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Aus aller Welt. * Best von parteiamtlicher Tätigkeit suspendiert. Die Pressestelle der Reichsleitung der NSDAP, teilt mit: Der. Untersuchungs- und Schlichtungsausschus der Reichsleitung der NSDAP, hat angeordnet, daß die Parteigenossen Dr. Best, von Davidson, Stavinoga und Wassung bis zum Ab schluß der Untersuchung durch den Oberreichsanwalt von jeder parteiamtlichen Tätigkeit zu entbinden sind. Seine weitere Stellungnahme zu dieser Angelegenheit behält sich der Untersuchungs- und Schlichtungsausschuß bis nach der Entscheidung des Oberreichsanwalts vor. * Lahusens Besitz unter dem Hammer. Schloß Hohe horst, der feudale Lahusensche Besitz der einstigen Nord- wolleherren in der Nähe Bremens, wurde am Dienstag versteigert. Hunderte von Autos parkten vor dem Herren haus, und aus dem ganzen Reichsgebiet, so aus Berlin, Hamburg, Frankfurt a. M., aus der Rheinprovinz, aus Westfalen, Schleswig-Holstein, Ostfriesland und Oldenburg waren Interessenten gekommen, um wertvolle Stücke der Einrichtung zu erwerben. * Selbstmord des Geheimrats Behcim-Schwarzbach. Der Tod des Geschäftsinhabers der Darmstädter und Na tionalbank, des Geheimrats Dr. Karl Beheim-Schwarz- bach, der am 23. November angeblich infolge eines Herz schlages verstorben war, ist, wie erst jetzt bekannt wird, auf Selbstmord zurückzusühren. * Starker Frost in Nordwestdeutschland. Infolge des strengen Frostes sind das Frische und das Kurische Haff zu gefroren. Die Fischer üben die Stintfischerei auf dem Eise aus. Auch in Masuren sind die Seen völlig zugefroren. In Johannesburg wurden am Montag 16 Grad Celsius unter Null gemessen. * Schweres Unglück beim Heben eines Fährankers. Nachdem der Betrieb der Oder-Fähre bei Pommerzig (Kreis Crossen) infolge Eisganges stillgelegt werden mußte, sollte am Dienstag der Anker der Fahre mit Hilfe eines vor überfahrenden Dampfers gehoben werden. Der mit sechs Mann besetzte Fährkahn kam'dabei dem Schaufelrad des Dampfers zu nahe und schlug um, so daß sämtliche In sassen ins Wasser fielen. Während vier Mann gerettet werden konnten, ertranken zwei Landwirte. Beide waren Familienväter und hinterlassen fünf bzw. zwei unversorgte Kinder. * Zur Versteigerung bayrischer Kronjuwelen in Lon don, über die vor kurzem berichtet wurde, wird von zu ständiger Stelle mitgeteilt, daß keinesfalls Krone und Zepter der Wittelsbacher, sondern lediglich eine Reihe von Juwelen und Schmuckstücken versteigert werden, die sich im Besitz des Wittelsbacher Ausgleichsfonds befanden. Nach einer Erklärung der Generaldirektion des Wittels bacher Ausgleichsfonds, der eine Stiftung des öffentlichen Rechts ist, handelt es sich um besonders wertvolle Edel steine, durch deren Erlös der Wittelsbacher Ausgleichsfonds den katastrophalen Rückgang der Erträgnisse aus seinem Land- und Forstbesitz, der den Grundstock seines Vermögens darstellt, wettmachen will. Die bayrische Regierung als Aufsichtsbehörde dieses Fonds hat die Genehmigung zum Verkauf der Edelsteine gegeben. An sich besteht die Be stimmung, daß Kronjuwelen von historischem und künst lerischem Wert nicht veräußert werden dürfen. Die eigent lichen Kronjuwelen, Krone und