Volltext Seite (XML)
Neue Schwierigkeiten Berlin, 16. Februar. Das Reichskabinett wird sich vor aussichtlich am Dienstag mit den neuen Agrarvorlagen be schäftigen, die auf einen verstärkten SchutzfürdiePro- dukte der deutschen Veredelungswirtschaft abzielen. In politischen Kreisen wird angenommen, daß die R e i ch s r e g i e r u n g noch vor der Verabschiedung der neuen Agrargesetzgebung durch das Kabinett sich mit den Mehrheitsparteien des Reichstages in Verbindung setzen wird, um auch deren schleunige parlamentarische Erledigung sicherzustellen. Von sozialdemokratischer Seite hört inan, daß gegen die in diesen Gesetzentwürfen vor gesehene Ermächtigungsklausel für die Handhabung der Gleitzölle bei der Veredelungswirtschaft erheblicheBe- denken bestehen. Eine uneingeschränkte Ermächtigung, wie sie vor allem das Ernährungsministerium verlangt, hält die Sozialdemokratie jedenfalls noch nicht für an gängig. Auch in anderen Punkten steht die Sozialdemo kratie im Widerspruch zur Reichsregierung. Zu erwähnen ist, daß die Haushaltberatungen bald an einige kritische Punkte, nämlich an den Wehrhaushalt, gelan gen werden. Man sieht deshalb der weiteren Entwicklung der innerpolitischen Lage mit einiger Sorge entgegen. Dingeldey beim Reichskanzler. Berlin, 16. Februar. Der Reichskanzler empfing heute mittag den Führer der Deutschen Volkspartei Dingeldey. Eine Rede Oberfohrens. Kiel, 13. Februar. In einer Kundgebung der Deutsch nationalen Volkspartei am Sonntagvormittag in der Ton halle sprach der Fraktionsvorsitzende der Deutschnationalen Volkspartei im Reichstag Dr. Oberfohren (Kiel) über den Auszug der nationalen Opposition aus dem Reichs tag. Der äußere Anlaß habe in dem Entschluß der schwarz roten Regierung gelegen, die Opposition durch Aenderunz der Geschäftsordnung mundtot zu machen. Die schwarz-rote Mehrheit habe dabei verfassungswidrige Maßnahmen er griffen. Die Deutsche Volkspartei habe gute Absichten mit ihrer Forderung, noch 300 Millionen im Haushalt zu streichen, verfolgt. Wie aber habe Brüning sie behandelt? Er habe nur die Möglichkeit zu Ersparnissen zugestanden, nicht aber Abstriche zugesichert. Tatsächlich aber habe er der Sozialdemokratischen Partei versprochen, daß vom So- Volkskonservative Kundgebung. Reichsminister Treviranus spricht. Berlin, 15. Februar. Im Rahmen der ersten Reichs tagung der Konservativen Volkspartei sand am Sonntag mittag eine Kundgebung im Sitzungssaal des Reichswirt schaftsrates statt, auf der Reichsminister Treviranus sprach. Er beschäftigte sich zunächst mit dem Vorwurf der Rechtsparteien, daß die Regierung abhängig sei von der Sozialdemokratie sowohl im Reich wie in Preußew und erwiderte, daß die nationale Opposition nichts getan habe, um eine unabhängige Regierungsfüh rung abseits von parlamentarischen Mehrheitsmethoden zu gewährleisten. Eine zwangsläufige Abdrängung nach links komme nicht in Frage.' Man werde sich durch das Vor gehen der Rechtsparteien nicht aus der Ruhe bringen lassen, werde vielmehr in eine sehr positive Aus einandersetzung mit den treibenden Kräften und Menschen der nationalen Opposition eintreten. Das Werk der Entschuldung sei gestern von der Regierung auf Jahre hinaus festgelegt worden. Man müsse den deutschen Bauern Mut machen, nicht auf der Scholle zu bleiben, sondern an die Grenze zu gehen, weil Deutschland ihnen die Gewißheit gebe, daß es diese Gren zen niemals preisgeben werde. Brünings und Schic- l e s Forderung nach einem Reichsbestellungsplan der Land wirtschaft führe hinein in neue Wirtschaftsformen, die allerdings erst wachsen sollten, bevor man ihnen eitlen Namen gebe. Wenn man die Forderung erhebe „Zurück zur Helferich-Mark", so vergesse man, oaß Wunder sich nicht wiederholten. der Reichsregierung. zialetat nichts gestrichen werde. Der Deutschen Volkspartei wolle er dagegen Abstriche ausgerechnet am Wehretat an bieten. Das Recht der Parlamentarier auf Immunität sei heute illusorisch gemacht. Gleichzeitig sei in Preußen be fohlen worden, die politischen Beleidigungsfälle schnell ab