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Die Sozialdemokratie Der Reichstag hat sich bis zum Montag ver tagt. Dann wird der Etat des Reichsinnenministeriums im Plenum beraten werden. Daran soll sich dann die B e - ratung des Wehretats anschließen. Da bisher nicht zu erwarten steht, daß die Rechtsoppossition sich bei den Be ratungen des Wehretats wieder im Plenum einfinden wird, so wird natürlich im Reichstag erneut die Frage eifrig besprochen, wie sich die Sozialdemokraten bei der Verabschiedung des Wehretats verhal tenwerden. Bekanntlich wird ja im Wehretat auch über die Genehmigung der ersten Baurate des Panzerkreu zers 8 entschieden werden müssen. Sehr aufschlußreich für die vermutliche Haltung der Sozialdemokratie ist ein Artikel des sozialdemokratischen Abgeordneten Dittmann im „Vorwärts". Dittmann betont u. a., man unterstelle der Sozialdemokratie d i e Torheit, daß sie gemeinsam mit den Kommunisten eine Mehrheit gegen die Mittelparteien in den Fragen der Sozial- und Wehrpolitik herbeiführen werde, so daß die Mittelparteien die Rechte um Rückkehr und Hilfe anflehen müßten. Diese Spekulation unterschätze die Intel ligenz der Sozialdemokratie, die sich bewußt sei, daß ihr zahlenmäßiger Einfluß im Reichstag bei der Wahl am 14. September 1930 bestimmt worden sei, und daß die indirekte künstliche Steigerung ihres Zahlen-Eewichtes durch den Auszug der Rechten keine wirkliche Machtsteigerung be deute. Sie würde sich also nicht auf das Glatteis einer sozialdemokratisch-kommunistischen Scheinmehrheit locken lassen, selbst wenn die Kommunisten noch so sehr über „Verrat" zetern würden. ! Die Arbeitermassen, die getreu ihrer Fraktions- und « Parteiparole in der Niederwerfung des Faszismus das Ge bot der Stunde sehen, sind nicht so töricht, sich von solchem kommunistischen Verratsgeschrei beirren zu lassen. Sie wissen, worauf es ankommt, daß die nachträglich konstru- « ierte Taktik der Reaktion nur darauf gerichtet ist, die Re- gierung zu stürzen und sich selber in den Sattel zu setzen. Dieses Ziel der Reaktion zu vereiteln, sind die Massen zu jedem unvermeidbaren Opfer bereit, weil sie wissen, daß sie : für den Wehretat? sonst vom Regen in die Traufe geraten würden. Gelänge es der Rechten, die Mittelparteien an sich zu reißen und über ihre Leichen zur Macht zu kommen, dann ade Arbeits losenschutz, ade Arbeiterrechte, ade Sozialpolitik, ade Kon sumentenschutz, ade Arbeiterrechte, ade staatsbürgerliche Freiheiten für die Arbeiterklasse!" Noch keine einheitliche Stellungnahme in der Sozialdemokratie. Berlin, 27. Fehr. Am Montag wird die sozialdemokra tische Reichstagsfraktion zu einer Sitzung zusammentreten, der man in politischen Kreisen große Aufmerksamkeit schenkt. Es ist bekannt, daß innerhalb derSPD. die Auffassungen über den Wehrhaushalt noch nichts öl liggeklärt sind, und daß eine ein heitliche Stellungnahme besonders zu den Fragen des Baues der Panzerschiffe noch nicht erzielt ist. Der beson ders große Widerstand eines Teiles der Fraktion richtet sich gegen die ersteRatefürdasPanzerschiff L, die mit 10,38 Mill Mark im Wehrhaushalt veranschlagt ist Davon sind 6,1 Mill, für den Schiffsbau, 4,6 Mill, für die artilleristische Ausrüstung und 100 000 RM. für die Torpedowaffe bestimmt. Dagegen ist die für das Panzer schiff F eingesetzte Summe von 18,8. Mill. RM. (9,5 Mill, für den Schiffsbau, 9,1 Mill, für die Artillerie und 200 000 Mark für die Torpedowaffe) ohnehin zwangs läufig, da es sich um die für die Fertigstellung des Schiffes notwendige Baurate handelt. Für das Panzer schiff wird darüber hinaus nur noch ein kleiner Rest be nötigt werden. Die Frage der Schiffsbauten berührt aber zugleich die gegenwärtig besonders akute Frage der Arbeits beschaffung, da 80 v. H. der angeforderten Summen für Löhne und Gehälter verwendet werden, die den Küsten städten und den inländischen Lieferanten zugute kommen. Der Wehrhaushalt wird voraussichtlich Dienstag oder Mitt woch dem Haushaltsausschuß des Reichstags vorliegen, selbst wenn bis dahin noch keine völlige Klärung über die