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Friedliche Klünge aus Italien. Grandi über die italienische Außenpolitik. Nom, 14. März. Grandi schloß die Kammerdebatte mit einer Rede, in der er an den italienischen Vorschlag er innerte, den Bau von Kriegsschiffen während der Dauer der Verhandlungen einzustellen. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen nach London habe endlich zu einem Modus vivendi geführt, der den beiden Flotten ermöglicht, sich nach ihren eigenen Grundsätzen zu entwickeln, und der den Wei terbau neuer Schiffe bis zum Jahre 1936 verlangsamt. Es sei in der Tat undenkbar, daß man keinen Boden für eine ehrliche und freundschaftliche Verständigung zwischen zwei Nationen finden könne, die so zahlreiche gemeinschaftliche Ueberlieferungen verbänden, und die in einem unvergeß lichen Augenblick, in der ernstesten und vielleicht glorreich sten Stunde ihrer Geschichte Seite an Seite gestanden hätten. Italien betrachte die Abrüstung als die vollständige Lösung des Sicherheitsproblems und strebe nach einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die die Wirtschaft der unter der gegenwärtigen Krise leidenden Länder zu bessern trachte, sowie nach einer engeren Solidarität der europäischen Länder. —-MEESSEN Das Pariser Echo Die italienische Regierung sei bereit, an der Verwirklichung des Planes einer europäischen Union mitzuarbeiten, aber nach dem Grundsatz, daß eine europäische Zusammenarbeit nur durch eine Politik der Gleichberechtigung der internationalen Gerechtigkeit und der Herabsetzung der Rüstungen garantiert werden könne. In seiner Rede äußerte Grandi sich auch zur Mandats frage. „Nicht nur innerhalb der Mandatskommission, sondern auch vor den zuständigen Organen des Völker bundes hat Italien des Mandatssystem in der "in den Friedensverträgcn festgelegten Form verteidigt, das heißt in erster Linie den vorübergehenden Charakter und zwei tens den Grundsatz, daß die Mandatsländer unabhängige internationale Einheiten werden sollen. Italien wird diese Politik beibehalten. Vor allem ist nunmehr der Grundsatz angenommen, daß die Souveränität nicht bei den Mächten liegt, die das Mandat ausüben." Diese Auslegung Grandis entspricht bekanntlich auch der deutschen These. -er Grandi-Re-e. Paris, 15. März. Das „Journal" stellt zur Rede Gran dis fest, daß die Verständigung, von der der italienische Außenminister sprach, sehr viel mehr in den Worten als in den Gedanken liege. Wenn Briand eine europäische Organisation verlange, so tue er dies in dem Gedanken einer Konsolidierung des gegenwärtigen Status quo. Und wenn er von Abrüstung spreche, so heiße dies Abrüstungim Rahmendes Versailler Vertrages. Grand' greife dagegen die englische These wieder auf, wonach die Abrüstung allein die Sicherheit garan tiere. Die „Erenouvelle" begrüßt die Ausführungen des italienischen Außenministers und erklärt, daß man sich endlich gegenüber ganz neuen Dispositionen befinde, die ge nau mit den Wünschen des französischen Volkes überein stimmten. Die Politik, deren geistiger Ur heber Briand gewesensei, beginne lang sam Früchte zu tragen. Seine Gegner begännen zu schweigen, wenn dies auch in einem Augenblick geschehe, in dem sie wahrscheinlich den Schatz ihrer Beleidigungen er schöpft hätten. Die „RepubIique" ist zwar mit den Erklärungen Grandis zufrieden, warnt aber dringend vor übertriebe nem Optimismus. Den bevorstehenden französisch-italieni schen Verhandlungen könne man getrost ohne Pessimismus folgen, dürfe aber nie vergessen, daß Mussolini heute das Wortandenruhigeren Grandi gegeben hab e. Das einzige positive Ergebnis des Augenblicks sei, daß zwischen Paris und Rom eine Aussprache eingeleitet worden sei. Pertinax schreibt im „EchodePari s", trotz der liebenswürdigen Worte, die