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Ottendorfer Zeitung : 08.01.1936
- Erscheinungsdatum
- 1936-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-193601083
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19360108
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19360108
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1936
-
Monat
1936-01
- Tag 1936-01-08
-
Monat
1936-01
-
Jahr
1936
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 08.01.1936
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»lamm rkonferenz Vertagung i Marine- d zunächst nd ameri- aph" mel- c mengen- doner und iden seien, über eine ukünftiger eit. n Montag slottenkon- >en Ergeb vergessen, rugenblick- : einzelnen technischen e auf dem estig ungen ibehaltung wesen, das Dieses manische age sei da- mfalls be- über das ässen, und fragen, ob politische ich. en nehmen smaße an. den gemel« ß die Was- m Rennes eschwemmt >mmen. In >um ersten n Fluten men ab-' nd Süd ost- Nantes Umgebung !N. In der die Stau- dah weite sicher Ort- Löhnungen rckte Leben nicht mehr hr trostlos, eFabri - Krafr- i l l eg e n. -atzen über- ger kleiner m verwan- > Vieh ins zuversicht- icht und ist gt dagegen larmzu - -berschwem- Baren frei- Itslienisvke Vnokungvn. „Die Genfer Lust wird allmählich unerträglich" Rom, 5. Januar. Unter der Ueberschrift „Der neue Eanktionsversuch im Schatten des Roten Kreuzes" wendet sich das römische Sonntagsblatt „Voce d'Jtalia" in seinem Leitartikel von größter Verbitterung gegen den , ,drei- sachen Angriff", dem Italien heute von Abessinien, „von England, das über der ganzen Affäre steht" und vom Völkerbund ausgesetzt sei, und mit dem unter Mißachtung der italienischen Zivilisation die europäische Solidarität untergraben und die Grundsätze der Kollektivität endgültig vernichtet werden. Die Genfer Luft, so schreibt das halb amtliche Blatt, werde allmählich unerträglich. Von ver schiedenen Seiten werde die Frage erhoben, warum Italien im Völkerbund bleibe. Die Antwort darauf laute: Italien werde solange bleiben, als ihm die Kräfte dazu ausreichen, um nicht noch weitere europäische Komplikationen in die Verwirrung der Welt zu bringen, die um den „ärmlichen abessinischen Fall" bereits entstanden sei. „Alles drängt Italien auf diese letzte Grenze hin." Das Blatt verbindet diese Warnung mit sehr scharfen Wendungen gegen die „niedrige Spekulation" auf das Luftbombardement bei Dolo, bei dem zwei schwedische Aerzte verwundet worden seien, was jedermann in Italien bedauere. Es handelt sich aber doch nur um einen „zufäl ligen Zwischenfall von glücklicherweise leichtem Ausmaß", der i n S ch w e d e n jedoch in einen nationalen Trauertag und eine heftige Auflehnung gegen Italien verwandelt worden sei. Die im Voraus festgelegte Stellung nahme der sozialistischen Regierungen der drei skandina vischen Staaten sei begreiflich. Weniger verständlich sei schon die Haltung Finnlands, das in seinen Beziehungen mit Cowjetrutzland einen schwierigen Augenblick durchmache. Aber über die skandinavischen Länder hinaus sei von neuem eine Sanktionswut entfacht worden, bei der freilich der ein zige unschuldige Tote, der italienische Flieger Minniti, dem in barbarischer Weise der Kopf abge schlagen worden sei, dabei nicht im geringsten berücksich tigt werde. Der ganze Sanktionismus sei