endgültige Haltung der Sozialdemokraten erzielt sein sollte. M LMmg der kMlWstm bei WenbUg. Erklärungen Stegerwalds und Dr. Brünings. Berlin, 27. Februar. Wie der „Vorwärts" ergänzend zum Empfang der Gewerkschaften durch den Reichspräsiden ten v. Hindenburg berichtet, antwortete Reichsarbeits minister Stegerwald den Gewerkschaftsführern in einer längeren Rede. Er habe erklärt, er würde andemKern derTarifverträge, an demKern des Schlich- tungswese-ns, an dem Kern der Sozialver sicherung während seiner Amtszeit nicht rütteln lassen. Ls gebe aber auf diesen Gebieten noch eine An zahl Inflationserscheinungen und eine Anzahl Unausge glichenheiten, die noch beseitigt werden müßten und wo die Gewerkschaften auch noch Konzessionen machen könnten. Den Vertretern der Arbeitgeber, die in den letzten Tagen von ihm verlangt hätten, das staatliche Schlichtungswesen wenig stens vorübergehend zu suspendieren, habe er geantwortet, daß er das entschieden ablehne. Reichskanzler Dr. Brüning habe erklärt, daß die Regierung die Verhandlungen mit den Gewerkschaftsver tretern von sich aus weiter fortsetzen werde. Er wolle aber heute schon gegenüber irreführenden Mitteilungen in der Oeffentlichkeit sagen, daß die Ermächtigung, die die Regie rung in dem neuen agrarpolitischen Gesetzent wurf vom Reichstag verlange, nicht so gedacht sei, daß die Regierung nun sofort Zollerhöhungen durchzu führen beabsichtige, vielmehr solle jede etwaige Zoll erhöhung davon abhängig sein, daß die Landwirtschaft zu vor gewisse Bedingungen auf dem Gebiet der Selbsthilfe erfülle, z. B. auf dem Gebiet der Rationalisierung, der Standardisierung, der Verkaufsorganisation durch Ausbau des Genossenschaftswesens usw. Der Reichsernährungs ¬ minister habe erklärt, daß er der Landwirtschaft für die Durchführung dieser Selbsthilfemaßnahmen bestimmte Ter mine setzen werde und erst nach Erfüllung dieser Bedin gungen werde die Regierung sich bereit erklären, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen. Die Verhandlungen in Rom. London, 27. Februar. Die Arbeiten des ersten Tages, so berichtet der „Daily Herald", hätten im allgemeinen ziemlich gute Ergebnisse gebracht. Die „Times" heben her vor, daß sich die Verhandlungen nicht nur auf technische Flottenfragen, sondern auch auf die allgemeine poli tische Lage erstreckt hätten. Die össentliche Meinung in Italien werde vorsichtig auf ein mögliches Abkom men vorbereitet, in dem durch grundsätzliche Erwägungen mehr gesagt werden solle als durch die Zahlenangaben. In dem Bericht der „Morningpost" wird darauf hingewiesen, daß das Ziel der englischen Abordnung in Rom darin be stehe, durch politische Maßnahmen denUnterschiedzu überbrücken, der noch in den Zahlen dex französischen und italienischen Marinesachverständigen bestehe. Am Sonntag Rückkehr Hendersons. Paris, 27. Februar. Der römische Sonderberichterstat ter des „Echo de Paris" meldet seinem Blatte, daß Hender son und Alexander am Sonntagnachmittag um 2 Uhr wie der von Rom zurück seien und nach einer kurzen Rücksprache im Außenministerium bereits um 4 Uhr die Weiterreise nach London antreten würden. Ueber den Stand der Verhand- , lungen sei man selbst in Rom nur sehr ungenau unterrich tet. Gerüchtweise verlautet jedoch, daß Italien zwar dem französisch-englischen Vorschläge grundsätzlich zu stimm e, es aber dennoch vorgezogen habe, einen Gegen vorschlag zu unterbreiten. M RßrMHe Md gegen NeWnM. London, 27. Februar. Das australische Kabinett hat sich mit der Haltung des Ministerpräsidenten von Neu-Süd- wales nicht einverstanden erklärt, der die Zinszahlungen aus ausländischen Anleihen nicht mehr leisten will, bis die australischen Schulden an England neu geregelt sind. Der Anleiheausschuß wird sich weigern, Neu-Südwales neue Anleihen zu geben, solange dieses seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Das australische Kabinett hat sich zur Reorganisierung der australischen Wirtschaft für die Annahme eines Drei jahresplanes entschieden, in der Lohnherabsetzungen und Steuererhöhungen vorgesehen sind. Ferner soll — wie der Finanzminister bekanntgibt — ein Gesetz eingebracht wer den, wonach der Notenumlauf um 18 Millionen Pfund er höht werden soll. Dieser Beschluß wird in der englischen Presse als Jnflationspolitik stark verurteilt und hat auch nicht die Zustimmung der australischen Banken gefunden, die im übrigen den Reorganisierungsmaßnahmen günstig gegenüberstehen. Im nordöstlichen Teil von Neu-Südwales ist eine Be wegung im Gange, sich von dem Staate zu trennen und zu einer selbständigen Provinz zu machen. Dieser Teil von Neu-Südwales ist mit der Finanzpolitik des Ministerpräsi denten nicht einverstanden. Londoner Kritik an Henderson. London, 26. Februar. Die plötzliche Abreise des Außen ministers Henderson und des Ersten'Lords der Admi ralität Alexander war in London in den letzten Tagen mehrfach der Gegenstand ernster Kritik, die jetzt durch den diplomatischen Korrespondenten des „Daily Telegraph" deutlich in der Oeffentlichkeit zum Ausdruck gebracht wird Er sagt, daß unnötige Uebereilung und eine zu starke Sen timentalität eine gewisse Gefahr für die Verhandlungen bedeuteten. Großbritannien könne sich Zeit lassen, denn ein Zusammenbruch der Verhandlungen würde zwar bedauert werden, sei aber keineswegs eine tragische Angelegenheit, da Frankreich seine Gesamttonnage nur um 40 000 Tonnen herabsetzen wolle. Es dränge sich also die Vermutung auf, daß Henderson und Alexander bei ihren Verhandlungen nicht so sehr auf die technischen Einzelheiten Wert legen würden, als vielmehr auf eine Aussöhnung des französischen und italienischen Standpunktes. Der Grund von Hendersons plötzlicher Abreise nach Paris. London, 26. Februar. Wie „Daily Herald" berichtet, ist die plötzliche Abreise Hendersons nach Parias auf Mit teilungen von Pertinax in der französischen Presse zu rückzuführen. Dieser habe eine ungenaue Lesart über die Vorgänge veröffentlicht und einen sehr kritischen Komen- tar angefllgt. Henderson habe befürchtet, daß der Presse feldzug möglicherweise zum Zusammenbruch der Verhand lungen führen könnte und sich deshalb zu sosortigem Han deln entschlossen. Keine englischen Konzessionen an Frankreich? London, 26. Febtuar. „Daily Herald" versichert, daß die Nachricht, Henderson und Alexander hätten die Flottenzugeständnisse Frankreichs mit entsprechenden Kon zessionen bezüglich der Landabrüstung er kauft, falsch sei. Es sei während der Pariser Verhandlun gen nicht ein Wort über die Landabrüstung gefallen. Die „Times" drücken sich etwas vorsichtiger aus und sagen, die britische Regierung habe zu keinen politischen Klauseln ihre Zustimmung gegeben. Eine neue Internationale Bank? London, 26. Februar. Auf der Ländersitzung der Direktoren der BIZ. soll, wie Pertinax im „Daily Tele graph" meldet der Gouverneur der Bank von England Montague Norman der Vorschlag gemacht haben, ein neues internationales Kreditinstitut zu schaffen, das unabhängig von politischen Erwägungen Anleihen rein kommerzieller und wirtschaftlicher Art auflegen soll. Er habe durchblicken lassen, daß Frankreich den größten Teil der Anleihen über nehmen müßte. Die Bank von Frankreich sei jedoch nicht bereit, ihre Kontrolle über die französische Kapitalsbewe gung aufzugeben. Man glaube daher nicht, daß der Vor schlag Normans angenommen werden würde. Variete. Noman eines seltsamen Lebens von Felix Neumann. G, ' «Nachdruck verbalen.« Der. Jüngling verneigte sich vor dem Direktor und den Damen. „Ich werde nur ein Mertelstündchen in Anspruch ge nommen und folge daher gern der Einladung" Die große Pause in den Darstellungen war vorüber und das Programm nahm seinen Fortgang. Nervös und unruhig saß Mary in ihrer Loge und ließ den Blick nach der Tür schweifen. « Was ging sie das alles an, was sich noch aus der Bühne zutrug? Hatte man ihren Brief nicht überreicht oder — lehnte der Künstler die Einladung ab? Sie beschloß, noch zehn Minuten zu warten, dann aber das Theater zu verlassen. Miß Underwood versuchte, ihre Begleiterin abzm lenken. Sie schob ihr das Opernglas hin. „Ach — sehen Sie doch diese fabelhafte Tanzpan tomime." Aber Mary