Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 13.11.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-193111134
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19311113
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19311113
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1931
-
Monat
1931-11
- Tag 1931-11-13
-
Monat
1931-11
-
Jahr
1931
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 13.11.1931
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
MMMg übel die MiMt in WeltUWWn. Berlin, 10. November. Amtlich wird mitgeteilt: Der Herr Reichspräsident hat am 10. November auf Erund des Artikels 48 Absatz 2 der Reichsversassung eine Verord nung über die Zahlungsfrist in Aufwertungs sachen erlassen. Am 1. Januar 1932 werden die von den Gläubigern vor Jahresfrist gekündigten Aufwertungs Hypo theken fällig. Nach dem Gesetz über die Fälligkeit und Verzinsung der Aufwertungshypotheken vom 18. Juli 1930 hat zwar der Grundstückseigentümer die Möglichkeit gehabt, innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Kündigung bei der Aufwertungsstelle eine Zahlungsfrist zu beantragen. Zahlreiche Schuldner haben aber damals den Antrag nicht gestellt, weil sie mit Recht annehmen konnten, den Auf wertungsbetrag 1932 zahlen zu können. Andere Schuldner haben den Antrag zwar gestellt, ihn aber zurückgenommen, nachdem sie sich vergewissert hatten, daß sie für den zurück zuzahlenden Betrag von einem anderen Gläubiger eine Er satzhypothek bekommen würden. Endlich haben in den Fäl len, in denen das Zahlungsfristverfahren durchgeführt ist, häufig die Aufwertungsstellen den Antrag abgelehnt, weil nach der damaligen Wirtschaftslage die Aufwertungsstelle zu der Auffassung kam, daß dem Schuldner die Rückzahlung der Hypothek zuzumuten sei. Diese Verhältnisse haben sich durch die Ereignisse seit Juni dieses Jahres grundlegend geändert. Die neue Ver ordnung sieht daher vor, daß in den angegebenen Fällen die Schuldner, die durch die Veränderung der allgemeinen Wirtschaftsverhältnisse überrascht worden sind, bis zum Ab lauf des 30. November 1931 bei der Aufwertungsstelle den Antrag auf Bewilligung einer Zahlungs frist nachholen oder ihn, sofern er bereits rechtskräftig ab gewiesen war, erneuern können. Vorausgesetzt ist da bei, daß die durch die Veränderung der allgemeinen Wirt schaftsverhältnisse geschaffene Lage nicht schon in einem früheren Zahlungsfristverfahren berücksichtigt werden konnte. Mit dieser Maßnahme sind die beteiligten Orga ¬ nisationen, mit denen die Frage erörtert worden ist, im wesentlichen einverstanden. Die Voraussetzungen, unter denen die Zahlungsfrist be willigt werden kann, sind dieselben wie nach dem Gesetz über die Fälligkeit und Verzinsung der Aufwertungshypotheken vom 18. Juli 1930. Vereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner über die Rückzahlungen werden nicht ange tastet. Dem Wunsche der Schuldner, wenigstens die vor der Aufwertungsstelle geschlossenen Vergleiche in die Neu regelung einzudeziehen, ist nicht stattgegeben worden, da gegen ein solches Eingreifen in Vertragsbindungen schwer wiegende grundsätzliche Bedenken bestanden. Nach der Notverordnung kann weiter den Schuld nern von Industrie-Obligationen und ver wandten Schuldverschreibungen eine Zahlungsfrist für die am 31. Dezember d. I. fällig werdenden aufgewer- tcten Kapitalbeträge — nicht aber für die bis zum 31. De zember 1931 gestundeten Tilgungsteilbeträge — in ähnlicher Weise gewährt werden, wie dies in dem Aufwertungsschluß- gesetz vom 18. Juni 1930 für die Schuldner aufgewerteter Hypotheken vorgesehen ist. Die Zahlungsfrist, die nur bis zum 31. Dezember 1934 bewilligt werden kann und wäh rend der nach Möglichkeit Teilzahlungen geleistet werden sollen, darf nur gewährt werden, wenn der Schuldner in folge der Veränderung der allgemeinen Wirtschaftslage über die zur Zahlung erforderlichen Mittel