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MlsdnifferTageblait Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. srei Haus, bei Postdeltellung 1,8« RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 1« Rpsg. Alle Postanstaltc» und Post boten, unser-Au-trageru. „r, . . , ,, . Geschäftsstelle, nehmen zu jederZ-itDestellungenent- Wochenblatt fUk WllsdlUff U. UMgLgeNd gegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg od. sonstiger ——————— Betriebsstörungen besteht kein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Rückporto deilicgt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die »gespaltene Naumzeile 20 Npfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs» Pfennige, die 3 gespaltene Neklamezeile im textlichen Teile 1 NM. Nachweisungsgebühr 20 Neichspsennige. 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Auch wenn in einem Parlament irgendeines Landes vierzehn Stunden hindurch gesprochen wird und man sich dabei streng an das Thema hält, dann ist damit noch längst nicht gesagt, daß in dieser langen Zeit die Temperamente versprudeln und nur noch die rein sachlichen Gründe und Überlegungen wirlen. Vielmehr ist der Sturz Herriots durch Ablehnung des von ihm gebilligten Vertrauensantrages eine ganz ausgesprochene Tempera- nientssache der französischen Depntiertenkammer. Zum erstenmal nach dem Kriege stieß Frankreich, das in un zähligen Fällen deutschen Revisionsvorschlägen über die Versailler Tributbestimn, ngen entgegengetreten war, nun selbst auf das kalte amerikanische Nein! Daß sich Amerika auf nichts einlietz, jeden Vorbehalt, ja jeden Vorschlag zurückwies und auf weiter nichts als auf prompte Zahlung bestand, immer nur den Mellon-Berenguerschen Schuldenzahlungsvertrag zwischen Frankreich und Amerika als maßgebend erklärte, — das alles reizte die Stimmung in der Deputiertenkammer zu immer leidenschaftlicheren Ausbrüchen, von denen sich auch der Ministerpräsident Herriot in seiner dreistündigen Rede keineswegs freihielt. Nicht einmal an die alte Weis heit erinnerte er sich, daß es in der Politik keine Dankbar keit gibt, — und schließlich kann und muß doch Frankreich den Amerikanern wegen deren Haltung im Weltkrieg um vieles dankbarer sein als umgekehrt! Hier wird aber französische Sinnesart in einem äußerst empfindlichen Punkte berührt. Daraus erwuchs in der Kammer ein« Art Trotz gegen Amerika, und aus diesem Stim- mnngsmäßigen heraus will man mit dem Sturz des amtierenden Kabinetts vor aller Welt demonstrieren, daß Frankreich die ganze Angelegenheit der Kriegsschulden frage außerordentlich ernst nehme. Nicht also um eine innenpolitische Krise handelt es sich hier, sondern um eine nationale Äuiwalluna. um eine patriotische Protestaktion. Ablehnung jedes englischen Vorbehaltes, Nicht zahlungsbeschluß Belgiens, schließlich die amerikanische Antwortnote an Frankreich, die für später Verhandlungen in Aussicht stellt, für jetzt aber unbedingte Zahlung ver langt, — das alles machte die Position Herriots in de: Kammer immer hoffnungsloser, stachelte die Leidenschaften und den Trotz der Parlamentarier immer mehr an. Offi ziell ging die Verhandlung um den Wortlaut der mit Vor- behalten versehenen Antwortnote an Amerika, die du Bereitwilligkeit zur Zahlung aussprach: schon die Aus schüsse hatten mit großen Mehrheiten diese Note abgelehnt. Eigentlich war und — ist man in Paris und in del Kammer ratlos, was denn nun statt dessen geschehen soll, was Herriot vorschlug; denn jede neue Regierung steht genau vor demselben Problem. Bloß ein „kleiner" Unterschied ist dabei: das Mellon- Berenguersche Schuldenabkommen