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nmnsterium damit einverstanden, daß das neue Orts klassenverzeichnis für die Lohnempfänger der Reichspost und für die Arbeiter der Betriebs- und Verwaltungsbehörden des Reiches und Preußens rück wirkend ab 1. Oktober in Kraft treten soll. Die fälligen Beträge fallen möglichst schnell an die Lohnempfänger aus gezahlt werden. Zagows Festungshaft Die überraschende Verhaftung. Der Kapp-Prozeß hat mit einer kleinen Sensation ge schlossen, die sogar zu falschen Gerüchten über eine angeb liche Flucht Jagows Veranlassung gab. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung erschienen im Reichsgericht zwei Kriminalbeamte der Leipziger Polizei und erklärten dem sich bereits zum Weggehen rüstenden Hernr v. Jagow, daß sie ihn im Auftrage des Oberreichsanwalts zu verhaften hätten. Jagow, der mit dieser Maßnahme Wohl nicht ge rechnet hatte, war im ersten Augenblick betroffen, folgte dann aber den Beamten ohne weiteres. Von Leipzig aus soll v. Jagow unverzüglich einer preußischen Festung zur Strafverbüßung zugeführt werden. Lr hat an seinen Ver teidiger, Rechtsanwalt Grünspach, einen Bries gerichtet, in dem er schreibt, daß sein ganzes Verhalten während der Voruntersuchung eine Bürgschaft dafür gewesen wäre, daß er nicht daran gedacht hätte, sich der Strafvollstreckung zu entziehen. Er bittet, einen Strafaufschub zur Rege lung persönlicher Angelegenheiten zu erhalten. Die von Fa- gow gestellte Kaution von 500 000 Mark bezog sich nur auf die Verschonung mit der Untersuchungshaft. Die Kaution ist daher jetzt frei geworden. Die Festungshaft besteht in einfacher Freiheitsent ziehung mit Beaufsichtigung der Beschäftigung in der Lebensweise der Gefangenen. Die Strafe wird in Festun gen oder in anderen dazu bestimmten Räumen vollzogen. In früherer Zeit bestand die Mehrzahl der Festtrngsgefan- genen aus Personen, die sich eines Duellvergehens schuldig gemacht hatten. Die Art, wie die Strafe gegen diese Ge setzesübertreter vollstreckt wurde, war zumeist überaus milde. * Die anderen. Freiherr v. Wangenheim ist nach der Urteilsverkün- Lung im Hotel von einer Deputation des Reichs-Landbundes begrüßt und beglückwünscht worden. Sanitätsrat Dr. Schiele ist an die Spitze des Zentralverüandes deutscher Haus- und Grundbesitzervereine berufen worden. Oberreichsanwalt Ebermayer hat dem Reichssustiz- minister Radbruch über den Verlauf und das Ergebnis der Leipziger Gerichtsverhandlung Bericht erstattet. Bei dieser Ge legenheit soll auch der Fall Ludendorff und die Frage einer eventuellen Anklageerhebung gegen ihn besprochen wor den fein. Zndustriegelver für oie Wissenschaft. Von Dr. Karl Mischke. Mot macht erfinderisch und hilft neue Wege zu ent decken. Eines der traurigsten Kapitel aus unserer Nach kriegsgeschichte ist, daß in den Ländern Mitteleuropas jetzt für die Wissenschaft und die Förderung des Studiums kein Geld vorhanden ist. Es sieht traurig aus im Deutschen Reiche und in Deutsch-Osterreich, denn die übrigen Teil länder des ehemaligen Osterreich-Ungarn, die Tschecho slowakei, Ungarn, Jugoslawien, kommen ja nicht in Frage. Nur von den deutschen Gebieten aus läßt sich ein neuer Aufstieg der nationalen Arbeit erwarten. In Deutsch-Osterreich hat man einen etwas eigen artigen Weg beschritten, um Geld zu bekommen. Die Orden, die 1919 abgeschafft wurden, hat man wieder ein- yeführt. Wer an die Universität Wien, ob In» oder Aus länder, eine bestimmte Mindestsumme von 200 000 Kronen zur Förderung des Studiums, zur Beschaffung von Büchern und Instrumenten, zur Einrichtung von wissen schaftlichen Instituten oder sonst einem derartigen Zwecke hergibt, bekommt die Denkmünze für Förderung der Wissenschaft, die damit aleickzeitta eine Ordensauszeich Die Grafen von Freydeck. 