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02-Spätausgabe Wilsdruffer Tageblatt : 26.04.1921
- Titel
- 02-Spätausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1921-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-19210426025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-1921042602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-1921042602
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-04
- Tag 1921-04-26
-
Monat
1921-04
-
Jahr
1921
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am Wiederaufbau teilzunehmen. Dis deutsche Regierung bittet die alliierten Regierungen, die erforderlichen Bo sprechungen über Einzelheiten der zu treffenden Regelung möglichst sosort einzuleiten." „Die Kriegsbeschuldigien." Falsche Unterstellungen der Entente. Der Pariser Botschafttrkonferenz ist eine deutsche Note über die sogenannten Kriegsbeschuldigten überreicht worden, in der eS einleitend heißt: „Der englische Generalanwalt hat kürzlich im Unter hause erklärt, daß die von den Alliierten Mächten be schlossenen sogenannten Sanktionen zu einem nicht gerin gen Teile auf das Verhalten Deutschlands in der Frage der Kriegsbeschuldigten zurückzuführen seien." Eingehend weist die deutsche Note dann nach, daß unsere Feinde zwar „Verbrecherlisten" eingereicht, aber keine genügenden Unterlagen dafür beigebracht hätten. Weiter besagt die Note: „Wie schwierig es ist, derartige Vorgänge nach längerer Zeit, wenn die Teilnehmer in alle Winde zerstreut sind, aufzu klären, haben sowohl die französische wie die britische Regie rung bei anderer Gelegenheit selbst anerkannt. Die französische Regierung hat aus die Bitte um Aufklärung eines Vorfalls, der sich im September 1920 im Arbeitslager von Poncilac abge spielt hat, im März 1921 erklärt, daß die Ermittelung des Sach verhalts mit Rücksicht auf die inzwischen vergangene Zeit un möglich sei. Die britische Regierung hat sich am 6. Februar 1920 in der Frage der Mißhandlung der deutschen Besatzungen bei der noch nicht acht Monate zurückliegenden Versenkung der deutschen Flotte in Scapa-Flow in ähnlicher Weise geäußert. Nach Beendigung der Sammlungs- und Prüfungsarbeit mußte die deutsche Anklagebehörde dafür Sorge tragen, daß das aus ländische Bcwctsmaterial dem Gericht in einer Form zugäng lich gemacht werde, die dem deutschen Prozeßrechte genügt. Die französische Negierung hat der Anregung der deutschen Regie rung bisher nicht stattgegeben. Die Vernehmung der engli schen und belgischen Zeugen, die nicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung bereit sind, steht unmittelbar bevor. So bald sie erledigt ist, werden die Verhandlungen in Leipzig be ginnen. Wenn gleichwohl der Vorwurf einer Verzögerung der Prozesse erhoben und die Behauptung aufgestellt wird, daß die deutsche Regierung seit Monaten im Besitze des erforderlichen Materials sei, so ist dies um so befremdlicher, als der englische Generalstaatsanwalt noch am 18. Fe bruar auf eine Anfrage im Unterhause erklärt hat, daß bis dahin, jedenfalls aber bis Anfang Januar, der deut schen Regierung der Vorwurf der Verschleppung nicht ge macht werden könne, und als er selbst an den inzwischen geführten Verhandlungen teilgenommen hat. Eine Säumnis Deutschlands in dieser Frage liegt nicht vor. Der Versuch, die in London beschlossenen ^Gewaltmaß- nahmen damit zu begründen, muß an den Tatsachen scheitern." poüiLsche Rundschau. Deutsches Reich. Vereinfachung der NeichZverwaltung. Die Reichsrcgierung hat als Mitglieder kn die Kom mission zur Vereinfachung und Vereinheitlichung der Reichsverwaltung die Staatssekretäre Dr. Peters, Unter- staatssekvetär a. D. Dr. Busch, Staatsminister a. D. Dr. Drews und Staatssekretär a. D. Nüdlin berufen. Die deutschen Flaggen. Im Reichsgesetzblatt wird jetzt die Verordnung über die deutschen