Volltext Seite (XML)
für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. IIH Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, WÄNSL ---°ch°»b-°ttstrW,!.dr«ff^u«,-,°»d 3«S°Ue HSHnn D-w-tt, Kn-g °d«r,°nfti,-r B-tri-b-störungm d-st-ht d-i« Anspruch auf Li-f-rung »«Zkitung oder Kür,UN, des Bezugspreises. - Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, weuu Porto b-iliegt. Anzeigenpreis: dir 8 gespaltene Rau«,eile 20 Rpsg., dir 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reich», Pfennig, dis S gespaltene Reklamezeil« im textlichen Teil« 1 Reichsmark. Nachweisungsgedühr 20 Rcichspscnnige. V»»> geschriebene Erscheinung«. —, . , .. tage und Platzvorschrist« werden nach M-glichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. An,ei^->. Lnnahmebis°orm.I0Ubr. - U Mr die Richtigkeit d«, durch Fernruf LbermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabottanspru ch erlischt, wenn derBetragdnrch «läge eingezogenwerdenmutzoderderAuftraggeberinKankursgerät. AnxdtgennehmenalleVermittlungsstellenentgegru. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauplmannschsft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstreniamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr 164, — 86 Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt« Wilsdruff-DreSd kN Postscheck: Dresden 264S Sonnabend, den 16 Juli 1927 Ltnglückszeiien. Die „internationale Katastrophenkommission". — Ver heerende Naturereignisse. — Bewährte deutsche Tat kraft. — Gegen Vergiftung der Volksseele. In Genf war man — unter führender Mitwirkung unseres früheren Reichsinnenministers Külz — eben dabei, eine übervölkliche Hilfsorganisation für außergewöhnliche Unglücksfälle einzurichtcn. Eine „internationale Katastrophenkommission«, wie sie alsbald von irgendeinem der berufsmäßigen Spötter getauft wurde, die die unermüdlichen Anstrengungen des Völkerbundes zur Ausbreitung von Frieden und Glückseligkeit in der Welt mit ihren beißenden Reden begleiten. Man kann nun gewiß der Ansicht sein, daß es auch schon früher bei großen Elementarereignissen, von denen bald dieses, bald jenes Land heimgefucht wurde, an Be kundungen internationaler Solidarität durchaus nicht ge fehlt hat. Man kann wohl die berechtigte Frage aufwerfen, ob ein kunstvoll und mühselig aufgebauter Apparat völker- bundmäßiger Herkunft und Jnstanzenhäufung in gleicher Weise imstande sein würde, mit der gebotenen Schnellig keit und Zielsicherheit einzugreifen, wo immer die Kräfte des unmittelbar betroffenen Landes zur Bewältigung der Not nicht ausreichen. Wie gar foll es nun erst werden, wenn die Genfer Herren sich einer solchen Fülle ver heerender Naturereignisse gegenüberfehen, wie wir sie jetzt schaudernd Tag für Tag über uns Herein brechen fahen? Die entsetzlichen Folgen der Unwetter katastrophe im Sächsischen Erzgebirge werden unge zählte Wochen und Monate beanspruchen, bis auch nur das primitivste Alltagsleben dieser bemitleidenswerten Ort schaften wieder als gesichert gelten kann. Reich, Staat und Gemeinden werden gewiß mit oft bewährter deut - scher Tatkraft ungesäumt ans Werk gehen, um wiederaüfzubauen, was diese losgelassenen Mächte der Hölle binnen wenigen Minuten zerstört haben. Sollten sie, wenn jene internationale Katastrophenkommission jetzt schon fix und fertig bereit stände, etwa warten, bis man in Genf mit den unvermeidlichen Reden und Untersuchungen, der Sammlung von Gutachten und Berichten, der Ein bringung der notwendigen Geldmittel kostbare Zeit ver braucht und zuletzt vielleicht zu verständigen Entschließun gen gelangt? Darauf wird sich keine Länderregierung einlassen — nicht einmal die p a l ä st i n e n s is ch e, die, kaum, daß die entfesselten Wassermassen der Müglitz und der Gottleuba sich verlaufen hatten, in ihrem Gebiet wieder andere Elementarkräfte