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Reichsfinanzminister Dr. Dietrich in Dresden. Keine Besserung ohne Lösung°der Tributsrage. Am gestrigen Sonntag veranstaltete die Deutsche Staatspartei im großen Saale der Kaufmannschaft in Dresden eine gut besuchte Kundgebung. Nachdem Ober bürgermeister Dr. Külz die Versammlung mit einer kurzen Begrüßung eröffnet hatte, ergriff Reichsfinanzminister Dr. Dietrich das Wort. Einleitend gab er einen Ueberblick über die ver gangenen Monate. Die Septemberwahl habe eine schwere Schädigung der deutschen Wirt schaft gebracht; die Befürchtungen, die diese Wahl aus- gelöst habe, hätten der Bankwelt wenigstens zwei Mil liarden Mark entzogen. Im Reichstage selbst sei nach der Agitationspolitik der ersten Monate nichts anderes als die Notwehr übrigeblieben, die zu dem Auszuge der Rechts opposition geführt habe. Der Minister betonte, es bestehe nicht die geringste Gefahr mehr, daß der Staat von denNationalsozialisten über - rannt werde. Aber die Gefahr bestehe, daß die von der einen Seite Verhetzten ins andere radikale Lager gingen, zum Kommunismus, der eine ernste und konsequente Revolutionsbewegung sei. Aber der Staat habe ja gerade im vergangenen Winter gezeigt, wie stark er sei Je mehr Mut die Regierung zur Unpopularität bewiesen habe, desto stärker sei auch die Stellung ge worden. Dann wandte sich der Minister wieder den wirt schaftlichen Problemen zu. Die Bereinigung, die jetzt noch einmal am Etat vor genommen werden müsse, könne auch nicht ohne Wirkung auf die Länder und Gemeinden bleiben. Die in der letzten Zeit vorgenommene Senkung aller Löhne und Gehälter könne mit etwa vier Miliarden Mark angenommen werden. Es sei nicht zu leugnen, daß auch die Preise herabgegangen seien. Von entscheidender Be deutung seien die Lebensmittelpreise und da stehe jetzt der Brotpreis im Vordergründe. Man könne nicht um die Frage herumkommen, ob man die weiten Gebiete des deutschen Ostens ver öden lassen wolle. Natürlich müsse man dort siedeln, solange müßten aber auch die bestehenden Güter erhalten bleiben. Man müsse also unbedingt die Lebensinteressen der Landwirtschaft und besonders der östlichen Landwirt schaft berücksichtigen. Aber die Negierung sei auch fest ent schlossen, den alten Brotpreis zu halten. Der dazu jetzt ein geschlagene Weg der Zollsenkung sei sicherlich nicht gerade ideal, aber der einzig praktische des Augenblicks gewesen. Minister Dietrich kam im weiteren Verlauf seiner Ausführungen auf die Steuern zu sprechen. Die Regierung habe sich konsequent geweigert, die Produktion weiter zu belasten. Verfolge man das Ziel der vor läufig allerdings noch nicht möglichen Steuerherabsetzung, so müsse immer wieder Sparsamkeit verlangt werden. Aber da sei auch wirklich außerordentlich viel geschehen, und man dürfe nicht verkennen, daß in dem großen Etat des Reiches sehr vieles zwangsmäßig festgelegt sei. Trotz dem müsse noch mehr geschehen. Man solle sich nur daran erinnern, daß die Etats vom Reich, Ländern und Gemeinden seit 1913 von 7,2 auf 18 Milliarden gestiegen seien. Auch auf dem Gebiete des Wohnungsbaues sei vieles falsch gemacht worden, und so sei es höchste Zeit gewesen, hier für Umkehr zu sorgen. Die deutsch-österreichische Frage sehe die Negierung, wie der Minister betonte, unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Das System der wirtschaft lichen Absperrung, hervorgerufen durch den irrsinnigen Versailler Vertrag, stehe im Widerspruch mit der sonstigen Entwicklung des Verkehrs und der Wirtschaft überhaupt. Komme die Zollunion mit Oesterreich, so sei dieser Schaden wenigstens zum Teil wieder repariert. An diesem Punkte würden sich in Gens die Geister scheiden: man werde sehen, was die Völker wirklich wollen. Bei der A r b e i t s l o s e n f r a g e erhebe sich zuerst die Teilfrage der Reform der Versicherung. Der