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Deutschland fordert allgemeine Abrüstung Antwort des Reichswehrministers an Maginot. Berlin, 9. März. Im Haushaltsausschutz des Reichs tages sprach Reichswehrminister Gröner. Er führte u. a. aus: Ich möchte ausdrücklich betonen, dah mich alle An griffe von links und rechts nicht dazu veranlassen können, die von mir von jeher eingehaltene Linie in der Führung der Reichswehr auch nur um Haaresbreite zu ändern, den» ich bin -er festen Ueberzeugung, dah die von mir vertrete nen Grundsätze allein gewährleisten, dah die Wehrmacht überparteilich und dem politischen Streit entzogen bleibt. Die Wehrmacht dient dem Staat,nichtden Parteien Daran halte ich unverbrüchlich fest Ebenso ist es für mich eine selbstverständliche Pflicht, dafür zu sorgen, datz die Wehrmacht das erhält, was sie für die Erfüllung ihrer Hauptaufgabe, den Landesschutz, braucht. Der französische Kriegsminister, Herr Maginot, hat vor der französischen Kammer zu der Abrüstungsfrage in einer Weise Stellung genommen, die nicht unwider sprochen bleiben darf. Er hat erklärt, es nicht anerkennen zu können, dah auf dem Abrüstungsgebiet alle Völker einen Anspruch auf Behandlung auf gleichem Fuhe hätten. Herr Maginot glaubt, wenn man in der Welt die internationale Gerechtigkeit zur Herrschaft gelangen lassen wollte, sei es ebenso notwendig wie gerecht und eine Bürgschaft für die anderen Nationen, wenn diejenigen Länder, die die An greifer gewesen seien, strengeren Beschränkungen der Rüstungen unterworfen würden, als diejenigen Nationen, die keine Angriffe begangen hätten. Demgegenüber habe ich folgendes zu erklären: Unsere Stellungnahme zu der sogenannten Kriegsschuldsrage ist wiederholt aus berufenstem Munde vor aller Welt klargestellt worden. Vor kurzem hat der Herr Reichsaußen- minister hierzu im Namen der Neichsregierung bedeut same Erklärungen abgegeben, die ich nicht zu wiederholen brauche. Die Versailler These von der Allei»schuld Deutschlands ist längst von der internationalen histo rischen Wissenschaft widerlegt worden. Wir haben den Spruch eines wahrhaft unparteisch zusammengesetzten in ternationalen Gremiums, dessen Zusammentritt die deutsche Regierung von jeher gefordert hat, nicht zu fürchten! Die Feststellung der Wahrheit wird vielmehr den Ver trägen, die auf der Behauptung von Deutschlands Alleinschuld am Kriege beruhen, diese Stütze endgül tig entziehen. Deutschlands E n t w a f f n u n g ist im Versail ler Vertrag damit begründet worden, daß sie die Einlei tung einer allgemeinen Rüstungsbeschrän kung aller Nationen ermöglichen sollte. Deutschland hat diese Vorbedingung erfüllt. Wir sind abgerüstet in einem Matze, das in der Geschichte ohne Beispiel ist. Die anderen Mächte aber haben sich verpflichtet, uns auf dem Wege der Abrüstung zu folgen. Dah es sich hierbei um eine rechtlich verbindliche Verpflichtung handelt, haben maßgebende Staatsmänner der anderen Seite wie derholt bestätigt. Wir haben das Recht, zu verlangen, dah die Ungleich heit der Rüstung, die durch Deutschlands Voraus leistung aus diesem Gebiet entstanden ist, gemäh den Vertragsbestimmungen durch eine entsprechende Nach leistung der anderen Mächte ausgeglichen wird. Wir haben das Recht auf denselben Grad von Sicherheit, den die anderen Staaten für sich in Anspruch nehmen. Wir erheben unsere Forderung auf allgemeine Ab rüstung imInteressedesFriedens und desWie - deraufbaues von Europa, der dringendsten Auf gabe unserer Zeit. Deutschland ist bereit und ist stets be reit gewesen, an jeder Art von Abrüstung positiv mitzu arbeiten, die auf Grundlage der Gleichberech tigung vorgenommen wird. Herr Maginot hat nur darauf hingewiesen, datz Frankreich der Abrüstung bereits Rechnung getragen habe. Wir können die Organi- sationsänderungen