darauf aufgebaut, die Angriffe Abessiniens, die Italien 50 Jahre lang hinge nommen habe, zu ignorieren und einzig und allein Abessi nien als Opfer zu betrachten. Der ganze Sanktionismus sei auf der gewollten Annahme der Unschuld Abessiniens aufgebaut und könne auch in keinem Augenblick von diesem Eründgedanken abgehen, weil sonst das ganze Kartenhaus zusammenfallen müßte. Italien werde auch diesem neuen Ansturm des Sanktionismus Widerstand leisten, aber es werde nicht vergessen können. Der Bombenabwurf auf das Rote Kreuz. London, 4. Januar. Der britische Pressefunk verbreitet einen Bericht, den der Chefarzt der schwedischen Sanitäts abteilung, Dr. Hyland er, der sich zur Zeit in Addis Abeba befindet, über den italienischen Bombenabwurf bei Dolo erstattet haben soll. Danach sollen nach den Angaben des schwedischen Arztes mindestens 20 Bomben abgeworfen worden sein. Zwei Verwundete, die gerade auf dem Operationstisch lagen, seien sofort tot gewesen. Das Jammern und Schreien der Verwundeten sei furchtbar Fewesen. Viele von ihnen seien halb von Erde und Steinen bedeck» gewesen, die durch die Bombenexplosionen hochge schleudert wurden. Nach dem Aufhören der Bombenabwürfe sei das Dröhnen der Flugzeugmotoren noch lauter gewor den, und ein Hagel von Maschinengewehrkugeln sei durch die Zelte gefegt. 28 Verwundete und etwa 50 Helfer seien getötet worden. Tod Lundströms bestätigt. Stockholm, 5. Januar. Das Präsidium des schwedischen Roten Kreuzes erhielt heute abend die Bestätigung, daß der schwedische Krankenpfleger Gunnar Lundström an seinen bei dem Bombardement des schwedischen Rote-Kreuz- Lagers in Abessinien erlittenen Verletzungen gestorben ist. * Erhöhte Gefechtstätigkeit an der Südfront. Addis Abeba, 4. Januar. Die von der Nordfront ein gegangenen Berichte besagen, daß die Italiener während der ganzen letzten Woche im Abschnitt Makalle dauernd Bomben abwarfen. Am 31. Dezember sind nach Behauptung der Abessinier in diesem Bezirk ausschließlich Gasbomben verwandt wor den. Die Zivilbevölkerung habe unter den Angrif fen ungeheuer zu leiden, während militärisch absolutkeineErfolge erzielt würden. In sechs Tagen wurden über 3VVV Bomben abgeworsen. Die bisherigen Verlustziffern werden von abessinischer Seite mit 10 Toten, unter denen sich 2 Zivilisten befinden, ange geben. Außerdem seien 15 Mann verwundet worden. Auch an der Südfront herrscht wieder Gefechtstätigkeit. Am Nord ufer des Webi-Schebeli-Flusses im Gebiet von Danane wird heftig gekämpft. Abessinische Empörung. Addis Abeba, 5. Januar. Bei den außerordentlich star ken italienischen Bombenangriffen an der Nordfront wur den über der Stadt Amba Aleja (südlich von Makalle) Eift- gasbomben abgeworfen. Einige Tote, zahlreiche Verwun dete blieben am Platze. Am 2. Januar nachmittags warfen drei italienische Flieger Gift- und Brandbomben über Debnat und Debre Tobor ab. An der Südfront wurde die Stadt Corem bombardiert und erneut Dagabur. Beim ersten Bombardement Dagaburs wurde nach den letzten Meldungen die ganze ägyptische Ambulanz restlos zerstört, Opfer sind jedoch keine zu verzeichnen. Die abessinischen Kreise erklären, sie seien über die ständigen Bombarde ments von Rotkreuzstationen äußerst empört und müßten fragen, was die europäischen Großmächte gegen die Ver letzung der heiligen internationalen Einrichtung