Flaggen veröffentlicht. Zur Ausführung des Artikels 3 der Reichsverfassung bedurfte es näherer Vor schriften, um die verschiedenen Flaggen festzusetzen, na mentlich auch, um die Anordnung der Reichsfarben in der Handelsflagge zu regeln. Die Flaggenverordnung bringt eine einheitliche Regelung des Land- und Seeflaggen wesens. Es werden künftig geführt werden: die National- Der voppelgSngrr ckes sterm kmii ZAneple. Roman von Carl Schüler. „Ich will schon," sagte er, „aber der Preis ist doch sehr hoch. Lietze sich die Sache nicht etwas billiger machen?" Er mutzte die Unterhaltung etwas in die Länge ziehen, den Widerspruch seines temperamentvollen Gegners wecken. Er hatte schon gestern beobachtet, datz Labwein, wenn er sich aufregte, zu den Zigaretten griff. „Aber Herr Rotmüller, wo denken Sie hin? Ueber den Preis waren wir uns doch einig. Darüber dürfen wir kein Wort mehr verlieren." Er kalkulierte, datz ein Mann, wie dieser ehrgeizige Herr Rotmüller, nur einen Fühler ausstreckte, um zu sehen, ob er billiger wegkommen könne. Er dachte aber gar nicht daran, diesem Dummkopf gegenüber seine Forderung zu er mäßigen. „Wenn ich nun 120 000 bezahle, bar bezahle," entgegnete Herr Rotmüller, „würden Sie das Geschäft machen oder nicht. Ja oder nein?" Direktor Labwein zuckte nervös zusammen. Es war nicht seine Art, mit einem Ja oder Nein eine Sache von Wichtigkeit zu erledigen. Er wurde ärgerlich, wenn jemand ein solches Verlangen an ihn stellte. Er schüttelte mitzbilligend den Kopf, rang verzweifelt die Hände und — griff in die Zigarettendose Dorivals. Er nahm eine der Opiumzigaretten! „Sie verkennen ganz die Lage der Sache, mein lieber Herr Rotmüller! Sie tun ja gerade, als ob ich das Geld bekäme. In meiner Tasche bleiben noch nicht fünf Prozent. Was weitz ich? Vielleicht mutz ich alles Herausrücken. Dann habe ich weiter nichts von der Sache als die Ehre, aus Ihnen einen General konsul gemacht zu haben, einen Ritter der Ehrenlegion. Unter uns — ich rechne auf Ihre unbedingte Verschwiegenheit — we niger als 100 000 darf ich meinem Freund Alvarez nicht an- bieten. Ich würde meinen ganzen Einfluß bei ihm aufs Spiel setzen, käme ich ihm mit weniger. Und Minister Ignacio de Albu querque, der Kommandeur der Ehrenlegion, ist auch nicht blöde im Fordern. Der Mann ist so durchtrieben, daß man aus ihm bequem zwei Pferdehändler machen könnte. Was ich dem von den 50 000 -E, die verbleiben, abhandle, ist mein Verdienst, mehr nicht. So wahr ich Ihnen hier als Ehrenmann gegenüber sitze." Er strich sich ein Streichholz an und zündete die Zigarette an, die leise knisterte, als sie in Brand gesetzt wurde. Dorival lietz dem lebhaften Mann keine Zeit — „Dann kostet mich der Orden also glatt 50 000 <F? Nee, auf den will ich verzichten!" flagge, die Handelsflagge, die Handelsflagge mit^dem Eisernen Kreuz, die Gösch (ein kleiner Wimpel bei der Seeschiffahrt), die Reichskricgsflagge, die Standarte des Reichspräsidenten, die Flagge des Reichswehrministers, die Reichspostflagge, die Dienstslagge der übrigen Reichs- bchörden zur See. Deutsch-polnische Verhandlungen. In der Zeit vom 12. bis zum 21. April haben in Posen zwischen Vertretern der deutschen und der polnischen Regierung Verhandlungen über die Regelung der sich aus dem Friedensverlrage von Versailles ergebenden Options- rechte der beiderseitigen Staatsangehörigen stattgefunden. Die Ergebnisse der Verhandlungen sind in einem gemein samen Protokoll zusammengefaßt worden, das als Grund lage für die in den nächsten Tagen in Paris beginnenden endgültigen Verhandlungen dienen wird. Die Zerstörungswut des Feindbundes. Bei einer Besichtigung des Eisenwerkes Jaeger tm besetzten Gebiet stellte die Ententekommission fest, daß Roh materialien für holländische U-Boote bei diesem Werke be arbeitet würden und verlangte sofortige