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Aus Mer WM. * Ungarische Ossiziere ehren Hindenburg. Reichsprä sident v. Hindenburg empfing gestern eine von dem Regi mentskommandeur Oberst Bekei Koös geführte Offiziers abordnung des Kgl. Ungarischen Honved-Jnsanterie-Regi- ments Nr. 3, die ihm im Auftrage des Reichsverwesers v. Horthy die Urkunde über seine Ernennung zum Inhaber dieses Regiments überbrachte. Das genannte Regiment führt die Tradition des ehemaligen K u. K. Infanterie regiments Nr. 69 weiter, dessen Oberstinhaber Generalfeld- marschall v. Hindenburg war. Der Reichspräsident behielt die ungarischen Gäste zum Frühstück. * 21 Stahlhelmer bei einer Geländeübung verhaftet. Als eine Abteilung des Oberhausener Stahlhelms in der Nähe der Zechs Haniel eine Geländeübung abhielt, schritt die Polizei ein und nahm 21 Stahlhelmer fest. Die Ver hafteten wurden dem Polizeigefängnis in Bottrop zuge führt. Katzenellenbogen verhaftet. Auf Antrag der Staats- anwaUfchäft ist am Montag vom Untersuchungsrichter des Landgerichts I die Voruntersuchung gegen Katzenellenbogen und die vier anderen Mitglieder des bisherigen Gene- raldirektoriums der Schultheist - Patzenhofer - AG. eröffnet worden. Sie werden beschuldigt, als Mitglieder des Por- standes. fortgesetzt wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr dargestellt und verschleiert zu haben. Ferner, wird Ludwig Katzenellenbogen beschuldigt, durch eine weitere selbständige Handlung als Vorstandsmitglied absichtlich zum Nachteil der Schultheist-Patzenhofer-AG. ge handelt zu haben. Der Untersuchungsrichter hat auf An trag. der Staatsanwaltschaft gegen Ludwig Katzenellen bogen Haftbefehl wegen Fluchtverdachts erlassen. Er ist in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit eingeliefert worden. * Der Vatermörder Bartkowiak festgenommen. Der Mörder des. Polizeibeamten Bartkowiak, sein 21jähriger Sohn Michael, hat sich der Kriminalpolizei gestellt und ein Geständnis abgelegt. Er behauptet, die Tat im Affekt be gangen zu haben. Seit der Mordtat hielt sich Bartkowiak in Gelsenkirchen, Bochum und Herne auf. Er übernachtete stets in Hausfluren. Die Ermittlungen werden fortgesetzt. * Ehefrau erschlägt ihren Mann. Im Verlaufe einer Familienstreitigkeit tötete in Lebusa (Kreis Schweinitz) die Frau des Fuhrunternehmers und Landwirts Hauptvogel ihren Mann. Die Eheleute lebten schon seit langem in hef tigem Streit, der dadurch verschärft wurde, daß vor einigen Tagen die Frau die stark verschuldete Landwirtschaft auf ihren Namen überschreiben liest. Als sie am Montagmorgen mit Holzhacken beschäftigt war, versuchte der Mann sie mit einem Messer niederzustechen. Dem ältesten Sohn gelang es, den Vater im letzten Augenblick zurückzureißen, wobei dieser zu Fall kam. Nunmehr schlug die Frau zunächst mtt einem Stuhl und dann mit einem Brotmesser solange auf den Mann ein, bis er tot war. * Anschlag auf einen Richter in Essen. Aus Essen wird berichtet: Am Sonnabend erfolgte ein Anschlag auf den Vorsitzenden einer Strafkammer beim hiesigen Landgericht, Landgerichtsrat Wilhelmi. Es wurde polizeilich festgestellt, datz die Explosion der in dem ihm übersandten Paket ent haltenen Patronen ernste Folgen hätte haben können. Der dem Paket beiliegende Zettel war aus Zeitungsbuchstaben des kommunistischen „Ruhr-Echo" hergestellt