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Psun-Krise und Tribute. London, 4. Dezember. Ueber die französischen Pfund oerkäufe ist dem „Daily Telegraph" von diplomatischer Seite folgendes mitgeteilt worden: Vor dem Besuch Lavals in Washington verkauften französische Privatbanken einen großen Teil ihrer Dollarguthaben. Die Verkäufe waren teilweise so umfangreich, daß die Banken später zur Deckung gewisser Verpflichtungen gezwungen waren, Dollars zurück- zukaufen. Um dies zu erreichen, mußten sie Sterlinge in großem Umfange verkaufen. Die Bank von Frankreich habe an dieser Transaktion nicht teilgenommen. In Verbindung mit den bevorstehenden Verhand lungen über die Tribute und die Kredite werden sich, so meint das Blatt, Frankreich möglicherweise in einer großen Schwierigkeit befinden, wenn nämlich die französische Regierung sich dazu entschließe, den vollständi gen Bankrott Deutschlands im Interesse Frankreichs zu ver hindern, die französische öffentliche Meinung jedoch noch nicht bereit sei, einer finanziellen Unterstützung Deutsch lands durch Frankreich zuzustimmen, solang noch poli tische Garantien fehlten, die keine deutsche Regierung annehmen könne. 2n diesem Falle werde sich die fran zösische Regierung möglicherweise bereit erklären, den englischen Banken Kredite vorzuschießen, die dann andas Re ich w e i t e r v e r l i e h e n wer den sollten, womit die englischen Banken für die RUckzah- lungspflicht letzten Endes verantwortlich blieben. Erhöhung des Notenumlaufes in England? London, 4. Dezember. Die „Times" rechnet im Gegen satz" zu der „Financial News" mit der Möglichkeit, daß der ungedeckte Notenumlauf wegen der Weihnachts- bedürsnisse zeitweilig vermehrt werden müsse. Da aber der Sterlingumlauf niemals ausgenützt sei, so bedeute diese Maßnahme, die einen zeitweiligen Charakter tragen werde, keineswegs eine Inflation. In dieser Zeit noch eine Goldwährung zu haben, sei keineswegs ein Zeichen finan zieller Gekundheit. Prohibitivfälle, Tribute, Kriegsschul den, Einschränküngsbestimmungen für Handel und Wäh rung und nicht zuletzt Mangel an gutem Willen hätten das Arbeiten des Goldstandards in geradezu phantastischer Weise gestört. Der erste Schritt zur Schaffung geordneter Wirt schaftsverhältnisse in der Welt liege jedenfalls in der Schaf fung verständiger Voraussetzungen. Dies könne nur er reicht werden, wenn man an die Frage ohne politische Vor urteile herangehe. Daraus würden sich die wirtschaftlichen Tatsachen für England ergeben. Vertreter englischer Ban ken und Akzepthäuser würden am Freitag nach Paris ab reifen, um dort Besprechungen Uber die deutschen kurzfristi gen Schulden einzuleiten. Es liege im Interesse der Länder, daß diese Verhandlungen erfolgreich verlaufen, da die Wie derherstellung des normalen internationalen Handels und der Finanzen davon abhingen. Eine Mahnung der Morningpost an Frankreich. London, 4. Dezember. In einem Artikel Uber Schul den und Reparationen sagt die „Morningpost", daß es sich heute nicht mehr darum handle, ein brauchbares Ab kommen zwischen Gläubigern und Schuldnern zu finden, sondern zur Entscheidung stehe die Frage, wie man Deutsch land vor der Gefahr eines unmittelbar bevorstehenden Zu sammenbruchs und die Welt vor den schweren Folgen retten könne, die Deutschlands Zahlungsunfähigkeit unbedingt mit sich bringen müsse. Wenn nicht vor Ende Februar das Still halteabkommen erneuert und eine baldige Entscheidung über die Zahlung der Tribute getroffen werde, so werde die Welt vollständig durcheinanderkommen. Schon heute laste auf allen Märkten schwer die allgemeine Unsicherheit. Man befürchte in London, daß ein