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Wins Ms gegen i>ie. In Moskau wird ein neuer gigantischer Prozeß in Szene gesetzt. Nachdem die sogenannte „Jndustriepartei" unter eisriger Beteiligung des Rundfunks und des Ton films abgeurteilt wurde, ist jetzt die Reihe an das „So zialdemokratische Zentrum" mit Eroman und Suchanow gekommen. Diesmal wird das Zentralkomitee der „Sozial revolutionäre auf die Anklagebank gesetzt, wobei als Haupt angeklagte die berühmten Gelehrten Kondratjew und Tscha- janow fungieren. Augenblicklich beschäftigt man sich also mit den russischen Sozialdemokraten, oder, wie sie in Ruß land genannt werden, Menschewiken (zum Unterschied von den Bolschewiken, die in früheren Zeiten den linken Flügel der Sozialdemokratie bildeten). Die russischen Sozialdemo kraten werden beschuldigt, Schädlingstätigkeit in der Sow jetindustrie getrieben und die Intervention, also den Ein marsch fremder Mächte nach dem Sowje'tland, vorbereitet zu haben. Interessant ist, daß die Hauptangeklagten bereits seit zehn Jahren aus der Sozialdemokratische Partei aus getreten sind und in den letzten Lebensjahren Lenins, als noch die neue ökonomische Politik, die NEP., blühte, als die treuesten Diener des Sowjetstaates galten. Wie der Prozeß der Jndustriepartei über die Köpfe der Hauptangeklagten die französischen Politiker treffen sollte, ist der jetzige Menschewikenprozeß eigentlich gegen die deutsche Sozialdemokratie gerichtet, welche mit den russischen „Verschwörern" angeblich in engster Fühlung stand und ihnen sogar geldliche Unterstützung gewährte. Die sozialdemokratischen Führer Deutschlands sollen in ihren sowjetfeindlichen Umtrieben bloßgestellt werden. Die Bestrebungen der Kommunistische Partei Deutschlands, eine proletarische Einheitsfront unter Ausschluß der sozialdemo kratischen Führer, soll auf diese Weise erreicht werden. Moskau spekuliert dabei auf diejenigen Kreise innerhalb der deutschen Sozialdemokratie, die zwar das sowjetrussische Experiment ablehnen, sich aber gleichzeitig gegen jede Störung dieses Experimentes einsetzen. Beginn des MenschewiKen-Prozesses, Moskau (über Kowno), 1. März. Am Sonntag begann hier der Prozeß gegen die 14 russischen Sozialdemokraten, darunter Eroman, Suchanow, Scher, Berlacki, Jwkow, Salkin, Petunin, Teitelbaum, Einsberg, Sokolowski, Rubin und Jion-Jenotanski, die beschuldigt werden, auf die Ve- WisMOsWIMniM MmM! Rom, 1. März. Amtlich wird mitgeteili, daß als Ergebnis der Flottenverhandlungen ein grundsätzliches Uebereinkommen über die auf der Londoner Konferenz osfengebliebenen Fragen erzielt worden ist. Nach einer in der Morgenpresse veröffentlichten Mel dung soll u. a. Frankreich Italien gegenüber in der Eesämttonnage überhaupt, ferner in der Kategorie der Unterseeboote und der Hilfsschiffe eine lleberlegen- heit erhalten. Hinsichtlich der 10 OOO-Tonnen-Kreuzer sollen sich Frankreich und Italien gleich st ehe n. In der Kategorie der Torpedobootzerstörer und der leichten Kreuzer ist für Italien eine etwas höhere Tonnage als für Frankreich vorgesehen. Briand mit den Nömer Flotten abmachungen einverstanden. Paris, 1. März. Um 19 Uhr französischer Zeit haben Briand und Henderson an den italienischen Außen minister Erandi ein Telegramm gerichtet, in dem sie ihr gemeinsames Einverständnis mit den in Rom getroffenen Vereinbarungen feststellen, der italienischen Negierung für ihre loyale und freundschaftliche Haltung danken und ihre Bereitschaft erklären, die erzielten Abmachungen ihren bzw. den interessierten Regierungen zur Billigung vorzulegen. Nach Abschluß der Verhandlungen am Quai d'Orsay haben Briand und Dumont die französische Presse empfan gen und ihrer großen Befriedigung über die er zielte Verständigung Ausdruck verliehen. Der Marine- . HWe WUMM. seitigung der Sowjetmacht hingearbeitet zu haben. Zu Be ginn der Verhandlung wurden die üblichen Vernehmungen der Angeklagten über ihre Person vorgenommen. Das Eerichtsgebäude ist von Truppen der OGPU. besetzt. Moskau (Uber Kowno), 2. März. In dem großen Pro zeß gegen die russischen