und hatte fol genden Wortlaut: „Dem berüchtigten Hund! Das hast Du für Deine Vluturteile: Es stehen noch mehr vom Landge richt an. Ein Attentat durch einen Revolverschutz ins Ge nick am Abend. Vinnen kurzem wird jede Verhandlung be wacht. Wir kommen; der Teufel tanzt. Wir sind die Stotz- brigade." Für die Aufklärung des Anschlages ist eine Be lohnung von 300 RM. ausgesetzt worden. * Schweres Kraft«,«genunglück. — Zwei Tote, drei Schwer verletzte. Aus Saarbrücken wird gemeldet: Auf der stark abfallenden Straße von der Nosselhöhs bei Frohmühl ereignete sich am Montag ein schweres Kraftwagenunglück. Der Führer eines mit 148 Zentnern Getreide beladenen Lastkraftwagens verlor die Gewalt über das Fahrzeug. Der Wagen raste steuerlos die Straße hinab und fuhr in eine Gruppe junger Mädchen. Eines derselben erlitt einen tödlichen Schädelbruch, ein an deres wurde in einen Vach geschleudert, in dem es ertrank. Der Wagen stürzte dann eine vier Meter hohe Böschung hinab. Der Führer und seine beiden Begleiter erlitten schwere Verletzungen. Der Führer des Wagens wurde un ter dem Verdacht der fahrlässigen Tötung verhaftet, Steinwürfe gegen ein Ueberfallkommando. In der Nächt zum Sonntag kam es in einer Gastwirtschaft in Sersno bei Gleiwitz zu einer Schlägerei, bei der ein Arbeiter durch einen Stockhieb schwer verletzt wurde. Das alarmierte Ueberfallkommando aus Gleiwitz wurde von etwa 50 bis 60 Personen, die sich vor der Gastwirtschaft versammelt hatten, mit „Rot Front" und „Heil Mvskau"- Rufen empfangen und mit Steinen beworfen. Zwei Wacht meister wurden getroffen und gaben einige Schüsse ab. Ein 19jähriger Tifchlerlehrling wurde verletzt. Zwei der Täter wurden festgenommen. Ein spanisches Marineflugzeug abgestürzt. — Drei Tote. Ein Marinewasserslugzeug ist bei einem Uebungs- flug über dem Hafen Barcelona ins Meer gestürzt. Drei Personen kamen dabei ums Leben. * Drei Hirten von einer Granate in Stücke gerissen. Wie die „Ostrauer Morgen - Zeitung" in Mährisch - Ostrau meldet, ereignete sich auf einer Wiese bei Losonc in der Nähe von Pretzburg in der Slowakei eine furchtbare Era- natexplosion, die drei Menschenleben forderte. In den letz ten Tagen veranstaltete das Militär auf der Wiese eine Uebung, bei der eine Handgranate verlorenging. Das Mi litärkommando setzte für die Auffindung der Granate eine Belohnung von 25 tschechischen Kronen aus. Vier Hirten fanden die Granate und untersuchten sie am offenen Feuer. Ein 19jähriger Hirt schleuderte die Handgranate plötzlich ins Feuer. Im nächsten Augenblick explodierte die Granate und ritz den Werfer und zwei weitere Hirten in Stücke. Eingeborenenschlacht in Portugiesisch-Guinea. Der Diebstahl mehrerer Schweine führte in Bissau in Portugie sisch-Guinea zu einem blutigen Gemetzel zwischen zwei Ein geborenenstämmen. Hunderte von Eingeborenen schlach teten sich gegenseitig hin und.steckten ihre Dörfer in Brand. Die verstümmelten Leichen von Männern, Frauen und Kindern lagen zwischen den verkohlten Trümmern. Der Gouverneur hat angeordnet, daß 4000 Eingeborene des Macanhastammes unter strenger Bewachung auf eine Insel gegenüber Bissao gebracht werden. * Kommunistische Diebesbande festgenommen. Aus Schneidemühl wird gemeldet: Der Polizei ist es gelungen, die in letzter Zeit in Jastrow verübten zahlreichen Ein brüche