Festhalten der Franzosen an ihren Forderungen verheerende Wirkungen haben müsse. Es sei daher notwendig, daß man während der kommenden Verhandlungen die Lage Deutschlands durchaus vom rein wirtschaftlichen Standpunkte aus betrachte. Eine Hetzrede Franklin Bouillons. Paris, 4. Dezember. Der Abg. Franklin Bouillon hielt am Donnerstag in einer Versammlung der radikalen Ver einigung eine außenpolitische Rede, in deren Verlauf er auf die Notwendigkeit zur Bildung einer Einheitsfront zwischen Frankreich, Amerika und England hinwies, um Deutschland zu zwingen, seine Schulden zu bezahlen. Deutschland müsse gezwungen werden, eine Amortisationskasse zu gründen, die sich auf die Zolleingänge und Tabaksteuer stütze und die es ihm erlaube, auch in zehn oder fünfzehn Jahren seine Schulden in Höhe von 210 Milliarden Franken zu bezahlen. Der Abgeordnete wies sodann auf die Möglichkeit hin, daß eine nationalsozialistische Regierung die Verpflichtungen Deutschlands für null und nichtig erkläre und forderte ein französisch-ameri kanisch-englisches Wirtschaftsbündnis, um in diesem Falle eine Wirtschaftsblockade gegen Deutschland durchzufllhren. Diese Blockade müsse vornehm lich in einer Sonderbesteuerung von 10 v. H. auf alle aus Deutschland eingeführten Waren bestehen, um die deutsche Großindustrie zu zwingen, einen Druck auf die Regierung auszuüben, damit diese den von ihren Vorgängern über nommenen Verpflichtungen nachkomme. Japanische Anträge an den Rat. London, 4. Dezember. Die japanische Regierung hat Joschisawa angewiesen, verschiedene Abänderungsan träge zu der Entschließung des Völkerbundsrates zu stellen. Insbesondere lehne die japanische Regierung eine Annahme des Punktes ab, wonach der Untersuchungsaus schuß dem Völkerbundsrat sobald wie möglich Bericht erstatten und Empfehlungen unterbreiten soll, die er für geeignet erachte, falls die Räumung der be setzten Gebiete bis zum Eintreffen des Ausschusses noch nicht durchgefllhrt sein sollte. In Tokio sei man der Ansicht, daß dieser Vorschlag der Stellung einer bestimmten Räu - mungsfrist gleichkäme, die Japan von jeher zurückge wiesen habe. Außenminister Schid eh ara habe einen Gegenvorschlag bezüglich des Schutzes des Ausschusses vor chinesischen Räuberbanden ausgearbeitet, die den zwei ten Punkt der V r i a n d schen E r k l ä r u n g ersetzen solle, den man inJapanalsunannehmbar ansehe. Der Ton der Briandschen Erklärung werde, wie die „Times" weiter meldet, in Tokio ziemlich abfällig beurteilt, da er die Japaner als die Schuldigen hinstelle und die Chinesen in Schutz nehme. Außerdem sei die Erklärung sehr zwei deutig, und man wünsche eine genauere Begrenzung der Aufgaben des Untersuchungsausschusses. In Armee kreisen stehe man der Entsendung eines A u s - schusses ablehnend gegenüber, da sie den Chi nesen ermöglichen würde, sich den japanischen Forderungen zu entziehen. Der Streitfall könne nur durch direkte Ver handlungen erledigt werden. Trübe Aussichten für die Abrüstungskonferenz. Paris, 4. Dezember. Der außenpolitische Berichterstat ter des „Journal" zieht einen Vergleich zwischen den Ar beiten des Völkerbundes zur Beilegung des chinesisch-japa nischen Streitfalles und den Arbeiten der bevorstehenden Abrüstungskonferenz. Wenn der Völkerbund schon m eh - rere Wochen brauche, um einen Untersuchungs ausschuß einzusetzen, so könne man sich ein ungefähres Bild von den Schwierigkeiten machen, die eine g e - Kaue Prüfung des Rüstungsstandes sämtlicher Staa ten mit sich bringen werde. Der Berichterstatter kommt dann auf die Erklärung der japanischen Regierung zu spre chen, wonach es Japan angesichts der Lage in China und der