zuurteilen und zu vollstrecken. Der Reichstag werde auch die Vollstreckung etwaiger Gefängnisstrafen genehmigen, um durch Einsperrung nationaler Abgeordneter die Rechts opposition entsprechend zu dezimieren. Die Wirtschaftspar tei, die Deutsche Volkspartei, das Zentrum und die Land volkpartei, die vor der Wahl als Ziel die Lösung von der Sozialdemokratie proklamiert hätten, begäben sich heute in die Abhängigkeit von der Sozialdemokratie. Die wirkliche Mehrheit des deutschen Volkes stehe jedoch auf der Seite der nationalen Opposition. Die Deutschnationalen verlangten daher die Reichstagsauslösung. Dingeldey über Außen- und Innenpolitik. Frankfurt a. d. O.» 15. Februar. In einer gutbesuchten Versammlung der Deutschen Volkspartei sprach am Sonn tag der Parteiführer Dingeldey. Er behandelte zu nächst die Osthilfe und bedauerte, daß diejenigen, die sich immer als die Anwälte des deutschen Ostens gefühlt hätten, in der entscheidenden Stunde ihre Mitwirkung ver sagten. Die E-renzziehungimOstenkönnenie- mals so bleiben, aber leider sei im Auslande sehr wenig Verständnis für die deutschen Lebensinteressen vor handen. In Frankreich sei seit zwei Jahren ein schwerer Rückschlag erfolgt, es habe sich von dem Gedanken von Lo carno weit entfernt und bediene sich wieder der alten Me thoden, um sich die Vorherrschaft in Europa zu sichern. Das habe in Deutschland zu furchtbaren Spannungen geführt. Falls sich diese einmal entladen sollten, würden sie kaum vor den Grenzen haltmachen. Die Gefahr einer Bolschewi- sierung Europas stände dann vor der Tür. Ein einiges Europa sei nur möglich, wenn die Bahn des Versailler Friedensvertrages verlassen werde. Der Redner sprach dann über die Fragen der inneren Politik und sagte, daß wir an einer Ueberspitzung des Par lamentarismus krankten. Der Nationalsozialismus sei eine wertvolle Bewegung, nur habe er bisher leider den Ueber- gang zur Verantwortung noch nicht gefunden. Treviranus kam dann auf die Außenpolitik zu sprechen. Wir wissen, so erklärte er u. a., daß die erste Ehren forderung für r. O die Forderung der R ü stu n g s fr e i- heit ist. Durch den Bruch der selbstverständlichen Zusage der Vertragspartner von Versailles sind wir berechtigt, unsere Freiheit auch auf dem Gebiete von Wehr und Waf fe» zu fordern und zu nehmen. Wir benutzen die Platt form des Völkerbundes, um die Nu . / .Hastigkeit vor aller Welt aufzuzeichnen in dem Sinne, daß die Befrie dung der Welt nottut, daß die Gleichberechtigung zur Tat wird. Der Abbau der Tributlasten ist sür uns deshalb eine Cheenfrage, weil sie verhängt worden sind auf Grund der Lüge von der Schuld Deutschlands am Kriege. Wenn wir weiter das Grenzunrccht nicht länger ertragen wer de», ohne daß der nationale Lebenswille des Volkes über die Ufer tritt, so haben wir darin eine kräftige Waffe gcge. er denen, die den statns quo des Versailler Ver trages vertreten. Wenn man der Regierung das Recht bestreitet, für die Nation zu sprechen, so ist das kein ge eigneter Weg, das Volk zu festigen für den Kampf um die nationale Befreiung. Im Anschluß daran wurde ein von der Vertreterver- sammlnng verfaßtes konservatives Manifest zur Verlesung gebracht. Darin werden zunächst die Be griffe konservative Zielsetzung und konservative Politik beleuchtet. Es heißt dann u. a.: Der Zustand des heutigen Staates ist aus dem Irrglauben erwachsen, als könnten Volk und Gesellschaft von oben durch staatlichen Zwang geleitet werden. Demgegenüber wird der konserva tive, der Freiheits st aat, bestrebt sein, alle ur sprünglichen Kräfte der Selbsthilfe und Selbstverwaltung zu schützen und zu stärken, wo sie noch wachsam sind und natürliche Lebenseinheiten bilden, wie Familie, Stamm, Stand Ein neuer autoritätsstarker, denr Jnteressenmm überlegener Staat kann nur geschaffen werden durch Her ausbildung einer neuen führenden -..richt. AnsM.be der Wirtschaft ist nicht so sehr eine Hebung der Produktion, die auf künstliche Schaffung von Bedarf ab zielt, wie der volle Einsatz der deutschen Ar beitskraft. Aus Volks- und