ist durch die Nicht zahlung der Schuldenrate am 15. Dezember 1932 ge brochen worden durch dieselben französischen Volksver treter, durch dieselben Parteien und ihre Führer, die so oft — Deutschland gegenüber die „unzerstörbare Heiligkeit der Verträge" betonten. Die Begründung für Frankreichs grundsätzlichen dreimaligen Protest gegen die Zahlung der Kriegsschulden überhaupt liest sich, als seien diese Gründe abgeschrieben aus den deutschen Noten, die immer wieder auf den wirtschaftlichen Wahnsinn von „Zah lungen ohne Gegenleistung" hinwiesen. Das ist zwar richtig, nur besteht auch hier ein „kleiner" Unterschied: Frankreich hat ja in riesenhaftem Umfang Gegenleistungen in Form von Waffen-, Munitions- und sonstigen Liefe rungen während des Krieges und hernach tatsächlich emp fangen, Deutschland aber niemals. Und unsere Zahlungs verpflichtungen gingen weit hinaus selbst über jene Kriegs schulden, die Frankreich an Amerika und England zu be zahlen hat. Bricht man aber selbst einen Vertrag, so kann man nicht einmal juristisch, geschweige denn moralisch von einem anderen die Innehaltung von Vertragen fordern, die man diesem außerdem geradezu unter Drohungen abgepreßt hat! Und wenn sich Herriot und andere Debatteredner verleiten ließen, immer wieder zu betonen, daß durch das Vorgehen Amerikas auch das Lausanner Abkommen ge fährdet werde, mithin der „alte Zustand" — also der Young-Plan — wiederhergestellt werden müsse, so ist heute die juristische und moralische Durch schlagskraft eines solchen Verlangens unter Hinweis auf die „Heiligkeit der Verträge" erheblich geschächt. Auch das an Lausanne sich anschließende „Oontloman axrsemvnt", die englisch - französisch - italienisch - belgische Übereinkunft zu gemeinsamem Vorgehen in der Schuldenfrage, ist praktisch zerstört; denn die eine Hälfte der vier Partner zahlt ftine Schulden, Frankreich und Belgien aber tun es nicht. Was allerdings aus dem anderen Teil jener Übereinkunft wird, Wo die Verabredung getroffen, die Lausanner Beschlüsse vur dann zu ratifizieren, wenn mit Amerika eine befriedi gende Regelung der Kriegsschuldenfrage zustande gebracht Wird, — das freilich läßt sich heute und für die nächste jAeit nicht sagen. Und das istdasverhängnisvoll ^Gefährliche dieser Ereignisse: die lähmende Ungewiß heit darüber, ob und wann und wie man endlich zu einer vernünftigen „Bereinigung" der ganzen Welt auch von Heu finanziellen Folgen des Krieges kommt. Der Aeg rurUeberwinckung cker Airtlchaktskrile. < Eine Rede des Reichswirtschafts- Ministers Warmbold. In der Hauptausschußsitzung des Ncichsverbandck der Deutschen Industrie hielt Rcichswirtschaftsministei Warmbold eine Rede, in der er u. a. sagte: Man habe zu weitgehende Hoffnungen und Er wartungen an das Wirtschaftsprogramm der Reichsregie rung vom 4. September geknüpft. Denn es sei doch für jeden wirtschaftlich Denkenden klar, daß der Gesamterfolg der Beseitigung der Arbeitslosigkeit in der Größen ordnung von 1?t Millionen unmöglch in etwa zwei bis drei Monaten erreicht werden könnte. Weite: sei zu bedenken, daß wichtige Teile, wie z. B. die Steuer gutscheine und die Beschäftigungsprämien, überhaupt erst nach vier bis fünf Monaten ins Lebe» treten sollten. Bis dahin konnte es sich bei dem Wirt schaftsprogramm lediglich darum handeln, den vorher un unterbrochenen Deflationsprozeß zum Stillstand zu bringen, und die Vorbereitung dafür zu treffen, daß wir jedenfalls den Anschluß an einen eventuellen Konjunkturumschwung in der Welt rechtzeitig zu finden in der Lage sein werden. Die neue Reichsregicrung werde an den drei Maß nahmen: Zuführung von Steuergutschcincn