sagten. Abessinien habe man erst verweigert, in das internatio nale Rote Kreuz eintreten zu können, weil diese Einrichtung nur zivilisierten Völkern zugänglich sei. Die ständigen Bombardements von Rotkreuzstationen durch die Italiener, die nach dritter Wiederholung deutlich die Absicht zeigten, schädigten ungeheuerlich das europäische Ansehen. Italienisches Flugzeug verbrannt. Rom, 5. Januar. Der italienische Heeresbericht meldet: An der Eritrea-Front ist vorgestern im Tembienabschnitt und in dem Gebiet südlich von Makalle eine lebhafte Er kundungstätigkeit unserer Streifen entfaltet worden. Vor unseren Linien wurden feindliche Gruppen zerstreut. Bei den verschiedenen Kampfhandlungen sind auf unserer Seite sechs Mann der Heimatarmee und zwei Eritreer gefallen. Die Luftwaffe hat auf zwei Ziele Bomben abgeworfen: an der Karawanenstratze zwischen Socota und Seloa auf starke feindliche Gruppen, die sich im Anmarsch auf unsere Linien befanden, und in dem Gebiet von Cafta auf ein Zeltlager von abessinischen Kriegern. Eines unserer Flugzeuge ist über Cafta in Brand ge raten. Die aus einem Beobachtungsoffizier und einem Flieger-Unteroffizier bestehende Besatzung ist tot. Amtliche Mitteilung über Italiens bisherige Verluste. Nom, 5, Januar. Nach einer amtlichen Statistik sind bei dem italienischen Feldzug in Ostafrika im Dezember 12 Offiziere und 63 Unteroffiziere und Soldaten im Gefecht gefallen. Für die Zeit vom 3. Oktober, dem Beginn des Feldzuges, bis zum Jahresende werden in dieser amtlichen Statistik insgesamt 86 Tote und 14 Vermißte angegeben. An Krankheit oder an den Folgen von llnglllcksfällen star ben im Monat Dezember 6 Offiziere und 68 Unteroffiziere und Mannschaften. Für das ganze Jahr werden diese Todesfälle auf 390 beziffert. Nach einer zweiten amtlichen Statistik befinden sich zur Zeit in Eritrea und Somali 50 000 italienische Arbeiter. Insgesamt sind im abgelaufenen Jahr von Italien rund 61 000 Arbeiter nach Ostafrika, und zwar zum größten Teil nach Eritrea verschifft worden. Davon wurden 11338 wegen Ablaufes ihres Vertrages oder aus anderen Gründen wie der in die Heimat zurückbefördert, während insgesamt 259 in Ostafrika gestorben sind. Aus aller Well. * „Emde»"-Abordmmg in Gmrtemala. Die in der Hauptstadt von Guatemala weilende Abordnung des deut schen Kreuzers „Emden" marschierte am Sonnabend unter Gewehr vor dem Nationalpalast und dem Kriegsministe rium vorbei. Anschließend legten die deutschen Seeleute am Denkmal des großen guatemalischen Reformators Justo Rufino Barrios einen Kranz nieder. Den Veranstaltungen wohnte eine große Menschenmenge bei. * Ein Kraftwagen vom Zuge erfaßt. — Ein Toter, zwei Schwerverletzte. Aus Bad Wildungen wird gemeldet: Am Sonntag gegen 19 Uhr wurde am Bahnübergang am Biedensteg ein Kraftwagen von der Lokomotive eines aus Bad Wildungen ausfahrenden Personenzuges erfaßt und über hundert Meter weit mitgeschleift. Einer der Insassen wurde aus dem Kraftwagen geschleudert und war auf der Stelle tot. Eine Frau erlitt schwere Verletzungen, ein dritter Insasse des Kraftwagens wurde ebenfalls erheblich verletzt. Die Kraftwagenfahrer stammen aus Allendorf an der Eder. Der Kraftwagen selbst wurde völlig zer trümmert. * Autounfall Lilian Harveys. Auf der Fahrt von Berlin nach Potsdam hatte die Filmschauspielerin Lilian Harveh einen