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MsdmfferTageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, W°»-Ndl°n sür WII-drufs u. Umg-g-nd trag» UN» »»«chaftsstellen — — —rl nehmen zu jeder Keil Be« stellungen e^grzr». Im Falle höherer «Sewall, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung «er Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingcsandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto berliegl. Anzeigenpreis: die «gespaltene Raumzeile ro Doldpfeunig, die 2aespaItene Zkile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold- psennig, die 3 gespalteneReklamezeNe im textlichen Teile loü Göldpsennig. Nachweisungsgedühr 2V Goldpscnuige. Dor- geschriebeneErschkinungs- —. , , „ tag-und Platzvoischristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. y berücksichtigt. Anzeigen- annahmebisoorm.ltlUhr Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Ieder Rabattanspruch erlischt, wenn dcr Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeder in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatl enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrcntamts Tharandt, Finanzamts Nossen. N" 268 83. Jahrgang Sonnabend, 15 November 1924 Telegr.-Adr.: .Amtsblatt» 28 9 b Postscheck: Dresden 2640 Stresemann für Verständigung Oie Müden. Mir wird von all dem Zeug so dumm, Als ging' mir ein Mühlrad im Kops herum. So Wird mancher Deutsche, besonders manche deutsche Frau stöhnen, wenn sie sich bemühen, den Kandidaten irgendeiner Partei nicht deswegen zu wählen, weil man ihn etwa im Mai schon gewählt hat oder weil die Nase des Kandidaten besonders gefällt, sondern weil der Wähler sich ein Urteil bilden wolle, auf Grund dessen am 7. De - zember nun der Stimmzettel abgegeben werden soll. Es ist schwierig genug, sich ein solches Urteil zu bilen; aus Wahlversammlungen gewinnt man es sicher nicht. Es ist genau wie in jener bekannten Anekdote, als König Fried rich Wilhelm I. von Preußen einmal einer Gerichtsver handlung beiwohnte; als der Anklagevertreter seine Rede beendigt hatte, sagte der König: „Der Mann hat recht", — und als der Verteidiger seine Rede geschlossen hatte, da hieb der König mit der Faust aus den Tisch und ries: „Der bat ja auch recht!" Da man bekanntlich bei allen Parteien im Wahlkampf nicht nur furchtbar l«gt, sondern vor allem die größten und unmöglichsten Versprechungen macht, so kann man den oben zitierten Stoßseufzer des wieder ein mal zur Wahl verurteilten Staatsbürgers schließlich ver stehen. . , „ , Es wird auch ein bißchen viel gewählt im lieben Deutschen Reich landauf, landab Wir haben so viele Ver tretungen jeder Art vom Betriebsrat bis zum Reichstag, daß erstens eine Menge Menschen von der ganzen Wählerei leben und daß zweitens eine Wahl immer in Vorbereitung ist und jedesmal von ihr behauptet wird, daß sie eine entscheidende Stunde" bedeute. Und von allen Wahlen wird das gesagt, immer mit demselben Brustton der Überzeugung. Nun hat der Deutsche ja auch einiges andere zu tun, als sich ein politisches Urteil zu bilden. Erstens ist das außerordentlich schwer, verlangt also sehr viel Zeit und — die haben wir alle nicht. Dann sind wir aber vurch Vie Einleitung zur Reichsverfassung alle miteinander zu Mitgliedern eines souveränen Volles ge worden UND da bleibt nichts anderes übrig, als die Rechte, die damit verknüpft sind, nun auch auszuübeu. Man hört so ost das Wort: „Ich lese grundsätzlich keine Zeitung, befasse mich grundsätzlich nicht mit Politik, gehe grundsätzlich in keine Wahlversammlung" — und der Be treffende. der sich außerordentlich groß dabei vorkommt, Merkt gar nicht, wie lächerlich er sich damit macht. Der Parlamentarismus mit allen seinen Entartungen soll die