Berücksichtigung der Bedürfnißfrage in der § 33 Äb- theilung 3 der Bundesgewerbeordnung gedachten Richtung nach den zcitherigen Grundsätzen cinzutrcten hat. Sofern das Vorhandensein eines diesfallsigen Bedürfnisses zu verneinen ist, wird die Behörde in den Fällen der letzteren Art jedenfalls znr thcilweisen Versagnug der gebetenen Erlaubniß, unter Umstünden aber auch zur gänzlichen Abweisung des Gesuchs berechtigt sein und zwar letzterer dann, wenn nach den obwaltenden besonderen Verhältnissen anzunehmen ist, daß die eigentliche Absicht des Gesuchstellers vorwiegend auf die Etablir« ung eines Branntweinschankes gerichtet ist. Wie eine ministerielle Bekanntmachung besagt, haben die Negie rungen sämmtlicher, dem norddeutschen Bunde angehörenden Staa ten sich dahin vereinigt, daß in Betreff der Frankirung der seit dem I. Jan. d. I. portopflichtigen Correspondenz zwischen den Behörden der verschiedenen Bundesstaaten ein gleichmäßiges Verfahren in An wendung gebracht und der Grundsatz festgehalten werden soll, daß stets die absendcnde Behörde die Sendungen zu frankircn hat. Infolge wiederholter Klagen in verschiedenen Provinzialblättern über die Üebcrhandnahme des Hazardspiels hat das königl. Ministe riums des Innern die Amtshanptmannschaften veranlaßt, die Gcns- darmerie zur sorgfältigen Vigilanz auf öffentliche Wirthschaften, na- l mentlich auf solche, von denen bereits bekannt ist, daß in ihnen ge spielt wird, und zum sofortigen und unnachsichtlichen Einschreiten gegen die beim Hazardspicl Betroffenen anzuhalten. Die Gemahlin des Prinzen Georg sieht wieder einem glücklichen Ereigniß entgegen. Aus Dresden vom 19. April berichtet das „Dr. I.": Gestern Mittag begingen zwei junge Mannspersonen, der Handarbeiter Nichte von hier und der zur Zeit hier wohnhafte Hutmachergeselle Gersten berger aus Mohlsdorf, die Unvorsichtigkeit, anf dem sogenannten Weiten Heller in der Nähe der Arlillerieschießstände daselbst bei Schießübungen nicdergefallene Artillericgeschosse aufzusuchen, obwohl hiergegen wiederholt Verbote und Warnungen erlassen worden sind. Hierbei fanden sie denn auch eine Shrapnellkugel, welche, als sie sich mit derselben beschäftigten, explodirte und beide so arg beschädigte, daß Nichte auf der Stelle den Tod fand. Ebenso steht kaum zu er warten, daß Gerstenberger, welcher sich von der Unglücksstütte eine Strecke fortzuschleppen vermochte, bis es ihm möglich war, Hülfe zu erlangen und nach dein Stadtkrankenhause gebracht zu werden, noch am Leben werde erhalten werden. — Der Hutmachergeselle Gersten berger ist bereits am 19. April im Dresdner Krankenhause seinen Wunden erlegen. In der Nacht vom 18. zum 19. April ist die 75 jährige Wittwe und Armenhausbewohnerin Wadewitz zu Gornewitz in ihrem Bette fast gänzlich verbrannt. Unvorsichtigkeit beim Auslöschen ihrer Lampe vor dem Schlafengehen dürfte die Ursache dieses bedauerlichen Vor falles sein. In der darauf folgenden Nacht ist die verehel. Hohlein Wermsdorf, 54 Jahre alt, in totaler Trunkenheit in ein unmittel bar an ihrer Behausung befindliches Wasserloch gefallen und am andern Morgen darin todt aufgefundcn worden. Am 19. April Abends gegen 11 Uhr sind in Jacobsthal unweit Strehla 8 Besitzungen,sämmtlich alte und mit Strohgedeckte Wohn- und Wirthschaftsgebaude, ein Raub der Flammen geworden. Das Feuer ist in einem Stallgebäude ausgebrochen und wird Brandstift ung vermuthet. Am 13. April hat bei einer armen Arbeiterfamilie in dein in der Nähe von Dresden gelegenen Dorfe Briesnitz eine unbekannte Frauensperson für sich und thr bei sich geführtes Kind, ein etwa 4 Monate altes Mädchen, Obdach verlangt und erhalten. Am andern Morgen verabschiedete sich dieselbe auf eine Stunde mit Zurücklassung ihres Kindes, ohne jedoch wieder zurückzukchrcn und sich überhaupt seidem um ihr Kind zu kümmern. Der „B. B. Z." wird aus Zwickau berichtet, daß seit Kurzem in dortiger Gegend das Gerücht von einer aus den 1. Mai beabsich tigten Arbeitseinstellung der dortigen Kohlcnarbeiter spuke. Der