Zepter, befinden sich nach wie vor in der Münchner Residenz. * Kurz vor Vollendung des 1V1. Lebensjahres gestor ben. In Starnberg ist der frühere Weichenwärter Leon hard Mörtl gestorben. Er wäre in sechs Tagen 101 Jahre alt geworden. Im vergangenen Jahr war er anläßlich seines 100. Geburtstages noch Gegenstand zahlreicher Ehrungen aus ganz Deutschland. Seit 14 Jahren war er durch Gicht ans Bett gefesselt. * Schwerer Raubüberfall bei Mörs. In der Nacht zum Dienstag wurde der Bürobeamte Schneckmann in Kamp-Lintfort vor seinem Wohnhaus am Dachsberg, aus dem ihn eine unbekannte Person unter dem Vorgeben, den Weg zu erfragen, herausgelockt hatte, niedergeschlagen, an Händen und Füßen gefe selt und an einen Baum fest gebunden. Dann drangen die Banditen in das Haus ein, wo sie die Ehefrau ebenfalls niederschlugen, so daß sie schwer verletzt wurde. Die Räuber durchsuchten das Ge bäude und brachten 250 Mark Bargeld sowie Wertgegen stände im Werte von 250 Mark an sich. Hierauf ver streuten sie, um ihre Spuren zu verdecken, in der ganzen Wohnung Pfeffer und verschwanden unerkannt. * Raubüberfall im Kassenraum eines Hamburger Gü terbahnhofes. Am Dienstagnachmittag hatte ein Eisen bahnbeamter, der allein im Kassenraum des Güterbahn hofes Sternschanze war, die eingenommenen Gelder be reit gelegt, um sie seiner Ablösung zu übergeben. Plötzlich betraten zwei unbekannte Männer den Raum. Einer" zog sofort einen Revolver und zwang den Beamten ,zur Her ausgabe des Geldes. Die beiden Burschen entkamen dann mit dem Raub, obwohl sie verfolgt wurden. * Das „Blaue Band des Ozeans" bleibt bei der „Bremen". Das Blaue Band, das die „Bremen" bekannt lich am 22. Juli 1929 durch eine Fahrt Cherbourg—Neu- hork in 4 Tagen 18 Stunden und 17 Minuten erhielt, bleibt weiter in ihrem Besitz, denn der Riesenschnell dampfer „Expreß of Britain", der es dieser Tage auf diesen Ehrenpreis abgesehen hatte, mußte sich mit einer Zeit von 6 Tagen 1 Stunde bzw. 5 Tagen 19 Stunden begnügen. * Großangriff der Ratten. In der nordfranzösischen Hafenstadt Fecamp kam es am Sonntag zu einer wahren Rattenschlacht. Tausende von Ratten überfielen in ge schlossenen Reihen das Hafenviertel und drohten die in den Lagerschuppen aufgespeicherten Waren zu vernichten. Die Bevölkerung und die Hafenbehörden wußten kein an deres Mittel, die Ratten zu vertreiben, als eine ganze Meute von Hunden auf sie loszulassen, die nach langem Kampfe die Eindringlinge in ihre Verstecke zurückzagten. Hunderte von Ratten blieben auf dem „Schlachtfelde" zurück. Man befürchtet, daß sich die Tiere von ihrem ersten Mißerfolg nicht abhalten lassen werden, einen zwei ten Vormarsch zu versuchen. * Mißlungener Anschlag auf den italienischen Bot schafter in Madrid. Ein bekannter Antifaschist versuchte am Montag den italienischen Botschafter, der in seinem Kraftwagen durch die Straßen fuhr, durch einen Stein wurf zu verletzen. Der Anschlag mißlang, der Täter wurde verhaftet. Englischer Dampfer rettet deutsche Segel schiffbesatzung aus höchster Seenot. Das sinkende.deutsche Segelschiff „Har- Manyiho" wird von dem englischen Dampfer „Sicilian Prince" angelaufen. Bei schwerem Sturm wurde die Altonaer Segelbarke „Harmanniho" vor der