Kraftwagenunfall. Ihr Wagen fuhr gegen erneu unbeleuchteten Anhänger, wobei die Künstlerin sich Verletzungen zuzog. Sie wurde zur ersten Untersuchung und Anlegung eines Verbandes in das Städtische Kranken haus nach Potsdam gebracht. Lilian Harveh fuhr dann nach Berlin, wo die Behandlung fortgesetzt wird. * Kaeths Pattini, geb. v. Nagy. Kaethe v. Nagy, die zuletzt in dem Film „Madame Pompadour" zu sehen war, hat in Paris geheiratet, doch will sie auch als Frau Jac ques Pattini — so lautet der Name ihres Mannes — weiterfilmen. * Polnischer Leutnant schießt Sergeanten nieder. In einer Gastwirtschaft in Rhbnik kam es zu einer schweren Bluttat. Ter Artillerieleutnant Grzegorz aus Dubno ge riet mit dem Sergeanten Franz Chromik in Streit. Plötz lich zog der Offizier seine Pistole und gab auf Chromik einen Schuß ab. Die Frau des Chromik warf sich zwischen die Streitenden, trotzdem feuerte der Offizier noch zweimal aus den Sergeanten, der schwerverletzt zusammenbrach. Die herbeigeholte Polizei hatte große Mühe, den Täter vor der erregten Menge zu schützen. * Bombenanschlag auf jüdisches Radiogeschäft in Wilna. In einem großen jüdischen Musikalien- und Radio geschäft in Wilna explodierte am Sonnabendabend eine Höllenmaschine. Dabei wurden die Inhaberin und zwei weibliche Angestellte schwer verletzt und die Einrichtung des Ladens völlig zerstört. Man nimmt an, daß der Täter im Lager der nationalen Jugend zu suchen ist. * Politischer Mord in Ostkarelien? Die Zeitung „Uusi Suomi" in Helsingfors meldet aus dem Städtchen Joensuu in Nordostfinnland, daß der frühere Vorsitzende des Räte- Karelischen Volkskommissariats, Dr. Edvard Gylling, nach einer aus Sowjetrußlano eingegangenen Nachricht ermor det worden sein soll. Gylling, der schwedischer Abstam mung war, war viele Jahre hindurch Vorsitzender des Vollzugsausschusses der Volkskommissare der autonomen Sowjetrepublik Ostkarelien, wurde aber Anfang November 1935 von den Zentralstellen in Moskau abgesetzt und aus Ostkarelien ausgewiesen, nachdem ihm borgeworfen worden war, er habe die karelische Bevölkerung in finnisch-natio nalem Sinne erzogen. Er wurde damals von der Provinz hauptstadt Petroskoi in Begleitung einer starken Wach mannschaft sortgebracht, um anscheinend im Strafarbeits lager Solovets untergebracht zu werden. Dort sei er jedoch nicht angekommen. * Neue ukrainische Sabotageakte. In der Gegend von Stanislau (Ost-Galizien) wurden in den letzten Tagen an drei Stellen Sabotageakte durch Unterbrechung der Tele fonleitungen verübt. Als mutmaßlicher Täter wurde ein gewisser Lukomskiel, der als Mitglied der verbotenen ukrainischen Terrororganisation OUN. bekanüt ist, ver haftet. * Abreise des bisherige» Sowfetgesandten aus Monte video. Aus Montevideo wird berichtet: Der bisherige Sowjetgesandte Minkin und das Gesandtschaftsprrsonal sind am Sonnabend an Bord des Dampfers „Massilia" nach Europa abgereist. > Polizei- g dauern, er wahr- Beannen- den seine enterben! sel! Vater gesetzt zu id rannte er an den ) Gustavs lag sogar cklang all- beruhigu' noch m,s- :e Gustav Gutachten absoluter arce dar- ungeahnie Minute» zntreiben, ct für die ie — und alles ge- Geschäft, ten Wald pierfabrik, Leiter der iavs Aus- wrrock saß ür Gustav befahl er on gestern chmitz be- aderwärts n nächsten rief! Ver- ufig hier. Ich mich 2s »Nachdruck verboten.) Und