be treffende Korrespondent meint jedoch, der größte Theil dieser Leute sei in solchem Verdienst und nüchtern genug, daß er das Nachthci- lige eines Strikes einsehen und sich nicht dabei betheiligen werde. Aber cs werde auch Empfängliche geben, die sich doch von den Stri- kepredigern bethörcu lassen und wenn selbst nur eine kleinere Zahl der Arbeiter und auf kürzere Zeit feiern sollte, so werde dies doch für die Kohlenbcdürftigen fühlbar genug sein. Der engere Ausschuß, des deutschen Protcstantenvereins, welcher am 20. d. M. auf der Wartburg zu Eisenach versammelt war, hat beschlossen, den fünften Deutschen Protestantentag EnG« September oder Anfang October zu Darmstadt abzuhalten. Als erstes Thema sollen „Deutsche Aufgaben gegenüber dem römischen Concil und dem Jesuitenorden" besprochen werden, und alsdann „Protestantische Auf gaben gegenüber dem Papstthum innerhalb der evangelischen Landes kirchen", wofür Geh. Rath I)r. Bluntschli und 1)r. Baumgarten als Referenten bestellt wurden. Der Letztere hat einen Aufruf an das Deutsche protestantische Volk entworfen, der allseitigen Beifall fand und durch den Druck verbreitet werden soll. — Die Hcrbeischaffung von größeren Geldmitteln ward als nothwendig angesehen und wird der geschästsführende Ausschuß das Weitere veranlassen. Von Berlin aus ward ein neues Blatt des Protestantenvereins angeregt. Berlin, 21. April. Die „Trib." schreibt: Ucber dem letzten Abschnitt der parlamentarischen Arbeiten, der heute beginnt, schwebt ein eigner Unstern. Graf Bismarck, der Präsident des Bundesraths, des Zollvereins, wie des norddeutschen Bundes liegt in Varzin. — I)r. Simson, der Präsident des Reichstages und bislang auch des Zollparlamentes, liegt in Berlin krank darnieder. Herr Simson Hal sich eine Fußvcrlctznng zngczogen, die ihn schon sei einigen Tagen nöthigt, das Zimmer zu hüten und vorläufig auch wohl von der Wahrnehmung seiner Präsidialgeschäfte abhalten möchte. Graf Bis marck wird, nach den heutigen Nachrichten, einige Wochen Urlaub zur Erholung bedürfen. Dem Grafen Vismarck ist in Varzin die Galle in's Blut getreten und seine Krankheit keine unbedenkliche. Er leidet nach Jahren nach starken GemüthSerrcgungen, an Gallencrbrechen und war seit 186»! in Folge der Ungeheuern diplomatischen und militärischen Strapazen selten ganz gesund. Schon klingt aus Bismarcks Briesen, die von Hesckiel veröffentlicht sind, die Klage über das Aufreibende seiner Stellung und die Sehnsucht nach dem ruhigen Landleben fern von den großen StaatSgeschüften durch. In denselben Briefen spricht er es aber auch aus, daß er sich seinem Könige vollständig zur Ver fügung gestellt habe und nicht ohne die höchste Noth sich ihm ent ziehen werde. Der BundeSrath wird den liberalen Parteien im Reichstage vor der dritten Lesung des Strafgesetzbuchs die Fragestellung ersparen, welche Position er zur Todesstrafe eiunimmt. Gutem Bernehmen nach wird Graf Bismarck unaufgefordert diese Erklärung abgeben, und sie dürfte, wie die „Elberf. Ztg." wenigstens meint, nicht sehr geeignet sein, die Hoffnungen anf ein annehmbares Kompromiß zu verwirklichen. Eine ziemlich große Anzahl von NeichStagSmitgliedern und na mentlich von solchen, deren Wiederwahl keinem Bedenken unterliegt, erklären jetzt bereits ganz bestimmt, kein Mandat wieder annehmeu zu wollen. Aus der Flugschrift eines preußischen Offiziers (Kummer) wan dern die Zahlen über das deutsche Heer durch alle Zeitungen. Die Kriegsstärke des norddeutschen Hecres beträgt 944,000 Köpfe - 3 PC. der Bevölkerung. Rechnet man die Verbündeten Armeen von Bayern, Württemberg und Baden in der Kriegsstärke von 142,000 Mann hinzu, so gibt das eine Streitmacht von 1,126,000 Köpfen. Nach Abzug der vorerst im Lande zurückbleibenden Ersatz- und Be satzungstruppen ist die Feldarmee des nordd. Blindes 551,000 und die Feldarmee der südd. L-taaten 107,000 Mann stark. Die franzö sische Armee und Reserve betrügt (nach französischen Angaben) 647,000 Mann, also etwa der deutschen Armee. Nach Kummers Berech-