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Massenverhaftungen in Ungarn. In Budapest wurden dieser Tage mysteriöse Massen verhaftungen vorgenommen. In der Nacht wurde Plötz lich der größte Teil des Budapester Detektiv-Korps alar miert. Tue Beamten erhielten genaue Aufzeichnungen von Personen, die sie sofort noch in der Nacht zu verhaften und in das Sammelgefängnis der Polizei zu bringen hätten. Auch in der Provinz ist es zu gleichen Aktionen gekommen. Im ganzen sind 2 95 Personen in Haft genommen, von den nur 112 wieder auf freien Fuß gesetzt wurden, während gegen die anderen 183 das Strafverfah ren eröffnet wurde. Gegen die in Budapest Verhafteten wird die Unter suchung beschleunigt durchgeführt. Bisher stellte es sich heraus, daß sie sämtliche Banken und die Postsparkasse besetzen die Minister festnehmen und irgendwie gegen den Privatbesitz vorgehen wollten. Die erste Anzeige we gen der Umtriebe lies vor Wochen bereits aus militärischen Krhisen bei den Behörden ein. Führende politische oder andere Persönlichkeiten sind an der Verschwörung nicht behelligt. Amtlich wird sestgestellt, daß entgegen Meldun gen der Auslandspresse General Raich nicht verhaftet wurden ist. Bei einem Festgenommenen wurde eine Liste mit Namen von 1500 Budapester Ju de n gefunden. Die Polizei glaubt, daß gegen sie Terror akte verübt werden sollten. Einbruch ins Reichsversicherungsamt. 4 0 0 0 0 RM. erbeutet. Berlin, 29. November. In der Nacht zum Sonn tag haben bisher unbekannte Täter einen Einbruch in die Kassenräume des Reichsversicherungsamtes verübt. Sie er beuteten 40 000 NM. Lohngelder, mit denen sie unerkannt entkamen. Das Reichssinanzministerium wird auf die Er greifung der Täter eine hohe Belohnung aussetzen. Das Reichsversicherungsamt liegt in der stillen Köni- gin-Augusta-Straße und grenzt mit seiner Rückseite an grHe Gärten der Matthäi-Kirchstraße. Im Reichsverfiche- rungsämt waren am Sonnabend 60 000 RM. Lohngelder abArhoben und in den Kassenräumen niedergelegt worden. Es war das erstemal, daß derartige Beträge über Sonntag dort aufbewahrt wurden. Nm Sonnabend wurden 20 000 RM. ausgezahlt, so daß nach 40 000 RM. in den Geld- schränken blieben. Als der Wächter gegen 23.45 Uhr aus seiner Loge hin ausging, um auf den Korridoren die Uhren zu stechen, schlugen plötzlich die Alarmglocken an und die Schalttafel wies das Schild „Kasse" auf. Der Wächter benachrichtigte sofort drei im Hause wohnende Angestellte und eilte mit diesen in den untersten Stock, wo sich die Kassenräume be finden. Sie öffneten die Türen, schalteten das Licht ein, konnten jedoch nichts Verdächtiges bemerken. Sie gingen daher wieder aus den Kassenräumen hinaus. Der Wächter machte seine Runde bis gegen 4 Uhr morgens. Er entdeckte nichts Verdächtiges. Bis 6 Uhr hielt er sich in seiner Loge auf und ging dann nach Hause. Heute vormittag kam ein Kassierer in die Kassenräume. Als er diese betrat, entdeckte er, was geschehen war. Zwei ältere Schränke waren an den Seitenwäuden aufgebrochen; der Inhalt der Schatullen, 40 000 RM., war verschwunden. Ein dritter Schrank von modernem Typ war nicht erbrochen. Die Täter hatten nach Verlassen der Kassenräume diese wieder ordnungsmäßig