englischen Küste leckgeschlagen und begann trotz aller Anstrengungen der Mannschaft zu sinken. Erst im letzten Augenblick konnte die Besatzung von dem englischen Dampfer „Sicilian Prince" übernommen werden. Der internationale Abrüstungskongreß in Paris. Blick aus den Vorstandstisch während der Er öffnungssitzung. Von links nach rechts: Ba- riello (Italien); stehend Prinzessin Contou- zene (Rumänien), die Vizepräsidentin des Internationalen Frauenverbandes; Freiherr von Rheinbaben, der volksparteiliche Ab geordnete; Mdlle. Weiß (Frankreich); Lim burg (Holland) und der deutsche Zentrums abgeordnete Joos, der ein aufsehenerregen des Referat hielt. — In Paris sand ein Kon greß der Delegierten zahlreicher politischer, sozialer und religiöser Vereinigungen aus allen Ländern Europas statt, aus dem eine Weltkundgebung für die Abrllstungsidee aus gearbeitet wurde. WW»»^ Die GlüSsspinne. Roman von F e l i x di e u m a n n. 1g) (Nachdruck verboten.) Die Stimmung am Tische wurde immer gespaunler Scheinbar zankte man sich r die zu ergreifenden Maß nahmen, in Wirklichkeit spitzum sich die Dinge zu einem Zweikampf zu. Schon zweimal kam der Wirt besorgt heran, um abzubläseu „Nur keinen Skandal mein? -Herren!" Aber - die Dinge waren im Laus und ließen sich nicht mehr bremsen Immer mehr Zuhörer drängten sich um den?Tisch, der mit Bier und Schnaps bedeckt war Kunicke bediente sich nicht der Faust, um seinen Arg» menten Durchschlag zu verschaffen Aber — sein eckiges Kinn schob er vor und blickte dem Partner bösartig ins Gesicht Er trank nicht viel, das lies; er die anderen be sorgen, die er dann um so leichter in der Tasche hatte Anna verfolgte den Gang der Dinge mit brennenden Augen. Welch ein ungeschlachter Geselle war doch dieser Heinrich., Dagegen der andere! Ein Volksredner, ein ge bildeter Herr! Donnerwetter, man merkte, daß er in der Welt herumgekommen war. Und dann: „Herr Funktionär hier und Herr Funktionär da!" Welch ein schöner Titel! Sie lächelte süß und verheißend, wenn sich ihre Blicke mit den seinen trafen. Kunicke rief: „Nu — is' jenug! Ihr habt allesamt keene Ahnung! Morjen Mittag lassen wer abstimmen! Jroße Versammlung in der Konkordia, da wer'n wer sehn, wer Oberwasser behält! Det ts Zuckerwasser, wat Ihr hier serviert! Een anderer Zug muß rein! Rathaus be setzen, Bahnen besetzen! Jeneralstreik! Wat laßt Ihr Euch von so ne Memmen an der Rase rumführen?!" Da erhob sich der Heinrich langsam. Sein Gesicht war blaurot von Wut und Alkohol. „Meinst de mit die Mem men mir?" Kunicke lächelte malitiös und zuckte die Achseln. Oh — er'kannte die Menschen! Was ging ihn in diesem Augenblick die Partei und die Politik an! Um die Anna ging's! Wenn es ihm glückte, den anderen lächerlich zu Machen, dann hatte er gewonnenes Spiel. Morgen in der Versammlung, und jetzt bei dem Mädel! „Eine Runde für die Herren!" Der Wirt sprang her bei. Das war zunächst die Antwort auf den Vorstoß des Schrauben-Heinrich. Und dann kam langsam und bedächtig die Aufforderung: "Setz dich! Du bist voll!" Ein wieherndes Gelächter. Die Anna kicherte, daß sie sich beinahe an dem feinen Likör verschluckte, den ihr Kunicke hinschob. Heinrich sah sich mit geröteten Auge» um. Rahm man ihn