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Frankreichs Verpflichtung zur Abrüstung. Eine bemerkenswerte Auslegung des Artikels 8 des Versailler Vertrags. Paris, 7. April. Der außenpolitische Berichterstatter der radikalsozialistischen „Republique" veröffentlicht heute einen Artikel über die bevorstehende allgemeine Abrüstungs konferenz. Er unterstreicht zunächst die Notwendigkeit eines vollen Erfolges der Flottenverhandlungen, die gewisser maßen als eine Vorhut der Abrüstungskonferenz angesehen werden müßten. Ein Scheitern der Ver handlungen würde die Rückkehr zu der ursprüng lichen französisch-englischen Rivalität be deuten. Was die Abrüstungskonferenz angehe, so seien sich die französischen Nationalisten vollkommen einig und zögen eine Herabsetzung der Rüstungen überhaupt nicht in Be tracht. Der Berichterstatter erinnert in diesem Zusammen hang an einen kürzlich im „Echo de Paris" erschienenen Artikel, in dem der Verfasser den Beweis liefern wollte, daß Deutschland nicht aufgehört habe, die Militärklauseln des Versailler Vertrages zu verletzen und erklärt, man ge lange beim Lesen dieses Artikels zu der Ueberzeugung, daß der Verfasser selbst den Wortlaut der Klauseln, auf die er sich berufe, entstellt habe. Artikel 8 des Versailler Vertrages besage ausdrücklich, haß die Aufrechterhaltung des Friedens die Herab setzung der Rüstungen auf ein mit der Sicherheit eines jeden Landes zu vereinbarendes Mindestmaß verlange. Hieraus gehe also hervor, daß auch Frankreich keine besonderenVorzügegenieße, sondern daß es sich um eine allgemeine Bestimmung handele, die sämtliche Mit glieder des Völkerbundes, Frankreich so gut wie Deutschland, betreffe. Diese Auslegung stehe auch nicht im Widerspruch zu derjenigen, die sich speziell auf Deutschland beziehe, denn für die Abrüstung sei die Gleichheit der Staaten unumgänglich. Die allgemeine Abrüstungskonferenz werde ein Fiasko erleben, wenn sie nicht von diesen Prin zipien ausgehe. Der Schwerpunkt müsse darauf gelegt wer den, daß eine Rüstungsgleichheit durch Rüstungseinschrän kungen und nicht durch -erhöhungen erreicht werden muß. Die Schwierigkeiten der Londoner Flottenverhandlungen. Neue Ministerbesprechungen? — Paris stark beunruhigt. Paris, 7. April. Die Pariser Presse zeigt sich über die durch die Vertagung der Beratungen entstandene Stockung in den Londoner Flottenbesprechungen äußerst beunruhigt. Die Unstimmigkeiten in den Tonnagefragen sollen so groß sein, daß man in gut unterrichteten französischen Kreisen mit einer außerordentlichen Zusammenberufung des Ober sten Marinerates rechnet. Man neigt außerdem zu der An sicht, daß die einzige Möglichkeit, aus der Sackgasse heraus zukommen, darin besteht, die persönlichen Besprechungen der Minister der drei Länder wieder aufzunehmen. Die Streitigkeiten haben ihre Ursachen in der verschiedenen Auslegung der Klauseln, in denen Frank reich und Italien die Kiellegung von neuen Einheiten bis zum Jahre 1936 erlaubt ist. Diese neuen Einheiten dürfen nach dem Wortlaut des Abkommens für Frankreich 136438 Tonnen nicht überschreiten, während Italien sogar nur 129 615 Tonnen zugestanden worden sind. Die französischen Sachverständigen stellen sich nun plötzlich aus den Stand punkt, daß sie Ende 1924 ihre volle Handlungsfreiheit wie dergewinnen, da der Bau eines Kriegsschiffes mindestens drei Jahre dauert und die im Jahre 1934 und später auf Kiel gelegten Einheiten erst nach 1936 beendet sein würden. Die englische und die italienische Abordnung in Lon don haben der französischen These energischenWider- stand entgegengesetzt. Frankreich fordert als Mindestmaß der den Nahmen des Abkommens überschreitenden Neu bauten je 66 000 Tonnen für die Jahre 1934, 1935 und 1936. In französischen Kreisen hofft man nichtsdestoweniger, daß es gelingen wird, die Schwierigkeiten noch vor dem Wiederzusammentritt der Sachverständigen in London am 15. April zu regeln. Deutschland und die Flottenverhältnisse in der