Sozialdemokraten wurden nach dem Verlesen der Anklageschrift alle Angeklagten aufgefordert, über ihr bisheriges Leben zu berichten. Der Vorsitzende Schwernik fragt die Angeklagten, ob sie irgendwelche Ein wände gegen das Gericht haben. Die Angeklagten vernei nen. Alle Angeklagten bekennen sich zu der ehemaligen rus sischen Sozialdemokratischen Partei und erklären, daß sie lange Jahre im Dienste der Sozialdemokratie gestanden haben. Der Oberste Staatsanwalt Krylenko verlangt im Interesse des Prozesses die Ladung folgender Zeugen: des Führers der russischen Bauernpartei, Professor Kondratjew, der sich schon seit 14 Monaten in Haft befindet, des in dem Jndustrieprozeß abgeurteilten Ramsin und seines Gehilfen Larischew, außerdem verlangt der Oberste Staatsanwalt, daß die von der OGPU. verhafteten Ingenieure Gwosdow, Nekrasow und Scheludkow als Zeugen geladen werden. Das Gericht gibt dem Antrag statt. Der Vorsitzende des Gerich tes fragt, ob sie eine Verteidigung wünschen. Zwei von den 14 Angeklagten erklären, daß sie eine Verteidigung wün schen. Das Gericht ernennt die Moskauer Rechtsanwälte Kommodow und Braude zu ihren Verteidigern. Die übri gen zwölf Angeklagten haben auf die Verteidigung ver zichtet. Der Vorsitzende erklärt sodann, daß die Verhandlungen des Gerichtes öffentlich sein werden. Damit wurde die Sitzung geschlossen. Die Angeklagten wurden unter stren ger Bewachung wieder in das Gefängnis geführt. Ramsin und Larischew als Zeugen im Menschewiki-Prozeß. Moskau, 2. März. Die im Prozeß gegen die Jndustrie partei verurteilten Ramsin und Larischew, die bekanntlich ihre Strafe in Nischninowgorod absitzen, wurden heute nach Moskau gebracht, wo sie als Zeugen in dem Prozeß gegen die Menschewiki bekunden sollen, daß die ehemaligen Führer der russischen Jndustriepartei in Paris erklärt hätten, daß sie Geldmittel der russischen sozialdemokratischen Partei für den Kampf gegen die Sowjets zur Verfügung gestellt haben. Minister betonte, daß alle bisher in der Presse veröffentlich ten Zahlen falsch seien Der Inhalt des Abkommens könne erst bekanntgegeben werden, wenn die britische Regierung sich mit den Dominien in Verbindung gesetzt und den Ver trag gebilligt habe. Außerdem müßten auch Amerika und Japan vorerst verständigt werden. Der „Petit Parisien" unterstreicht insbesondere die politische Bedeutung des Abkommens und erklärt, daß es sich zu gleicher Zeit um ein Flottenabkommen und um eine politische Verständigung über haupt handle. Aus den Erklärungen des französischen Außenministers und des Marineministers gehe deutlich hervor, daß die Bedingungen unter denen das Abkommen zustande gekommen sei, für Frankreich wesentlich besser aussehen, als man dies bisher in der Presse habe glauben machen wollen. Englische Beruhigungsversuche. London, 2. März. Der Pariser Korrespondent der „Times" beschäftigt sich in seinem Bericht über die Flotten- verhandlungen mit der in der deutschen Presse ausgedrück ten Besorgnis, daß das erzielte Abkommen Deutschland auf der Abrüstungskonferenz isolieren könne. Er sei dahin unterrichtet worden, daß diese Befürchtung unbegründet sei. Deutschland habe von dem Abkommen nichts zu be fürchten. Im Gegenteil, man werde sehen, daß das Ab kommen mit der bisher von den deutschen Staatsmännern verfolgten Abrüstungspolitik übereinstimme. Man wird abwarten müssen, ob sich diese „Informationen" des Korre spondenten der „Times" bestätigen werden. Zur Zeit be stehen in deutschen Kreisen In London jedenfalls noch e r - hebliche Besorgnisse. Starke Genugtuung der englischen Presse über die Flotteneinigung. London, 2. Marz. Die Einigung zwischen Italien, Frankreich und England über die Flottenrüstung wird von der Londoner Presse allseitig als ein Ereignis von allererster politischer Bedeutung angesehen. Die Presse rechnet ferner damit, daß die Verständigung zwischen Paris und Rom dazu führen werde, die Wiederaufnahme von Verhandlungen über jene Punkte zu erleichtern, die möglicherweise einer An näherung zwischen Italien und Frankreich im Wege stünden. Die Presse rechnet