abgeschlossen. Als die vier Ange stellten den Kassenraum betraten, wird der Täter höchst wahrscheinlich unter einen Tisch gekrochen sein und sich dort versteckt haben. Als sie das Zimmer wieder verlassen hat ten, hat der Täter vermutlich seine Komplizen eingelassen. Es hat den Anschein, als ob an jedem Schrank gleichzeitig zwei Personen gearbeitet haben. Die Knacker sind über eine kleine Gartenmauer von der Matthäi-Kirchstraße ge kommen, haben sich in einem Neubau versteckt und hier ihre Zeit abgewartet. Die Kriminalpolizei steht vor einer schweren Aufgabe. Es hat den Anschein, als ob ein Angestellter unfreiwillig oder mit Absicht der Kolonne den Typ gegeben hat. Sonst konnte sie kaum wisien, daß sich gerade an diesem Tage eine so große Summe im Hause befand. Dieser Eeldschrankein- bruch ist im Hinblick auf die Beute an barem Gelds der größte dieses Jahres. Aus atter Wett. " K.li'fwu im Hamburger Hafen. Im Hamburger Hasen hat sich eine schwere Kollision zwischen zwei Schif fen ereignet. Der nach London ausgehende 1500 Ton nen große englische Dampfer Selby hatte in der Nähe der Kollisionsstelle den vor Altona verholenden englischen Dampfer River Ribble, ein etwa 1100 Tonnen großes Schiff, gesichtet, das nach Hamburg weitergehen wollte. Die Begegnung hatte in der Dunkelheit einen schweren Zusammenstoß zur Folge, wobei die Selby den entgegen kommenden Dampfer rammte. Die Wucht der Kollision verursachte ein großes Leck in der Seitenwand der River RiMe, die schnell voll Wasser lief. Die Schiffsleitung sah sich genötigt, den Dampfer sofort am Südufer der Elbe am Maakenwärderdamm auf Land zu setzen, um den Untergang zu vermeiden. Auch der Dampfer Selby konnte die Ausreise nicht antreten, sondern muß erst in Ham burg repariert werden. * Selbstmord der Schauspielerin Lya de Putti? Große Sensation hat das Gerücht hervorgerufen, daß die be kannte Filmschauspielerin Lya de Putti nicht eines natür lichen Todes gestorben sei, sondern Selbstmord begangen habe. Es heißt, die Schauspielerin habe mehrere Päckchen Stecknadeln verschluckt. Diese hätten im Halse eine Blut- ue dervvrgerufen. Eine Untersuchung ist einge leitet worden. " Geheimnisvolle Brandstiftungen auf Jütland. In der Umgegend von Hobro bei Aarhus (Jütland) verbreitet ein Brandstifter seit einigen Wochen eine regelrechte Schrek- kensstimmung. Nachdem in kurzer Zeit auf geheimnis volle Weise sieben Bauerngehöfte angesteckt worden sind, brannte am Sonnabend ein achtes Gehöft ab, obwohl man schon seit Wochen wußte, daß der Hof abbrennen sollte. Der Brandstifter hatte an einen Fernsprechleitungspfahl ein Plakat angenagelt, auf dem er Tag und Stunde des Brandes angekündigt hatte. Auch anderen Hofbesitzern war, und zwar durch Brief, angekündigt worden, daß auf ihren Gehöften demnächst der rote Hahn krähen würde. Biele Bewohner haben die Fenster zugemauert und um die Scheunen Erdwälle aufgeworfen. Am Sonntag wurde ein Knecht verhaftet, in dem man den Brandstifter ge funden zu haben glaubt. * Vom Stiefsohn erschlagen. Wie der Polizeibericht aus Dortmund meldet, geriet am Sonnabendabend der 47jährige Invalide Franz Groß in seiner Wohnung im Stadtteil Hörde mit seinen beiden Stiefsöhnen Ernst und Franz Golkowski