nicht mehr für ernst? Langsam sank er am Tische nieder. Sein umnebeltes Hirn mußte die Dinge erst verarbeiten. Der Wirt brachte die Gläser. Man stieß an und ließ den „Funktionär" leben! Der Vorfall schien vergessen. Wer konnte denn über haupt noch klar denken? Da lehnte sich Kunicke zurück, langte in die Tasche und zog einen Gegenstand hervor, der säuberlich in Seidenpapier gewickelt war! In Seiden papier! Richt in eine Zeitung, wie die Stullen der Ar beiter! Man drängte herbei. „Fräulein, ich habe wat for Sie mitjebracht!" „Meine Herren!" begann er feierlich. Donnerwetter, der Mann hatte Lebensart, obgleich es schön Mitternacht vorbei war. „Meine Herren! Wir Ham nn soviel von Politik gequatscht, nn woll'n wer och mal der Damen je- denken, die unter uns weilen." Zwei Weiber, die außer der Anna noch anwesend waren, juchzten vor Vergnügen auf. Kunicke sah sich um: „Wir wollen nich darüber streiten, wer die Scheenste is, del is Jeschmackssache! Aber — wenn man nur een Jeschenk zu verjeben hat, so kriegt es merschtenteels die, die einem am nächsten sitzt!" Großes Hallo! Auch der Wirt kam hinter seiner Schankstelle hervorgeschossen und drängte sich herbei. Heinrich saß wie ein Stier da Geduckt, lauernd, seine Leidenschaft bezähmend Er spürte, daß er sich nicht noch einmal lächerlich machen durfte. Aber — wehe, wenn ihm jemand an den Wagen fuhr. Der Funktionär legte seine ringgeschmückten Tatzen üb-er das Päckchen und blickte die Hatzek an. „Fräulein, ich habe wat for Sie mitjebracht!" Annas Augen strahlten. „Rehmen Sie!" Er schob die Gabe über den Tisch. Annas Finger griffen hastig zu. Fünfzig Augen richteten sich auf die Polin Heinrich reckte sich und wandte sich zur Seite. Teufel, er hatte doch zu viel getrunken. Attes verschwamm vor seinein Blick. Das Mädel packle aus. Es war ein Schmuck! Hoch hielt ihre Hand, während die Augen vor Gier und Freude leuchteten, ein wundervolles Pernsteinherz, auf dem eine in Gold und Emaille gearbeitete Spinne faß Ruse des Erstaunens wurden laut. Neidisch drängten sich die anderen Weiber herbei. Das war etwas Außergewöhn liches, so etwas kam in dieser Kneipe nicht alle Tage vor Der Herr Funktionär lehnte sich mit sieghaftem Lächeln zurück. Seine Äugen begegneten denen des Mädchens Wer solche Geschenke machte, schlug alle anderen Nebenbuhler. Und nicht einen Pfennig kostete ihm dieser Sieg, der ihm das Mädel in die Hände spielte. Er würde sich hüten, der Bande zu erzählen, wie und wo er den Schmuck aus der Straße sand. Lieber mochten sie denken, daß ei» kühner Diebstahl ihn zum Herrn solcher Gabe werden ließ. Während Anna sich mit zitterndem Eifer die herr liche Kette um den Hals legte und in ihrer Erregung wohl Blicke für den neuen Liebhaber, aber noch kein Wort des Dankes sand, schob sich plötzlich die behaarte Faust des Schrauben-Heinrich über den Tisch und legte sich aus den weißen Arm. „Gib her!" Rauh stieß er die Worte hervor. Soweit war er wieder nüchtern geworden, daß er merkte, was dies Angebinde bedeutete. Das Mädel entging ihm und das Ansehen bei den anderen auch! „Gib her!" Wie ein gereizter Hund knurrte er. Anna rückte zur Seite. „Laß mich, das geht dich gar nichts an!" (Fortsetzung folgt.)