auszuklären. Es sind gestern elf Personen festge nommen worden, die eingestanden haben, sich zur Begehung von Diebstählen verbunden zu haben. Es handelt sich bei den Festgenommenen um Mitglieder des Kampfbundes der KPD., dessen Leiter und Organisator, ein kommunistischer Stadtverordneter aus Jastrow, gleichfalls an den Einbruchs diebstählen beteiligt war. Die Festgenommenen geben zu, datz sie bereits einen festen Plan hatten, bei wem in der nächsten Zeit weitere Einbrüche verübt werden sollten. Der Waffenstillftaudstag in London. Die feierliche Kranzniederlegung am Ceno- taphin London. Ein ebenso farbenprächtiges wie eindrucks volles Bild bot der Feier des Waffenstill standstages in London, die in dem Aufmarsch am Gefallnendenkmal in White Hall und der Kranzniederlegung des Prinzen von Wales und des Ministerpräsidenten Macdonald ihren Höhepunkt fand. Ein Konzert für Schwerhörige. Die Schwerhörigen hören Gesangsdarbietun gen durch einen gemeinsamen Lautverstärker- Apparat. In Berlin veranstaltete der Schutzverband der Schwerhörigen ein Gesangskonzert, der dem die Musik durch einen elektrischen Laut verstärker mit 200 Anschlüssen ausgenommen wurde. Die Leidenden hatten so Gelegenheit, nach Jahren zum ersten Male wieder gute: Musik zu hören. Die Glücksspinne. Roman von Felix Neumann. 1) ' (Nachdruck verboten.) Vorwort. In einer Hellen Sommernacht wanderte eine kleine rote Spinne über den mosigen Boden des uralten Waldes. Machtvoll ragten die Kronen der herrlichen Bäume zum Himmel. Ganz in der Nähe lag ruhig schlummernd das Meer. Der Mond goß sein Licht wie aus silberner Schale über Wasser und Wald- Die Spinne strebte einem Stämme zu, den sie erklettern wollte, um von hoher Warte ans elften weiten Blick über die Welt zu tun. Da hemmte sie plötzlich ihren Lauf. — An dem Baum, den sie zu ersteigen gedachte, lehnte ein Wesen, das sie nicht kannte. — Es war ein Greis mit langem Bart und sinnenden, tiefgründigen Augen. Das Spinnlein saß grade auf einem großen Blatt, und da es den Weg versperrt fand, sagte es keck und furchtlos, denn es war noch jung: „Wer bist du? Du hinderst mich, den Pfad zu meinem Glück zu wandern! Ich wollte jenen Baum hinaufsteigen, um Umschau zu halten. Was tust du hier?!" Der Alte richtete den Blick ans die Spinne und lächelte. Aber es lag etwas schmerzlich Trauriges in diesem Lächeln. „Ich bin der Weltgeist und ich nehme in dieser Nacht Abschied von diesem Walde, den ich werden und wachsen sah und den ich liebe." — Die Spinne war erstaunt. „Ich verstehe dich nicht!" Der Greis sprach: „Ehe denn dreimal Tag und Rächt wechseln, wird der Wald nicht Mehr sein. Eine Sturmflut vernichtet ihn. Wellen zernagen mit gierigen Zähnen die Stämme, und wo heute noch die. Wipfel rauschen, herrscht das ewige Meer!" Das Spinnlein zitterte. „Müssen wir alle sterben, die im Walde wohnen, die Hirsche und Füchse, die Rehe und Hasen, die Käfer und Spinnen?" Der Alte nickte. „Altes geht zugrunde, auf daß Neues komme! Und liefest du auch noch so schnell, du könntest den Wassern nicht entrinnen!" Da flehte die Spinne bebend um ihr Leben. Der Weltgeist senkte sinnend das Haupt: „Glaubst du, daß das Leben so schön ist?" „Für den, der Glück bringt, ja!" Da lächelte der Greis. „Der Kleinsten eines aus meinem Reich bäumt sich aus gegen die Macht des Geschicks, gegen Vernichtung