in Streit, in dessen Verlauf Franz Gol- kowski ein Beil ergriff und seinem Stiefvater drei Schläge auf den Kopf versetzte. Groß brach blutüberströmt zu sammen und verschied bald daraus. Der Täter stellte sich selbst der Polizei. Im Laufe der Ermittlungen wurde fest gestellt, daß der Getötete oft seine Familie ernstlich be droht hat und ziemlich stark dem Trünke ergeben war. London bekommt eiserne Straßen. Lisenplatren werden mit Teer zusammen gefügt. Jy den Straßen der Londoner Vorstadt Islington wurden versuchsweise Eisenplat ten anstelle des wegen seiner Glätte gefähr- , n Asphalts zur Bevflasterung benutzt. Die rhombischen Platten sind mit einem Wafselmuster versehen, das auch bei nassem Wetter den Autoreifen Halt gibt. WWWMW^ Und Paris amüsiert sich: Der traditionelle Wettlauf der Pariser Midinetten. Die Siegerin Frl. Madelaine Marion geht durchs Ziel, — aber sie hat einen Schuh da bei verloren. Wie alljährlich sand in Paris am Vorabend des Festes der Heiligen Catherine, der Schutz herrin der Putzmacherinnen, der traditionelle Wettlauf der Midinetten statt. Die jungen Mädchen mußten mit einem Hutkarton be waffnet eine zwölf Kilometer lange Strecke zurücklegen und wurden diesmal von dem be liebten Filmschauspieler Albert Prejean, dem Helden von „Sous les toits de Paris", auf die weite Reise geschickt. Die Glücksspinne. Roman von Felix Neumann. 11s (Nachdruck verboten.) Nun bedauerte er doch, nicht mitgefahren zu sein. Ein Mann mehr im Schlitten, das macht schon etwas aus. Womöglich betätigte sich Herr von Osten als Riner und Schützer ! Er dachte den Gedanken nicht zu Ende. Er wandle sich an den Vater. „Ich werde noch einmal auf die Straße gehen. Man muß doch wissen, was draußen geschieht!" Trotz Einspruchs des Alten ging er. „Sei unbesorgt, ich werde mich schon vorsehen." Er ging bis zum Marktplatz, wo starke Menschen ansammlungen waren. Man wußte nur, daß Redner die Massen zum Generalstreik aufgefordert hatten. Die elek trische Bahn werde voraussichtlich morgen früh nicht mehr fahren, da man bereits einen Wagen umstürzte und das Personal sich weigerte, unter diesen Umständen länger Dienst zu .tun. Magnus ging in das Hotel „Deutsches Haus", wo die Restaurationsräume überfüllt ivaren. Der aufregende Gesprächsstoff hielt die Menschen beieinander. Als er durch das Vestibül ging, nm zu dem Wein restaurant zu gelangen, fuhr er zusammen. Der alte Beckum verhandelte mit dem Portier. Er gestikulierte heftig, während der Betreßte achselzuckend den Kops schüttelte. Magnus trat herein. „Sie hier, Herr Beckum? Wo sind die Damen?" Beckum ließ sich atemlos in einen Stuhl fallen und zog den jungen Mann neben sich auf das Ledersofa. „Rein — so was! Daß uns das passieren muß!" Er schnappte mühsam nach Luft. „Denken Sie nur! Vor der Stadl wird unser Schlitten von Steinwürfen emp fangen. Lichtscheues Gesindel überall. Wir müssen kehrt machen, verfehlen den Weg. Wir müssen aussteigen. End lich ist es uns geglückt, aus Umwegen die Stadt zu er reichen. Ich sage Ihnen, eine Fahrt, wie wir sie noch nie machten. Nach Gnadenfrei rauszukommen, ist ganz unmöglich. Nun wollen wir die Nacht hier bleiben und kein Zimmer ist frei!" Magnus stieß heraus: „Die Damen sind