bolschewistischen Gefahr unmöglich sei, seine Rüstungen weiter herabzusetzen, und betont, daß diese Erklärung um so größere Aufmerksamkeit verdiene, äls sie sich eng an die Grundlinien der französischen Abrüstungsdenkschrift an- lehne. Unter diesen Umständen sei es vielleicht gar nicht erst nötig, ein halbes Dutzend englische Minister zu be lästigen, besonders in einer Zeit, in der Sparsamkeit mehr denn je am Platze sei. Revolution in San Salvador. Washington, 3. Dezember. Wie das Staatsdeparte ment erfährt, ist in der mittelamerikanischen Republik San Salvador dieser Tage eine Revolution ausgebrochen. Bisher sind 20 Aufständische erschossen worden. Die in zwei Festungswerken nahe der Hauptstadt liegenden 'Regi menter haben den Präsidentenpalaft unter Feuer genom men. In der ganzen Hauptstadt haben Unruhen stattge funden. Eine strenge Nachrichtenzensur wurde verhängt. Drei Militär-iktatoren eingesetzt. London, 4. Dezember. Wie aus Mexiko-Stadt berichtet wird, soll nach einer allerdings unbestätigten Meldung aus San Salvador der Finanz Minister von Revolutio nären e r j ch o s s e n worden sein. Präsident Arau jo soll ab gesetzt und eingekerkert worden sein. Von den Revolutionären wurden drei Militärdiktatoren eingesetzt, die die sofortige Durchführung von Neuwahlen versprochen haben. Bürgerschaftswahlen — die Ursache der Revolution. London, 4. Dezember. Wie „Daily Mail" zu der Re volution in San Salvador ergänzend aus Neuyork meldet, sind die Besatzungen von vier Forts an der Revolution beteiligt. In den Morgenstunden des Donnerstags wurde von einem Fort aus das F e u e r au f d en Präsiden tenpalast eröffnet. Das Feuer wurde von der Gar nison eines anderen Forts, die regierungstreu geblieben war, erwidert und mehrere Stunden lang fortgesetzt. Am Donnerstag waren alle Geschäftshäuser in San Sglvador geschlossen. Der Gesandte von San Salvador in Washing ton hat nach Meldungen von „Exchange Telegraph" seiner seits erklärt, daß es sich lediglich um kleinere Unruhen handle, die wegen der am kommenden Sonntag stattfinden den Bürgerschaftswahlen entstanden feien. Lin MM MM im Min. Stockholm, 3. Dezember. Wie „Svenska Dagbladet" foeben erfährt, befürchtet man, daß der deutsche Dampfer „Mildburg" mit etwa 25 Mann Besatzung im Sturm unter gegangen ist. Der 3000 Tonnen große Hamburger Damp fer, der sich mit einer Holzladung auf dem Wege von Finn land nach Deutschland befand, war bereits in der Nacht zum 29. November bei der Insel Oeland gestrandet. Zwei schwedischen Bergungsdampfern glückte es nach langer Ar beit, die „Mildburg" von der Untiefe wegzuziehen. Des fürchterlichen Sturmes wegen mußten sich die Bergungs dampfer aber in der Stacht zum Donnerstag selbst in Sicher heit bringen, die Bugsiertaue kappen und die „Mildburg" ihrem Schicksal überlassen. Da die Funkstation des Schiffes, die bisher in Ordnung war, plötzlich verstummt ist, befürch tet man ein Unglück. Zuletzt hatte die „Mildburg" mit ihrem Radio den einen Hilfsdampfer gebeten, das deutsche Schiff mit den Scheinwerfern zu beleuchten, um Rettungs boote aussetzen zu können. Der Sturm machte es jedoch dem schwedischen Dampfer unmöglich, an das Wrack heranzu kommen und den Wunsch zu erfüllen. Dampfer „Mildburg" außer Gefahr. Hamburg, 4. Dezember. In der Stockholmer Meldung, über die Strandung des deutschen Dampfers „Mildburg" in der Ostsee erfahren wir, daß der Dampfer der Ozean- A.