25) Roman von A. Ostland. „Es ist hier nicht der Ort," sagte er dann abwehreno und die Leiche Julies mit einem Blick streifend. „Und es ist auch jetzt nicht die Zeit zu weiteren Besprechungen. Ich stehe hier als Vertreter meines langjährigen Freun des, des alten Grafen von Freydeck und seiner Familie. Der alte Graf ist heute nacht ganz unerwartet gestorben!" Daniel Stegmann betonte die letzten Worte stark. Da bei ließen seine Augen nicht für eine Sekunde ab von dem Gesicht Günthers. „Gestorben?" Der Fabrikant hatte das Wort in großer Erregung her» oorgestoßen. Diese Nachricht schien ihn zu überraschen. Georg lehnte seinen Kopf an des Vaters Brust. „Ja, Vater," sagte er leise, „und — und ich war allein bei ihm. Ich —" die Worte wollten nicht über seine Lippen. Aber Erich batte nach der zitternden Hand des jüngeren Bruders gegriffen und sagte nun fast befehlend: „Georg, sage alles! Sage die Wahrheit! Ich bitte dich! Es ist ja da ein ganzes Netz — eine seltsame Ver kettung der Ereignisse — sprich — sprich!" Erich Günther hatte das ganz außerordentlich rasch geführte Gespräch der letzten Viertelstunde, die fliegenden Wechselreden mit immer steigendem Interesse verfolgt. Und plötzlich war eine heimliche Angst in ihm er wacht. Er hatte zuerst gedacht, der Tod Julies sei an und für sich schon genug des Unglücks, der Schmerz hatte ihm die klare Ueberlegungskraft getrübt. Aber jetzt fühlte Georg Günther es ganz deutlich: da lauerte noch etwas — ein Verdacht — ein Geheimnis, das seine feinen und doch starken Fäden nun schon um Hilda Wentheim spann» das auch seinen Vater, seinen Bruder zu umschlingen drohte. Der Tod des alten Grafen — Georg berichtete erst stockend, in einer wachsenden Erregung über die näheren Umstände dieses Todes — Tante Julies furchtbares Ende — und nun die seltsame Schilderung dieser fremden Ge stalt, welche Georg vorgab gesehen zu haben — wo war da ein Zusammenhang, wo war da ein Licht? Auch Käthe Gerlach hatte aufmerksam zugehört. Und nun, als Georg aufhörte zu sprechen, war sie die erste, welche das Wort ergriff. „Diese fremde Frau — die muß man vor allem suchen. Haben Sie die merkwürdige Erscheinung nicht auch ge sehen, Hilda?" Hklda Wentheim hatte diese Frage kommen sehen. Sie dachte angestrengt nach. Frau Marie Mitten und der alte Diener würden nung UND eine Art Quittung darstellt. Levensaus yar vre Universität Wien mit ihrem staatlich anerkannten Ehren zeichen für Verdienste um die Wissenschaft — aber nicht für wissenschaftliche Verdienste — so gute Erfolge erzielt, daß die übrigen österreichischen Universitäten bald das Bei spiel nachahmen werden. In Berlin hat man andere Wege beschritten, um Geld für die Wissenschaft mobil zu machen. Im Ministe rium für Volkswohlfahrt sand dieser Tage eine Sitzung statt, die sich mit einem neuen Röntgen-Institut befaßte. Teilnehmer waren Regierungsvertreter, Ange hörige der medizinischen Fakultät, Ärzte und — jetzt kommt die Hauptsache: Herren der Industrie, die sich mit Herstellung von Röntgen-Apparaten und Zubehör befaßt. Das ist ein großer und noch immer ausdehnungssähiger Zweig. Die Idee ist, ein neues Röntgen-Institut für Berlin zu gründen, das Laboratorium, Hörsäle, Biblio thek, Lehrräume usw. umfassen soll. Die neue Röntgen- Akademie soll aber kein Forschungs-Institut werden, son dern lediglich dem Unterricht und der Fortbil dung der