nicht verfügt, sie sich auch nicht zu zumutbaren Bedingungen verschaffen kann öder wenn die Rückzahlung nicht ohne Gefährdung der Fortführung des Unternehmens erfolgen könnte. Die ge stundeten Beträge sind ab 1. Januar 1932 mit 7)4 Prozent jährlich zu verzinsen und mit einem Aufgeld von 2 Prozent für jedes angefangene Kalenderjahr, für das die Stundung in Anspruch genommen wird, zurückzuzahlen. Für die Dauer der Stundung darf der Schuldner keine Gewinne an die Gesellschafter ausschütten und in der Regel auch keine Tantiemen bezahlen. Zuständig für die Bewilligung der Zahlungsfrist ist die bei den Oberlandesgerichten nach früheren Verordnungen gebildete Spruchstelle. Die An rufung der Spruchstelle mutz spätestens bis 30. No vember 1931 erfolgen. Die englische Thronrede. London, 10. November. Der König von England eröffnete am Dienstagmittag in der üblichen feierlichen Weise das Parlament. In der Thronrede betonte er unter anderem, dah seine Regierung ihre besondere Aufmerksamkeit den Vor bereitungen der Abrüstungskonferenz schenke, bei der ein Erfolg allgemein von Nutzen sein werde. Die ernste finanzielle und wirtschaftlicheLageder Welt mache seiner Regierung grohe Sorgen. Sie werde ihr Aeutzerstes in Zusammenarbeit mit den anderen Regierungen und im Geiste gegenseitiger Hilfeleistung tun, um Mittel und Wege zur Wiedergenesung des internationalen Han dels zu finden. Der König drückte dann die Hoffnung aus, datz die englisch-indische Konferenz und eine Konferenz mit den Vertretern Burmas von Erfolg gekrönt sein mögen. Die Regierung Kanadas habe der englischen Regierung vor geschlagen, die Wirtschaftskonferenz, die im Jahre 1930 vertagt wurde, in Ottawa sobald wie möglich statt finden zu lassen. Dieser Vorschlag wurde mit dem ernsten Wunsche erwogen werden, zu einem gegenseitigen vorteil haften Abkommen mit den Regierungen der Dominions zu gelangen. Mae Donald will das Pfund stabilisieren. London, 10. November. In den historischen Räumen der Londoner Queens Hall fand am Montagabend das all jährliche Lordmayor-Bankett zu Ehren der britischen Ne gierung statt. Ihr ganz besonderes Gepräge erhielt die Feierlichkeit durch den begeisterten Empfang, der dem Pre mierminister Macdonald bei seinem Erscheinen zuteil wurde. Auch sein Freund und Kollege Sekretär Thomas war der Gegenstand herzlicher Kundgebungen. Die Reihe der Toaste wurde durch Sir John Simons eröffnet, der damit zum ersten Male als Außenminister das Wort er griff. Er betonte unter anderem, datz die britische Außen politik mit allen Nationen der Erde auf der Basis einer gleichgearteten und gesicherten Freundschaft zu stehen trach tet." Danach ergriff Macdonald das Wort: „Wir haben die Absicht, sobald es die Umstände zulassen, Maßnahmen zu treffen, durch die die englische Währung unbe dingt auf einer solchen Basis stabilisiert wird, die sie von spekulativen Bewegungen oder Tages geschehnissen unabhängig macht." Dl. kWh?» über die mWW MiWlW. Berlin, 10. November. Der Reichskommissar für vor städtische Kleinsiedlung Dr. Sa aßen gab Dienstagabend einige Erläuterungen zu den' Richtlinien für die vor städtische Kleinsiedlung. Die Gemeindeverbände haben sich bereiterklärt, die Trägerschaft unter den mit ihnen bespro chenen Bedingungen zu übernehmen und schnell an die Arbeit zu gehen, um Siedlungspläne aufzustellen. Der Reichssinanzminister hat für die Zwecke des vorstädtischen Kleinsiedlungswerkes einschließlich der Kleingartenzulage für Erwerbslose zunächst einen Betrag von 8 Millionen Reichsmark monatlich zur Verfügung gestellt und sich bereit erklärt, den Plan des Siedlungskommissars auf der Grundlage der ersten sechs Monatsraten, d. h. mit 48 Millionen Reichsmark aufzustellen, einen Betrag, der für 20 000 Kleinsiedlerstellen und 80 000 Kleingärten aus reichen würde. Der Reichssinanzminister hat sich weiter In Nebereinstimmung mit dem Reichsarbeitsminister