war nicht dafür zu haben Im Gegenteil! Ihre Finger griffen in den roten Samtvorhang und zogen ihn dichter vor der Loge zu sammen, so daß nur noch ein Spalt blieb, durch den die Underwood den Vorgängen auf der Bühne folgen konnte. Da erschien in dem Augenblick, wo die Amerikanerin schon daran dachte, das Theater zu verlassen, der Logen schließer. „Herr Sendrezki bittet!" Ein kühles Winken der Hand. Der Diener ließ den Gemeldeten eintrelen. Im dämmerigen Licht des kleinen Raumes erschien das Gesicht des jungen Künstlers blaß. War es die Erregung, die dieser Abend mit dem ersten Auftreten mit sich brachte, die leichte Schatten um die sprechenden Augen legte? Mary hatte den Eindruck: er könnte siegesbewußter, heiterer aussehen! „Ich danke Ihnen, daß Sie meinem Wunsche, Sie zu sehen, Folge leisteten. Ich glaubte schon, Sie würden nicht kommen." Fritz begrüßte die Damen, nahm auf einem der leeren Polstersessel Platz und antwortete: „Ihr wunder voller Korb mit Flieder, gnädiges Fräulein, hätte mich schon veranlaßt, Sie ausznsuchen Aber auch ohne diese unverdiente Gabe wäre Ihr Ruf nicht umsonst gewesen. Wenn ich warten ließ, so geschah das, weil Herr Adolfi mich in seinem Bureau zurückhielt" Hastig fiel Mary ein: „Hat er Sie beglückwünscht?" „Ja - auch die Damen waren zugegen, und so zog sich das rein Geschäftliche in die Länge!" Miß Longworth lehnte sich zurück und ein mokantes Lächeln huschle über ihr Gesicht: „Natürlich! Hella Für einen Augenblick begegneten sich die Blicke des lungen Mädchens und des Künstlers Adolfi durfte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, »m Ihnen die Hand zu drücken." Von der Bühne her setzte ein Tusch ein. Irgendein Künstler vollendete seinen Akt und man klatschte. Die Underwood reckte ihren etwas mageren Hals und fiel in diesen Dialog ein: „Wir sind entzückt von Ihrer Leistung!" Sie hatte das Bestreben, abzulenken. Und Mary ergänzte: „Was ich Ihnen zu sagen hatte, war in meinem Schreiben zum Ausdruck gebracht. Aber darüber hinaus möchte ich Ihnen folgendes mit teilen: Aus meinen Wunsch hat Herr Brown der Vor stellung beigewohnt." Zögernd and in sichtliche, Spannung setzte sie hin zu: „Wenn nun der Ageni daran denkt, Sie früher oder später einmal für drüben zu verpflichten, würden Sie dann auch nein sagen?" Für einen Augenblick begegneten sich die Blicke des sungen Mädchens und des Künstlers. Daun blickte dei Gefragte vor sich nieder und sprach: „Sie haben wieder vorsorglich an mich gedacht, gnädiges Fräulein! Ich verdiene das ja nicht Auch fühle ich mich so gar nicht imstande, Ihnen gebührend zu druk-n!" Und dann in leichterem Ton: „Schieben 'M; die Be antwortung dieser Frage doch noch etwas hinaus. Wer weiß, ob Herr Brown nicht ein ganz ..nvercs Urteil fällt, als Sie die Güte hatten, abzugeben Ich habe wohl Vertrauen zu mir, denn das ist notwendig, aber — ich überschätze mein Können nicht. Erst muß ich mich in vollem Maße iir Deutschland bewährt haben, bis der Weg über das Wasser für mich lohnend ist." Während er so sprach und in seiner Weise der Amerikanerin zum zweitenmal absagtc, verwandte Mary keinen Blick von dem Jüngling Sie fühlte mit steigender Sorge, daß sie völlig im Banne dieses jungen Menschen stand, daß sie sich mehr und mehr in ein Netz verstrickte, das ein Zufall wob. Wieder rauschte vom Zuschauerraum her Beifall in die Loge. Aber die Wellen des Klatschens brachen sich an den roten Vorhängen. In der Schnelle weniger Sekunden zog der künftige Lebensweg Fritz Sendrezkis an ihr vorüber. Das Faszinierende seiner Erscheinung, das fast Zarte seiner Jünglingshastigkeit würde ihn von Erfolg zu Erfolg führen. Und die Frauen würden ihn umschwärmen, alt und jung! Wo fand man m dieser Well ohne Ideale einen jungen Mann von dieser Reine - seelisch und körverlich? Ausgewachsen in der Anschauungsweise eines gut bürgerlichen Hauses, rettete er sein feines Empfinden in sein neues Dasein hinüber Aber wie lange konnte das dauern? Diese klare Stirn mußte in wenigen Jahren die Runenzeichen wilden Geschehens aufweisen. «Fortsetzung folgt.!