zu spüren bekam, denen gleichfalls Hunderte von Menschenleben zum Opfer fielen. So umschließt allerdings eine Kette gemein samen Leides die Völker im Morgen- und im Abend land. Wir werden uns wieder einmal der zu oft ver gessenen Tatsache bewußt, daß wir alle ohnmächtige Ge schöpfe in der Hand höherer Gewalten sind, die trotz unab lässig fortschreitender Zivilisation immer.noch in einem Augenblick zu zerstören vermögen, was Tausende von Menschenhänden in jahrelanger Arbeit einem unwilligen Boden, einem mißgünstigen Geschick abgerungen haben. Irgendwie scheint uns die Welt aus den Angeln ge worfen zu sein, ohne daß unsere Gelehrten zu sagen wüßten, wen oder was sie dafür verantwortlich zu machen hätten. Wer möchte da Wohl glauben, daß der gute Wille des Völkerbundes die außer Rand und Band geratene Ordnung der irdischen Dinge wieder herzustellen oder auch nur in ihren unheilvollen Wirkungen wesentlich abzu schwächen vermöchte? Doch dürfen über den großen die kleinen Katastrophen nicht übersehen werden. Sie pflegen sich zwar nicht mit donnerartigem Getöse einzustellen, auch wenn sie gelegent lich von Revolverschüssen begleitet sind. Aber wo sich fest stellen läßt, daß sie auf Ursachen allgemeiner Art zurück gehen, wäre es frevelhafte Unterlassungssünde, wollte man die Augen gegen sie verschließen, bis jeweils wieder einmal ein Unglück geschehen ist. Der preußische Minister des Innern hat kürzlich den Polizeibehörden eingeschärft, was gegenüber gewissen Auswüchsen bei Theaterrevuen usw. ihres Amtes ist. Seine Aufmerksamkeit war durch einen sehr dankenswerten Landtagsbcschluß auf die außerordentlich große Gefährdungunseresöffentlichen, kul turellen und sittlichen Lebens durch die in keinerlei Kunstinteressen begründete Aufführung der so- genannten Theaterrevuen mit sehr ausgiebigen Nackt- darstellungen hingelenkt und er war gebeten wor den, dagegen die geeignet erscheinenden behördlichen Maß nahmen zu treffen. Der gleiche Landtagsbeschluß hatte aber auch die Tatsache unterstrichen, daß sehr eindeutige Schlager, Couplets, Lieder durch Verbreitung von Grammophonschallplatten heute bis in die kleinsten und abgelegensten Dörfer und damit zugleich bei der Schuljugend nicht nur der Stadt, sondern auch des Landes Eingang sinden, womit natürlich eine un berechenbar umfassende Vergiftung der Volks seele bewirkt wird, und daß deshalb auch die Verbrei tung solcher unheilvollen Kunsterzeugnisse mit allen ge eignet scheinenden Maßnahmen verhindert werden müsse. Grund genug für den Minister, feinen Behörden erneut einzuschärfen, daß auch nach Beseitigung der sogenannten Vorzensur diePolizei zum Einschreiten gegen Theater.- Barrikadenkämpfe in Wien. Blutige Ausschreitungen in Oesterreichs Hauptstadt. Wien in Aufruhr. In Wien sind blutige Straßenkämpfe entbrannt. Den Anlaß zu diesen Kämpfen bot das Urteil des Wiener Schwurgerichts, das über einen Zusammenstoß zwischen Frontkämpfern und Mitgliedern des Republikanischen Schutzbundes im Januar d. I. in Schattendors zu be finden hatte, bei dem ein Arbeiter und ein achtjähriger Knabe getötet und fünf Personen verletzt worden waren. Das Gericht sprach die drei angeklagten Frontkämpfer frei. Infolge dieses Freispruchs bemächtigte sich der Wiener Arbeiterschaft große Empörung, die ihre Wut in Demon strationen und Tätlichkeiten ausließ. Eingeleitet wurden die Demonstrationen gegen das Urteil durch Streiks der Arbeitnehmer bei einem Teil der Wiener Verkehrsmittel, des Wiener Elektrizitätswerkes und auch anderer Betriebe. Im Mittelpunkt der Demon- strationen standen das Parlament und der Justizpalast. Zwischen berittenen Wachleuten und den Demonstranten entstand vor dem Parlament ein regelrechter Kampf, bei dem die öffentliche Macht mit blanker Waffe gegen die Menge vorging. Auch wurden hier mehrere Schüsse ge