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Die VeUeWgell del 6. P. D. mt der RGlWMg. Noch keine Einigung. Berlin, 18. März. Die Besprechungen der Reichsregie rung mit den Unterhändlern der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion sollen am Mittwoch mittag fortgesetzt werden. In der Besprechung vom Dienstag beschäftigte man sich u. a. mit dem Wunsch der Reichsregierung, den Reichs tag nach Abschlag der Haushaltsberatungen bis zum Be ginn der Wintersession, also bis zum ersten Mittwoch im November, zu vertagen, wogegendieSozialdemo- kraten Bedenken haben. Außerdem standen die steuerpflichtigen Forderungen der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zur Erörterung. ZueinerKlärung gelangte man am Dienstag nicht. Zu diesen Besprechungen, die am Dienstag noch zu keinem Ergebnis führten, berichtet der „Vorwärts" ergän zend, daß außer bei den geforderten Zuschlägen zur Einkommensteuer, auch noch große Meinungsver schiedenheiten bei der von der Reichsregierung gewünschten Ermächtigung zur selbständigen Festsetzung der Agrar- und Fndustriezölle bestehen. Das Verlangen der Sozialdemokratie gehe dahin, unter allen Umständen zu vermeiden, daß durch die Handhabung dieser Zollermächtigung eine Gefährdung der Handelsbeziehungen Deutschlands zu den ausländi schen Mächten, und vor allen Dingen eine Verteuerung der Lebenshaltung eintrete. Durch die Herabsetzung der jetzt geltenden Weizenzölle und durch andere in der gleichen Richtung laufende Maßnah men müsse daher eine jetzt drohende Brotverteuerung ver mieden werden. Das sei angeblich auch die Absicht der Reichsregierung. Ueber den Inhalt des Ermächtigungs gesetzes aber habe sich bisher eine llebereinstimmung nicht erzielen lassen. Dasselbe gelte von der Etatermächtigung, durch die der Finanzminister zu größter Sparsamkeit ver pflichtet werden soll. Gegen dieses Ziel beständen bei der Sozialdemokratie keine Bedenken. Sie wünscht jedoch, daß diese Ermächtigung zu weiterer Sparsamkeit lediglich auf die nicht gesetzlich gebundenen Ausgaben sich erstrecke, und daß die gesetzlich gebundenen Verpflichtungen, also die Zu schüsse des Reichs zur Sozialversicherung, die Leistungen an die Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen, an die Klein rentner, sowie die Krisenfürsorge und die produktive Er- werbslosenfllrsorge ausdrücklich von der künftigen Spar aktion ausgenommen würden. Severing gegen die Wehrverbände. Herford, 18. März. Der preußische Innenminister S e - vering sprach in Kirchlengern im Kreise Herford über Wirtschaftskrise und politische Aufgaben. Im Verlauf seiner Rede nahm er zu den Wehrverbänden Stellung und er klärte, daß sie heute keine Daseinsberechtigung mehr hätten. Sie seien gegründet in einer Zeit, wo der Staat noch wegen der im Volke vorhandenen Waffen aus der Kriegszeit solcher Stützen bedurfte. Heute, wo dis Ordnung durch Polizei und Reichswehr hinreichend ge sichert sei, müsse jede Heranziehung solcher Verbände aui diesem Gebiete aufhören. Aus dem Fehlen sonstiger Auf gaben und der zwangsläufigen Untätigkeit sei auch die Idee des vom Stahlhelm eingeleiteten Volksbegehrens entsprun gen. Hinsichtlich der Besoldung ließ der Minister die Möglichkeit einer weiteren Kürzung der Beamtengehälter offen. Eine wesentliche Ab nahme der Zahl der Arbeitslosen im Jahre 1931 sei unwahrscheinlich. » Ausdehnung der Osthilse im Ostansschuß des Reichstagesbeschlossen. Berlin, 18. März. Im Ostausschuß des Reichstages wurde heute bei der Beratung des Osthilfegesetzes beschlos sen, das räumliche Geltungsgebiet der all gemeinen Hilfsmaßnahmen auf ganz Pom mern und ganz Niederschlesien sowie auf die an die Tschechoslowakei angrenzenden KreiseSachsensundBayernsauszudehnen. Der Paragraph 2, der die landwirtschaftliche Siedlung betrifft, wurde auf Antrag Dr. Moldenhauers (DVP.) in der Art geändert, daß die