Ostsee. Kopenhagen, 7. April. „Verlingske Tidende" beschäf tigt sich in einem Leitartikel am Sonnabend mit den Flot tenverhältnissen in der Ostsee. Das Blatt verweist auf die großen Neubauten Polens, auf Frankreichs Versprechen, Polen im Kriegsfälle eine starke Schlachtschifflotte zur Ver fügung zu stellen, auf die russischen Neubauten, auf die vielen Il-Boote und Flugzeuggeschwader, auf Schwedens und Finnlands Neubauten und schreibt dann in bezug auf Deutschland: Es wird also viel an den Ufern der Ostsee ge baut und man versteht daher Deutschlands Interesse für die Verhältnisse. Insbesondere interessieren die vielen U-Boote die Deutschen, denen nach dem Versailler Vertrag die Unter-- Haltung dieser Waffe und militärischer Flugzeuge verboten ist. Man weiß nicht genau, wieviele Flugzeuge die einzelnen Ostseestaaten besitzen. Trotzdem ist bekannt, daß Rußland z. B. vier Aufklärungs-, zwei Jagd- und zwei Bombenge schwader besitzt, die noch durch Torpedoflugzeuge verstärkt werden können, so daß etwa 116 Militärflugzeuge Sowjet rußland zur Verfügung stehen. Wenn die Abrüstungskon ferenz in Genf im Jahre 1932 zusammentritt, werden diese Neubauten zweifellos von Deutschland als Stütze für die Streichung des Artikels des Versailler Vertrages, der die Unterseeboots- und Flugzeugwaffe Deutschland verbietet, werden. Moderne Flotten sind in taktischer Hinsicht undenk bar ohne U-Boote und namentlich ohne Flugzeuge. Letz tere wird Deutschland natürlich durch Verwendung seiner Verkehrsflugzeuge besitzen können. Diese verfügen aber nur Uber eine geringe Schnelligkeit, so daß ihre militärische Verwendungsfähigkeit beschränkt ist. Die deutschen Panzer schiffe und 8, denen ja noch vier andere Neubauten fol gen werden, werden dann ohne Flugzeugaufklärung fast wehrlos sein. Deutschland ist daher in Wirklichkeit waf fe n l o s e r an d e r O st s e e, a l s e i n e f l ü ch t i g e B e- trachtung dies glaubhaft machenkann. Mit dieser Tatsache wird der große deutsche Staat vierzehn Jahre nach dem Ende des Weltkrieges sich wahrscheinlich nicht freiwilsig zufriedengeben können. Um die Arbeitszeitverkürzung. Das erste Gutachten der Gntachterkommission zur Arbeitslosenfrage Berlin, 7. April. Die von der Reichsregierung Ende Januar 1931 eingesetzte Eutochterkommisfion zur Arbeits losenfrage hat ihre Beratungen zu einem Teil abgeschlossen und das Ergebnis nunmehr der Reichsregierung vorgelegt. Zur Frage der Arbeitszeitverkürzung sollen zunächst durch Verwaltungsmaßnahmen in allen Betrieben und Ver waltungen des Reiches (einschließlich Reichsbahn, Neichs- post und Reichsbank) der Länder, der Gemeinden, Gemeinde oerbände usw. lange Arbeitszeiten und Ueberarbeit soweit als irgend möglich beseitigt werden. Diese Körperschaften sollen bei der Erteilung aller Aufträge die Lieferfristen so bemessen, daß lange Arbeitszeiten und lleberarbeiten ver mieden werden. Die Schlichtungsbehörden sollen auf die Tarifparteien betreffs Verkürzung der in dem Tarifver trag vorgesehenen Arbeitszeit einwirken, erforderlichenfalls im Wege der Verbindlicherklärung kürzerer Arbeitszeiten. Um die Arbeitszeitverkürzung allgemein durchzuführen, bringt dieser Teil des Beschlusses sodann Grundzüge für einen Gesetzentwurf, wonach die Rcichsregierung ermächtigt werden soll, mit Zustimmung des Reichsrats für einzelne Gewerbezweige oder Berufe diegegensätzliche Höchst dauer der regelmäßigen werktätigen Ar beitszeit bis auf 4V Stunden wöchentlich herabzusetzen. Entgegenstehende Tarifverträge sollen einen Monat »ach Verkündigung der Anordnung erlöschen. Ausschreitungen Berliner Kommunisten in Nauen. Stauen, 7. April. Die Polizeiverwaltung teilt mit: Am Karfreitagabend zwischen 19 und 20 Uhr marschierten trotz des Kundgebungsverbots etwa 150 Berliner Kommunisten in geschlossenem Zug nach dem Bahnhof Nauen. Die Poli zeibeamten stellten sich rhnen entgegen. Hierbei kam es zu schweren Ausschreitungen der Kommunisten, die die Poli zeibeamten mit Steinwürfen und Stöcken angriffen. 