des französischen Heeres nicht als Ab rüstung anerkennen. Es handelt sich vielmehr um eine wohlerwogene Umrüstung, die, den Kriegserfah rungen und der rapiden Entwicklung der Kriegstechnik Rechnung tragend, die Schlagkraft der französischen Armee nicht vermindert, sondern beträchtlich vermehrt hat. Der Wert eines Heeres richtet sich nicht nach der Länge der Dienstzeit, sondern nach der Intensität der Ausbildung, nach der Stärke der ausgebildeten Reserven, nach der Zahl und der Güte des Materials. Alles dies besitzt die fran zösische Armee in vollkommenem Matze. 1912 war sie bei zweijähriger Dienstzeit 640 000 Mann stark. Heute steht nur noch ein Jahrgang bei der Fahne, und dennoch beträgt die Gesamtstärke des Heeres fast ebensoviel! Fast die Hälfte des Heeres, mindestens 230 000 Mann, dient über die ge setzliche Dienstzeit hinaus und liefert ein hochqualifiziertes Ausbildungspersonal. Ein neuer Veamtenkörper hat den Soldaten die Mobilmachungsvorarbeiten, die Verwaltung des Kriegsmaterials, den Kanzleidienst abgenommen. 3ü VVV Zivilangestellte befreien die Soldaten vom Ar beitsdienst. Die Jugend wird in einem früher unbe kannten Matze auf den Militärdienst vorbereitet. Da her ist Frankreich heute in der Lage, auch in der ein jährigen Dienstzeit seinen Soldaten eine vollendete militärische Ausbildung zu geben. Sprechen die Tausende von Tanks, von Flugzeugen, von Geschützen, die Zehntausende von Maschinengewehren von Abrüstung? Außerdem besitzt Frankreich noch Massen an lagerndem Material aller Art. Wieviele Verbände es in einem Kriege aus seinen ausgebildeten Reserven aufstellen und mit diesem Material bewaffnen kann, das ergibt sich schon daraus, datz die Zahl der Generäle und höheren Stabsoffiziere trotz der Verminderung der Anzahl der Frie densdivisionen gegen die Vorkriegszeit auf das Anderthalb fache gestiegen ist. Ferner haben sich die Ausgaben der Franzosen für mili tärische Zwecke seit dem Kriege unaufhörlich gesteigert. 1931 betrugen sie 18,2 Milliarden Franken, d. h. fast 3 Milliarden NM. Alle diese unleugbaren Tatsachen führen den Beweis, datz Frankreich noch nicht damit begonnen hat, abzurüsten, datz es sich vielmehr durch seine neue Heeresorganisation das stärkste und schlagfertigste Kriegs - instrumentder Weltgeschasfen hat. Noch auf eine Behauptung mutz ich eingehen, die wäh- i rend der französischen Kammerverhandlungen gefallen ist. Der Berichterstatter hat die deutschen Landstreitkräfte auf 100 000 Mann Reichswehr, 150 000 Mann Schutzpolizei und 30 000 Mann bewaffnete Zollbeamte berechnet. Diese Auf stellung mutz aufs schärfste zurückgewiesen werden. Abge sehen davon, datz die Zahlen falsch sind — wir haben nicht 150 000 Mann Schutzpolizei, sondern nur 105 000 und dävon wieder nur 32 000 Mann kaserniert und ebensowenig haben wir 30 000 bewaffnete Zollbeamte —, ist es unsinnig, die deutschen Polizisten und Zollbeamten zu den Landstreit- kräften zu rechnen. Weder im Frieden noch im Krieg sind sie zum militärischen Dienst bestimmt, noch dazu befähigt. Ihre Organisation ist durch die interalliierte Kontrollkom mission unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung ihres zivilen Charakters festgesetzt worden. Weder hierauf noch auf ihre Ausbildung hat das Reichswehrministerium den > den geringsten Einfluß. Im Interesse der Wahrhaftigkeit wäre es dringend zu wünschen, -atz diese gegenstandslosen Behaup- ! tungen, die schon jetzt in der französischen Kammer selbst ! Widerspruch gefunden haben, endgültig aus dem Bereich ernster Verhandlung ausscheiden. * SPD. und die bevorstehenden Ent scheidungen im Reichstag. Berlin, 8. März. Der „Vorwärts" beschäftigt sich in seiner Sonntagsausgabe unter der lleberschrift „Verant wortung der Mitte" mit den bevorstehenden Entscheidungen im Reichstag. Er