Minister kam hier auf seinen schon im Januar in Stuttgart gemachten Vorschlag zu sprechen, zunächst die Wiederbelebung einer In dustrie, und zwar am besten der Eisenindustrie, zu ver suchen. Der Grundgedanke dabei sei, daß jeder neu be schäftigte Arbeiter Beschäftigung für einen oder zwei weitere Arbeiter bringe. Und er bleibe dabei, daß aus diesem Gebiete noch mehr als bisher schon getan werden könne. Es müsse wenigstens gelingen, zu einer Lockerung der Dinge zu kommen. Zur Reparationsfrage sagte der Minister u. a: Es sei nicht zu verhehlen» daß eine wirkliche Lösung nicht gelinge, wenn die Tributfrage so liegen bleibe, daß alle Kapitalbildung in Deutschland nur ausreiche, um die Tribute zu bezahlen. Die Nevisionsneigung der Amerikaner ist, wie er sagen zu dürfen glaube, nicht groß, denn auch ihr Finanzminister habe Sorgen. Nichts sei gefährlicher, als wenn eine Regie rung unter dem Druck der öffentlichen Meinung derartige Dinge in Angriff nehmen wolle. Einer Entscheidung, sobald sie notwendig sei, werde die Negierung nicht ausweichen, sie werde sich aber niemals zu Entschlüssen zwingen lassen, für die sie nicht die Verantwortung übernehmen zu können glaubt. Der Negierung sind die ungeheueren Schwierig keiten dieser Frage bekannt, sie prüft sie ohne Unterlaß, be obachtet die Entwicklung der Verhältnisse ganz genau. Die Versammlung dankte mit lebhaftem Beifall, den der Vorsitzende Oberbürgermeister Dr. Külz dann noch in warme Worte kleidete. v Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge und Brotpreis. Unterredung zwischen Dr. Külz und Dr. Dietrich. Oberbürgermeister Dr. Külz benutzte die Anwesen heit des Reichsfinanzministers Dr. Dietrich in Dresden, um mit ihm in einer mehrstündigen Aussprache das für die Gemeinden immer dringender werdende Problem derWohlfahrtserwerbslosenfllrsorge durch zusprechen. Gegenstand eingehender Erörterungen war auch weiterhin die Frage der Brotpreisbildung. Zwischen dem Reichsfinanzminister und Oberbürgermeister Dr. Külz herrscht vollkommene Uebereinstim mung darüber, daß mit allen geeigneten Mitteln einer Erhöhung des Brotpreises entgegenzu wirken sei und daß überall dort, wo eine solche Erhöhung bereits eingetreten sei, eine möglichst baldige Herab setzung erreicht werden müsse. Die LMaMchlen in WWbWÜiM Sü^urg, 4. Mai. Das vorläufige Gesamtergebnis der Landtagswahlen im Schaumburg-Lippe-Land weist nach privaten Quellen folgende Zahlen aus (das amtliche Ergebnis liegt noch nicht vor): Landtags- Reichstags- Wahlen 1928 Wahlen 1930 Sozialdemokraten . . 12 989 12 266 13 871 Dcutschnationale . . 2942 4141 2598 (4- Landbund) DVP 1607 2134 1872 Staatspartei . . . 1442 1971 1996 (Demokraten) Kommunisten . . . 1854 928 1193 Landvolk 390 — — Nationalsozialisten . 7849 — 5256 Die Mandate im Schaumburg-Lippeschen Landtage werden sich voraussichtlich nach privaten Berechnungen Wie folgt verteilen: Sozialdemokraten 7 (8), Deutschnatio nale Vp. 1 (mit Landvolk 3), Deutsche Vp. 1 (1), Deutsche Staatspartei 1 (1), Kommunisten 1 (0), Landvolk 0 (mit Dnat. Vp. 3), Nationalsozialisten 4 (0). Oie Würfel fallen ... Historischer Roman von Dr. Serenus. Wj (Nachdruck verboten.) Das Schwert des Herrn. Im Sturmmarsch drangen die Scharen aus dem Westen in das Obotritenland ein. An zwei Stellen legte die Flotte an und spie ihre Reisigen aus. Wie eine eiserne Zange wollte man den Gau des Grafen Ingram, der als der widerstandsfähigste galt, einschließen und unterwerfen. An der Spitze der einen Kolonne ritt Vertun und leitete die Bischöflichen auf geheimen Pfaden, die den Weg kürzten. Ja — er war Christ geworden! Aus Haß gegen die Seinen und um das frevelhafte Spiel, das er begann, zu Ende führen zu können. Wenn Ingram im Kampfe fiel, wenn seine Burg die Christen erstürmten, dann — so hoffte er — schlug seine Stunde! Er würde Jura wiedergewinnen