an die Wirt- schast für Steucrentrichung, in Form von Steuergut scheinen zu gewährende Beschäftiguugsprämien und Ar- bcitsbcschaffüng in Höhe von etwas mehr als Milliar den Mark festhalten. Bei allen Maßnahmen stehe di« Realisierung zum größten Teil noch bcvor. Es sei bekannt, daß die Steuergntscheine für die ge nannten Zwecke erst zu einem verschwindend kleinen Teil ausgegeben werden konnten. Erst an dem Ende dieses Vierteljahres werde sich übersehen lassen, in welchem Umfange die Steuergutscheine für Beschäfti- gungZprämien zum Zuge kommen. Die Arbeits beschaffung bedürfe naturgemäß eines gewissen A n - l a u f z e i t r a u m e s. Es sei daher auch nicht ver wunderlich, daß heute, drei Monate nach Verkündung des Wirtschaftsprogramms, die Arbeitsbeschaffung erst aus Teilgebieten wirksam geworden sei. Man hatte das Wirtfchaftsprogramm als einen Ein- jahresplan bezeichnet. Man soll sich dessen bewußt bleiben, daß von diesem Jahr praktisch erst 2)4 Monat« verstrichen feien. Der Minister ging darauf zu einer Schilderung der wirtschaftlichen Lage über und zeigte bei den Waren gruppen das Ansteigen der Weltmarktpreise seit dem Tiefpunkt der Monate Juni und Juli auf. Ebenso seien die Kennziffern der Aktienkurse, die Indexziffer der Kurse der festverzinslichen Papiere und auch die Kennziffern für die industrielle Produktion gestiegen. Auch die nüchternste Betrachtung der Ziffern kann nicht leugnen, daß hier eine Wendung eingetreten ist. Es gilt für uns, diese Bewegung zn verstärken. Das wird insbesondere durch zwei Umstände geschehen: einmal dadurch, daß sich das bisherige Arbcitsbcschaffungs- Programm erst in der Zukunft in eine Anregung der wirtschaftlichen Tätigkeit umsetzen wird und zweitens da durch, daß dieses Programm durch weitere zusätzliche Arbeitsbeschaffung ergänzt werden soll. Nur solche Arbeiten werden gefördert werden dürfen, die volkswirtschaftlich nützlich seien und aus dem Zukunftsertrag verzinst und getilgt werden können. Ferner sollten die Arbeiten vorzugsweise an Unternehmer vergeben werden. Weiterhin werde man nur kurz fristige Arbeiten übernehmen, damit sie, sobald die private-Wirtschaft in das erstrebte größere Volumen hineingewachsen sei, alsbald gedrosselt und abgebrochen werden könnten. Schließlich dürfe die Finanzierung nur in einer Form erfolgen, welche in keiner Weise dieWäh» rung gefährden dürfe. Der Minister erinnerte daran, daß wir drei Jahre hindurch überall ausschließlich Abwärtsbewegung und Schrumpfung erlebt hätten. Schon die Tatsache, daß diese Schrumpfung aufgehört habe, müsse uns mit Be friedigung erfüllen: Wir könnten unmöglich einen schlagartigen sofortigen Übergang in Ausweitung und Aufwärtsbewegung erwarten. Vor allem sei Rück kehr des Vertrauens und der Ruhe erforderlich. Es gelte, die natürlichen Erscheinungen der Erholung zu verstärken durch eine stetige, Experimenten abholde Wirt schaftspolitik. „Freie Wirtschaft in einem starken Staat!' Nach Pros. Dr. Warmbold sprach Reichsfinanz Minister Graf Schwerin von Krosigk auf dv Hauptausfchußsitzung des ReichsverbandeS der Deutsche: Industrie. Eingangs gab der Reichsfinanzminister einen Rück bilck auf die erschütternden Auswirkungen der Konjunktuv bedingtheit der öffentlichen Finanzen in den letzte: Jahren, die in der Zeit von 1929 bis 1932 alles in allen zu einer Verschlechterung der Etats von Reich, Länden und Gemeinden um etwa 10 Milliarden Mark geführ hätten. Am Ende einer solchen Entwicklung hätte dai Chaos oder die Inflation gestanden, wenn ma: nicht mit allen Mitteln versucht hätte, das Schiff bei öffentlichen Finanzen zwischen Szylla und Charybdis