-G. in Flensburg, H. Schult, gehört, und in Hamburg be heimatet ist. Die Reederei teilt auf Anfrage mit, daß sie sich heute vormittag mit der Stadt Kalmar in Schweden in Verbindung gesetzt habe. Wie ihr milgeteilt worden sei, besteht für Schiff und Besatzung nicht die geringste Gefahr. Die Unfallstelle ist etwa 2,S Kilometer vom Lande ent fernt. Das Schiff liegt bis zur halben Deckhöhe im Wasser. Das Wetter hat sich inzwischen wieder beruhigt. Man hofst, daß die weiteren Abschleppungsversuche bald wieder aus genommen werden können. Kein Abkommen ohne Deutschland. Wien, 3. Dezember. In der Donnerstagsitzung des österreichischen Nationalrats kam u. a. die große Politik zur Sprache Der landbündlerische Redner Abg. Tauschitz erklärte, die europäische Frage könne nie gelöst werden, ohne daß sämtliche Deutschen in Mitteleuropa zu sammengefaßt würden. „Wir müssen aus unserem engen Wirtschaftsgebiet heraus! Wir lassen mit uns auch über eine wirtschaftliche Zusammenarbeit der Donauvölker reden. Aber nie kann Oesterreich einer Kombination zustimmen Die Glücksspinne. Roman von Felix Neumann. 14j (Nachdruck verboten.) Krachend schlug die Faust auf die Platte. Ein Un wetter war im Anzuge. In dichtem Kreis standen alle Gäste um den Tisch, und die Blicke wechselten höhnisch oder" besorgt zwischen den Hauptbeteiligten hin und her. Was würde die Anna tun, und wie würde es Heinrich gelingen, wieder Macht über die Polin zu gewinnen? Plötzlich griff die Hand nach Annas Gelenk und hielt es in eisernem Druck umklammert. „Her mit dem Ding, damit ich es dem Kerl da an den Schädel schmeiße!" Das Mädchen schrie vor Schreck auf und wollte fliehen. Der Funktionär erhob sich. Er bohrte den brutalen Blick in das Antlitz des Widersachers. Zn diesem Augen blick wurde er zum Schützer des Mädchens. Gab er nach, dann war es mit seiner Rolle aus. In Gedanken maß er die Stärke des anderen. Der war ein herkulischer Kerl. Im Faustkamps mutzte er unterliegen. So galt es den Überlegenen zu spielen, ohne daß es zu einem blutigen Austrag kam. „Latz das Mädel losl Du stehst hier nicht am Schraub stock Ein Mädchenarm ist kein Schmiedehammer Weg mit der Tatze!" Und der andere ließ los, aber wandle sich nun voll dem Gegner zu. Immer näher rückten sich die Partner Verschiedene Gäste suchten zu vermitteln. Hatte es denn Zweck, sich wegen eines Mädels in die Haare zu geraten? Emige ganz Vorsichtige verließen sogar das Lokal. Wenn erst die Bierseidel flogen und gar die Messer in Tätigkeit traten, hatte schon oft ein gänzlich Unbeteiligter die Zeche bezahlt. Der Heinrich schob sich langsam um den Tisch herum. „Das Mädel gehört mir — wenn du also " Anna schrie dazwischen. Ein Fausthieb schleuderte sie zur Seite. Heulend fiel sie auf einen Stuhl. Ringsum erhob sich Murren. Trotz aller rauhen Sitten, die nicht viel Umstände mit Weibern machten, begriff man doch, welch ein rüder Kerl dieser Schrauben-Heinrich war. Die Hatzek war um diesen Liebhaber nicht gerade zu beneiden. Kunickes Zeit war gekommen. Aus Berlin gebürtig, mit allen Hunden gehetzt, mit allen Wassern getauft, war er dem Augenblick gewachsen. Er kannte den Jiu-Jitsu-Griff. Dazu war der Gegner betrunken. Ein schnelles Zupacken und Heinrich lag am Boden. Dröhnendes Gelächter erscholl. Man huldigte der Ge wandtheit, die über die rohe Stärke den Sieg davontrug. Aber gerade dieser Beifall peitschte in dem Unter legenen alle Rachegefühle auf. Schneller als man erwarten durfte, stand er auf den Beinen. Ein Bierseidel, das die behaarte Faust packte, sauste an des Gegners Haupt vorüber und zerschellte split ternd an der Wand. Alles stob auseinander. Der Funktionär raunte dem entsetzten Mädel zu: „Raus durch den Hinteraüsgang. An der Straßenecke erwarte mich." In dem Gewühl verschwand sie. Heinrich stürzte auf seinen Feind los, ein langes Messer in den Händen. Der langte in die Hintertasche und zwei Sekunden