damit, daß die offiziellen Verhandlungen zwischen Paris und Rom über die Tunis-Frage u. a. baldigst ausgenommen werden. Die Londoner Blätter halten es für sehr gut möglich, daß das Abkommen auch in wirtschaftlicher Hinsicht sich günstig auswirken werde, wobei in erster Linie an fran zösische Anleihen für Italien gedacht wird. Eine Besserung der Wirtschaftslage müsse sich natürlich auch auf das übrige Europa auswirken. Allgemein wird die Bedeutung des Abkommens für die kommende A b - rllstungskonferenz betont. Die Aussichten für' diese Konferenz, so heißt es in einem Bericht der „Times", hätten sich wesentlich gebessert. Jie Feier des MisimmiWS im UHM. Berlin» 1. März. Den hervorragendsten Platz unter den Feiern am Volkstrauertag nahm die vom Volksverband Deutsche Kriegsgräberfürsorge veranstaltete Gedenk feier im Plenarsitzungsjaal des Reichs tages ein. Die Rückwand des Sitzungssaales war mit schwarzem Tuch bekleidet, von silbernen Kränzen und sil bernen Kreuzen geschmückt. Davor hatten Abordnungen der Reichswehr und der Studentenschaft in vollem Wichs mit umflorten Fahnen Aufstellung genommen. Das Rednerpult war mit großen Lorbeerkränzen der Reichs regierung und des Reichstages geschmückt. Zwischen beiden lag die Reichskriegsflagge. Auf der Ministerbank hatten Reichskanzler Brüning und die Mi nister Dietrich, Dr. Eurtius, von Guerard und Treviranus, ferner Staatssekretär Pünder, Geheimrat Kahl, sowie hohe Offiziere der Berliner Garnison Platz genommen. Pünktlich um 12 Uhr erschien Reichspräsident v. Hindenburg, geleitet vom Reichstagspräsidenten Löbe, in Begleitung des Chefs der Heeresleitung, Ge neral vonHammerstein, und des Chefs des Admiral stabes, Admiral Raeder, und der frühere Reichswehr minister Dr. Geßler in der Loge. Die den Saal und die Tribünen dicht füllende Trauerversammlung erhob sich von den Plätzen und ehrte den Führer im Weltkriege und damit die gefallenen Kämpfer durch längeres andachts volles Schweigen. Die Feier begann mit einem Vortrag von Händels Trauermärsch aus dem Oratorium Saul, vorgetragen vom Kosleckschen Vläserbund. Danach sang der Erksche Männer- gesangverein. Die Gedenkrede hielt der erste Schriftführer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Dr. Eulen. Der Volkstrauertag solle nicht nur der Aus druck der Dankbarkeit sein, sondern auch ein Denkmal deut scher Einigkeit und ein Symbol deutscher Hoffnung. Aus dem Leid sei immer wieder des deutschen Volkes höchste Kraft gewachsen. Unsere teuren Toten seien das einzige Symbol der Einigkeit, das wir heute noch hätten. Die singende Jugend von Langemarck seien die Vorkämpfer für eine neue Welt. Während die Fahnen sich unter Trommel wirbel senkten, ertönten die Klänge des Liedes vom guten Kameraden. Mit dem Deutschlandlied schloß die Gedenk feier. In der Wandelhalle durchschritt der Reichspräsident das Spalier der akademischen Jugend, um dann noch vor dem Reichstagsportal die Ehrenkompanie abzuschreiten., Außer dieser großen Veranstaltung im Reichstag sand noch eine ganze Reihe anderer Heldengedenkfeiern in Ber lin statt, so u. a. im ehemaligen Herrenhaus, im Rathaus, im großen Schauspielhaus, im Kriegervereinshaus, in der Hochschule für Musik und in anderen großen Festsälen der Reichshauptstadt, die von vielen Tausenden besucht waren. Auch im übrigen Reich wurden die Toten des Weltkrieges überall in gebührender Weise geehrt. Sariete. Roman eines seltsamen Lebens von Felix Neumann, rij «Nachdruck verboten.) Was wollte dieser fremde Mensch? Ach — vielleicht war alles nur Einbildung. Wie töricht, sich solchen Gedanken hinzugebenl Und Fritz begrüßte es freudig, als Hella Adolfi ihn aus seinen grüblerischen Gedanken riß. „Spielen Sie Tennis, Herr Sendrezki?" Der wehrte ab „Ein wenig, gnädiges Fräulein, aber nicht gut genug, um mich mit Ihnen zu messen Und — wann hätte ich wohl Zeit dazu gehabt?" „Nun - man kann das Versäumte nachholen. Ich lade Sie auf unseren Klubplatz in Wilmersdorf ein. Vielleicht kommen noch einige schöne Herbsttage, bis es dann mit dem Spiel im Freien aus ist." Wie aus der Erde