Volltext Seite (XML)
drohend auf das immer noch nicht aufgeklärte Dunkel in ihrer letzten Vergangenheit hinzuweisen, da brauste sie zornig auf und wies ihm ein für allemal ihre Thür. Fritz Hammer beschloß, die Vermittelung Jack Newman's anzurufen, so sehr ihm das innerlich widerstrebte, aber er sah kein anderes Mittel, zu der erstrebten Freiheit, die er mit aller Jnbrust seines Herzens herbeisehnte, zu gelangen. Für Jack Newman war, das wußte er, das Geld unwiderstehlich, und wenn er ihm einen Extravortheil in Aussicht stellte, so durfte er hoffen, ihn seinen Plänen geneigt zu machen. Für ein paar hundert Dollarnoten würde der Loafer aus der Chrystie-Street sich zu allem bereit finden. Aber als er sich auf dem Wege zur Chrystie-Street be fand, hatte er eine Begegnung, die der Sache eine Wendung gab und seinen Besuch im Boardinghause unnöthig machte. Es war inmitten des Lärmens und Treibens der ge schäftsreichen Bowery, als ein Mann bei ihm passirte, dessen Anblick ihm das Blut zum Herzen trieb und eine plötzliche körperliche Erschütterung in ihm verursachte. Instinktiv drehte er um und folgte dem schwankenden Ganges Vorübereilenden. Kein Zweifel; der Mann, dessen Züge er fest in seine Erinnerung gegraben, den er seit Wochen vergebens suchte, ging da, wenige Schritte vor ihm, ahnungslos, mit welchem geheimen Freudensturm sein Erscheinen begrüßt wurde. Fritz Hammer folgte dem Manne eine ganze Weile, ihn nicht eine Sekunde lang aus den Augen lassend. Er mußte seine Erregung, in die ihn die unvermuthete Begegnung ver setzt hatte, erst bemeistern, sich erst einen Plan machen, bevor er den Mann anredete. Endlich fühlte er, daß sein stürmisches Herzklopfen sich mäßigte, und er trat entschlossen an den ihm Voraufgehenden heran. „Guten Tag, Mister Brown," sagte er und stellte sich, als ob er einen Bekannten träfe. Der Mann starrte ihn verwundert an. „Mein Name ist Dickson," sagte er kurz. „Ach, ganz recht," fiel Fritz Hammer ein mit der Miene eines Menschen, dem plötzlich die Erinnerung kommt. „Sie waren früher in Dayfield, Mister Dickson?" „Da war ich, Sir," gab der Mann zurück und betrachtete den neben ihm Schreitenden aufmerksam. Mit einem Kopf schütteln andeutend, daß er sich auf die Persönlichkeit seines Begleiters nicht zu besinnen vermöge, fragte er: „Wer sind Sie?" Fritz Hammer ignorirte die Frage, indem er rasch weiter sprach: „Sie lebten irgendwo da im Westen — den Namen des verdammten Nestes habe ich vergessen. Sie werden sich gewiß John Freemans, des närrischen Kauzes, erinnern?" Fritz Hammer fühlte, wie ihm von neuem das Herz vor spannender Erwartung lebhaft zu gehen begann. Neber des Andern Gesicht zuckte bei der Frage seines Begleiters ein Lächeln, das aber gleich darauf einem Ausdruck von Miß trauen und Mißmuth Platz machte. „Der Teufel soll mich holen," sagte er, „wenn ich noch ein Wort mit Ihnen spreche, ehe Sie mir nicht gesagt haben, wer Sie sind und was Sie von mir wollen." „Das will ich Ihnen sagen, da drüben!" Er deutete mit der Hand nach einem Laden, über dessen Thür die verlockende Inschrift prangte: ..(talikoruiL ^ins Iioom8".*) „Bei einem Glase Wein plaudert sich's gemüth- licher, nicht, Mister Dickson?" Einer so freundlichen Einladung zu widerstreben, schien über des Anderen Kräfte zu gehen. Er lächelte und nickte schmunzelnd. „Da haben Sie recht, Sir. Einem Glase geht ein rechter Mann nie aus dem Wege." Das erste Glas leerten sie schweigend. Als sie ihre Gläser wieder gefüllt hatten, legte sich Fritz Hammer be haglich in seinen Stuhl zurück und warf im nachlässigen Plaudcrtone die Frage hin: „Sagen Sie mir, Mister Dickson, warum sind Sie seiner Zeit so plötzlich aus Dayfield ver schwunden?" Der Gefragte setzte das Glas, das er schon zu seinem California-Weinstuben. Munde geführt