bereit erklärt, für die ersten drei Jahre die zu zahlenden Zinsen der Kommunen auf 40 Mark für die Siedlerstelle zu senken, in der kinderreiche Familien mit vier und mehr Kindern untergebracht sind. Kinderreiche Familien wer den bevorzugt. Die Erwerbslosen, die sich für die Sied lung interessieren, sollen sich an die zuständigen Gemeinde verwaltungen wenden. Die Siedlung über die Grenzen der Großstadt in das Gebiet von Nachbargemeinden darf durch politische Grenzen nicht beeinflußt werden. Die Notverordnung gibt die Möglichkeit, die Erstattungspflicht der Großstädte gegenüber den aufnehmenden Landgemein den zu regeln. Verwaltungskosten des neuen Reichskom missariats kommen nicht m Frage, da die dem Kom- mrssariat zugeteilten Beamten von anderen Dienststellen zur Verfügung gestellt worden sind. Das Reichskommis sariat wird sich bemühen, Großfirmen zur Förderung der Aktion zu gewinnen. Verhandlungen schweben bereits mit der holzverarbeitenden Industrie. Die Post spart 100 Millionen. Berlin, 10. November. Wie dem Reichspostministerium mitgeteilt wird, nahm der Verwaltungsrat der Deutschen Reichspost Dienstag einen Nachtrag zum Voranschlag der Reichspost für 1931 an, der die im ursprünglichen Haus haltsentwurf angesetzten Einnahmen und Ausgaben um je 100 Millionen Reichsmark herabsetzt. Die allgemein ungünstige Wirtschaftslage brachte auch der Reichspost einen nicht unerheblichen Einnahmerückgang, der für das bis zum 31. März 1932 laufende Rechnungsjahr auf mindestens 100 Millionen Reichsmark veranschlagt werden muß. Die Reichspostverwaltung hofft, diesen Einnahmeausfall durch sparsamste Wirtschaftsführung ausgleichen zu können, nach dem ihr der Verwaltungsrat durch die Annahme des obenerwähnten Nachtrags hierfür die Grundlage gegeben hat. Bei der einzusparenden Summe von 100 Millionen handelt es sich zu 60 v. H. um Sachausgaben, etwa 15 Millionen werden auf dem Personalgebiete gespart, um 6 Millionen Reichsmark vermindert sich die gesetzlich auf 6 v. H. der Einnahmen festgelegte Ablieferung an das Reich, der Rest von rund 20 Millionen Reichsmark wird durch die Heranziehung übertragbarer Haushaltsreste auf gebracht. Bei dem Sparplan hat man in erster Linie eine Senkung der Sachausgaben vorgenommen, um Personal entlassungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Reichs- Post betrachtet es auch weiterhin als ihre besondere Pflicht, das Personal über die schwere Wirtschaftskrise hinweg durchzuhalten, schon um die Zahl der Arbeitslosen nicht noch weiter zu vermehren. Ob das im bisherigen Umfange gelingt, wird allerdings fraglich, wenn der Einnahme ausfall in den kommenden Monaten das bis jetzt anzu nehmende Maß wesentlich überschreiten sollte. Bei den Er sparnissen auf sachlichem Gebiet handelt es sich zunächst um Minderausgaben im Bahnpostverkehr. Gebaut wird nur das, was zur Aufrechterhaltung des Betriebes un bedingt nötig ist. „M Kd die Wen der WimMM" sagt Willi Sklarek. Berlin, 10. November. Im weiteren Verlauf der Ver handlung im Sklarekprozeß wurde der Stadtamtsrat Sa- kolofski vernommen. Er bestritt, von den Brüdern Sklarek irgendwelche Vorteile gehabt zu haben, gab aber zu, mit Willi Sklarek verschiedentlich Wetten abgeschlossen zu haben. Auf die Frage des Vorsitzenden an Sakolofski, ob er sich klar darüber sei, daß er die Wetten auch abgeschlossen hätte, wenn er die Sklareks nicht gekannt hätte, antwortete Sakolofski: „Jawohl, sonst hätte ich nicht gewettet". Staats anwaltschaftsrat Dr. Weißenberg wandte sich dann an Leo Sklarek mit der Frage, ob er sich erinnere, in der Vorunter suchung gesagt zu haben, Geldbeträge an Sakolofski gegeben zu haben. Leo und Willi Sklarek könnten sich nicht mehr erinnern. Willi Sklarek springt dann erregt auf und erklärte: „Wir sagen die reine Wahrheit. Wir haben schon vor Eröffnung des Verfahrens gesagt, daß wir die besten Stützen der Staatsanwaltschaft sind." Oberstaatsanwalt schaftsrat Steinäcker: „Ich kann das nub bestätigen, Sie sind die besten Stützen der Staatsanwaltschaft." Die Verhandlung wurde dann auf Donnerstag vertagt. Hmy W Wt ZU WIMM MU „In diesem Winter soll niemand in Dearborn hungern.