Einstellung der Arbeit und Zerstörung des Materials. Die deutsche Re gierung war machtlos und mußte sich dem Drucke der Entente beugen, obwohl die Firma nachweisen konnte, daß der Friedensvertrag bei Herstellung dieser Arbeit für Hol land nicht verletzt wurde. Selbst der holländischen Regie rung war es unmöglich, die Zerstörung des Materials zu verhindern. Antwort auf die Goldforderung. Soeben ist die deutsche Antwort auf die Forderung der Entente, den Goldbestand der Reichsbank in das be setzte Gebiet zu überführen, an die Reparationskommission abgegangen. Die Note nimmt Bezug auf den 8 248 Ab satz 2 des Friedensvertrages, der bestimmt, datz die deut sche Negierung ohne vorherige Zustimmung ^er Repara tionskommission weder Gold ausführen noch darüber ver fügen kann. Diese Bestimmung tritt vertragsgemäß am 1. Mai 1921 außer-Kraft. Das Verlangen der Repara tionskommission beruht auf der Sorge über den Verfall dieser Vertragsbestimmung. Die deutsche Regierung bietet sich daher an, alle gesetzlichen Maßnahmen zu treffen, um diese Frist bis zum 1. Oktober 1921 zu verlängern. Im übrigen beruft sich die Note auf die bekannten Gründe, die einen Eingriff in die Bestände der Reichsbank als Privat- unlernchmen nicht erlaubt. Großbritannien. X Gefechte an der indischen Grenze. Nach einer amt lichen Meldung wurden englische Schutztrnppen am 24. März bei Ladha an der indischen Grenze angegriffen und verloren 16 Tote und 24 Verwundete. Zur Vergeltung wurde die Stadt Makin von Fliegern heftig bombardiert. Auf einer Reihe von englischen Transporten und ihre Begleitmannschaften sind heftige Angriffe erfolgt. Die britischen Truppen verloren vom 5. bis 10. April 34 Tote und 75 Verwundete. Polen. X Die trostlose Finanzlage. Eine Warschauer Zeitung teilt mit, Laß der polnische Etat für 1921 220 Milliarden Ausgaben und nur 60 Milliarden Einnahmen, also ein Defizit von 160 Milliarden polnische Mark ausweist. Das Blatt erklärt, diese Zustände glichen nur etwa denen in Sowjetrußland. Polen werde dem sicheren wirtschaftlichen Ruin verfallen, wenn nicht noch rechtzeitig der Kampf gegen die innere Gefahr ausgenommen werde. Die staat liche Brotversorgung der Städte Polens hat in letzter Zeit endgültig versagt. In Warschau konnte im April nur an wenigen Tagen Brot gegen Karten abgegeben werden und die Preise im Freihandel haben noch weiter ange zogen. Nunmehr wird amtlich mitgeteilt, datz amerika nisches Mehl über Danzig eingetroffen sei und die Wieder aufnahme der regelmäßigen Brotbelieserung bevorstehe. - Direktor Labwein fuhr auf. „Wie kommen Sie auf die Vermutung?" rief er lebhaft. „Wollen Sie den Minister zum Gegner haben? Er ist Ihr Vor- gesetzter, wenn Sie Generalkonsul sind. Er kann Sie absetzen, wenn Sie ihn nicht auf seiner Seite haben. Verscherzen Sie sich , doch nicht de» Einfluß auf die Regierung, den ich Ihnen ver- j schaffen will. Das Generalkonsulat läßt sich vom Orden nicht i trennen. Wie würde das aussehen, ein Generalkonsul und kein j Orden! Sie kommen in eine Gesellschaft. Sie tragen einen - Frack. Man wird Sie nicht unterscheiden können von einem z Kellner, wenn Sie nicht einen Orden haben! Nehmen Sie Ver nunft an, Herr Rotmüller!" Er hatte schnell gesprochen. Jetzt machte er eine kleine Pause und stärkte sich durch einige Züge an der Zigarette. „Wenn ich Ihnen nun das Geld einzahle, und es wird nichts aus der Sache?" „Haben Sie nicht meine Garantie, Herr Rvtmüller? Ent weder, Sie haben in drei Monaten das Konsulat und den Orden, oder ich gebe Ihnen das Geld auf Heller und Pfennig zurück. Was — wollen Sie — mehr?" Er hatte wieder und wieder geraucht. Die letzten Worte kamen nur noch lallend hervor. Sein Kopf senkte sich nach vorn. Die Augenlider schlossen sich, trotzdem er gegen die über ihn kommende Müdigkeit anzukämpfen fuchte. „Was — wo — ollen — Sie —" Er wollte den letzten Satz noch einmal wiederholen, brachte ihn aber nicht zu Ende. Fahle Blässe kroch über sein Gesicht, dann sank er kraftlos zusammen. Das Op ium hatte seine Wir kung getan. Schneller als Dorival erwartet hatte. Der kleine, nervöse Mann schien dem Gist besonders wenig Widerstand ent gegensetzen zu können. Dorival wagte nicht, sich von seinem Platz zu rühren. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den kleinen Mann an, der wie leblos dalag. Kalter Angstschweiß trat ihm auf die Stirn. In diesem Augenblick hörte er draußen die Tür gehen. Eine tiese Männerstimme erkundigte sich nach dem Direktor Labwein. Die Antwort des kurzsichtigen Fräuleins konnte er nicht ver stehen, aber er hörte, daß der Mann sagte, er werde warten. Das Fräulein konnte jeden Augenblick eintreten, um den Besuch des Mannes anzumelden. Er mußte schnell handeln. Er sprang auf. Nur jetzt keine Schwäche! Er nahm Labwein die noch glimmende Zigarette aus der Hand, löschte ihr Feuer und legte sie in seine Zigarettendvse. Diese steckte er zu sich. Er hatte sich das alles schon vorher über legt. Man sollte nicht sofort wissen, wodurch Labwein betäubt worden war. Dann knöpfte er dem Schlafenden hastig Rock und Weste auf. In der inneren Tasche der Weste steckte eine lederne Brief- Ein ausgestorbenes Fürstenhaus. Reichenhall Nach längerer Krankheit starb in Bad Reichen hall im Alter von 84 Jahren die Prinzessin Marie von Schwarzburg-Sondershausen. Mit ihr ist die Linie Schwarz burg-Sondershausen vollständig ausgestorben Letzte Drahtderichte des Wilsdruffer Tr-edlerte»". Die Note an Amerika. Berlin, 25. April. Wie gemeldet wird, ist die Note an tue Vereinigten Staaten, die die neuen Vorschläge zur Weitergabe an die Entente enthält, Sonntag abend dem amerikanischen Ver treter in Berlin übergeben worden. Sie dürfte am Montag i» Washington eintreffen. Wie wir weiter hören, werden am Mon tag vormittag die Parteiführer sich nochmals bei Dr. Simons versammeln. Nachmittag erfolgt dann die angekündigte Re gierungserklärung im Reichstag. Frankreich teilt Harding feine Forderungen mit. Paris, 24. April. Nach einer Meldung der „Chicago Tribune" beauftragte die französische Regierung ihren Bot schafter in Washington, Iusserand, der amerikanischen Regierung mitzuteilen, welche Summe Frankreich unbedingt von Deutsch land erhalten müsse. Die Entscheidung sei Freitag abeud ge troffen worden, bevor Briand nach Hythe abgereist sei. Dieser Schritt habe den Zweck, den Präsidenten Harding vor Ein treffen der deutschen Vorschläge über die Forderungen Frank reichs zu unterrichten. Der Beschluß von Hythe — eine neue Konferenz. Paris, 24. April. Die Konferenz von Hythe ist uw 6,15 Uhr abends zu Ende gegangen. Es wurde beschlossen, daß der Oberste Rat am kommenden Sonnabend in Paris zusammen treten wird. Sollte Lloyd George durch die Streiklage verhindert jein, London zu verlassen, wird die Konferenz in London statt finden. Wie verlautet, befinden sich beide Parteien in lleberein- stimmung. Die französischen Vorschläge wurden einstimmig ge- ' billigt. Wenn das Ruhrgebiet besetzt wird, wird sich die britische Beteiligung daran auf einige Abteilungen Kavallerie und einige Tanks beschränken. Es wird betont, daß das Pariser Abkommen sich noch in Geltung befindet. Ganz Tirol für den Anschluß. Innsbruck, 24. April. Die heutige Volksabstimmung gestaltete sich zu einer eindrucksvollen Kundgebung für den An schluß an Deutschland. Von den Stimmberechtigten habe» 90 v. H. gestimmt. 