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Im Schatten der französischen Präsidentenwahl Die französische Politik ist voller Widersprüche und Gegensätze. Auf der einen Seite das ehrliche Stre ben, alte Kriegsgegensätze zu überwinden, auf der anderen aber die unsinnige Sorge um die angeblich bedrohte Sicherheit und das fast lächerlich an- m utende Mißtrauen gegenDeutschland, das wohl dem bösen Gewissen wegen des unheil vollen Vertrages von Versailles entspringt, und das Bestreben, kein Jota von der französischen Hege monie in Europa preiszugeben. So widerstreiten im fran zösischen Volke die Gefühle edler Menschlichkeit, die sich im Paneuropagedanken mit dem Prinzip wirtschaft licher Zusammengehörigkeit verbinden, und der alte französische Prestigegeist, der eifersüchtig über die vermeintlichen Vorrechte der gallischen Rasse wacht. Da zu kommt, daß Frankreich am Vorabend der Präsidentenwahlen steht, und daß Briand Präsident werden will, es also mit der französischen Mentalität nicht verderben darf. So sieht der alte schlaue Parlamentarier diesmal eine besonders schwierige Aufgabe vor sich, nämlich das französische Volk für sich zu gewinnen und es allmählich, ohne daß es das Gefühl hat, etwas von seinen Grundsätzen preiszugeben, zu seinem höheren Ziele, Paneuropa, zu führen. Unter diesem Gesichtspunkte mag die ganze wider spruchsvolle Politik in unserem Nachbarlande zu betrachten sein und Briands große Rede, die dieser Tage steigen wird, kann mancherlei lleberraschungen bringen. Nur wenn Briand mit seiner Rede, diedemgesamtenEe- biet der Außenpolitik, vor allem aber der deutsch-österreichischen Zollunion, gelten wird, einen vollen Erfolg hat, nur wenn ihm die Kammer wieder mit so überragender Mehrheit wie bisher ihr Ver trauen ausspricht, kandidiert Briand für den Präsidentenposten, und in diesem Falle ist ihm dann auch die Mehrheit gewiß. Österreich wartet ab. Paris, 6. Mai. Der „Matin" veröffentlicht eine Unter redung, die sein außenpolitischer Berichterstatter Sauer wein mit dem österreichischen Außenminister Schober über die Zollunion hatte, bei welcher Gelegenheit dieser Brianddie klägliche Wirtschaftslage Oesterreichs ausein-. andergesetzt und ihn gebeten habe, Oesterreichzuhel- fen, um ihm die Ausfuhr nach der Tschechoslowakei zu er leichtern. Briand habe ihm auch versprochen, seinen ganzen Einfluß geltend zu machen, um die Kleine Entente dahin zu bringen, mit Oesterreich Handelsverträge abzuschließen. Er habe außerdem darauf hingewiesen, daß er sich für e i n e finanzielle Unterstützung verwenden wolle. Dann habe Briand von seinem Plane der wirtschaft lichen Organisierung Europas gesprochen. Der MHmal gM WchstWMbmsW. Berlin, 6. Mai. Im Aeltestenrat des Reichstages wurde heute der kommunistische Antrag auf sofortige Ein- Lerusung des Reichstages gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt, nachdem von Staats sekretär Pünder dringend gebeten worden war, von eTner Einberufung Abstand zu nehmen, zumal irgendwelche Pläne zu weiterer Kürzung der Beamtengehälter oder anderen sozialen Maßnahmen bisher in keiner Form Gegen stand von Kabinettsverhandlungen gewesen seien. Von sozialdemokratischer Seite wurde zum Ausdruck gebracht, daß eine Einberufung des Reichstages im gegenwärtigen Augenblick nicht zweckmäßig sei, weil bisher konkrete Vor lagen der Regierung nicht vorhanden seien. Weiter wurde von dem Vertreter der sozialdemokratischen Partei die Ne gierung dringend auf ihre gesetzliche Verpflichtung zur Senkung des Vrotpreises und zur Ermäßigung des Zolles hingewiesen. Cs wurde bezweifelt, daß die jetzigen Regie- Als Schober nach Wien zurückgekehrt war und sehen mußte, daß trotz aller französischen Versprechungen nichts geschah, war — wie Schober Sauerwein erklärte — die Ent täuschung ungeheuer groß. Schober schilderte dann, wie es nach dem völligen Zusammenbruch der Genfer Wirtschafts