und Tod! Mag ihm sein Wunsch in Erfüllung gehen!" Er hob die Hand und sprach: „So schenke ich dir tausend Jahre." Die Erscheinung verschwand. Der Weg war frei. Und die Spinne kletterte und stieg. Höher, immer höher! Und noch nie waren ihr der Wald und das Meer so herrlich erschienen. Da plötzlich stutzte sie. Was war das? Ihre Füßchen hafteten fest. Goldgelb und glänzend war der Boden. Sie versuchte sich loszumachen, aber es Vor dem Bett saß in einem Armsessel die Tochter . . . gelang nicht. Und als sie in die Höhe schaute, da sah sie über sich ein Loch im Stamme, das dünkte sie riesengroß. Daraus quoll ein glitzernder Strom. Langsam, ganz lang sam! Nun stand dieses Fremde wie eine schimmernde Mauer über ihr und — - neigte sich! Sie wußte nicht, wie ihr geschah. Welches Wunder vollzog sich? Und dann — ehe noch der Mond hinter die Wipfel gesunken war. batte sich das Unfaßbare ereignet. In glänzender, gläserner Kammer saß die kleine Glücksspinne. Fest, unentrinnbar, kein Glied vermochte sie zu rühren, aber - sie sah die Welt! Sie erblickte den Waldboden, über den ein Mäuslein huschte. Sie sah das Meer, alles, alles! Und sie sah auch ein weniges später die entsetzliche Flut unter Donner und Tosen beran- brausen. Und die Stämme krachlen und der Wald versank!! Dann wurde es dunkle Nacht! - - - I. Kapitel. Es wurde Tag! — Ganz langsam schälte sich die Herbstsynne aus ihrem weißen flaumigen Wolkenseder- bett. Ihr erster Strahl fiel aus das Häuschen der Witwe des Lotsenkommandanten Jensen, das sich ain Ende des schlichten Badeortes nur wenige hundert Meter vom Meer auf einem kleinen Hügel erhob. Und sie sah in das Stübchen nach vorne hinaus, wo Frau Jensen in un ruhigem Schlummer lag. Vor dem Bett saß in einem Armsessel die Tochter, das müde blonde Haupt an die Backen des alten In- ventarstückes gelehnt. Sigbrit Jensen wachte die ganze Nacht bei der schwerkranken Mutter, nun waren ihr die Augen zugefallen, und das Buch, in. dem sie las, lag auf dem Boden. Das Sonnenlicht, das sich leise durch die Gardinen stahl, ließ die Flamme der Stehlampe gelblich trübe er scheinen Im Sande des kleinen Vorgartens schlürften Schritte. Die alte Fischersfrau aus dem Nachbarhause kam, um Sigbrit in der Wache abzulösen. Leise trat sie ein, aber die Tür knarrte ein wenig. Da fuhr Sigbrit empor und sah sich verwirrt um. Wieder war eine Nacht voll Sorgen vorüber. Die Mutter kchlies nun fest, nachdem der Husten und die Atembeschwerden nach Mitternacht geringer wurden Sie hob das Buch auf und ging aus den Zehenspitzen der Alten entgegen, „Nu gehn Se, Früuleinchen. Bis der Milchwagen zur Stadt fährt, können Se noch ein Stindchen rnhn. Gott, was Se blaß utsehn!" Sigbrit wehrte ab. Die Kraft ihrer frischen zwanzig Jahre ließ sie die Strapazen der Kranken pflege bis jetzt leidlich überstehen „Rein, schlafen will ich nicht! Dann versäumte ich ge wiß die Zeil, aber ich will mich waschen und kämmen und dann noch ein bißchen an den Strand gehen. Da seh ich ja den Wagen vorubersahren " Sie drückte der Alten die Hand „Die Tropsen stehen aus dem Tisch. Alle Stunden zwanzig davon. Die Milch ist in der Küche — —." Die treue Helferin wehrte ab. Sie wußte mit allem Bescheid Dann nabm sie den Platz neben dem Bett ein und begann an einem riesigen blauen Strümps zu stricken. (Fortsetzung folgt.)