dann begann ein Leidensweg, der des armen Paul May hinschwindende Kräfte vollends aufzehrte. Pis zu dieser Stunde hatte er nicht gewußt, aus was für begriffsstutzigen, untauglichen Leuten sich sein engerer Bekanntenkreis zusammensetzie. Acht Freunde suchte er an diesem Morgen auf; er bewältigte binnen neunzig Mi nuten insgesamt einunddreißig Treppen zu durchschnittlich süusundzwanzig Stufen, indes das Auto vor der Haus tür wartete und der Chauffeur, von des Fahrgasts steigender Unruhe angestecki, jedes Haus auf die Möglich keit eines zweiten Ausgangs prüfte. Nur ein einziger Freund war brauchbar! Das war der Musiker Peter Heigel. Im Winter saß er im Orchester des Gärtnerplatztheaters neben dem Konzertmeister, und während der Sommermonate arbeitete er an einer Oper, „Der Elfenring" genannt, die nie fertig wurde, weil ihr Schöpfer erst durch äußere Einflüsse in die rechte Stim mung gebracht werden mußie. „Wie lange wird die Geschichte dauern?" erkundigte er sich, behende aus einen Stuhl springend, um den Koffer dom Kleiderschrank herunterzuholen. „Nur vier bis fünf Tage? Warum so kurz? Mir scheint, du traust mir die Fähigkeit nicht zu, mir meiner Rolle fertig zu werden? Tch werde dir emen Häusermakler hinlegen, an dem die Tanze Branche lernen kann!" „Ich bitte dich: Rede jetzt nicht so viel, sondern sieh rju, daß du fertig wirst!" Paul rannte mit der Uhr in der Hand auf und ab. „Wir kommen schon zurecht!" Peter stieg in eine ^ederlwse und legte grüne, mit Edelweiß bestickte Hosen- stäger an. Er entnahm der Schublade rosa Hemden und "nen geblümten Schlafanzug, verstaute Zahnbürste, Taschentücher und Rasierzeug, und zuni Schluß faßte er nach einem abgenutzten Jahresband einer Zeitschrift. „Bist du verrückt? Das willst du mitschleppen?" „Meine Partitur!" Mit delikater Geste lüftete Peter nur ganz wenig den schwarzen Deckel und ließ den Freund einen Blick hineintun. „Ich muß jetzt sehr fleißig sein!" „Warum mußt du gerade jetzt fleißig sein? Sechs >^ahre lang hast du gefaulenzt und — —" . „Ich werde dir das später erklären!" Heigel warf den Deckel des Koffers zu. Sie kamen eben noch mit knapper Not zum Zug. Der Träger schlenderte das Gepäck zum Fenster hinein, und sie dampften ab. Paul wischte sich den Schweiß von der Stirn. „In Mittenwald werde ich eine Depesche an den alten Schmitz aufgeben", sagte er, von einem schrecklichen Ge danken erfaßt. „Sonst kommt er am Ende selber." Peter schien ganz unbesorgt. „Was ist das für ein Mensch, dieser alte Schmitz?" „Ich kenne ihn nicht." „Ist er so wie Gustav?" „Ich glaube kaum." Der Geiger schaute zum Fenster hinaus in den regen feuchten Vormittag und seufzte lief auf. „Ich bin wirklich froh, daß ich diesem trostlosen Wetter entkomme. Ich habe mir vorgenommen, nunmehr die Rosenszene des zweiten Aktes zu beenden, und dazu brauche ich natürlich die richtige Stimmung. So etwas läßt sich nicht in einer ver regneten Stadt schreiben; es bedarf dazu eines sonnen glitzernden Waldes voll blühenden Gezweiges, in dem die Vögel singen . . ." „Im September singen die Vögel nicht mehr!" „Nein?" Der Münchner schien enttäuscht. „Nein, wenigstens in unseren Breiten nicht. Und was das blühende Gezweig betrifft " „Wilde Rosen, Rotdorn und die duftenden Kätzchen der " „ so gibt's das bei uns überhaupt nicht. Für Leute, die duftende Kätzchen