weist darauf hin, datz Reichskanzler Brü ning regiere, solange er das Vertrauen des Reichspräsiden ten besitze, solange er die Parteien der Mitte notdürftig zu sammenhalten könne und solangedieSozialdemo- kratie ihn toleriere. Die Sozialdemokratie, die ein Viertel oder ein Drittel des Parlaments umfasse, könne immerhin sehr einflußreich sein. Allerdings sei die Sozial demokratie in einer keineswegs günstigen Lage, weil ihre linke Flügelstellung durch das Vorhandensein einer ziemlich starken kommunistischen Partei erheblich geschwächt werde. In einer viel günstigeren Stellung befinde sich das Zen trum, das heute im Reich den Kern der Regierungsmacht darstelle. Das Zentrum wolle den Bau des Panzerschiffes 8. Stünde das Zentrum anders, so gäbe es auch nach Rückkehr der Rechten keine Mehrheit für das Schiff; jetzt sei eine tat sächliche Mehrheit dafür vorhanden, die nur darum nicht ohne weiteres zur Geltung komme, weil 151 Abgeordnete an den Beratungen des Reichstages nicht teilnähmen. Die Sozialdemokratie könne gemeinsam mit den Kommunisten die Streichung der ersten Rate bewirken, vorausgesetzt, datz die Rechte nicht mittlerweile in den Reichstag zurückkehre. Es werde an der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion liegen, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wolle oder nicht. Schon jetzt müsse aber gesagt werden, daß die endgültige Entscheidung über den Schiffs bau nicht bei der Sozialdemokratie, son- dernbeim Z en t r u m I i e g e. Die Mitte trage die Verantwortung dafür, datz der so zialdemokratischen Reichstagsfraktion die Möglichkeit zu einem Verhalten gegeben werde, das zur Erhaltung der Mitte in ihrer gegenwärtigen Machtstellung führe. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion verlange, datz in der Finanz- wie in der Sozialpolitik den Wünschen der ar beitenden Massen entgegengekommen werde. Die Sozial demokratie könne vielleicht genötigt sein, auch weiterhin noch eine Regierung der Mitte zu halten, umdasKommen einer halb oder ganz faschistischen Regie rung zuverhindern. Schon jetzt aber müsse mit aller Deutlichkeit gesagt werden, datz die Sozialdemokratie in ihrer Entschließung wie in ihrer Kritik frei sei. Die Politik, die jetzt im Reich getrieben werde, sei nicht eine Politik, die die Mitte mit der Sozialdemokratie gemeinsam treibe, son - dernesseieinePolitik,diedieMitteallein treibe. * Vertagung des Gefrierfleischgesetz- entwurses im Reichsrat. Berlin, 9. März. Die Vollsitzung des Reichsrats, aus deren Tagesordnung unter anderem das Gefrierfleisch- Variete. Roman eines seltsamen Lebens von Felix Neumann. 2ch «Nachdruck verboten.» Er war fest entschlossen, mit diesem abzurechnen und ihn zu vernichten Wie das geschehen sollte, das wußte er selbst noch nicht, aber ein Ende mußte das alles haben, denn diesen Zustand ertrug er nicht länger Man versuchte, den Wütenden zu rückzuhalten, aber dieser schüttelte die Männer, die ihn begütigen wollten, ab Seine Faust rüttelte an dem Drücker der Tür. Von innen war verriegelt Ein wuchtiger Tritt mit dem Fuß, da ritz das schmale Eisen aus dem morschen Holz, Rodrigo stand im Zimmer Senorezki war bereits im Ltraßenanzug Toienblaß, die Äugen starr geöffnet, als ob er etwas Grausiges kommen sähe, lehnte der Jüngling am Tisch Der Spanier hob die Fäuste und wollte auf den Geg ner losgehen, da warf sich Anita wie eine Katze dazwischen und stieß den Eifersüchtigen zurück Und während ihre Augen funkelten, zischte sie dem Riesen ins Gesicht: „Rühre ihn nur mit einem Finger an, und du bist das letztemal mit mir aufgetreten!" Jetzt drängten auch vom Flur her andere herein. Murnau, der gerade hinter den Kulissen zu tun halte, trat energisch Rodrigo entgegen „Verlassen Sie sofort dieses Zimmer oder ich erstatte dem Direktor Meldung