Entschuldigung dafür hergeben oder die Parteien; ebenso grundsätzlich erklärt man dann aber: „Ich wähle über haupt nicht". Im alten Athen hatte man für derartige Leutchen die Bestimmung, daß sie durch ein Scherben gericht außer Landes verwiesen, verbannt wurden, wenn sie keine Partei ergriffen. Auch bei uns sind freilich nicht so weitgehende, aber doch immerhin den Kern der Sache treffende Gedanken veröffentlicht worden, die die WahlPslicht einführen wollen. Schließlich sind nicht die Institution, also das Par- kamen« und die Parteien, Dinge an sich, sondern sie wer den beeinflußt und gestaltet durch die Menschen, die sie tragen. Und wenn man erklärt, man wolle nicht wählen zu einem Parlament, mit dessen Mitgliedern man nicht zu frieden ist, so liegt es ja an dem Herrn Wähler, darüber zu befinden, das zu ändern. Er hat ja Auswahl genug in den vielleicht 40 Parteien, die sich dem Wähler empfehlen. Die Vertretung des souveränen deutschen Polkes hat nun einmal die Macht, die Geschicke der Parteien oft ent- scheiden» zu beeinflussen; also muß ein jeder auch seinen Einfluß ausüben, weil er sonst wirklich jede Berechtigung verliert, als Nichtwähler hinterher „große Töne zu reden". Es ist ein müder Spruch: Verstehen heißt Verzeihen. Gewiß kann man sich von manchen Erscheinungen des polt- tischen Lebens angeekelt fühlen, das ist verständlich Aber doch längst nicht verzeihlich. Dadurch werden die Dinge nicht besser, daß man sich von ihnen wendet, sondern daß mail fest anpackt und — besser macht. Verkleinerung -er Vepko. Auszug aus dem Hotel Astoria. Die Reparationskommission in Paris erläßt eine Veröffentlichung über ihren Umbau, welcher dadurch not wendig geworden ist, daß nach der Londoner Reparauons- regelung die bisher sehr beträchtlichen Bezüge der Kom mission stark beschnitten worden sind. Tie Hauptdelegierten sind künftig nicht mehr verpflichtet, in Paris ihren stän digen Wohnsitz zu haben. Sie werden nur noch zur Tei! nabme an den periodischen Tagungen nach Paris kommen und statt der bisherigen Riesengehälter nur noch Tagegelder erhalten. Viele Beamion- posten der Reparationskommission werden vollständig auf gehoben. Andere Dienste, wie das juristische Bureau, werden eingeschränkt. Die Delegationen Frankreichs, Englands, Italiens und Belgiens müssen künftig ihre Kosten aus 200 000 Frank jährlich beschränken Die Kom mission muß sich schon in nächster Zeit nach einer neuen Unterkunft umschen, da das Hotel Astoria am 31. Fa- nuar 1025 geräumt werden muß. Die Dortmunder Rede. Dortmund, 13. November. Heute begann hier die Tagung des Zentralvorstandes der Deutschen Vo > kspartei. Unter den zahlreichen bekannten politischen Persönlichkeiten befand sich auch R c i ch s a n tze n m i n i st e r D r. Stresemann, der zur Eröffnung der Beratungen eine Rede von überaus großer Bedeutung hielt. Dr. Stresemann betonte dir über aus große Veränderung zu Deutschlands Gunsten, vie im Ruhrgebiet seit der Zeit vor einem Jahre eingetreteu sei. Weiter führte er aus, das Ziel der deutschen Politik könne nur in loyaler und sachlicher Zusammenarbeit mit dem Auslande liegen. Dafür sei zunächst Voraussetzung vie Räumung der noch besetzten Teile an der Ruhr und der Brüücnköpse von Düsseldorf und Duisburg. Im weiteren Verlaus der Rede pries der Redner ven Erfolg der Politik der Mitte, wandte sich gegen Hoch ichutzzölle und hob den Wert wirtschaftlicher Zusammen arbeit hervor. Aus dem Wortlaut der Hede. Vergegenwärtigen Sie sich unsere Lage, wie sie heute vor einem Jahre war und wie sie heute ist. Nach dem Abbruch des opferreichen Ruhrkampfes standen im No vember 1023 die alliierten Länder, insbesondere das da malige Frankreich, unseren Bemühungen um gütliche Bei- I lcgung des