beratungen zum Zollunionsplan gekommen ist. Curtius und er hätten die Absicht gehabt, in den letzten Tagen des April nach Genf zu gehen, um vor dem Zusam mentritt des Europaausschusses Briand Uber den Plan zu sprechen. Infolge der französischen Präsidentschaftswahlen sei aber dieses auf den 1. Mai festgesetzte Zusammentreffen verschoben worden. Um ganz korrekt zu sein, seien Curtius und er übereingekommen, ein gemeinsames Protokoll auf zusetzen, das bekanntlich im letzten Drittel des Monats März veröffentlicht wurde. Schober lege in diesem Zusam menhang Wert auf die Feststellung, daß man nicht von einer vollendeten Tatsache sprechen könne. Laut Sauerwein fuhr Schober alsdann fort: „Da sich der Völkerbund mit der Angelegenheit be schäftigen wird, habe ich aus Achtung vor ihm formelle Anweisung gegeben, sämtliche Arbeiten und sämtliche Besprechungen zu unterbrechen." Ueber die Vorteile befragt, die sich für Oesterreich aus dem beabsichtigten Abkommen ergäben, erklärte Schober, daß besonders die österreichische Landwirtschaft hieraus Nutzen ziehen könne. Die österreichischen Wirtschaftskreise würden sich noch eingehend mit dem ganzen Problem zu be fassen haben. Er habe den neuen Briandschen Plan in seinen Erundzügen kennengelernt und brauche nicht das In teresse zu betonen, das Oesterreich diesem Plane entgegen bringe. Er sei fest überzeugt, daß Briand aus der österreichisch-deutschen Initiative sehr beachtenswerte Folge rungen ziehen könne. Bei der Beratung des Planes dürfe es keine Sieger und Besiegte geben, wenn nicht ganz Europa darunter leiden solle. Paneuropa-Echo bei der Kleinen Entente. Belgrad, 6. Mai. Die „Politika" erklärt tn einem Be richt aus Bukarest, der sich auf Mitteilungen von tschecho slowakischer Seite stützt, daß sich die Außenminister der Kleinen Entente zu folgender Stellungnahme gegenüber dem deutsch-österreichischen Zollabkommen geeinigt hatten: 1. Die rechtliche Seite des Wiener Vertrages soll durch den internationalen Schiedsgerichtshof überprüft werden. 2. Die Staaten der Kleinen Entente nehmen in politi scher Hinsicht gegenüber dem Zollabkommen einen ablehnenden Standpunkt ein. 3. In wirtschaft licher Beziehung wollen die Staaten der Kleinen Entente die ganze Frage nur im panenropäischen Rahmen gelöst wissen. rungsmaßnahmen ausreichten, eine Senkung des Vrot preises zu erreichen. Sollten sich diese Maßnahmen nicht in wenigen Tagen als wirksames Mittel zur Brotpreis senkung herausstellen, so würde man erneut zurEin - berufung des Reichstages Stellung zu nehmen haben. Auch von allen anderen Parteien wurde zum Aus druck gebracht, daß eine Einberufung gegenwärtig unzweck mäßig sei, da gesetzgeberischer Stoff nicht vorliege. Atte Parteien behielten sich aber die Stellungnahme zu einer späteren Einberufung vor. Auch in außenpolitischer Rich tung war die Mehrheit übereinstimmend der Ansicht, daß die bevorstehenden Tagungen in Genf und in England eine außenpolitische Neichstagsaussprache zur Zeit untun lich erscheinen lassen. Die Nationalsozialisten und die Deutjch - na tionalen hatten an der Sitzung nicht teil genommen. Steigende Arbeitslosenziffer in England. London, 3. Mai. Das Arbeitsministerium gibt be kannt, daß die Zahl der Arbeitslosen in England am 27. April 2 520113 betrug. Dies bedeute: ein von 6257 gegenüber der Vorwoche und von 82( 72, gegen über dem gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. MW NS die Börse m ManWer. London, 6. Mai. Infolge derindischenBoykott- bewegung gegen britische Baumwollwaren, arbeiten 25 Spinnereien in Bombay jetzt mit doppelter Belegschaft. 