von Ihrem Betragen." Der Spanier wischte sich eine niederhängende Locke aus der Stirn. Er reckte sich auf und mit höhnischem Grinsen musterte er seinen schwächlichen Gegner. Dann wandte er sich wortlos zum Gehen. Die Drohung Anitas war ihm doch in die Glieder gefahren. Die Tür schloß sich, nur Frau Krug war noch im Zim- mer. Verlegen machte sie sich an den Sachen zu schaffen. Fritz nahm langsam seinen Hut vom Tisch. Bis jetzt hatte er noch kein Wort gesprochen. Das ganze Erlebnis mit seiner Brutalität war so schnell über ihn hereingebrochen, daß er es noch gar nicht zu fassen vermochte Scheu flog sein Blick zu der alten Garderobenfrau, die sich eben bückte, um ein Kleid auf zuheben, das zur Erde geglitten war. Sorgsam, fast liebe voll strich ihre Hand den Stofs glatt Wußte sie den wahren Hergang oder — mutzte sie annehmen, daß der Spanier im Recht war? Wie konnte ihm jo etwas passieren? Zog er sich nicht bescheiden, fast scheu von allem zurück, was geeignet schien, Unfrieden zu stiften und Konfliktstoff zu schassen? Nun war er ungewollt in den Mittelpunkt einer Handlung gerissen worden, in der er keine führende Rolle spielte. Viermal hatte ihn das klatschende Publikum heraus gerufen. Und als er aus der Kulisse trat, in der Han^ noch „Rühre ihn nur um elnem Finger an, und du inst das letztemal mit mir ausgetreten!" einen Blumenstrauß, der soeben vom Orchester herauf gereicht wurde, stand Anita Bella vor ihm. Ihre Augen glänzten und während sie sagte: „Fritz- chen, Sie sind goldig ," hing sie plötzlich an seinem Halse. Noch brannten ihre Küsse aus seinen Lippen. Oh — die scharmante Tänzerin war ein Meister in allen Liebeskünsten. Wie im Traum war er in sein Zimmer gekomm.n, wo er die Sachen abwarf. Etwas wie Ekel stieg in ihm empor. Tann aber lächelte er, denn Rodrigo, der heranschof machte einen fast komischen Eindruck Nicht einen Augenblick dachte Fritz daran, daß man ihn für die Szene verantwortlich machen werde. Und nun kam dieser widerwärtige Auftritt, dem so viele Menschen als Zeugen beiwohnten. Frau Krug trat vor den jungen Künstler und stemmte die Hände in die Seiten. „Jott — Herr Sendrezki! Nehmen Sie det nich so schwer!" Sie wies mit dem Daumen nach der Tür. „Der Spanier von Moabit is een rabiater Kerl! Na, und schließlich hat doch die Bella schuld, nicht Sie!" Fritz nickte mechanisch mit dem Kopf. Dann antwortete er: „Also — Sie haben gesehen, wie es war, daß die Dame mich — küßte und nicht — um gekehrt?" „Aber — jewiß doch." Und Fritz ging mit dem Gefühl, datz er nun einen sicheren Zeugen für den Vorgang habe, wie er sich in Wirklichkeit abspielte. Indessen fratz sich das Gerücht von dem Zusammen- stoß weiter und weiter Es passierte ja zuweilen allerhand im Bannkreis ver Alhambra und man nahm im allgemeinen solche Dinge nicht tragisch. Aber — diese Affäre entbehrte nicht des pikanten Reizes Gerade weil der junge Künstler, der immer so zurück haltend tat, hineingewickelt war, wurde die Sache interessant. Und von Mund zu Mund weitergetragen, schwoll die Geschichte an und verlor völlig ihre Urgestalt. Der dritte sagte zum vierten: „Denken Sie mal, dieser Jüngling küßt einfach hinter den Kulissen die Anita ab." Und der fünfte erfuhr: „Ein richtiger Überfall war es. Aber da kam der Rodrigo dazu und befreite seine Partnerin " An den sechsten ward rapportiert: „Haben Sie schon gehört, der Spanier Hai dem Fritz eine heruntergehauen, weil er mit der Anita anbändeln wollte." Und so gelangte die Affäre auch ins Zimmer der hohen Direktion. Der Diener Ludwig kraulte sich den Kopf und hielt ihn ichies, als er eintrat. „Ne — wat man sich doch in een Menschen teischen kann." Der Sekretär, der allein anwesend war, weil Adolf» in der Loge weilte, krauste die Stirn, denn er zählte gerade Geld. tForrsetzung folgt.)