gefährlichen Konslikts noch verständnislos und ablehnend gegenüber. Wohl niemand von uns hätte da mals dieHosfnung zu äußern gewagt, daß im Novem ber 1024 Dortmund von fremden Truppen befreit, die baldige Räumung des Ruhrgebietes gesichert, die Einheit zwischen dem besetzten und dem unbesetzten Deutschland wiederhergestellt und die deutsche Wirtschasi w i e- ver in geregelte Bahnen geleitet sein würde. Das Ziel der deutschen Außenpolitik kann nur sein, in loyaler und sachlicher Zusammenarbeit mit dem Ausland überall für die wirtschaftlichen und nationalen Bedürfnisse unseres Polkes Verständnis zu schaffen, Pro blem für Problem zu bereinigen und so für Deutschland die Stellung wiederzuerringen, die ihm zukommt. Die Welt wird und muß einsehen, daß ein freies und gesundes Deutschland im Herzen Europas eine unerläßliche Vor aussetzung für Fortschritt und Gedeihen aller Völker ist. Wir haben keine andere Möglichkeit, als Schritt sür Schritt unteren muyevouen Weg zu gehen. Blendende Erfolge und sofortige Endergebnisse darf niemand erwarten, der über ausreichenden Wirklichkeitssinn verfügt. Die abfällige Kritik, die vielfach nicht nur an dem Londoner Pakt selbst, sondern auch an seiner Durchführung geübt worden I ist, wird ven Tatsachen nicht gerecht. Ich muß hier in 1 voller Objektivität feststellen, daß der Geist der Verständi- s gung und Versöhnung, der die Londoner Konferenz und insbesondere unsere sckwieriaen Verbandlunaen mit den ' Paris, 14. November, lleber die Vorgänge in Spanien erfährt der Korrespondent des „Daily Expreß" in San Se bastian folgende Einzelheiten: Trotz der überaus scharfen Zensur beginnt man allmähli chklar zu sehen. Die Erklärung, in der König Alfons behauptet, daß er die Diktatur angenommen habe, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, findet keinen Glauben mehr. In Katalonien und Navarra gährt es in einem großen Teil der ! Armee, die im Begriff ist, die Front zu wechseln. Die Befrei ung des Generals Berenger, der bekanntlich eine Festungsstrafe verbüßt, steht bevor. Trotz der Hinrichtungen, die in Barcelona erfolgten, ist die aufständische Bewegung nicht unterdrückt. Zahl reiche Sozialisten, Republikaner und Liberale sind in Barcelona, Saragossa und Madrid verhaftet worden. Am letzten Montag und Dienstag wurden abermals 152 Personen ins Gefängnis gesetzt. Zürich, 14. November. Der „Corriere della Sera" nieldet aus Madrid: Die Prinzen und PrwMinnen des Königs hauses haben Spanien verlassen und sind aus Auslandsreisen ge gangen. Der König ist entschlossen, in Madrid zu bleiben. Acht Korpskommandeure und 32 Stabsoffiziere haben dem neuen Dik tator die unbedingte Treue votiert. Vertagte Regierungsbildung in Oesterreich Wien, 14. November. In der gestrigen Sitzung des Hauptausschusses war der Bundeskanzler Dr. Seipel noch nicht in der Laxe, einen Vorschlag für die Neubildung der Regierung zu machen, olw:hl die eine Bedingung der Einigung mit den Eisenbahnern erfüllt ist, weil die Verhandlungen mit den Par teien noch nicht die Voraussetzungen sür eine ungestörte Fort- sranzomcyen uns belgischen Staatsmännern beherrschte, sich weiter als fruchtbringend erwiesen hat, und daß unser Vertrauen in die Vertragstreue unserer Ge- genkontrahenien nicht getäuscht worden ist. Wir schöpfen aus der bisherigen prompten Erfüllung der von der Gegenseite übernommenen Verpflichtungen das Ver trauen, daß auch die in näherer oder fernerer Zukunft fällig werdenden Zusagen in derselben Weise erfüllt werden. Hierzu gehört die Räumung der außerhalb des Vertrages von Versailles besetzten Gebiete, also des Nestes des Ruhrreviers und der Brückenköpfe von Düssel dorf und Duisburg. Hierzu gehört ferner aber die vertragsmäßige Räumung der ersten Zone