19 Teilnehmer wurden festgenommen und dem Polizeipräsi dium Berlin zugeführt. Zwei Polizeibeamte wurden leicht verletzt. llniformverbot für die anhaltischen Nationalsozialisten. Dessau, 7. April. Das anhaltische Staatsministerium hat auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten vom 28.- Mürz 1931 den Nationalsozialisten das Tragen von ein heitlicher Kleidung und Abzeichen verboten. W Mraz MMS im WWt zur KWsWW. Amtlich wird mitgeteilt: Die bayrische Staatsregierung hat, sobald sie erfahren hatte, daß die Verlängerung oer Krisenfürsorge für die ihr derzeit zugehörigen Arbeitslosen über den 28. März hinaus trotz dringender Vorstellungen der Länderregierungen unterbleibt, unverzüglich beantragt, der Reichsrat wolle an die Reichsregierung das dringende Ersuchen stellen, unverzüglich Maßnahmen zu treffen, die das Einströmen von Krisenfürsorgeempsängern in die Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge vom 28. März 1931 ab mit rückwirkender Kraft verhindern. In der Begründung des bayrischen Antrages wird auf die ungeheuere und in dem bisherigen Umfange finanziell nicht tragbare Belastung der Fürsorgeverbände mit Wohl fahrtserwerbslosenunterstützungen und auf die unmittelbar drohende Gefahr des finanziellen Zusammenbruchs vieler Gemeinden und damit der gemeindlichen Fürsorge für die Arbeitslosen hingewiesen. Erschietzungen in Managua. Neuyork, 7. April. Wie aus Managua gemeldet wird, halten die Nationalgarde und die amerikanischen Marinemannschaften Ruhe und Ordnung mit eiserner Strenge aufrecht. Selbst bei geringen Disziplinlosigkeiten wird geschossen. So hat die Nationalgarde vier Einge borene erschossen, die Wasser aus einem verpesteten See tranken. Weitere zehn Eingeborene wurden am Freitag wegen Aufreizung zu Ausschreitungen erschossen. Die Zahl der bisher Erschossenen beträgt 19. Hunderte von Aas geiern kreisen über den Trümmern der Stadt. Die Feuersbrunst immer noch nicht gelöscht. — Zahlreiche Häuser gesprengt. Neuyork, 7, April. Trotz größter Anstrengungen ist es bisher noch immer nicht gelungen, das Feuer in Managua zu löschen. Die Flammen begrohen nunmehr sogar das Zeltlager in der Nähe der Stadt, wo Tausende von Obdach losen eine notdürftige Unterkunft gefunden haben. Die Truppen sind mit Hilfe von Ingenieuren zu radikalen Maß nahmen übergegangen und haben zahlreiche Häuser an der Grenze des Brandes mit Dynamit in die Luft gesprengt, um den Flammen Einhalt zu gebieten. Da es in Anbetracht des vollständigen Wassermangels nicht möglich war, das Feuer erfolgreich zu bekämpfen, mußte man zu diesem Mit tel greifen. 200 amerikanische Frauen und Kinder sind mit Flug zeugen in den Hafen von Corinto gebracht worden, von wo sie die Reise in die Vereinigten Staaten antreten werden. Schweres Erdbeben in der argentinischen Provinz Tucuman. Neuyork, 7. April. Wie aus Buenos Aires gemel det wird, hat sich in der argentinischen Provinz Tucuman ein schweres Erdbeben ereignet. In den Städten Tucu - man und Graneros sind schwere Schäden angerichtet worden. Oie Würfel falten... Historischer Roman von Dr. Serenus. 3) (Nachdruckverboten.) Vertun stierte vor sich hin und ein flüchtiges Lächeln glitt über das verzerrte Antlitz. „Ich weiß — man liebt mich nicht. Nirgends. So ersinnen sie Dinge, die nicht wahr sind. Jura läßt sich nicht schlagen. Eher stieße sie dem Täter das Messer ins Herz, als eine Mißhandlung zu dulden!" Der Greis nickte vor sich hin. „So ehre sie, wie es sich gebührt, und du wirst wieder zu Ansehen kommen." Nun formten sich die Boten erneut zum Zug. Noch einmal klang der Gesang die Treppen hinab, flutete über den Hof und verscholl in der Ferne. Die Ritter kehrten zu den Tischen zurück, das Gelage nahm seinen Fortgang. Vertun stemmte sich mühsam empor. Die Geister des Mets in seinem Hirn waren ver rauscht. Klar sah er vor sich seine erbärmliche Lage. Auf Gnade dem Manne ausgeliefert, der ihm das Herz seines