Ärzte aus diesen: Gebiete dienen. Das -Geld würde von der Industrie gegeben werden, die ja auch an der Sache ein verständliches starkes Interesse hat. Je mehr die Ärzte in Röntgen-Therapie ausgebildet sind, desto mehr Apparate dieser Art werden gebraucht, das ist klar. So weit wäre also alles in bester Ordnung, aber die Männer der Wissenschaft haben doch Bedenken geltend gemacht. Sie wünschen nicht, daß neben der Uni versität noch ein zweites, privates, Institut zur Ausbil dung der Ärzte gegründet wird, sondern hätten es lieber gesehen, wenn die Industrie, anstatt eine eigene von ihr abhängige Einrichtung zu gründen, einfach den bestehen den Instituten, die man ja erweitern und ausbauen kann, Gelder in uneigennütziger Weise zur Verfügung stellte; der erwartete Vorteil würde sich fchon von selbst einstellen. Die Angelegenheit ist noch nicht abgeschlossen. Man kann zurzeit nicht sagen, welcher Weg eingeschlagen werden wird, indessen ist cs gut, daß wenigstens schon etwas an gebahnt ist, um die deutsche Wissenschaft und die deutsche Präzisionsindustrie vor Verlusten zu bewahren. Wir müssen überbaupt lernen unsere Wissenschaft als einen positiven Posten in die Volkswirtschaft einzustelleni Aus Stadt und Land. Mittciluna-n für Lieft Rubrik nehmen wir immer dankdur «ltgegcn. Wilsdruff, am 27. Dezember. — Die Weihnachtsfeiertage sind vorüber und sie verliefen, soweit man im Vorbeihuschen an hellerleuchteten Fenstern wahrnehmen konnte, in durchaus harmonischer Weise. Wie im Vorjahre, so fehlte auch dieses Jahr der Schnee; denn die wenigen Flocken, die am Abend des ersten Feiertages Herniederwirbelten, und nun noch auf Straßenrändern und Feldern liegen, sind nicht der Rede wert. Verlockten am Nachmittag des ersten Feiertags einige Sonnenblicke zum Spazierengehen, so war am zweiten Feiertag das Wetter naßkalt und wenig angenehm. In den Gotteshäusern war wie alljährlich der Besuch so wohl am heiligen Abend, als auch an beiden Feiertagen selbst ein ziemlich starker, und man nahm von der ernsten, würdigen und doch freudig erhebenden kirchlichen Feier eine tiefe, seelische Befriedigung mit nach Hause. Die Veran staltungen der Vereine am ersten Feiertag erfreuten sich eines Massenbesuches und der Abend des zweiten Feiertages sah die Jugend wieder beim Tanze. Das Weihnachts konzert der Stadtkapelle findet heute abend im „Löwen" statt und macht den Beschluß der Weihnachtsveranstaltungen. Das schönste der Feste ist also wieder einmal vorbei und ein volles Jahr muß ins Meer der Ewigkeit fließen, bevor es sich wiederholt. Hoffen wir deshalb, daß das Weihnachts fest allen unseren lieben Leserinnen und Lesern das gehalten haben möge, was sich jeder Einzelne von ihm versprach. jedenfalls aussagen, daß auch sie die Gestalt einer Frau — sie glaubte einer Nonne — gesehen hätten. Aber sie selbst, Hilda, war ja vollständig allein in ibrcm Zimmer gewesen. Niemand konnte ihr ja beweisen» daß auch sie jene Erscheinung gesehen habe. In Wahrheit hatte sie ja auch nur eine Hand gesehen — nichts als eine Hand. UnddieseHand hatte geschrieben: „Schweige! Schweige !" Ein sonderbares Gefühl überkam das junge Mädchen. Ihr war es, als würde sie, wenn sie das Gebot der Fremden mißachtete und von dem sprach, was diese Nacht ihr gebracht, sich lossagen von dem einzigen Menschen, welcher, außer Georg Günther, sie liebhatte, der Anteil an ihr nahm. In irgendeiner Beziehung mußte jene Erscheinung doch zu ihr stehen. Sie hatte ihr Gutes getan, hatte für sie sorgen wollen. Sollte sie dafür die Unbekannte verraten? Wie ein Wirbelsturm jagten