gewachsen stand Mary zwischen den beiden. Wieder lag dieses kalte, mokante Lächeln um ihren Mund „Werden Sie Fräulein Adolfi auch einen Korb geben wie mir?" Während Hella an ihrer Handtasche die Schließe öffnete, um etwas herauszunehmen, flog blitzschnell ein Blick aus Marys Augen zu dem jungen Mädchen hin über, den Fritz bemerkte. Etwas wie Abneigung, ja fast wie Hatz lag darin. Dann aber fand sich Mitz Longworth wieder und das Antlitz war kühl und eben wie sonst. Hella blickte unbefangen auf. „Einen Korb? Ihnen hat Herr Sendrezki einen Korb gegeben?" Schelmisch triumphierend klang die Stimme. Fritz zuckte lachend die Schultern: „Es war nicht böse gemeint. Fräulein Longworth sprach zu mir von den mutmatzlichen Aussichten für Amerika. Da aber wage ich mich in aller Bescheidenheit noch nicht hin!" Diese harmlose Erklärung rettete die Lage. Aber der junge Künstler erkannte, daß von diesem Augenblick an sich zwischen die beiden jungen Damen das drohende Gespenst der Eifersucht schob. Man rüstete zum Aufbruch. Herrn und Frau Adolfis Bemühungen, die Gäste noch zu halten, waren mehr höflicher Natur, denn es war schon sehr spät geworden. Mary reichte Sendrezki die Hand „Wundern Sie sich nicht, wenn Sie eines Tages Besuch erhalten. Und wenn Brown kommen sollte, seren Sie nicht unhöflich zu ihm. Der Mann ist allmächtig." Hella erhielt nur eine Fingerspitze und ein flüchtiges steifes Lächeln Wie herrlich war diese Fahrt! Im Gedränge der Garderobe trat Professor Got- torp an Fritz heran: „Ihre Wohnung liegt an dem Wege, den mein Auto nimmt. Darf ich Sie mitnehmen?" Sendrezki erschrak, als er die Stimme hörte. Fast hatte er schon die Eindrücke des Abends ver gessen, nun wurden sie wieder wach Schon lag irgendeine törichte Ausrede ihm aus der Zunge, dann aber siegte die Sympathie für dsesen Herrn und er nahm dankend an. An der Bordschwelle stand neben dem sechssitzigen geschlossenen Wagen der Chauffeur und grüßte militärisch „Fahren Herr Professor selbst?" Der lehnte ab und nannte Sendrezkis Adresse. Nun saßen sie beide in den weichen Sitzen und die Deckenbeleuchtung warf ihr Helles Lich, durch den Raum. Der Wagen sprang mit leichtem Ruck an und fegte davon. Für einen Augenblick schloß Fritz die Augen. Wie herrlich war diese Fahrt! Unnötig, sich in eine Elektrische zu drängen oder den Autobus zu benutzen, die Freundlichkeit eines fremden Herrn führte ihn zu seinem Heim. Ein bitteres Lachen wollte in ihm aufsteigen, aber er unterdrückte es. Konnte man diese Berliner Miet stube ein Heim nennen? Ein Absteigequartier war es, mehr nicht! Gewiß, die Verhältnisse im Elternhause waren nie üppig gewesen. Aber an jedem der alten Mahagonistücke, die nun in alle Winde gingen, haftete eine liebe Erinnerung. Die Uhren schlugen frohe und ernste Stunden. überall seelische Verbindungen traulich-wehmütiger Natur. Diese Riesenstadt zermalmte zwischen ihren gierigen Zähnen jeden, der sich übertriebener Sentimentalität hingab. Der heutige Abend bescherte ihm einen großen Erfolg. Vielleicht wurde bald alles anders. Er konnte sich ein Quartier wählen, das ihm gefiel Freilich, fremd würde es ihn auf seinen Wander fahrten immer anmuten. Er schreckte aus seinen Gedanken empor. Eine Hand berührte seine Knie. Gottorp zog die leichte Kamelhaardecke höher hinaus und breitete sie vorsorglich über seinen Gast. „Wie liebenswürdig, Herr Professor! Ich — friere nicht!" „Aber Sie sind erschöpft! Das merke ich Ihnen an. Da genügt schon eine leichte Erkältung." Wieder schwiegen sie eine Weile Wie ein Blitz schoß der Wagen um die Ecken. Andere Gefährte kamen entgegen und huschten wie Gespenster vorüber. Die Elektrische rasselte quietschend vorbei. Dieser ganzeLärm, der Fritz roh und sinnlos dünkte, drang nur gedämpft in die kleine Welt des Luxus gefährtes, bas den Künstler nach Hause brachte. In dieser geborgenen Abgeschiedenheit, in der Nähe dieses Mannes, der einen seltsamen Einfluß auszuüben verstand, kam es Fritz zum Bewußtsein, was er an Auf regungen und Anstrengungen in bei verflossenen Worin durchwachte. «Fortsetzung solgw