Neusiedlung und die Anliegersiedlung nach Maßgabe des landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes vorwiegend in den dünn bevölkerten Landesteilen des Osthilfegesetzes nachdrücklich zu betreiben sind. Die Bestimmungen über den Bau von Eisenbahnen und anderen Verkehrslinien wurde dahin erweitert, daß im Regierungsbezirk Niederbayern die Bahnlinie Bodenmais- Kötzting gebaut werden müsse. Weiter wurde eine Ent schließung angenommen, wonach der obere Pregel bon Wehlau bis Insterburg schiffbar gemacht und der Masu rische Kanal fertiggestellt werden soll. Dann ging der Ausschuß zur Beratung des Abschnittes über die landwirtschaftliche Entschuldung über. M kaM m der hUdumlslWM Min. Berlin, 17. März. Am Dienstagnachmittag sprach Reichskanzler Dr. Brüning auf einer aus Anlaß der Reichshandwerkswoche veranstalteten Obermeistertagung der Handwerkskammer Berlin. Der Kanzler betonte zu nächst, es sei Pflicht jeder Regierung, das Vertrauen nicht nur im deutschen Volke, sondern auch im Auslande zu Deutschland wiederherzustellen. Das Handwerk habe das Recht, daß die Gesetzgebung auf die Bedeutung des Hand werksstandes und seiner individuellen Erfordernisse Rück sicht nehme. Das sei leider nicht immer der Fall gewesen. Alle Maßnahmen, die das Ausland gegen die Wirtschafts krise in letzter Zeit ergreife, stimmten ausfallend überein mit den Maßnahmen, die die Reichsregierung schon früher durchgeführt habe. Deutschland seufzte unter der Last der Reparationen. Trotzdem komme es für uns darauf an, als erstes Land aus dieser Krise wieder herauszukommen. Dazu gehöre der Wille, durchzuhalten. Deutschland wolle seinen Platz in der Weltwirtschaft nicht nur behaupten, sondern verbessern. ! Die Reparationen könnten auf die Dauer nicht ge tragen werden. Wenn man aber eine Revision I wünsche, müsse man den Mut haben, vorher im eige nen Hause Ordnung zu schaffen. Es müsse eine Politik gemacht werden, die offen und ehr lich nach jeder Richtung hin sich entwickle. Es komme jetzt darauf an, Ordnung in die Kommunalfinan zen zu bringen. Zu hohe Realsteuern brächten neue Preissteigerungen und Vergrößerung der Arbeitslosigkeit. Diese Frage müsse gelöst werden. Zur Politik gehöre ein System. Man könne heute nicht die Politik treiben und im nächsten Jahre eine andere. Schwere Monate ständen noch bevor. Voraussetzung für die Sanierung sei größteSparsamkeitallerorts. Auch dem Bau gewerbe müsse geholfen werden. Gleichzeitig müsse eine Senkung der Mietslasten und Baukosten erfolgen. Keine Genfer Handelskonvention. Die Verhandlungen find gescheitert. Genf, 17. März. Die Verhandlungen der auf der Wirtschaftskonferenz des Völkerbundes versammelten euro päischen Regierungen über die Genfer Handelskonvention vom 24. März 1830 sind gescheitert. Die Wirtschaftskon ferenz hat in ihrer heutigen Nachmittagssitzung festgestellt, daß die Konvention nicht in Kraft gesetzt werden kann. Die Konvention sah vor, datz während einer bestimmten Zeit die bestehenden Handelsverträge nicht gekündigt werden dürfen und datz sich die vertragschlietzenden Staaten zu einer gewissen llebereinstimmung ihrer Handelspolitik ver pflichten. Mit dem Scheitern der Handelskonvention haben auch diejenigen Staaten ihre Handlungsfreiheit wieder er langt, die, wie Deutschland, die Handelskonvention rati fiziert haben. Die entscheidende Wendung bei den heutigen Verhand lungen der Wirtschaftskonferenz, die zum Scheitern der Han delskonvention führte, wurde durch den Einspruch Englands gegen die Inkraftsetzung der Konvention herbeigeführt. Auf Anfrage des Präsidenten Colijn erklärten darauf die Ver treter der Staaten, die das Abkommen bereits ratifiziert haben, datz sie keine Möglichkeit sähen, die Konvention in Kraft zu setzen. Die Entscheidung der Konferenz kann nach hiesiger Auffassung zur Folge haben, datz nunmehr in den Handelsbeziehungen der europäischen