wechselt. Zu weit ernsteren Szenen kam es vor dem Justiz palast, vor dem die Menge Barrikaden errichtete. Um die Mittagszeit drang ein starker Trupp Manifestanten in das Justizgsbäude ein, warf große Bündel von Akten aus die Straße, wo sie in Brand gesteckt wurden. Auch im Justizgebäude selbst wurde Feuer angelegt: ein Teil des Palastes soll bereits den Flammen zum Opfer gefallen sein, da der heranrückenden Feuerwehr durch die Demon stranten jede Löscharbeit unmöglich gemacht wurde. Vor dem Gebäude spielten sich Wüsts Szenen ab. Frauen, die unter den Demonstranten besonders stark ver treten sind, fielen in Ohnmacht und mußten fortgeschafft werden. Im Iustizpalast selbst sind mehrere Beamte mit Eisenstangen schwer mißhandelt worden. Militär wird eingesetzt. Da sich die Polizei als viel zu schwach gegenüber der erregten Menge gezeigt hat und der Polizeipräsident zudem den Auftrag gegeben hat, die Wassen zurückzu ziehen, ist Militär eingesetzt worden, um die Re volten niederzuschlagen. Auf die Kunde von dem Heran rücken des Militärs zogen sich die Demonstranten nach dem Rathaus zurück, wo sie Barrikaden zu errichten begannen. Dafür gaben sie den Platz vor dem Justiz gebäude frei, so daß die Feuerwehr dann zu den Lösch arbeiten an das Gebäude herankam. Bisher 15 Tote, 100 Verwundete. Schutzbundabteilungen versuchen, auf die erregte Menge beruhigend einzuwirken. Doch scheint das bisher noch nicht gelungen zu sein. Im Gegenteil suchen sich die Demonstranten immer neue Objekte für ihre Angriffe aus. Verschiedene Zeitungsgebäude sind von ihnen ge stürmt worden, wie überhaupt das Erscheinen der Mit tags- und Abendblätter in. Wien zur Unmöglichkeit ge- aussührungen verpflichtet ist, sobald der Inhalt eines Theaterstückes oder die Art seiner Aufführung geeignet ist, die öffentliche Sittlichkeit zu gefährden; ihnen auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Erinnerung zu bringen, wonach Lautüüertragungen durch Grammophon platten unter den Begriff der unzüchtigen Dar stellung fallen, wenn die sonstigen Tatbestand smeck- male der entsprechenden strafgesetzlichen Bestimmung vor liegen. In solchen Fällen soll „mit allem Nachdruck" ein geschritten werden. Gegen diesen Erlaß eines sozialdemokratischen Mi nisters ist erfreulicherweise von keiner Seite Einspruch erhoben worden. Stimmt es aber nicht bedenklich, wenn die Regierung bis auf die Zeiten des Allgemeinen Preu ßischen Landrechts zurückgeht, um sich einen Rechtstitel für die notwendige Bekämpfung solcher Schmutzleistun gen zu holen, mit denen der gute Ruf unserer deutschen Kunst und Musik vor aller Welt geschändet wird? Deutschland und Belgien. Die unhaltbaren Anschuldigungen de Broquevilles. Der wegen der Angriffe des belgischen Kriegs- ninisters, de Broqueville, auf die Reichswehr unter nommene diplomatische Schritt Deutschlands in Brüssel !st jetzt von Belgien mit einer Note beantwortet worden, fle dem deutschen Gesandten in Brüssel übergeben worden ist. Diese Note wird gegenwärtig im Auswärtigen Amt in Berlin bearbeitet. Schon jetzt zeigt sich, wie unbe gründet die Angriffe des Broquevilles waren. Wie sich Zerausgestellt hat, hat sich der belgische Kriegsminister bei macht worsen i»,t, so daß, wie immer in solchen Fällen, den Gerüchten Tür und Tor geöffnet sind. Bei den bisherigen Zusammenstößen soll es 100 Verwundete gegeben haben. Wie verlautet, sind bereits 15 Personen getötet worden. Die letzten Wiener Meldungen besagen, daß die Sicherheitswache in Wien mit Gewehren bewaffnet gegen die Demonstranten vorgeht, die der bewaffneten Macht vorläufig auszuweichen scheint. Immerhin ist die Er regung in der Donaustadt so gewaltig, daß mit neuen Zu sammenstößen gerechnet werden muß. Generalstreik in Wien. Innsbruck, 16. Juli. Heute früh wurde in Innsbruck offiziell bekannt, das; in Wien