* Henry Ford, der Messias des Maschinen zeitalters und Organisator der maschinellen Massen produktion, kehrt zurück zur Handarbeit! Diese neueste Sen sation bereitet Ford der amerikanischen Oeffentlichkeit durch die Ankündigung, daß er zunächst einmal auf seiner Riesen- Musterfarm sämtliche Maschinenarbeit ein stellen läßt, um sie von 650 auf seinen Autowerken entlassenen Arbeitslosen ausführen zu lassen. Das Geheimnis des Raudtiechauses. Roman von Lisa Passon. 88) (Nachdruck verboten.« Inzwischen hatte Lee die Zeitung an sich genommen. Er saß auf vem Bettrand, die Stirne tief über das Blatt geneigt, das in seinen Händen zitterte. Die grauenhafte Auffindung von Nelly John, in minutiöser Genauigkeit geschildert, erschreckte ven Fassungslosen bis tief ins Herz hinein Es wurde grau voi seinen Augen, die Buchstaben wirbelten wie Rußflocken durcheinander, seine Kehle brannte in Trockenheit Arme wuchsen unter dem Betl hervor und wollten ihn zu Boden reißen. Lee fühlte: Es gehl um mein Leben! und sprang mit einem Satze hoch, taumelte nach dem Holztisch, aus dem der Untersuchungsrichter Briefbogen und Bleistift zurück gelassen hatte, und schrieb in großen, fliegenden Buch staben: Ich war es nicht Ich schwöre, ich war es nicht. Erst spät in ver Nacht dämmerte durch seine blei schwere Niedergeschlagenheit der Gedanke, daß der Mulatte Tom das Mädchen ermordet haben könnte. Die Schaffelle waren unter seiner Obhut, wer sonst sollte Nelly in ihnen vergraben haben? Lee ging abermals zum Tisch. Handbreit unter die Beteuerung seiner Un schuld schrieb er: Ich verlange, daß der Wärter meines Raubtierhauses zu mir geführt wird. Fünfundzwanzig st es Kapitel. Seit Lees Verhaftung und besonders seit der Auf findung der Nelly John war die Szilasy in einer fieber haften Erregung. Sie kaufte alles zusammen, was sich mit dem Verbrechensfall beschäftigte: die großen Tages zeitungen, Magazine, illustrierte Wochenschriften, sogar kleine Provinzblätter. Sie wurde krank vor Ungeduld, wenn die Post, die die bestellten Auslandsjournale brachte, sich verspätete. Den ganzen Tag war sie unter wegs, besuchte Bekannte und hielt entfernte Bekannte auf der Straße an, mit hitzig flackerndem Interesse die un erhörte Tat Lees, des bis jetzt Makellosen, besprechend. Sie umkreiste das Gefängnis, das ihn beherbergte, um es von außen zu betrachten, nachdem ein Versuch, Lees Fenster vom Gefängnishof aus in Augenschein zu nehmen, an der Strenge des wachthabenden Schutz polizisten gescheitert war. Meist kam sie erst zum Abend- brot nach Hause, das sie hastig und unwirsch einnahm. Ihrem Gatten bedeutend, sie allein zu lassen, zog sie sich täglich mit einem Stoß Zeitungen in ein Kabinett zurück. Die Gräfin setzte sich halb liegend aus den Diwan, ihre Tagesbeute an Zeitungen unter die Knie schiebend. Wenn sie ein Blatt durchstudien hatte, häufte sie es aus die Etagere zu den anderen bereits gelesenen. Stieß sie auf Illustrationen — Lee und sein Haus waren häufig abgebildet —, so schnitt sie sie mit einer Nagelschere, die sie ihrer Handtasche entnommen hatte, sorgfältig aus und verwahrte sie in einer Mappe aus chinesischrotem Leder, Vie auf dem Rauchtischchen vor ihr lag. Als sie mit allen Zeitungen fertig war, nahm sich oie Szilasy, wie einen Leckerbissen, den man sich bis zuletzt aufhebt, diese Mappe noch einmal besonders vor. Sie ordnete die Ausschnitte auf dem Rauchtisch, wobei sie die, die ihr am liebsten waren, in der ersten Reib, unter- brachte. Ein Zeichner hatte Lees Kops skizziert mit ge- sammeltem und zugleich in die Ferne gerichteten! Blick unter herrischen Brauen aus der kühn gebuckelten Stirn und einem