Grandi bezüglich der Revision der Verträge angewandt habe, dürfe man sich jedoch keiner Illusion hingeben. Grandi müsse wissen, daß eine euro päische Zusammenarbeit nur auf dem Boden des gegen wärtigen Status quo möglich sei. Langfristige Kre dite könnten lediglich einer deutschen Re gierung gewährt werden, d i e i h r e Unter schriftachte. Das „IournaI de Debats" meint, die allgemeine Politik Italiens scheine sich nicht geändert zu haben. Nie mand habe je behauptet, daß die Verträge ewig seien. Man könne aber Europa nicht mit einem Schlage umformen. Der sozialistische „S o i r" warnt vor übereilten Illu sionen und hält den plötzlichen Umschwung Italiens zum Pazifismus für eine kühle Berechnung, die mit dem An leihebedürfnis der italienischen Regieung Zusammenhänge. Deutschlands Panzerkreuzer — ein Vorbild für die Sieger. Paris, 16. März. Der ehemalige Ministerpräsident und Bürgermeister von Lyon, Herriot, sprach am Sonntag inNeuvilIe u. a. auch über die Organisation des Frie dens. Er erklärte dabei, daß es Deutschland gelungen sei, einen Panzerkreuzer zu bauen, mit dem sich kein einziges Schiff der Welt messen könne. Daß dieser Kreuzer im Rah men des Deutschland durch den Versailler Vertrag zu gebilligten Flottenprogramms gebaut sei, sei der beste Be weis dafür, daß der Versailler Friedensvertrag eine falsche Sicherheit biete. Der Friede müsse wo anders als in der Achtung vor den Verträgen gesucht werden. Es sei außer dem bemerkenswert, daß das italienisch-französische Flotten abkommen von dem Fortschritt Deutschlands im Flotten bau ausgehs. Beide Länder hätten Wert darauf gelegt, in Zukunft besonders solche Kreuzer zu bauen, die dem deut schen Panzerkreuzer am nächsten kommen. — Die Sieger staaten nehmen also heute ihre Vorbilder von dem Be siegten, Das Einfuhrverbot für Gefrierfleisch. Berlin, 16. März. Reichsaußenminister Dr. Curtius gab in einem Interview über die Notwendigkeit der Auf rechterhaltung des deutschen Einfuhrverbots für Gefrier fleisch folgende Erklärung: Angesichts der vielen freund schaftlichen Beziehungen, die Deutschland kulturell und wirtschaftlich mit Argentinien verbinden, bedauert die Reichsregierung besonders lebhaft die Schwierigkeiten, die der Einfuhr des argentinischen Gefrierfleisches entgegen- ' stehen Die außerordentlichen Folgen der Wirtschafts krise und der Reparationsverpflichtungen nötigten Deutschland zu rigorosen Maßnahmen, um seine Wirtschaft und seine Finanzen zu sanieren. Zwecks Wiederherstellung der Kaufkraft des inneren deutschen Marktes sei es unerläßlich, die Landwirtschaft wieder rentabel zu gestalten. 50 000 Tonnen Gefrierfleisch stellten den Wert von 200 000 Rindern dar, deren Einfuhr den ohnehin sehr schwierigen Fleischmarkt in einer für die deutsche Landwirtschaft sehr ungünstigen Weise belasten würde. Die Reichsregierung habe oft zum Ausdruck gebracht, wie sehr sie die Wirkungen bedauere, die diese Maßnahmen für verschiedene befreun dete Länder nach sich zögen. Zur Wiederherstellung der deutschen Leistungsfähigkeit, ohne die die Einhaltung der internationalen Ver pflichtungen Deutschlands eine Unmöglich keit sei, seien solche Mittel wie die zeitweilige Ausschal tung jeder nicht unbedingt notwendigen Einfuhr jedoch un erläßlich. Die Bluttat in Hamburg. Sclbstgestellung der Täter. Hamburg, 16. März. Zu der Ermordung des Kommu nisten Henning (s. „Nachrichten aus aller Welt") wird gemeldet: Zwei der Täter stellten sich in der Nacht vom Sonntag zum Montag um 2,30 Uhr bei der Kriminalpolizei im Stadthause. Sie wiesen sich aus als der am 16. Februar 1909 in Seegeberg geborene Albert Ernst Jansen und Otto Ernst Hans Bammel, geboren am 27. Mai 1905 in Wittingen. Jansen war früher Polizeiwachtmeister und ist wegen nationalsozialisti s ch e r Betätigung