des a l t- besetzten Gebiets. Die rechtzeitige Räumung dieser Zone wird die beste Probe aufs Erempel sein. Bei der Besprechung der im Gange befindlichen Han delsvertragsverhandlungen sagte der Minister, alle maß- gebenden Kreise in Deutschland seien voll überzeugt, daß unser Zollsystem sich auf einer gemäßigten Basis halten müsse, und fuhr fort: Die besondere Wichtigkeit, die den Verhandlungen mit Frankreich zukommt, ist darin begründet, daß es sich hier darum handelt, die politische Entspannung, die vurch Vas Londoner Abkommen eingeleitet worden ist, nicht nur nicht zu gefährden, sondern im Gegenteil zu erhalten und zu kräftigen. Eine wirtschaftliche Verständigung mit Frank- reich wird eines der wichtigsten Werkzeuge für eine Be- friedung Europas in ven nächsten Jahrzehnten sein. Der Reichsautzenminister verbreitete sich dann noch über die Frage der Militärkontrolle und des Völkerbundes. Ein gänzlich entwaffnetes Volk wie Deutschland könne in mitten eines stark gerüsteten Europas auch als Mitglied des Völkerbundes unmöglich aus das letzte Schutzmittel verzichten, das ihm durch das Recht aus Neutralität ge- wäbrt wird. Er hoffe aber, datz man im Wege der gegen seitigen Aussprache schließlich doch zu einer Einigung auch über diesen schwierigen Punkt gelangen werde. Vas kcbo aus Frankreich. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 14. November. Die Rede Dr. Stresemanns fin det hier eine geteilte Aufnahme. Der „Matin" wird durch Zu- sammhänge beunruhigt, die der Außenminister zwifchen den Fragen der Militärkontrolle, der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund und den deutsch-französischen Wirtjchaftsverhandlun- gen herzustellen sucht. „Gaulois" mißt der Stelle von der Meist begünstigung im Handel große Bedeutung bei. Das Blatt schreibt dem Außenminister eine gewiße Hinterhältigkeit zu. Die deutsche Regierung beabsichtige, mit den Mächten, die an den Reparationen interessiert sind, einen tvrrtschaftlichen Konkurrenz kampf auszufechten, um dabei so große materielle Vorteile zu erringen, daß sie in den im Dawes-Gutachten vorgesehenen Sach leistungen und Barzahlungen ausgeglichen würden. i setzung des Sanierungsprogramms ergeben haben. Auf Wunsch des Bundeskanzlers vertagte sich der Hauptausjchuh auf den Tag I der nächsten Sitzung des Nationalrates, voraussichtlich nächsten j Dienstag, so daß die Lösung der Regierungskrisis vorher nicht zu erwarten ist. England und die Vereinigten Staaten. Eigener Fernsprechdienst bes „Wilsdruner Tageoialles". London, 14. November. S're Auckland Gadeds hielt gestern vor einer großen Versammlung in Westminster, an der auch Baldwin und Balfour teilnahmen, eine bedeutende Rcde über die Beziehungen zwischen England und den Vereinigten Staaten. Er wies besonders auf die große Gefahr hin, die für England entstehen könne, «venu die Vereinigten Staaten weiter ihren Einfluß auf Kanada ausdehnen. Dieser sei bereits schon jetzt erheblich stark, stärker als der Einfluß des Mutterlandes. D'efe Gefahr bestehe auch für die übrigen Dominions. Eng land müsfe daher mit allen Mitteln auf die Zusammenarbeit aller englisch sprechenden Nationen hinarbeiten. Ein politischer Mord in Brüssel. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 14. November. Nach einer Meldung des „Ma- 1m" aus Brüssel ist der bekannte Gewerkschaftsführer und Vor sitzende des belgischen Staatsarbeitervcrbandes Gilleß gestern abend in Brüssel ermordet worden. Von den Tätern fehlt bis her jede Spur. Man glaubt, daß es sich um einen politischen Mord handelt. Mehrere tauft nd Arbeiter sind gestern vor dem Hause des toten Fiihrers vvröeigczogen. Außerdem haben sie beschlossen, bis Montag in den Streik zu treten. Wetterzeichen in Spanien.