und das, was er einbüßte. Vielleicht machte man ihn gar zum Gaugrafen im christlichen Obotritenlande. Die Nacht war rabenschwarz geworden. Der Wind heulte und pfiff. Das Gewitter jagte den Vormarschierenden Regen böen ins Antlitz. Unter dem Schutze der tobenden Natur gewalten wurden die Grenzposten überrannt. Schon lagen die ersten Siedlungen bezwungen hinter ihnen. Vorwärts, vorwärts! Auf beiden Seiten flankiert von den Rittern, die noch immer voll Mißtrauen waren und den neuen Christen bruder argwöhnisch betrachteten, führte Vertun die Scharen Ingrams Burg entgegen. Er schätzte die hinter ihm Marschierenden aus mehrere Tausend. Noch niemals war der Feind so stark gewesen. Das Wetter zog vorüber, der Sturm legte sich. Im Osten dämmerte in schmalen lichten Streifen der kommende Tag. Aber noch schwiegen die Vogelstimmen, noch lag das gestickte Kleid der Sternensommernacht über dem schlafenden, ahnungslosen Lande. Rascher und rascher trieb Vertun die Pferde an. Keuchend folgten die Reisigen. Wollte denn diese Brautnachi Ingrams kein Ende nehmen! Er knirschte mit den Zähnen und ballte die Faust, die sich eisern um die Zügel schloß. Und wieder schlug in seinem Herzen eine Lohe flam mend empor. Ein Feuer, das unter der Asche schwelte und erloschen zu sein schien. Eifersucht und Liebe paarten sich zu zehrendem Haß. Zu spät gellte das Türmerhorn, zu spät rafften sich die Mannen zur Abwehr auf. Vertun vergaß, was er verschuldete. Jura in Ingrams Armen! Die Zähne knirschten aufeinander. Er sah sein Weib vor sich. Strahlend in seiner Schöne. Welch ein Narr war er doch, dieses Kleinod nicht zu hegen. Würfel und Becher, Jagd und Dirnen waren ibm mehr. Vorwärts! Keine Zeit war zu verlieren, wollte er als Rächer er scheinen. Aus aller Well. * Bootsunglück auf dem Bodensee. In einem schweren Föhnsturm kenterte gestern früh kurz nach 10 Uhr ein mit elf jungen Leuten des Marinevereins Friedrichshafen bemanntes Boot auf halber Höhe zwischen Friedrichshafen und Rorschach. Das Unglück wurde aber erst bekannt, als der bayerische Dampfer „Nürnberg" auf seiner Schweizer Kursfahrt den einzigen Ueberlebenden, mit einer Vootslatte versehen, an Bord nahm und gleich darauf noch drei Tote aufsischen konnte. Nach Vernehmung des mit einem Nervenschock im Krankenhaus Lindau unter gebrachten Ueberlebenden sind zehn Tote zu beklagen, von denen sich sieben noch im Wasser befinden. Sie konnten trotz eifriger Suche der bayerischen und württembergischen Lan despolizei bis jetzt noch nicht gefunden werden. Wie eine Nachfrage bei der Lindauer Polizei ergeben hat, ist das auf dem Bodensee verunglückte Fahrzeug ein Boot der Marine vereinigung Friedrichshafen. Die Katastrophe ereignete sich sieben Kilometer von der schweizerischen Küste entfernt. * Die Nütt-Arena eingeäschert. Die Berliner Rütt arena wurde am Sonntag von einem Schadenfeuer heim gesucht. Am Nachmittag bemerkten Zuschauer des davor liegenden Flugplatzes Tempelhof einen Hellen Feuerschein. Als die Feuerwehren anrückten, stand die Nordkurve der nur aus Holz bestehenden Anlage in Hellen Flammen. Der starke Wind begünstigte die Ausdehnung des Feuers, und da die Wasserzufuhr zeitweilig sogar aussetzte, wurden die Löscharbeiten sehr erschwert. Der Brand hatte schnell so weit um sich gegriffen, daß bald nichts mehr zu retten war. Die am 27. Juni 1926 mit einem Bundesrennen eröffnete Anlage hat also nicht ganz fünf Jahre bestanden und in dieser Zeit eine Krise nach der anderen durchmachen müssen. Wegen des schlechten Geschäftsganges befand sich die Bahn mehr als einmal in finanziellen Schwierigkeiten. Bei dem großen Brande sind, wie nunmehr feststeht, Menschenleben nicht zu beklagen. Der bekannte Rennfahrer und frühere Weltmeister Walter Rütt rannte bei Löschversuchen gegen einen Stacheldraht und verletzte sich im Gesicht. Es ist als großes Glück