entlassen worden. Bammel ist Handlungsgehilfe. Beide sind Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Ar beiterpartei. Der dritte Täter ist der am 11. August 1903 in München geborene Hans Alois Hockmey er. Er ist gleichfalls Mitglied der Nationalsozialistischen Partei. Mit seiner Festnahme ist zu rechnen. Nach den vorliegenden Aussagen ergibt sich nunmehr folgendes Bild von der Tat: Am Sonnabend fand in Zol lenspieker im Lokal von Albers eine kommunistische Führer besprechung statt, in der das Verhalten der Kommunisten anläßlich der nationalsozialistischen Kundgebung, die für Sonntag in Geesthacht geplant war, festgelegt werden sollte. Den Inhalt dieser Besprechung sollte ein in Zollenspieker bekanntes Mitglied der Nationalsozialistischen Partei in Erfahrung bringen. Zu seinem Schutz waren die in Zollen spieker nicht bekannten Täter in das Lokal von Albers ge gangen. Jansen sagte aus, daß er Henning für das Bür- gerfchaftsmitglied Andre gehalten habe und plötzlich in sinnloser Wut auf ihn geschossen hatte. Bammel will sich ohne Ueberlegung an dieser Schießerei beteiligt haben. Beide bestreiten, daß eine Verabredung vorgelegen hätte. Der Inhalt dieser Aussage steht in scharfem Widerspruch zu den bisherigen Zeugenaussagen, die eine planmäßige Vorbereitung der Tat vermuten lassen. Die NSDAP, verurteilt die Hamburger Bluttat. Hamburg, 16. März. Zu der Mordtat in den Vierlan den gibt die NSDAP. Gau Hamburg folgende Erklärung aus: Die Täter sind zur Zeit der Tat Mitglieder unserer Partei gewesen. Ihre Tat wird von uns auf das Schärfste verurteilt. Sie haben sich damit aus unseren Reihen auf Grund der Anordnungen unseres Führers Adolf Hitler selbsttätig ausgeschlossen. Die Eauleitung hat, nachdem sie erfahren hatte, wer die Täter waren, sofort die Polizei mit den Namen derselben bekannt gemacht und zwei dieser Täter veranlaßt, sich am Montag morgen, 2.30 Uhr, frei willig zu stellen, was auch geschehen ist. Der dritte Täter ist entkommen. Sein Name ist der Polizei ebenfalls mit geteilt worden. Die besonders verabscheuungswürdige Art und Weise der Ausführung der Tat hat bei uns den Ein druck erweckt, daß die Täter durch Lockspitzel zu ihrer Tat veranlaßt worden sind. Die Einzelheiten der Tat erhellt ein in dem „Hamburger Fremdenblatt" am Montag veröffentlichter Augenzeugenbericht, der besagt, daß der Autobus der Linie Ochsenwerder—Hamburg etwa mit zehn Personen besetzt war. Aus der Hinteren Sitzreihe hatten drei Männer Platz genommen, die auf der Station Fünf hausen eingestiegen waren. Vor ihnen saß der kommuni stische Bürgschaftsabgeordnete Henning und sein Partei genosse Cahnbley aus Altona, die von einer politischen Ver sammlung kamen. Auf der Strecke von Annendorf nach Variete. Roman eines seltsamen Lebens von Felix Neumann. 29) «Nachdruck verbalen ) Sendrezki zuckte die Achseln: „Ich denke gar nichl daran, meine Nummer aufzugeben und um der Anita willen etwas Neues einzustudieren Im übrigen:'weiß der Spanier oarnm?" Murnau lächelte etwas trübe: „Das ist es ja gerade. Tutti war dabei, als sie Rodrigo klarzumachen versuchte, daß ein längeres Zusammenarbeiten zwecklos sei. Sie machte dies aus die ihr eigene zarte Weise, indem sie dem Spanier ein Blumenarrangement ins Gesicht warf Es soll ein ganz handlicher Korb gewesen sein " Nervös knöpfte Fritz an seinen Handschuhen. „Und - dann?" Murnau verzog leicht den Mund. „Gott! Wie das so ist Er Hal sie ein bißchen herum- geschwenkt, bis sich Tutti dazwischenwars. Eine halbe Stunde später trat sie aus, als ob nichts geschehen wäre Aber mit Ablauf des Monats ist es aus." Sendrezki nahm den Hut. „Ich bedaure wirklich, daß meine Zeit so knapp ist. Gerne hätte ich noch mehr gehört. Aber unten wartet das Auto des Herrn Professors Gottorp." Er trat dicht