die Gedanken und Er wägungen durch Hildas Kopf, wirr, beängstigend. Sie nahmen nur den Bruchteil einer Minute in Anspruch, und dennoch wirkte die Stille, welche der Frage Käthe Gerlachs folgte, nun schon beklemmend. Hilda empfand dies selbst; aber die Angst, die Unge wißheit, was sie tun und sagen sollte, schnürten ihr förmlich die Kehle zusammen. Endlich raffte sie sich auf. „Nein," sagte sie tonlos, „ich — ich habe jene Er scheinung nicht gesehen." Sie fühlte, daß ihre Stimme bebte, daß der Ton der Ueberzeugung darinnen fehlte Angstvoll sah sie von Käthe zu Georg. Das ernste, stille Mädchen flößte ihr Vertrauen ein. Aber Käthe sah weg. Und Hilda Wentheim wußte es sofort: auch Käthe glaubte ihr diesmal nicht. Georg Günther riß sein Taschentuch hervor. Große Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. Da fiel mit leisem Rauschen etwas zur Erde, das er bei sich getragen. Es war ein schmales Päckchen. Nach allen Richtungen hin wehte der Wind, welcher zu dem geöffneten Fenster hereinstrich, die blauen Scheine auseinander. Fast mechanisch bückte sich Georg Günther danach. Aber der Iustizrat war schneller. Schon rafften seine Finger die flatternden Zettel zusammen. „Das ist — das ist mein Eigentum!" stieß Georg zwischen den Zähnen hervor. Beinahe kampfbereit stand er dem alten Manne gegen über. „Ihr Eigentum? Hm, und seit wann?" „Das gebt Sie nichts an, Herr Rat!" sagte er dann verbüken. — Tagesordnung für die gemeinschaftliche Sitzung des Rats und der Stadtverordneten Donnerstag den 29. Dezember 1921, abends 8 Uhr. 1. Grund steuer. 2. Gewerbesteuer. 3. Einverleibung des hiesigen selbständigen Gutsbezirks. 4. Richtigsprechung der Spar kaffenrechnung von 1920. 5. Zuwahl von 2 Mitgliedern in den Krankenhausausschuß. 7. Beamtengehälter usw. 8. Verschiedenes. — Von frisch fröhlichem Turnergeiste durchweht war die Abendunterhaltung des Turnvereins (D.T.) am 1.Feiertag im Saale des „Löwen", der bis zumletzten Plätzchen gefüllt war. Der Vorsitzende des Vereins, Herr Fabrikant Hille, rief allen ein „herzlich Willkommen" zu und dann wickelten sich in ununterbrochener Folge die turnerischen Vorführungen ab. Die Knaben vom 1. bis 5. Schuljahr turnten Freiübungen, die an Straffheit nichts zu wünschen ließen, die Knaben vom 6. bis 8. Schuljahr ebensolche Stabfreiübungen, andere stellten hübsche Gruppen. 2 Ab teilungen Mädchen boten ebenfalls Freiübungen, die im 8. Schuljahr einen wohlgelungenen Schneeballreigen. Am Pferd zeigten Jugendturner und Altersriege schöne Leistungen, am Stützbarren Turnerinnen und Mitglieder. Alles gab ein treffliches Bild von der Arbeit, die in den einzelnen Abteilungen unter bewährter Leitung geleistet wird. Den Glanzpunkt des Abends bildeten wie immer die Vor turner am Hochbarren sowohl wie am Reck. Höchstleistungen an Sicherheit und Eleganz, auf die der Verein besonders stolz sein darf. Eine an das Weihnachtsfest anklingende Gruppe der Mädchenabteilung mit Gesang und brennendem Lichterbaume beendete den rein turnerischen Teil des Abends. Dann sang die Fiedel, stöhnte der Brumbaß und dazwischen jubilierte die Klarinette, und nach deren Weisen drehten sich die Paare im Tanze bis lange nach Mitternacht die Polizei stunde dem fröhlichen Treiben ein Ende machte. — Am 21. Januar findet ein weiterer Unierhaltungsabend statt, dessen Programm die Dresdner Kunstturnervereinigung bestreitet. — Der M.-G.