15 000 Arbeiter konnten neu eingestellt werden. Verschiedene weitere Spinnereien tragen sich ebenfalls mit dem Gedan ken, Doppelschichten einzuführen. In einer Protestkundgebung an der Börse von Man chester faßten die Mitglieder der Börse und die Arbeit geber und Arbeitnehmer der Spinnereien von Lancashire am Dienstag eine Entschließung, in der die englische Re gierung aufgefordert wird, bei der indischen Regierung dringend Schritte zur Aufhebung des Boykotts zu tun, der H u n d e r t t a u s e n d e n von britischen Ar beitern dieExistenzmöglichkeit raube. Auf die Erklärung der Mitglieder der Bör'e von Manchester erwiderte Gandhi, der V oykott englischer Erzeugnisse sei , eine wirtschaftliche Selb st Verteidigungsmaß nähme des halbver hungerten indischen Volkes. Anstatt eine drohende Haltung Indiens gegenüber einzunehmen, hätten die Leute in Man chester und Lancashire besser getan, wenn sie sich nach Mitteln und Wegen umgesehen hätten, um ihre Waren in anderen Ländern unterzubringen, in denen ihre Erzeug nisse willkommener seien, als in Indien. Eine französische Autolinie durch Deutsch land nach Polen geplant. Schneidemühl, 6. Mai. Eine französische Autobus gesellschaft plant aus Anlaß der französischen Kolonial ausstellung die Errichtung einer Kraftfahrlinie Aachen- Berlin—Kllstrin—Sonnenburg—Kriescht—Schwerin—Pol nische Grenze, mit Personen- und Güterbeförderung. Reichs post und Reichsbahn haben bereits Einspruch gegen den Plan erhoben. Ein früherer polnischer Kultusminister als Bandenführer. Warschau, 6. Mai. Am Dienstag abend wurde auf die Druckerei des Sozialistenblattes „Walka" ein seltsamer be waffneter Ueberfall verübt. Als die neue Ausgabe des Blattes sich gerade im Druck befand, drangen einige mit Re volvern bewaffnete Männer unter der Führung des früheren Kultusministers Downarowizc in die Räume der Druckerei ein, terrorisierten die dort beschäftigten Personen und begannen auszuräumen. Die Eindringlinge nahmen zwei Papierschneidemaschinen, die ganze Auslage des Blat tes und den gesamten Vorrat an Schriften mit. Der Rest der Einrichtung wurde zum Teil kunstgerecht auseinander genommen, wie z. V. die Druckereimaschinen, oder einfach zerstört. Ein Mitglied der Redaktion der „Walka", das sich zur Wehr setzte, wurde schwer verprügelt. Dis polizeiliche Untersuchung ist eingeleitet. Ein erster Schritt zum freiwilligen Arbeitsdienst in Sachsen. Dresden, 6. Mai. (Eig. Drahtber.) Wie die Jungdeutsche Presse mitteilt, ist es dem Jungdeutschen Orden in. Sachsen gelungen, die Unterstützung der sächsischen Regierung für den Versuch eines freiwilligen Arbeits dienstes zu gewinnen. Hierzu erfährt die Sächsisch-böh mische Korrespondenz von unterrichteter Seite folgendes: Es handelt sich bei dem freiwilligen Arbeitsdienst um die Regulierung des Albrechtsbaches bei Bautzen. Die Stadt Bautzen leitet die Abwässer ihrer Kläranlagen in den Albrechtsbach, der dadurch verschlammt. Auch tritt er schon bei Mittelwasser über die Ufer. Zwischen der Stadt und dem Bezirk Bautzen herrscht wegen der Verschlammung der Wiesen schon seit langem ein Streit. Daher war bereits geplant, die nötigen Arbeiten in einigen Jahren durchzu Oie Würfel fallen ... Historischer Roman von Dr. Serenus. L6s «Nachdruck verboten.) Vertun stand tief atmend an der Tür. Noch waren die Überreste des Gelages nicht fort geräumt. Wüst lag alles umher. Wein bedeckte in Lachen den Boden. Im Hintergründe ruhte zwischen Methörnern und Speiseresten ein Würfelbecher an der befleckten Erde. Die Knöchel grinsten ihm entgegen. Einer war zer sprungen. Wie ein Schauer lief es dem Manne, dessen Blick starr geworden war, über den Rücken. Und er hörte, wie der Burgvogt antwortete: „Graf Ingram ritt fort! Schon seit Stunden ist er fern! Wir wissen nicht " „Sprichst du die Wahrheit?* Grollend hob der Hauptmann die Hand. „Es — ist so —! Wäre er daheim gewesen, dann hättet ihr die Burg nicht im Handstreich genommen - -!" Nun wandle sich der Führer an Vertun, der aus seinem Brüten fuhr „Wo - vermutest du den Gauglafen? Seine, hab haft zu werden ist unsere erste Pflicht!