zu bezeichnen, daß die Bahn bei Ausbruch des Brandes fast völlig vereinsamt dagelegen hat, an einem Renntage wären die Folgen unabsehbar gewesen. Nach An gaben von Augenzeugen ist das Feuer unterhalb der eigent lichen Bahn zum Ausbruch gekommen, vielleicht durch brennende Zigarettenreste. Unter gewaltiger Qualm entwicklung schlugen die Flammen alsbald auf die an grenzenden Teile der Bahn Uber. Dort sind dann zwei Kohlensäureflaschen unter gewaltiger Detonation, die mehrere Kilometer weit zu hören war, in die Luft geflogen. Den Flammen ist mehr als die Hälfte der Bahn einschließ lich der Zuschauerplätze zum Opfer gefallen, sowie mehrere hundert Rennmaschinen der Fahrer. Die Löscharbeiten der Feuerwehr nahmen fast zwei Stunden in Anspruch. Der recht erhebliche Schaden soll nur zum Teil durch Versiche rung gedeckt sein. * 88 Kommunisten in China hingerichtet. In Wwa- tau (China) wurden 88 Kommunisten hingerichtet. Sie hatten sich entgegen den örtlichen Verboten an den inter nationalen Maikundgebungen beteiligt. WWW PMW desheOM-MiMMS 4. Mai. Am Sonntag nachmittag wurde auf dem Flughafen Tempelhof während einer Flugveranstal tung zum erstenmal der Hetzlandt-Raketenwagen einem größeren Publikum vorgesührt. Die Probefahrt verlies durchaus erfolgreich und löste beim Publikum größten Beifall aus. Nachdem Brennstoff und flüssiger Sauerstoff in die Tanks gefüllt war, wurde der gelb-rote Raketen- wagen zum Startplatz geschleppt. Unter Zischen und Knat tern setzte er sich dann langsam in Bewegung. Am Steuer saß der altbekannte Rennfahrer Scholl, die Raketenappa- ratur bediente Oberingenieur Pietsch. Immer schneller werdend fuhr das Raketenauto, einen kurzen Feuerstrahtz hinter sich herziehend, die Zementbahn des Flughafens entlang. Der Wagen entwickelte eine Geschwindigkeit bis zu 145 Stundenkilometer, doch mußte er in den Kurven auf 40 Stundenkilometer abgestoppt werden, um ein Um kipper: zu vermeiden. Etwa eine halbe Stunde lang dauerte die Probefahrt des feuerspeienden Raketenwagcns. Er war Christ geworden, um sich die Macht des Gottessohnes, wie man ihn nannte, dienstbar zu machen. Vor Stunden noch ausgestoßen und verfemt, rasselte nun hinter ihm der riesige Trotz gewaffneter Knechte. Es dünkte ihn, er sei ein gewaltiger Herr über Nacht geworden. Nun lichtete sich der Forst, über die Ebene hinweg hob sich in der Ferne der Zinnenkranz von Ingrams Burg ab. Zur Linken blickte das Meer durch. Dort zog der andere Teil der Flotte seinen Weg, vie leicht hatte man schon angelegt und warf die zweite Ko lonne ins Herz des feindlichen Landes Nun erschien der Führer vorne, hinter ihm wohl hundert Reiter, die er zur Überrumpelung des Kastells zum Galopp befehligte. Glückte der überfall, dann brauchte man nicht viel Zeit und Blut zur Erstürmung zu verwenden. Der Boden zitterte unter dem Hufschlag. Vertun ritt inmitten des Geschwaders. Es ritz ihn mit wie die Meeresflut den schwankenden Kahn. Die Torflügel klafften offen. Eine Gruppe Knechte, lebhaft gestikulierend, stand davor. Man blickte nach Osten, den Feinden abgekehrl, wo am fahler werdenden Morgenhimmel ein unruhig zucken der Schein aufflammte. Im letzten Augenblick erst stob die erschreckte Schar auseinander, als die vordersten Gäule schon fast in ihrer Mitte waren. Zur Seite geworfen oder überritten, ge lang es keinem, das schützende Innere der Burg zu er reichen. Zu spät gellte das Türmerhorn, zu spät rafften sich die Mannen zur Abwehr auf. Das Neitergeschwader besetzte den Hof und bald dar auf nahten im Laufschritt die Reisigen. Zum Kampf kam es nicht. Vor der gewaltigen Über macht streckte die Besatzung die Waffen. Zusammen mit dem bischöflichen Feldhauptmann be trat Vertun den Bankettsaal, wo der Pogt bleichen Ant litzes die Sieger empfing. „Wo ist der Gaugraf?" Suchend glitt des Führers Blick umher. ,Fortsetzung folgt.)