doch un versehrt!?" „Das schon! Aber — denken Sie mal, den Schreck, di« Aufregung! Sie machen gerade ein bißchen Toilette. Aber — total nasses Schuhzeug. Das ganze Rest ist über füllt. Wir haben schon telephonisch in anderen Hoteis an gefragt. Ja — wenn ich allein wäre! Dann schliefe ich aus dem Billard, wenn's sein muß, oder auf dem Boden, aber so — die Damen." Magnus sprang auf. „Aber - bester Herr Beckum! Das ist ja eine Fügung des Himmels! Unsere Fremden zimmer sind in einer halben Stunde hergerichlet - " Beckum richtete sich aus und legte seine Hand auf Magnus' Schulter. „Hören Sie mal — das wäre ein Ausweg — —" Dann sprang sie ans: „Die Spinne! Sie ist fort —" „Darf ich sofort bei uns anrufen — —?" „Halt! Da kommen die Damen! Das heißt, vorläufig nur meine Frau, hören wir die einmal!" Frau Beckum kam eilends näher und war ganz aus gelöst. „Rein — was für ein Tag, was für ein Tag!" Magnus griff sofort ein. „Beruhigen Sie sich, gnädige Frau! Sie finden bei uns Unterkunft. Es wird alles vor bereitet." Als er aus der Fernsprechzelle zurückkehrte, stand Sybille neben den Eltern Sie sah blaß und müde aus, aber ihr Auge leuchtete doch, als sie Magnus die Hand reichte. „Wie freundlich von Ihnen. Und welch ein Zufall, daß Sie gerade den Weg hierher lenkten!" Während er ihr die Hand küßte, sagte er halblaut: „Es gibt keinen Zufall, alles ist Schickung!" Da lächelte sie. Nun nahm Frau Beckum das Wort. „Herr Tiburtius, wir wollen hier noch schnell zu Nacht fpeisen — wenn Sie uns freundlich Gesellschaft leisten wollen — —" Magnus erhob abwehrend die Hände. „Nach den Aufregungen und Strapazen im überfüllten Saal? Kommen Sie zu uns. Es wird einfach sein, aber gemütlicher als hier!" Während Beckum noch zögerte, sagte Sybille und blickte aus ihre Schuhe: „Wir können uns eigentlich gar nicht mehr sehen lassen. Mein ganzer Kleidersaum ist zum Auswringen! - —" So entschied man sich denn, die Einladung anzu nehmen. Magnus reichte Sybille den Arm und führte sie auf die Straße, die Alten folgten. Es war aber nicht möglich, ein Gefährt aufzulreiben. So mußte man denn den Weg zu Fuß zurücklegen. Unbehelligt erreichte man das Haus, und als die Uhr zehn schlug, saß man um den wohlgedeckten Tisch herum, nachdem die Haushälterin für trockenes Schuhzeug ge sorgt hatte. Als Magnus neben Subille Platz nahm, zuckle er un willkürlich zusammen, beherrschte sich aber. Sybille trug den Schmuck nicht mehr. Was hatte das zu bedeuten? Er wollte aber die Stimmung nicht stören, die ansing, heiter zu werden. Aber schließlich war es Fräulein Beckum felbst, die die Klärung herbeisührte. Mitten im eifrigsten Gespräch mit Magnus griss sie nach ihrem Halse. Sie verstummte und erbleichte. Daun sprang sie auf: „Die Spinne! Sie ist fort —" Nun wurden auch die anderen aufmerksam. Sybille geriet in große Aufregung. „Mein Gott der Schmuck! Wo hatte ich ihn zuletzt?" Ein hastiges Suchen begann. Auch das Hotel rief man an. Man hatte das Herz nicht gesehen. Der alte Beckum beruhigte. „Na — so gefährlich ist die Sache doch nicht. Wenn es noch ein Perlenhalsband wäre — —" Aber — es nützte alles nichts. Sybille brach in Tränen aus. „Die Glücksspinne — die Glücksspinne " «Fortsetzung folgt.)