suchen, ist in Veitschhofen nichts zu holen!" erklärte Paul schonungslos. „Veiisch- hofen liegt gut tausend Meter hoch, mein Lieber!" Und er entwarf von dem Ort, dem sie mit 60 Kilometer Stundengeschwindigkeit zustrebten, eine kurze Schilderung, die eher für seine Aufrichtigkeit denn für Heimatliebe sprach. Er stellte die Witterungsverhältnisse plastisch und mit einem gewissen Vergnügen an Naturkatastrophen dar und gebärdete sich immer hemmungsloser, je finsterer die Miene seines Gegenübers wurde. Nach einer Erzählung von jähen Temperaturfällen und plötzlichen Bildungen von reißenden Wildbächen, die selbst auf der Polar forschertagung Bestürzung und Unruhe hervorgerufen hätten, lehnte er sich zurück und erwartete eine Explosion. Diese Explosion blieb überraschenderweise aus. Peter Heigel saß ruhig da; seine Pupillen flackerten nervös, aber er schwieg. Er schwieg, bis der Zug in Mittenwald einfuhr und alle Reisenden bis auf den letzten Mann in den Regen hinausstürzten, um sich noch einmal an bayri schem Bier zu laben. Paul May stieg auch aus und gab eine beschwörende Depesche an den Häusermakler Schmitz auf, doch um Gottes willen in Berlin zu bleiben. Er sei durch eine Er kältung an der rechtzeitigen Fortsetzung der Reise ver- hindert gewesen, würde aber das Gutachten unbedingt noch diese Woche absenden. Darunter schrieb er, mit einem unbehaglichen Gefühl im Rücken: „Gustav". Nachher trank er noch ein Glas Bier, kaufte einem Jungen, der in der Wartehalle sein Unwesen trieb, am BüfZtl eine Creme schnitte ab und beeilte sich, wieder in sein Abteil zu kommen. Paul May kam eben zu einer merkwürigen Szene zurecht. Peter Heigel, den Koffer in der Hand, stritt gerade an der Sperre mit dem Bahnbeamten, der ihm irgend etwas zu verweigern schien. „Hallo!" rief Paul erstaunt. „Was ist los? Bier kriegst du da drüben!" Peter fuhr herum, und seine Nase stand sonderbar spitz über dem erbittert zusammengepreßten Mund. „Ja?" sagte er, ohne ein weiteres Wort an den Beamten zu wenden. „Dort ist das?" „Wozu schleppst du denn deinen Koffer mit dir herum?" Der andere sah ihn verstört an. „Ich bitte dich: bei den vielen Eisenbahndiebstühlen, von denen man neuer dings liest —!" „Mach dich nicht lächerlich! Wer sollte dir denn diese ruppige Pappschachtel entwenden? Sieh zu, daß du zu deinem Bier kommst! Es geht gleich weiter." „Einsteigen! Einsteigen!" schrie es auf dem Bahnsteig. Das Büfett erdröhnte vom Krachen zurückgestellter leerer Krüge; Wagentüren knallten zu; eine korpulente schluchzende Frau wurde mit Lebensgefahr auf das Tritt brett des anrückenden Zuges gestemmt und von kraftvollen Fäusten ins Innere gerissen. Und dann fuhr man glücklich auf Scharnitz zu ins Österreichische. Die beiden Künstler blieben allein im Abteil. Sie schauten zum Fenster hinaus auf grüne Wiesen voll nasser Kühe, auf Bauernhäuser mit steinbeschwerten Dächern. Aus zerreißenden Wolken guckte die das Seefelder Tal beherschende Hohe Munde; über himmelhohen grauen Nebelwänden hingen weiße Firne frei unter einem zür nenden Himmel, und im Jnntal wusch der Regen die un reifen Kartoffeln aus dem mageren Boden. Nachdem man vierunddreißig Weichenstellerhütten passiert halte, lief der Zug mit knapp vierzig Minuten Verspätung in Inns bruck ein. (Fortsetzung folgt.)
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