20 000 stimmten mit Ja. In Innsbruck und im ganzen Lande herrscht ungeheure Begeisterung. Nachmittags bewegte sich ein langer Zug durch die Straßen der Stadt zum Andreas-Hofer-Denkmal. Es wurden nationale Ansprachen ge halten und Lieder gesungen. Als abends bekannt wurde, daß die ganze Stadt mit Ja gestimmt hatte, brach ein ungeheurer Jubel- sturm aus. In den Straßen wurden Reden gehalten, in denen erklärt wurde, daß der heutige Tag die erste Etappe auf dem Wege zum Anschluß an Deutschland sei. Ebenso wie im Jahre 1809 von Tirol aus der Widerstand gegen Frankreich, bas in letzter Linie allein unter den Verbündeten dem Anschlußgedankrn feindlich gegenüberstehe, ohne in der Lage zu sein, Oesterreich eine Existenz zu sichern. Auch aus den übrigen Städten Tirols, so aus Hall, Landeck, Imst, Kufstein liefen Nachrichten ein, daß fast die ganze Bevölkerung mit Ja gestimmt hat. Das definitive Ergebnis wird erst morgen bekanntgegeben werden können. Die Landesregierung wird hierauf sofort der Bundesregierung das Ergebnis mit der Bitte vorlegen, es dem Völkerbunde vorzu legen, und hieran die Bitte knüpfen, daß der Völkerbund den 'Anschluß Oesterreichs an Deutschland gestattet. Innsbruck, 25. April, (tu.) Die Abstimmung in Süd tirol ist in hervorragender Stimmung vor sich gegangen. Die Abstimmung fand von 9 bis 6 Uhr, in Landorten bis 3 Uhr statt. Die Wahlbeteiligung betrug durchfchnittlich 70 bis 75 Prozent. Selbst von den hochgelegenen Alpen strömten die Abstimmungs- I tasche. In ihr vermutete Dorival das Dokument. Den Inhalt der Brieftasche nachzuprüfen, dazu hatte er jetzt keine Zeit. Er mußte daraus bedacht sein, sich in Sicherheit zu bringen. Jeder Augenblick des Zögerns könnte verhängnisvoll werden. Er hörte, wie draußen der Mann mit der tiefen Stimme sich mit dem Fräulein unterhielt. Der Mann wurde ungeduldig. Er be hauptete, er hätte nur fünf Minuten mit Labwein zu sprechen, und drängte das Fräulein, ihn anzumelden. Dorival steckte die Brieftasche zu sich, schlüpfte in seinen Mantel, griff nach seinem Hut und wollte das Zimmer verlassen. In diesem Augenblick fiel Labwein vom Sessel und glitt zu Boden. Es widerstrebte Dorival, den Mann so liegen zu lassen. Er hob ihn auf und drückte ihn wieder in den Sessel. Dann eilte er in das Vorderzimmer. „Liebes Fräulein," fagte er zu der Bureauvorsteherin, „gehen Sie einmal hinein zu Direktor Labwein. Er verlangt nach Ihnen. Ich glaube, er fühlt sich nicht wohl." Dicht an der Türe, die zum Korridor führte, saß ein großer, breitschultriger Mann, dessen Kleidung und blonder Vvllbart aus einen Gutsbesitzer schließen ließ. Er hatte die Worte Dorivals gehört. Er stand auf und fragte interessiert: „Was, Labwein ist nicht wohl? Da mutz ich doch auch mal nach ihm sehen." Er ging durch die Pforte in dem Zahltisch nach der Tür, die zu dem Zimmer Labweins führte. Dorival aber war mit einem Satz bei der Ausgangstüre, zog den Schlüssel, der innen im Schloß steckte, heraus, öffnete die Tür, trat auf den Korridor, schloß die Tür hinter sich ab und steckte den Schlüssel ein. So, nun war er zunächst vor einer Verfolgung sicher. In diesem Augenblick hörte er das Fräulein laute Schreie ausstoßen. Er stieg die drei knarrenden Holzstiegen rasch hinab. Auf der Straße schlug er eine schnelle Gangart ein. Bald war er in die Friedrichstraße eingebogen, wo er sich in den Strom der Fußgänger mischte, der sich ohne Unterbrechung auf beiden Bürgersteigen dahinwälzte. Hier fühlte er sich sicher. Er lietz sich von der Menschenwoge bis an die Weiden- > dammerbrücke treiben, schlenderte am Schiffbauerdamm entlang, benutzte einen günstigen Augenblick und warf den Schlüssel der Bureautüre in die Spree. Dann winkte er einem vorüber fahrenden Auto, stieg ein und ließ sich nach feinem Hotel fahren. Als das Auto die Friedrichstraße hinauf fuhr und die Jäger- straße überquerte, warf er durch die Fensterscheibe des Wagens einen Blick auf das Haus, das er soeben verlassen hatte. Vor der Türe des Hauses drängte sich eine dichte Menschenmenge- (Fortsetzung folgt.)
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