staatspolitischen Gründen muß die Landwirtschaft als wichtigstes Glied deutscher Wirtschaft gewertet werden. Das Ziel der deutschen Außenpolitik ist gegeben durch den Kampf gegen die wider natürliche Ordnung von Versailles sür die Volksdeutsche Freiheit und den natürlichen Neuaufbau Europas. Eine künftige deutsche Außenpolitik wird die historisch-orga nischen Ansätze zu einer mitteleuropäischen Zusammenarbeit niemals i l r Auge lassen. Rücktritt des spanischen Kabinetts. Das spanische Kabinett ist zurückgetreten. Der König nahm den Rücktritt an und trat unver züglich in Besprechungen mit den liberalen Führern ein. Die Entscheidung fiel, nachdem der König den Mi nisterpräsidenten im Kriegsministerium ausgesucht und eine längere Unterredung mit ihm gehabt hatte. Beren- guer berief daraus das Kabinett zu einer Sondersitzung zu sammen, in der der Rücktritt beschlossen wurde. König Alfons unterzeichnete nach dem Rücktritt des Kabinetts Berenguer ein Dekret, durch das die Ausschrei bung der Lorteswahlen für den 1. März rückgängig ge macht wird. Der König verhandelt weiter. Paris, 15. Februar. Ueber die politische Lage in Spa nien meldet die französische Presse, daß König Alfons am Sonntag seine Besprechungen mit den politischen Führern wieder ausgenommen hat. Es handelt sich insbesondere um den Katalanenführer Campo und den vielgenannten Ad miral Aznar. Campo hat vor seiner Abreise aus Barcelona erklärt, daß die Mehrheit des spanischen Volkes weder eine Revolution, noch eine Diktatur, noch die Rückkehr zum frü heren Regime wünsche. Die politischen Auffassungen in Madrid und Barcelona seien völlig verschieden. In Madrid sei eine Minderheit am Werke, eine erkünstelte Atmosphäre der Revolution zu schaffen. Santiago Alba, der bekannt lich in Paris weilt, ist vom König Alfons ebenfalls noch am Sonnabendabend durch Vermittlung des Pariser spani schen Botschafters Quinones de Leon um seine Stellung nahme zur neuen politischen Lage ersucht worden. In sei ner telegraphischen Antwort erklärt Alba, daß die Lage nach seiner Ausfassung die sofortige Neubildung eines fähi gen Kabinetts erheische, das in der Lage sei, die Cortes einzuberufen. Als berufene Männer schlügt er Sanchez Guerra und Alvarez sowie deren Freunde vor. Er selbst würde an diesem Kabinett nicht teilnehmen. In ganz Spanien sind inzwischen auf Grund des könig lichen Erlasses die Wahlvorbereitungenunter brochen worden. Eine republikanische Wahlversamm lung in Segovia wurde vom Gouverneur der Provinz ver boten. Die Führer der sozialistischen Partei und des Ar beiterverbandes in Madrid haben ihre Mitglieder aufge fordert, dis Ruhe zu bewahren und ausschließlich die Partei befehle auszusühren. Dem Madrider Korrespondenten des „Matin" hat Graf de Romanones erklärt, daß die Bildung einer Konzentrationsregierung unbedingt erforderlich sei. Es handle sich nur darum, sestzustellen, ob nach rechts oder links. In jedem Falle aber werde diese Regierung die so fortige Einberufung des Cortes verlangen. Die Lage in Spanien. Eine monarchistische Linksregierung. Bei den Beratungen, die der König mit den führen- Politikern hatte, wurde vorgeschlagen, eine ausgespro chene monarchistische Linksregierung zu bil den, in der Alvarez und Melquiades die Führung haben Variete. Roman eines seltsamen Lebens von Felix Neumann. 5) (Nachdruck verboten.) Während Sendrezki mit schlagendem Herzen zwischen den Kulissen stand, erschien der Direktor und — Frau Wil helmine begleitete ihn. „Wo ist der junge Künstler? Er soll mir vorher sagen, was ich zu sehen kriege. Man kann dann besser folgen." Fritz wurde geholt. Und dann gab er eine knappe Übersicht seines Könnens. Zuerst trat er als junger Mann aus und präsentierte sich mit einem kurzen Begrüßungslied dem Publikum. Evas Gang durch die Jahrhunderte folgte. Sendrezki wollte in acht verschiedenen Kostümen er scheinen und dazu die entsprechenden Lieder singen. Adolfs nickte mit hängender Unterlippe. „Ja — ja! Schön! Das klingt ganz nett! Nu aber mal die Praxis!" Zusammen mit der Gattin stieg er ins