später warf der Schutz aus dem Browning den Trunkenen zu Boden. Die Waffe in der erhobenen Faust bahnte sich Kunicke den Weg durch die schreienden und drängenden Menschen. Er stietz den dicken Wirt zur Seite, der nicht schnell genug ausweichen konnte, dann hatte er durch die schmale Hintertür, die über den Hof führte, die Straße gewonnen. Niemands folgte ihm. Es hatte keiner Lust, um des Hein richs willen sich eine Kugel in den Leib jagen zu lassen. Man drückte sich so rasch wie möglich davon. Auf dem staubigen schlüpfrigen Boden gerann eine grohe Blutlache. Der Schutz ging durch die Stirn, der Schrauben-Heinrich war tot! Noch volle drei Tage hielten die Unruhen in der Stadl an und hinderten den Verkehr. Man atmete aus, als endlich Verstärkungen von autzer- halb kamen, die die Straßen säuberten und für Ordnung sorgten. Drei volle Tage auch mußte, während in den Straßen gekämpft wurde, die Familie Beckum im Hause Tiburtius verbleiben. Auf Gnadenfrei hatte man alles verrammelt und ver- tchlossen, und herumstreifendes Gesindel war bald wieder abgezogen, als es sah, daß man aus der Hut war. Auf telephonischem Wege erhielt der alte Beckum die nötigen Nachrichten, die ihn beruhigten. Und dann geschah noch etwas anderes, etwas, das unabwendbar unter diesen Verhältnissen schien. Das Geschäft war geschlossen. So war Magnus den ganzen Tag mit Sybille zusammen. Entweder saßen sie in der Bibliothek und studierten alte schöne Bücher, oder — er führte sie hinunter in die Geschäftsräume und zeigte ihr Schmucksachen. Drei Tage sind eine lange Zeit, besonders, wenn stür mische Ereignisse den Ackerboden des Lebens lies aus wühlen, wenn gemeinsame Gefahr vorhandene Schranken niederreißt, wenn die Herzen lebhafter schlagen und die Zunge mitteilsamer ist als sonst. Und — am Nachmittag des dritten Tages wär es plötzlich über die beiden jungen Leute hereingebrochen wie eine Flut, die sich nicht däinmen läßt. . Während die Alten oben saßen, Kaffee tranken und von den erbärmlichen Zeiten sprachen, weilten Sybille und Magnus unten. — Man kramte in Kästen und Schränken und wühlte in den Schätzen, die wie im Zauberlande bei einander lagen. Sie wußten nicht, wie es dann gekommen war. Sybille versuchte einen Ring auf den Finger zu schieben. Da er etwas zu eng war, hals ihr Magnus und hielt dabei ihre warmen, zarten Finger umspannt. Da lohte der glim mende Funke zum Feuer aus. Daß er unter der Asche glühte, war auch den älteren Herrschaften nichl entgangen. Am Abend des zweiten Tages, als man ziemlich spät ins Bett gegangen war, weil Sybille musizierte und dann Magnus anregend von seinen Reisen erzählte, zog der alte Beckum die Decke bis zum Kinn hinauf, gähnte ein bißchen und sagte: „Du, Frau, das mit der Sybille und dem jungen Tiburtius ist eine ganz merkwürdige Geschichte. Ich habe das Gefühl, daß sich da was anspinnt! Sollen wir die Sache laufen lassen oder rechtzeitig ab bauen? —" Und Mama Beckum, die gerade einen ihrer schönen Zöpfe auf den Toilettentisch niederlegte, meinte lächelnd: „Ich habe mir diese Möglichkeit auch schon durch den-Kopf gehen lassen und sehe nicht ein, warum wir sie nicht billigen sollen." Sie sah nach der Tür, die fest geschlossen war, senkte die Stimme und fuhr fort: „Die Tiburtius sind in glän zender Lage. Dazu kommt, daß Magnus der einzige Sohn ist. Wenn ich mit Sybille allein bin, schwärmt sie den ganzen Tag von dem jungen Manne. Das fing schon da mals an, als er zum ersten Male bei uns Ivar. Und dann: Du kennst doch das Mädel! Wenn die sich mal was in den Kopf gesetzt hat, was soll man da groß tun? Wird was daraus, soll es mir recht sein!" (Fortsetzung folgt.)