der Generalstreik poklamiert wor den ist. Dieser hat auf Tirol insoweit übergegriffen, daß auch hier heute morgen um 5 Uhr auf Anordnung -er Gewerkschaften der Eisenbahnverkehr eingestellt worden ist. — Die Tiroler Landes regierung hat alle Maßnahmen getroffen, um die Ruhe im Lande aufrecht zu erhalten. Militär, Gendarmerie und Polizei liegt seit gestern in höchster Bereitschaft. — Auch der telepho nische und telegraphische Verkehr zwischen Wien und den Bundes ländern ruht vollständig. Vierzig Tote. W ien, 15. Juli. Nach bisher amtlich noch nicht bestätigten Schätzungen ist bereits mit 40 Toten und 200 Verwundeten in Wien zu rechnen. Der Ministerrat ist zu einer Tagung zusammen getreten, die gegenwärtig noch andauert. Obgleich die Löschungs aktion am Iustizpalast energisch in Angriff genommen wurde, ist damit zu rechnen, daß mindestens die Hälfte des Gebäudes ein Opfer der Flammen sei. Das Rathaus und das Parlament be finden sich zur Zeit noch in den Händen der Sozialdemokraten. Ein Aufruf der PolizeiLirektion Wien, 15. Juli. In einer von der Wiener Polizeidirektion veröffentlichten Bekanntmachung wird darauf hingewiesen, daß die Ereignisse, deren Schauplatz heute Wien war, das schärfste Ein greifen der Sicherheitsorgane zur Wiederherstellung -er gestörten öffentlichen Ruhe und Ordnung erheischen. Die Polizidiektion richtet an alle Kreise der Bevölkerung die dringende und ernste Mahnung, nicht zuzulassen, daß verbrecherische Elemente ihre lichtscheuen Ziele zu erreichen und die Ruhe und Ordnung in der Republik Oesterreich zu stören versuchen. Der Wiener Justizpalast niedergebrannt. Prag, 16. Juli. Wie die Prager Morgenblätter melden, ist der Iustizpalast in Wien gestern abend bis auf die Grund mauern niedergebrannt. Die WttteWMMe Sreoze miliMsS besetzt Aus München. Die bayrisch-österreichische Grenze ist bei Engelhardtszell von österreichischen Bundestruppen besetzt worden. Der heute morgen in Passau nach Linz «-gelassene Dampfer wurde in Engelhardtszell an der Weiterfahrt verhin dert. Der Grenzverkehr von uns nach Oesterreich zu Schiffe und mit der Bahn ist damit stark behindert. Die letzte Telegraphen verbindung München—Innsbruck dürfte noch heute unterbrochen werden, da man auch in Niederösterreich einen Streik der Pvst- und Telegraphercheamten erwartet. feinen Anklagen aus eine interne Note der Botschafter- konserenz von Anfang 1925 berufen, die sich mit det, Frage der Schwarzen Reichswehr befaßt hat.' Diese Angelegenheit ist aber im Januar dieses Jahres' von der Botschafterkonferenz als völlig erledigt erklärt worden, so daß man sehen kann, auf wie schwachen Füßen die belgische Anklage steht. Die ganze Angelegenheit, die der belgische Kriegs minister jetzt aufgerührt hat, scheint übrigens ein abge kartetes Spiel zwischen Frankreich und Belgien zu sein. Französischerseits hat man nämlich Material über die Reichswehr gesammelt, wie es sich aus Debatten in den deutschen Parlamenten über die Versorgung von Rcichsweyrentlaffenen und Angehörigen der alten Armee ergab. Dieses Material ist dann dem belgischen Kriegs minister zur Verfügung gestellt worden, der den fran zösischen Inspirationen auf den Leim gegangen ist. Selbst in einem Teil der Brüsseler Presse begegnen die Behaup tungen Broquevilles starken Zweifeln, und es wird dar auf hingewiesen, daß, wenn Broquevilles Erklärungen richtig seien, Marschall Foch nicht die Erklärung abgegeben hätte, daß Deutschland seinen Entwaffnungsverpflich tungen nachgekommen sei. Man wird Wohl nicht fehlgehen in der Annahme, daß die belgische Antwortnote an Deutschland und die Stellungnahme der deutschen Regierung dazu bald ver öffentlicht werden wird. Es wird sich dann zeigen, mit welchen Argumenten die deutschfeindliche Presse in Frank reich und die von ihr beeinflußten Persönlichkeiten arbeiten.