Parkett und nahm gleich hinter dem Klavierspieler Platz. Die Vorstellung begann. Fritz sprang als junger Mann in Biedermeier- kleidnng auf die Bühne und stellte sich vor. Frau Mine blickte durch das Lorgnon und lächelte. Ein zuckriges Kerlchen! Man konnte verrückt werden, ivenn man diese Augen sah. Unwillkürlich schielte sie zu dem Gatten, der zwei Stühle von ihr entfernt im Sessel lehnte, die Zigarre im Mundwinkel hängend. Murnau begleitete. Es klappte. Dann verschwand Sendrezki, nm eine Minute später im altgriechischen Kostüm zu singen und zu tanzen. Die Anmut der Darstellung war bewunderswert. Auch die Stimme ließ auf gute Schulung schließen. Das Bild verschwand. Ein mittelalterlicher Minne sänger im Kostüm knabenhafter Pagen schob sich ein. Die Leier im Arm sang er ein Lied von Liebe und Leid. Unruhig rutschte Frau Adolf» aus ihrem Sitz hin und her. Diese Sache griff ihr direkt ans Herz und als Fritz wieder abgetreten war, tönte ein lautes Klatschen durch den Naum. Es war das erste Zeichen des Beifalls, dem sich dann der Direktor, wenn auch in gedämpfter Form, anschloß. „Er ist reizend!" sagte die Direktorin und Adolfi brummte etwas vor sich hin. Gewiß, die Sache da oben war nicht schlecht! Aber so blödsinnig durfte man sich nicht anstellen, frühzeitig zu loben! Erst eine kleine Gage herausdrücken, dann war es mit der Anerkennung noch früh genug. Und Bild so! us Bild. Er nickte zunächst gnädig und stellte die Frage: „Wer hat Ihnen das etnstudiert?" Die Entwicklung der Kostüme bis aus unsere Zeit. Nur einmal klappte es nicht. Ta entstand eine Pause, weil im Rokokokleid eine Schnur gerissen war. Die ganze Vorführung dauerte fast eine halbe Stunde. Eine außerordentliche Leistung! Vielleicht etwas zu lang, wenn es sich um eine Füllnummer handelte. Aber — wer konnte es wissen, vielleicht wurde diese Sache zur Attraktion, dann brauchte man nicht zu kürzen! Als Adolfi aus die Bühne gehen wollte, hielt ihn die Gattin fest. „Einen Augenblick, Theodor! Du wirst ihn doch nehmen, nicht wahr? Ich bin geradezu begeistert. So etwas unverfälscht Natürliches! Ein reizender Mensch!" Der Direktor betrachtete sehr erstaunt Mines gerötetes Antlitz. „Du bist ja ganz echauffiert! Bis ich den Kontrakt gemacht habe, hältst du gefälligst den Mund!" Und bissig setzte er hinzu: „Nachher kannst du ihn meinetwegen abküssen, den dummen Jungen!" „Aber — Theodor!" Frau Adolfi fuhr sich mit der Puderquaste über das Gesicht. „Du wirst doch aus den Künstler nicht eifersüchtig sein. Mein Gott, ich bin doch eine Frau in reiferen Jahren." „Dann gerade macht ihr den meister. Blödsinn," argumentierte der Direktor und kletterte zur Bühne hinaus Indessen stand Herr Murnau im Ankleideraum neben Sendrezki, der bereits sein Straßenkostüm angelegt hatte. Hastig flüsterte er: „Man ist begeistert von Ihnen. Lassen Sie sich nicht einschüchtern, wenn der Alte mäkelt. Das tut er immer, nm möglichst wenig zu zahlen. Er nimmt Sie bestimmt." Als Fritz auf die Bühne kam, sah er sich dem Direktor gegenüber. Dicht hinter ihm stand Frau Mine zusammen mit dem Direktionssekretär. Adolfi zeigte eine bemerkens werte Zurückhaltung. Er nickte zunächst gnädig nnd stellte die Frage: „Wer Hai Ihnen das einstudien?" „Der Oberregisseur vom Lobe-Theater in Breslau, Herr Direktor " „Hm. Na — ich will nicht leugnen, daß Sie da in einer guten Schule gewesen sind Indes - das Anfänger- tum blickt noch hier und da durch." Nun begab sich Frau Adolfi jn Front und lächelte: „Das ist erklärlich! Einmal muß der Mensch doch irgend wo ansangen!" Zürnend wandte sich der Gewaltige seiner Gattin zu „Irgendwo! Sind wir hier irgendwo? Bille!" Und zu Sendrezki: „Ich begreife immer noch nicht, warum Simon Ihnen nicht zunächst ein Engagement in Breslau besorgte Das wäre sür ihn doch eine Kleinig keit gewesen Warum schickte er Sie zu mir, wo doch die Gefahr der Ablehnung Ihres Ansuchens sehr nahe lag?" Ter junge Künstler lächelte Und Frau Wilhelmine gewann erneut den Eindruck, daß dieses Lächeln einfach bestrickend war. (Fortsetzung folg, >