Staaten ein Zustand der Unsicherheit eintritt. Die Konferenz wird nochmals zusammentreten, um das Schluhprotokoll zu unterzeichnen. Wie verlautet, wird der deutsche Vertreter das Schluhproto koll nicht mit unterzeichnen. Handels- und Liquidationsabkommen im polnischen Senat angenommen. Warschau, 18. März. Der polnische Senat hat in seiner Nachtsitzung vom Dienstag auf Mittwoch nach mehrstündi ger Aussprache die beiden Anträge der Regierung auf Ratifizierung des Liquidationsabkommens und des Han- dclrr:rtrages mit Deutschland angenommen. Wieder rote Hosen in Frankreich. Niemand wird bezweifeln, datz im Kriegsfälle eine schlichte graue, dem Gelände sich anpassende Uniform bei der heutigen Waffenwirkung das einzig Mögliche ist. Im Frieden dürfte sich die Sache aber doch etwas anders ver halten, der Soldat bedarf des Schmuckes in seiner Klei dung, und so macht sich auch in der gesamten militärischen Welt das Streben nach einer schmuckvollen Friedensuniform bemerkbar. Auch in unserem Reichsheer hat man in dieser Hinsicht schon einige Schritte getan; entscheidens Maßnah men zu treffen, verhindert im Augenblick die Notlage des Landes. Jetzt kommt nun aus Frankreich die Nachricht, daß dort die farbigen Röcke und vor allen Dingen die roten Hosen wieder eingeführt werden sollen. Die rote Hose wurde in der französischen Armee, befonders von Gardetruppen, schon zur Zeit Ludwigs XIV. getragen. Dann verschwand sie, denn die berühmten Regimenter Napoleons I. trugen fast durch weg weiße Hosen. Endgültig für die gesamte In fanterie eingeführt wurde sie im Jahre 1830, ist also gerade 100 Jahre alt. Seitdem hat sie sich auch bis zum Weltkriege erhalten, und bekanntlich rückten ja die Franzosen auch noch in ihren roten Hosen ins Feld. Man versteht sich in Frankreich auf die Erhaltung der militärischen und uniformlichen Tradition erheblich besser als bei uns, und die ganze Nation interessiert sich in vor bildlicher Weise für die llniformgeschichte seines Heeres. So hat das Kriegsministerium auch jetzt, ehe es zur Wieder einführung der roten Hose übergehen wollte, erst eine Son derausstellung veranstaltet, in der die verschiedensten Uni formen, dabei auch die roten Hosen, ausgestellt waren. In gewaltiger Anzahl liefen daraufhin beim Kriegsmini sterium Bittschriften ein, die rote Hose wieder zu Ehren zu bringen. Dieser Umstand unterstützt das Kriegsministerium aufs beste in seinem Vorhaben, beweist aber auch, welch großes Interesse das Volk an seinem Heer hat. Lohnbewegungen unb Streiks. - Der Lohnkampf der Eisenbahner. In Leipzig tagte am Sonntag eine von den Bezirksleitungen Sachsen und Halle des Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands gemeinsam einberufene Bezirkskonferenz der Bevollmäch tigten und Betriebsfunktionäre im Bereich der Reichsbahn direktionsbezirke Sachsen und Halle. Nach einem Vortrag des Verbandsvorsitzenden, Reichstagsabg. Scheffel, wurde einstimmig eine Entschließung angenommen, die vom Reichsarbeitsministerium und von der Schlichtungskamnrer Variete. Roman eines seltsamen Lebens von Felix Neumann. ölj «Nachdruck verboten.) Fritz schloß die Augen. Das Gefühl trostloser Vereinsamung, das er vorher empfand, wich Dieser Arm Gottorps brauchte sich nur ein wenig zu senken und er legte sich um den Nacken des Jüng lings, der niemanden in der Welt mehr sein eigen nannte Tann aber schüttelte er diesen süßen Traum einer Se kunde ab Die Freundschaft mit dem berühmten Manne würde in Kürze zu Ende sein Wenn er Berlin verließ, war alles aus. Andere Menschen kamen und verdrängten ihn aus dem Gedächtnis des Professors, der später vielleicht ein mal mit leichtem Spott des schwärmerischen Jünglings ge dachte, der einst seine Lebensbahn kreuzte und dann ver schollen blieb Die ersten Töne erklangen. In die. brausenden Akkorde des Klaviers mischten sich klar und in überirdischer Reine