Mund, den Entschlossenheit und Menschen verachtung zusammenpreßien. Die Szilasy beugte sich über die Skizze: „Du Tiger!" flüsterte sie, „Du Raub vogel!" Ihr heftiger Atem blies das Blatt unter den Diwan. Sie warf sich auf die Erde, um es einzufangen. Sie richtete sich auf, legte es an seinen Platz zurück, klingelte. Der Zofe, es war dieselbe, die Brade ange meldet hatte an jenem Tage, der für Lee verhängnis voll wurde, befahl sie, Rosita zu ihr zu schicken. „Sie weiß von nichts?" fragte sie. Die Zofe bestätigte es. Ihr eine eilige Handarbeit zuweisend, hatte die Gräfin Rosita während der letzten Tage nicht aus dem Hause gelassen, strengste Anweisung war erfolgt, alle Zeitungen vor ihr zu verbergen, und den Angestellten drohte sofortige Entlassung, wenn sie dem Mädchen gegenüber das Schicksal ihres früheren Herrn auch nur andeutungsweise erwähnten. Rosita betrat das Kabinett und blieb an der Tür stehen. Ihr schwarzes Kleid mit den enganliegenden Ärmeln stand scharf und ernst gegen die Hellen Farben der Wand; der Kopf schien von einem still getragenen Schmerz in müder Grazie gesenkt zu sein, aus der dunkel- seidigen Umrahmung der Haare schimmerte schmal das Gesicht, das seit dem Tode der Mutter noch blasser ge worden war. Die Szilasy ging Rosita mit äußerster Freundlichkeit entgegen, nahm sie bei der Hand und zog sie neben sich -nif den Diwan. „Ich habe eine große Neuigkeit für Sie, liebes Kind," murmelte sie erregt. „Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, sic Ihnen in freundschaftlicher Teilnahme selbst zu überbringen. Das Leben hat oft eine so profane Manier, uns zu überraschen." Sie wies mit der Hand auf das Rauchtischchen: „Da sehen Sie." Eine jähe Röte flutete über Rositas Gesicht, sie zuckte zusammen und lastete unwillkürlich nach den Blättern. „Nehmen Sie sie ruhig in die Hand," flüsterte die Szilasy und legte ihren Arm nm die Schultern des Mädchens. Rosita sah in einem namenlosen Gefühl oou Schrecken, Sehnsucht und Schmerz aus die Bilder ihre» Herrn. An dieser Wang, iag mein Gesicht, dachte sie diese Augen sanken in meine Augen, dieser stumm« Mund schickte mich fort . . .. aber warum, fragte sie sich be ängstigt, gab es so viel Bilder von Lee? Sie fühlte plötz lich mit Befremdung und ahnungsvoll beklemmt die Hand der Gräfin an ihrer Schulter. „Wissen Sie, daß ich Sic gerettet habe?" flüsterte eine Stimme an ihrem Obr „Sie lebten nicht mehr, wenn Sie bei ihm geblieben wären. Ihre Nachfolgerin hat er ermordet." Rositas Stirne und ihre Fingerspitzen erkalteten. Sie hörte fern die lebhaft werdende Stimme der Szilasy, die ihr die Vorgänge erzählte, und kühlte sie wieder nahe und überlaut, als die Gräfin sie in heißer Zudringlichkeit bestürmte, ihr doch zu berichten, mal Lee mit ihr ange- stellt habe. Die roten und grünitchen Farben des Ain!- mers schwammen vor ihren Augen. Sie bemühte sich angestrengt, ihre schwindenden Gedanken zusammenzu raffen. Vielleicht schickte er mich weg, um mich nicht zu töten, dachte sie, er war doch autig: e Gott, wie konnte er . . . Aus den unaufhörlich st» überschwemmenden Reden der Gräfin traf sie da« Wort „Mörder!" Es trieb kalten Schweiß aus ihrer Stirn, Schwärze floß um sie, schwebte auf und nieder und bedeckte sie, Rosita glitt vom Diwan Die Szilasy stieß einen kleinen, erschreckten Schrei aus: Großer Gott, jetzt hat sie die Besinnung verloren. Sie stürzte an die Klingel. Während sie auf Hilfe wartet«, sah sie auf Rosita hinab, die sie nicht anzuruhren wagte. Ein strenger Schmerz von unjugendlicher Reife lag aus dem marmornen Gesicht des Mädchens. In dem hoch geschlossenen schwarzen Kleid wirkten Schultern und Arme, die an der Seitenwand des Diwans lehnten, jünglingshaft herb. Prinz Hamlet an den Stufen der Throns, dachte die Gräfin, in der plötzlichen Stille von einer scheuen Bewunderung gebannt. iForlsctzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)