an Murnau heran. „Sie haben sich vom ersten Tage meines Hierseins meiner stets in besonders freundlicher Weise angenommen. Auch Ihre heutige Mitteilung ist für mich von Wert." Der Musiker fiel ein: „Ja - ich wollte Sie warnen. Lassen Sie sich um Gottes willen nicht mit der Bella ein. Sie ist ein schöner Teufel und schon mancher Mann be reute es, sich mit ihr abgegeben zu haben." Fritz nickte. „Seien Sie unbesorgt. Die Tänzerin wird kein Glück haben." Dann reichte er Murnau die Hand, schüttelte sie herz lich und ging. Frau Krug trat ein. „Ham Se et ihm jesagt?" Der Gefragte nickte. „Ich begreife nicht, daß Vieser Sendrezki so sorglos ist. Anita Bella läßt sobald nicht locker und der Spanier ist ein toller Kerl. Es wäre nicht das erstemal, daß in einem Streit zwischen zweien ein vrinei Unbeteiligter, oder sagen wir Unschuldiger, die Zeche bezahlen muß." Die Garderobenfrau schüttelte den Kopf „So een lieber junger Mensch Wie een Prinz kommi er mir vor Der jeheerte och woanders hin " Eine knappe halbe Stunde später stoppte das Auto vor des Professors Villa. Sie lag etwas abseits von dem großen Sanatorium. Ein breiter Vorgarten schloß das Heim vom Lärm der Straße ab Vor der Sandsteintreppe des vorneymcn «aues brannten zwei große Ampeln Von links her grüßten aus der Dunkelheit die Gebäude des Sanatoriums Fritz stieg aus und aus sein Klingelzeichen sprang die schmiedeeiserne Pforte aus Unruhig schlug sein Herz. Eine Stimme in ihm riet zum Umkehren. Aber eine andere Gewalt, der er nicht zu widerstehen vermochte, riß ihn mit fort Sollte er sich leichtfertig die Freundschaft diese? Man nes verscherzen? War er es nicht selbst, der den Anlaß zu dieser Zusammenkunft gab? Freilich — er hatte sich Vie Sache anders gedacht. Eine kurze, vertrauliche Unterredung in seiner Gar derobe oder in einem Lokal, also aus neutralem Boden Nun aber war er im Begriff, das prunkvolle Privat Heini seines Gönners zu betreten. Die breite Fensterfront war teilweise hell erleuchtet. Vor der Sandsteintreppe des vornehmen Baues brannten zwei große Ampeln. Von links her grüßten aus der Dunkelheit, nur schwach durch einzelne Laternen erhellt, die Gebäude des Sanatoriums. Ein Wärter überquerte den Weg, eine Schwester huschte vorüber. Sonst atmete das Ganze Stille und vor- s nehme Zurückgezogenheit. Ein Diener in schlichter Livree öffnete und ließ den ! Gast in die Vorhalle ein Nachdem Fritz abgelegt hatte, wurde er in ein seitwärts gelegenes Empfangszimmer geführt, wo er einen Augenblick warten mußte Dann trat Gottorp ein und streckte seinem Schützling beide Hände entgegen. „Ich habe Besuch. Eine Sache, der ich nicht aus dem Wege gehen konnte. Übrigens, ehe ich Sie aufkläre: führt Sie etwas Unangenehmes zu mir? Sorgen, Nöte, für die ich ein Mittel verschreiben soll?" Der Professor lachte. Sendrezki lehnte ab. Eigentlich bereute er es schon, Gottorp in die An gelegenheit einzuweihen, denn er wähnte, daß sie eigent lich für ihn abgetan sei. Aber nun, wo er einmal hier war, mußte er auch das Bekenntnis ablegen. Etwas verwirrt sagte er: „Es wäre unhöflich, Ihre Gäste warten zu lassen.. Nur eine Bagatelle für Sie. Für mich allerdings —" Er stockte. Gottorp drückte den Jüngling in einen Stuhl. „Erst diese Sache herunter von Ihrem Herzen." Fritz faßte sich kurz und fragte dann, welchen Rat ihm der Professor erteile Der blickte sinnend vor sich nieder. „Die Angelegenheit bedars einer gründlichen Aus sprache aus Prinzipiengründen Was gestern geschah, kann sich morgen wiederholen Es war sehr verständig von Ihnen, den Rai eines erfahrenen Freundes in Anspruch zu nehmen. Unter vier Äugen wollen wir später davon reden Auch will ich Ihnen einige Verhaltungsmaßregeln geben. Zunächst aber werfen Sie einmal diese Sor über Bord." «Fortsetzung folgt.)