die Klänge der Geige „Der Messias!" Langsam wandte Fritz das Haupt und blickte zu seinem Nachbar Der hielt den Blick auf die Künstlerin gerichtet Die Akustik des Musikzimmers war wundervoll. Aber das, was Sendrezki zum höchsten Genuß werden sollte, ward ihm zur Pein Was war seine bescheidene Kunst gegen diese Leistung! Und unwillkürlich rückte er zur Seite. Wie klein und erbärmlich kam er sich vor. Ein Gaukler der Alhambra durfte nicht die Augen erheben zu diesem Genie, das da am Flügel stand und die Hörerschaft in seinen Bann zwang. Das Stück war zu Ende. Gottorp erhob sich, durchschritt den Raum und küßte der Künstlerin die Hand. „Nun — mein lieber Freund, war das nicht ein Be weis dafür, was Sie als Arzt geschaffen haben?" Der Professor lächelte. „Allerdings! Es ist das erstemal, daß ich so etwas wie Stolz empfinde!" Auf den Zehenspitzen trat der Diener ein und reichte ein silbernes Tablett mit gefüllten Sektgläsern. Wie im Traum erhob sich Sendrezki und nahm das leine Gottorp sprach einige Worte der Huldigung und die Kelche stießen mit seinem Singen aneinander. Der Professor lächelte als er vor Fritz stand. „So ernst — mein Freund?" Sendrezki wollte etwas banal Abwehrendes äußern aber das Wort blieb ihm im Halse stecken Eine grenzenlose Bitterkeit, die er sich gar nicht zu er klären vermochte beherrschte ihn Das Stück war zu Ende Niemand tat ihn etwas, niemand kränkte ihn, und doch war es ihm, als ob eine neue Welt, die er sich phan tastisch schuf, vor ihm versänke. Salten sprach Worte der Anerkennung. Dann suchte man neue Noten heraus. Ein ungarischer Tanz folgte. Temperament und Technik der Künstlerin waren staunenswert Man konnte es begreifen, daß die Hörer im Konzert saal rasten, wenn Ellen Nordy spielte. Gottorp klatschte in die Hände und auch Fritz ver mochte sich nicht von dieser Dankesbezeigung auszu schließen Schon die Höflichkeit verlangte seinen Beifall. Die Künstlerin legte die Geige sorgsam beiseite „Genug, genug! Ich wollte nur beweisen, daß ich wieder aus Vee Höhe Vin!" Sie verneigte sich mit dem gleichen bezaubernden Lächeln, mit dem sie sonst vom Podium aus ihre Kunstgemetudc mit fortriß Daun gruppiene man sich um den kleinen Ecktisch und sprach fleißig dem Sekt zu. Plötzlich schreckte Sendrezki aus, denn Ellen redete ibn unvermutet an Lachend sprach sie: „Sie sehen mich so merkwürdig an, Herr Sendrezki! Haben Sie etwas gegen mich?" Das Gespräch verstummte. Fritz hob befangen sein Glas. „Aber — gewiß — nicht! Ich bin Ihnen vielmehr noch Tank schuldig!" Und er stieß mit der Künstlerin an, während seine Hand bebte Er haßte dieses scharmante Weib! So herrlich ihre Kunst war, so gefährlich dünkte ihn Ellen Nordy Ein wunderschönes, geschmeidiges Raubtier! Salten legte ein in feinstes Leder gebundenes Buch auf den Tisch Die Geigerin schob ihren Kelch beiseite. „Gut, daß Sie daran denken. Ihre Unterschrift, Professorchen! Und einen guten Spruch aus den Weg!" Sie stützte das schmale Kinn in die Hände und blickte Gottorp schelmisch an. „In diesem Album sammle ich Unterschriften be rühmter Männer, mit denen ich in Berührung kam —" Gottorp warf die Zigarette in den kupfernen Becher. „Ah — darf ich einmal in dem Buche blättern?" Und etwas malitiös lächelnd setzte er hinzu: „Ver mutlich alles Grabinschriften Unglücklicher, die nicht er hört wurden?" Salten wiegle das Haupt: „Sehr geistreich und treffend gesagt." Alle lachten, nur Fritz starrte vor sich nieder. Da hörte er, wie Gottorp sprach: „Nun — wenn es sein muß, will ich mich einsügen in den Reigen Ihrer Verehrer, dann aber müssen Sie ge statten, gnädiges Fräulein, datz auch Herr Sendrezki die Feder ansetzi Er ist auf dem Wege, berühmt zu werden." Glühende Röte schotz in die Wangen des Jünglings. Abwehrend hob er die Hand „Nein — nein! Meine Beteiligung würde den Werr dieser Sammlung nur schmälern " iJonseyung solgl)