hatte, wieder ab und kraute sich mit nach denklicher Miene am Kopse herum. „Well, Sir, das ist eine eigene Geschichte, und ich weiß nicht, ob ich sie Ihnen so ohne weiteres sagen soll." „Aha," machte Fritz Hammer und zwinkerte seinem Gegenüber listig mit den Augen zu, „haben gewiß irgendwas ausgefressen und darum heidi mit französischem Abschied. Na, ich bin kein Detektiv, sondern ein einfacher Geschäfts mann und vor mir —" „Sie irren, Sir," unterbrach der Andere, schlug mit der Faust auf den Tisch und machte ein beleidigtes Gesicht, „Sie irren, wenn Sie mich für einen Spitzbuben oder so etwas ähnliches halten. Ich bin ein ehrlicher Mann, und für mich lag gar kein Grund vor, Dayfield zu verlassen. Aber Andere —" Er brach ab, als hätte er schon zu viel gesagt. Fritz Hammer aber steckte eine ungläubige Miene auf und sagte: „Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß Andere ein Interesse gehabt hätten, Sie von Dayfield wegzulocken?" „Freilich will ich das," trumpfte der Andere auf, „und wenn Sie's nicht glauben wollen, da haben Sie's schwarz auf weiß." Er griff in die Brusttasche seines Rockes, brachte eine schmierige Brieftasche zum Vorschein und kramte darin mit seinen dicken, plumpen Fingern herum, während Fritz Hammer mit glühenden Augen an jeder seiner Bewegung hing. Endlich hatte Mister Dickson das Gesuchte gefunden. Er entfaltete das Blatt und überreichte es dem hastig Zu greifenden mit triumphirendem Blick. Es war ein Brief, in einer offenbar verstellten weiblichen Handschrift geschrieben. Er lautete: „Einliegend erhalten Sie zwanzig Dollar. Reisen Sie damit nach New-Bork und melden Sie sich dort bei Mister Newman, Chrystiestreet 30, der weiter für Sie sorgen wird." Eine Unterschrift trug der Brief nicht. Fritz Hammer fieberte. Daß Niemand als Bessie den Brief geschrieben, daran zweifelte er nicht einen Moment. Er brannte darauf, den Brief in seinen Besitz zu bringen, der für ihn ein wcrthvolles Dokument war. „Lassen Sie mir das Blättchen," sagte er, sein Gesicht unwillkürlich senkend, um nicht die Gluth der Aufregung sehen zu lassen, die auf seinen Wangen flammte. Aber Mister Dickson kratzte sich hinter dem Ohr und be trachtete sein Gegenüber mit verwunderten, mißtrauischen Blicken. „Was wollen Sie denn mit dem Dings da?" fragte er. „Ich? Das kann Ihnen egal sein," gab Fritz Hammer zurück und raffte alle seine Entschlossenheit zusammen. „Die Geschichte interessirt mich. Ich gebe Ihnen ein anderes Blatt dafür, ich denke, Sie werden mit dem Tausch zufrieden sein." Er nahm eine Hundertdollarnote aus seinem Portefeuille und hielt sie dem gierig Zugreifenden hm. „Dann freilich," lachte Dickson, und seine Augen funkelten, während er die Banknote in seine Brieftasche schob. „Und nun Mister Dickson," nahm Fritz Hammer wieder das Wort, den Brief, den er eben so hoch bezahlt, faltend und sorgsam einsteckend, „nun sagen Sie mir noch eins, Ihr Freund John Freeman in —?" „In New Houston," fiel der Andere arglos ein. „In New Houston," wiederholte der junge Deutsche und prägte den Namen seinem Gcdächtniß fest ein. „In New Houston, Staat Arkansas —" „Nicht doch, in Nebraska," verbesserte Dickson. „Also in New Houston, Nebraska. Ihr Freund John Freeman, ist er verhcirathet?" Der Fragende hielt seinen Athem an, und er fühlte, wie ihm vor Aufregung und spannendster Erwartung das Blut zum Herzen zusammenströmte. „Freilich," antwortete Dickson, und sein plumpes Gesicht zeigte ein schmunzelndes Grinsen. „Denken Sie nur, Sir, der alte Schöps — die fünfzig hat er schon hinter sich, und seit zehn Jahren war er Wittwer — verliebt sich eines Tages, es sind nun wohl sechs oder sieben Monate her, in ein Weib, Niemand wußte, woher sie kam. Schön war sie ja, und wenn sie einen aufs Korn nahm mit ihren schwarzen Augen, das