Weibes stahl. Mertelan mahnte: „Geh heim! Nur Unheil brütet in dieser Nacht, wenn du dich nicht bezwingst. Morgen, wenn die Sonne scheint, wird alles anders sein " Da lachte Vertun verbissen vor sich hin. „Du wähnst, ich bin trunken? Ha - nie war ich so nüchtern. Nun schau, wie ich das Glück des Spiels mir dienstbar machen werde." Mit großen, sicheren Schrillen ging er durch die Halle zu dem Tisch, an dein der Gras sich eben niederließ. Der blickte angeekelt empor. Vertun grollte: „Was siehst du mich so an, Ingram? Ich weiß, was ich tat und — zurückholen will ich mir, was ich verlor." Ein Burggesessenei mischle sich ein: „Geh. Du hast nichts mehr Verschlafe deinen Rausch." Vertun stemmte die Fäuste auf die Platte. „Graf! Du nahmst mir alles, was ich besaß Noß, Land und Burg." Da fuhr Ingram empor: „Ja — dir nahm tch's, weil es bei dir in schlechten Händen war." Er sprang erregt empor: „Ein Ende mit dieser Narretei! Du sollst verbannt sein von Schwelle, Hof und Herd! Doch — dein Weib werde ich neu belehnen. Der Morgen schon sieht sie als Herrin der Burg." Vertun lachte. „Mein ist das Weib! Wie ich als Knecht, mag Jura als Magd sich mühen und den Trotz verlernen." Er hob die geballte Faust: „Vielleicht lernt sie dann den lieben, den sie bisher verschmähte, und den ver gessen, zu dem ihre Gedanken sündhaft schweifen." Mertelan trat zwischen den Grafen und Vertun. „Du sollst verbannt sein von Schwelle, Hof und Herd! Doch — dein Weib werde ich neu belehnen." „Wir wissen, wie du sie gewannst. — Im Spiel von ihrem Vater. Der zwang die Tochter zu dem Bund, aus dem kein Segen wuchs." Bertun drängte den Alten zurück. „Genug! Was schiert mich euer Gezeter. Ich schalte frei mit dem, was mir gehört, Gewalt setz ich dem Trotz entgegen." Ingram trat dicht an den Zornigen heran und blickte ihm fest in die Augen. „Hüte dich! Noch gibt es ein Gericht vor meinem Stuhle, das Schutz gewährt den Frauen und Un mündigen." Bertun ergriff des Grafen Arm und zog ihn abseits vom Kreis der anderen. Heiser flüsterte er: „Du liebst sie! Ich weiß es lange. Durch Wort und Blick verriet sie sich." Grinsend fletschte er die Zähne, als Ingram den Lästigen abschüttelte. Mertelan sprang herzu: „Du redest irre, Bertun." Da winkte der Ritter den Genossen: „Her zu mir! Ihr sollt Zeugen sein. Nie dachte ich so klar wie in diesem Augenblick, und ich hoffe, daß die Rechnung stimmt." Die mächtigen Fäuste hoben sich, scharf klangen die Worte, so daß sie bis in den letzten Winkel der Halle dröhnten: „Gras Ingram! Auf die Würfelfläche lege ich mein Weib, wenn du alles dagegen bietest, was du mir abgewannst -" In dichtem Schwarm umdrängten die Gäste die beiden Männer, die sich gegenüberstanden. Augen stierten, Lippen flüsterten, heißer Atem ging. Niemand wagte es, die Stille zu stören. Nur Mertelan schüttelte das Haupt: „Ein Würfel spiel um — Jura?" Bertun schürzte spöttisch die Lippen: „Was ist ein Weib? Ein Gut wie jedes andere." Ingrams Brust hob und senkte sich in schnellen Atem zügen. Was war es, was ihm der Gegner bot? Ein Preis, so köstlich, daß er nicht gezögert hätte, dagegen den Grafenstuhl zu tauschen. Jura, mit der er heimlich verbunden zu sein schien für immer, bis ihres Vaters grausamer Machtspruch den Traum zerstörte: Nach Gesetz und Brauch des Landes mußte sie Bertun folgen, dessen Weib sie ward Und nun stand dieser blinde, wahnbetörle Mann, der den Edelstein nicht schätzen lernte, den ihm eine Glücksnacht beim Spiel in den Schoß warf, vor ihm und bot ihm Jura, die Liebliche, als Preis an. Warum zögerte er, warum griff er nicht zu? Wie oft geschah es nicht, daß man Waffen und Rosse, Weiber und Acker verspielte! Etwas wie Scham stieg in ihm auf. War diese Frau, die unglücklich und einsam ans Vertuns Burg saß, nicht mehr als andere Weiber? War sie nicht zu schade, um ihren Leib zu würfeln wie um ein Rind? Und doch! - Hier bot sich die Gelegenheit, sie zu befreien aus schmachvollen Fesseln lFortsetzung folgt.)