Hin durchzusteuern. Man hätte dies erreicht einerseits durck außerordentlich drückende Erhöhungen auf der Einnahme seite und durch schärfste Kürzungen auf der Ausgabenseite die bei den personellen Ausgaben 1,6 Milliarden und be den sachlichen Ausgaben 3,5 Milliarden Mark betrage: hätten. Bei dieser Politik hatte man mit einer doppelte: Tragik zu kämpfen: Einmal mit einer Schuld derVev gangenheit, weil nämlich in den Jahren vor Be ginn der Krise keine systematische Etatskonjunkturpolith betrieben worden sei, die darin bestände, in guten Zeile» Reserven zur Überbrückung schlechterer Jahre anzu sammeln. Die zweite Tragik lag darin, daß die Maß nahmen, die man zur Behebung der Notlage der ösfcnt lichen Finanzen durchführen mußte, noch krisenver schärfend wirkten. Diese Politik mußte gerade auch vom Standpunkt dei Reichsfinanzministers aus in d e m Augenblick umgestelb werden, als der Boden der Krise erreicht war, um di, Wiederbelebung in der Privatwirtschaft zu erleichtern und zu fördern. Sanierung des Etats durch Entlastung der Wirtschaft, das ist der Grundgedanke de: Steuergutscheine. Auf die Frage, ob eS nicht leichtsinnig sei, den Weg der Vorbelastung zukünftiger Jahre durckj Schaffung der Steuergutscheinc zu gehen, müsse man dar- auf Hinweisen, daß die Vorbelastung 300 bis 500 Mil lionen Mark pro Jahr ausmachc, gegenüber einem Rück gang in den öffentlichen Finanzen von 10 Milliarden Mark von 1929 bis 1932. Im übrigen betonte der Minister, daß gerade in diesen Zeiten eine Politik der unbedingten Sparsamkeit und der organisatorischen Reform betrieben -Verden müsse. Unter das Kapitel Subventionen müsse ein Schluß strich gezogen werden. Je mehr der Staat sich auf sein eigenes Arbeitsgebiet beschränke, um so sauberer und stärker werde er fein. Etwaige Mißbräuche, die sich bei der Durchführung des Wirtschaftsprogramms ergeben könnten, insbesondere die unrechtmäßige Inanspruchnahme von Steuergutschcinen für Mehrbeschäftigung müsse die Wirt schaft vonsichaus bekämpfen, um das Ziel zu erreichen: ehrbare Wirtschaft in einem sauberen Staat, freie Wirt schaft in einem starken Staate. * Die Forderungen von Wirtschaft und Industrie. Krupp von Bohlen vor dem Reichsverband der Deutschen Industrie. Die Hauptausschußsttzung des ReichsverbandeS der Deutschen Industrie wurde in Berlin durch eine An sprache seines Vorsitzenden Dr. Krupp von Bohlen und Halbach eröffnet. Der Redner ging auf die Wirt schaftspolitik der Regierung von Papen ein, die schlagartig eine Vertrauenswelle hervorgerufen habe. Es sei zu wünschen, daß die Regierung Schleicher sorgfältig darauf bedacht sein möge, die Grundlinien des Programms der Papen-Regierung zuwahren. Wirtschaft und Industrie seien fest entschlossen, alle produktiven Kräfte einzusetzen, und es wäre außerordentlich verhängnisvoll, wenn diese Bemühungen durch parteipolitische Umstände zu nichte gemacht würden. Der Redner legte ein Bekennt nis zur Privatwirtschaft ab und forderte die Wiederher stellung einer klaren Scheidung zwischen den Aufgaben des Staates und denen der Privatwirtschaft. Er schloß mit den Worten: „Verlangt von der Wirtschaft ein Höchst maß an Leistungen, aber gebt ihr hierfür durch Beseitigung der unnatürlichen parteipolitischen und machtpolitischen Hemmungen eine wirkliche ehrliche Chance!" Aushebung der Tariflohnsenkmg. Im Reichsanzeiger wird eine Verordnung der Reichs- regierung über dieAufheb « ng der Verordnung zw Vermehrung und Erhaltung der Arbeitsgelegenheit ver öffentlicht. Die Verordnung lautet: Die Verordnung zur Vermehrung und Erhaltung de: Arbeitsgelegenheit vom S. September 1932 tritt bin,