* Vertun stieß das Schwer! klirrend aus den Boden „Laß! uns hinüberreiten zu meinem Kastell Wir wollen über ihn kommen wie die Meule über den ruhen den Eber " Da trai einer der Knechie vom Feilste, heran Er wandle sich an den Hauplmann: „Seil kurzer Zeil sehen wir über dem Tannenwald einen rötlichen Schein Uns dünkt, daß es dort brenne* Mit einem Satz war Vertun an der Balustrade und neigte sich hinaus Die Sterne verblaßten. Aber während im Osten schon der junge Tag langsam zu erblühen begann, lag der schwarzblaue Dunst der Nach, ! noch im Westen Und in dieses wundersame Wechselspiel mischte sich tn der Richtung nach der See zu ein neuer Farbemon Es war, als ob glührote Strahlen wie kleine Pfeile zum Himmel schossen Dann Wiede, versank das Fanal und bizarre Wolken schwebten über den Wipfeln War das Rauch, der da aufstieg? Vertuns Blick war wie gebannt Wo er diese Erscheinung beobachtete, lag sein An wesen. Der Feind konnte noch nicht dort sein. Da entstand unten aus dem Burghof wilde Be wegung. Von draußen kam ein Bote, weit über den Hals des Pferdes gebeugt, herangejagt. Er warf sich vom Tier, dessen Flanken zitterten, und schrie: „Vertuns Burg brennt. Verschlossen wurden Tür und Tor. Man wies uns hinaus Helft! Rettet! Unsere Herrin ist in Gefahr! Wir wissen nicht, was sich im Innern Schreckliches begab!* Mit einem Satz stand Vertun vo, den, Hauptmann. „Deine Reiter gib mir! Es geht um mein Heim und um mein Weib! Laß das Fußvolk im Sturmschrtu folgen - - -* Er wartete keine Antwort ab und stürzte die Treppe hinab Da standen die Reisigen noch neben c>en Pferden, weiterer Befehle harrend Vertuns Rus scheuchte sie in die Säue« Dem Knecht entriß er die Zügel und schwang sich au! den Gaul Gleich einem Weltersturm raste er voinn Die prallen Schenkel umspannten das Noß w,e mit stählerner Klammer. - In tollen Sätzen stürmte das Tier den Waldweg entlang Und hinter ihm die bischöfUchen Reiter. Ben,ui ritt in dieser Stunde Hurler dem entschwin denden Glück seines Lebens Er jagte ihm nach wie einem Phantom Und er spürte, daß er es nie wrede, ergreifen werde, wenn es ihn, jetzt entrann. Vergessen waren die wüsten Zeilen, die hinter ihm lagen In seinem Rücken die 'Nacht, vo, ihm ein neu er wachender Morgen. Jura retten! Um den Preis seines Lebens! Der Hauptmann sammelte seine Scharen, ließ eine starke 'Besatzung zurück und folgte oem Geschwader. Gragau und Berchia ritten gen Westen. Der Wald lag in liesem Schweigen Nur hier und da scholl ein Vogelrus aus dem Tann, das erste Zeichen, daß diese kürzeste Nacht der Sommer sonnenwende sich anschickte, der Sonne das Feld zu räumen. Da kamen sie an eine Stelle, wo sich mehrere Wege kreuzten. Und wie sie anhielten, um sich zu orientieren, sahen sie plötzlich auf einem schmalen Seitenweg einen Berittenen heranjagen. Das Koller war zerrissen und zerhauen. Um das entblößte Haupt schlang sich eine fleckige weiße Binde. Der Mann riß sein Pferd herum, daß es fast auf die Hinterhufe sank. „Gragan?* Es war ein Knecht von Vertuns Burg. „Woher kommst du und wohin willst du? Wer schlug dir die Sturmhaube vom Kopf? Du blutest?* Keuchend stieß der Reisige hervor: „Alle bösen Geister sind los! In meines Ritters Burg schlagen die Flammen zum Himmel. Graf Ingram focht dort mit einem Gegner um Juras Besitz! Niemand weiß, was weiter geschah. Der Saal brennt! Man warf Fackeln in das Gebälk. Man schickte mich, Hilfe zu holen. Aber — Unglück über Unglück! Die Christen fielen ein. Viele tausend Mattn stark. Von zwei Seiten her ziehen sie heran und Graf Ingrams Burg ist schon in ihrer Hand. Man wollte mich fangen, aber ich schlug mich durch. Run reit' ich zum Fürsten Niclot.* Die schwielige Faust rückte den Verband zurecht. Tropfenweise sickerte das Blut über das verzerrte Antlitz Berchta drängte ihr Pferd heran. „Die — Bischöflichen im Land? Von wannen nahten sie ?« Der Knecht zuckte die Achseln. „Sie müssen zu Schiff gekommen sein, denn kein Späher entdeckte sie zur Zeit." (Fortsetzung folgt.)