-V. „Brudergruß" hat schon oft schöne gesangliche Erkolge erzielt. Er zählt weiter aber auch Mitglieder zu den Seinen, die auf theatralischem Ge biete Hervorragendes zu leisten imstande sind. Diese be kannte Tatsache dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, daß am 1. Feiertag abends der „Adler"saal zum Brechen voll war, als das Hillmann'sche Schauspiel „Der Grund müller" über die Bretter ging. Es ist ein Stück, das Charaktermenschen auf die Beine stellt. Da ist zunächst der alte Grundmüller, ein Mann von altem Schrot und Korn, der in seinem Haß gegen das neue Dampfsägewerk fast zum Verbrecher wird. In der Person des Ingenieurs der Dampfsäge naht sich ihm der Versucher, der es auf die Grundmüllerstochter und seinen Reichtum gleicher maßen abgesehen hat. List und Drohung führen den Grundmüller ganz in seine Arme. Die Müllerstochter aber hat dem Sohne des Dampfsägebesitzers ihr Herz geschenkt und findet in dem Vetter des Grundmüllers einen Beschützer ihrer Neigung. Uebereilt gehl der Ingenieur auf sein Ziel los und verursacht eine Explosion des Dampfkessels. Von umherfliegenden Steinen wird der Sohn des Besitzers ge troffen und nach der Grundmühle geschafft, wo er Pflege findet und bei seinem Vater durchsetzt, daß er die Müllerstochter heimführen darf. Der Grundmßller da gegen verbohrt sich tiefer in seinen Haß und verstößt schließlich seine Tochter. Nun wirft sich der Vetter ins Mittel, droht, die Tochter als sein Kind anzunehmen und das zerstörte Sägewerk wieder aufzubauen. Die Furcht davor, sowie die Angst vor Verlust der Ehre und Be kanntwerden seiner Schuld an der Tat des Ingenieurs „Da irren Sie !" erwiderte Stegmann scharf und schnei dend. Das geht mich was an. Hier sind fünftausend Gulden; das ist keine Kleinigkeit, besonders wenn man die sehr ernste Lage kennt, in welcher Ihr Vater sich be findet. Prioatvermögen besitzen Sie nicht; wer trägt auch eine so hohe Summe einfach offen in der Tasche mit sich herum? Ich muß dringend um Aufklärung bitten!" Hilda Wentheim machte eine rasche Bewegung. Was galt ihr in diesem Augenblick jene fremde Erscheinung und ihre Bitte? Eine Viertelstunde früher hatte sie sich noch fest vor genommen, jene geheimnisvolle Frau nicht zu verraten. Aber nun nierkte sie es wohl, da war wieder ein Verdacht, welcher gegen Georg sich erhob. Diesen Verdacht aber konnte und mußte sie banüen. Stockend begann sie zu sprechen. Sie erzählte von der Auffindung des Geldes in ihrem Schreibtisch, sie berichtete alles, alles was sie erlebt hatte. Immer rascher sprach sie, ihre Worte überstürzten fick. Und endlich gestand sie, daß sie selbst vor wenigen Stunden hier im Hofe Georg Günther das Geld gegeben habe. „Es sollte ihm helfen — ihm und seinem Vater!" sagte Hilda schluchzend. „O, glauben Sie mir doch — glauben Sie mir!" Max Günther sah fragend von dem Mädchen auf seinen Sohn. „Kinder — Kinder!" sagte er halb vorwurfsvoll, halb gerübrt. Die beiden jungen Leute hielten sich fest umschlungen. Hildas Kopf lag an Georgs Brust. Aber über ihr im Sonnenglanze funkelndes Haar hin weg sah der junge Mann fest und ehrlich in die Augen keines Vaters. „Es ist alles so, wie wir es sagten", sprach er» sich mühsam zur Ruhe zwingend. „Es ist die Wahrheit, Vater, glaubt es doch!" Der Rat trat einen Schritt näher. „Wo ist der Ring, von dem Sie sprachen, Hilda, und der Schlüssel?" fragte er. , Das junge Mädchen riß hastig die keine Goldschnur hervor, welche sie unter ihrem Kleide verborgen hatte, aber mit einem Schreckenslaut fuhr sie zurück. Der kleine Karabiner am Ende Ler Kette war abge- nssen. Weder Ring noch Schlüssel hingen daran. Mit fliegenden Händen tastete sie an sich herum. Nichts war zu finden. „Nun, wo sind die Sacken ?" fragte der Rat nock ein mal. —