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in geradezu unglaublicher Höhe angewiesen. Die Stadt bank hat dann diese honoriert. Diese Korruption war nur möglich durch das fehlerhafte Kontrollsystem und durch eine beinahe phan tastische Mißwirtschaft, denn es ist niemals bei den einzelnen Be zirken rückgefragt worden, ob die angeblichen Lieferungen auch tat sächlich von den Bezirken bestellt und ausgeführt worden sind. Die Rechnungen sind in voller Höhe bevorschußt worden, ohne daß sie auf Rechtmäßigkeit geprüft wurden. Mitangeklagt sind der Buchhalter Lehmann, der Angestellte Sklareks, ferner der Buchhalter Tuch, ebenfalls be den Sklareks beschäftigt, dann die Stadträte Gaebel, Degener und Benicke, die Bürgermeister Schneider und Kohl, die Stadtbankdirektoren Schmidt und Hoffmann und der Rendant Ludwig. Die Anklage lautet auf aktive und passive Bestechung, Betrug und Urkundenfälschung sowie Unterschlagung und Beihilfe zu diesen Vergehen. In der kommenden Woche wird den Angeklagten die Anklage schrift zugehen. 25 bekannte Rechtsanwälte werden sich in die Ver teidigung der Angeklagten teilen. Die Verteidiger haben nicht nur die Anklageschrift, sondern auch über 160 Bände Aktenmaterial durchzuarbeiten. Aus diesem Grunde wird der Prozeß vor Ende 1931 kaum stattfinden können. Lohnbewegungen unb Streiks» Schiedsspruch kn der Hohlglasin-ustrie. Nach lang- wierigen SWchtnngsverhan^ in der sächsischen HohWasinMstrie ist vom Landesschlichter ein Schieds spruch gefällt worden, der eine Lohnherabsetzung um ungefähr 5 Prozent vorsieht. Die Erklärungsfrist für die Parteien läuft am 16. d. M. abends ab. Die neue Lohnregekung gilt ab 5. Januar und kann erstmalig zum 30. April 1931 gekündigt werden. Schiedsspruch im obersch-esischen Bergbau. In dem Lohnstreit im oberschlesischen Bergbau wnkdr am Diens tag gegen 21 Uhr nach fast zwölfstündiger Verhandlung unter Vorsitz des Schlichters Professor Dr. Brahn ein Schiedsspruch gefällt, nach dem für den oberschlesischen StoinkoGen- und Erzbergbau die Löhne mit Wirkung vom 1. Januar 1931 ab um 6 v. H. herabgesetzt werden. Die Laufzeit des Lohnabkommens geht bis 31. Juli 1931. Gleichzeitig wurden der bisherige Manteltarif und das Arbeitszeilabkommen verlängert. Erklärungsfrist ist für beide Parteien Donnerstag, den 1b. Januar, vor mittags. IMUHs NWWbM in Wes. Von dem Einheitsverband der Eisenbahner Deutsch lands, Bezirksgruppe Sachsen, wird mitgsteilt: Die Reichshauvtbahnverwaltung hat in letzter Stunde erfreulicherweise noch den Weg zur Lösung des Streits gefunden, bei dem den beteiligten Arbeitern ihre Rechtsgüter in vollem Umfange erhal ten bleiben. Sämtliche Arbeiter ohne jede Aus nahme worden weiterbeschäftigt, Maßregelungen erfolgen also nicht. Die Gewerkschaft betont, daß alle an der Beilegung des Konflikts Beteiligten, nicht zuletzt auch die sächsische Regierungsstelle, sich ein Hauptver dienst um die Wirtschaft und damit auch um die gesamte sächsische Arbeiterschaft erworben haben, da durch die gefundene Lösung ein folgenschwerer Arbeitskampf der Eisenbahn in Sachsen vermieden worden ist- Die Hauptverwaltung der Reichsbahn hat dem A r - b eitsz eit sch red s s pru ch zugestimmt und seine Verbindlichkeitserklärung beantragt. Die ver- trags sch liest enden Eisenbahnergewerkschaften haben da gegen den Schiedsspruch abgelehnt. Wie wir erfahren, werden bereits am Mittwoch Nachverhandlungen im Reichsarbeitsministerium stattfinden. llM AWUHr Sm WW WMW Im Laboratorium für Aufbereitung an der Freiberger Berg akademie sind, wie die Deutsche Vergwerkszeitung berichtet, im ver gangenen Jahr unter Leitung von Professor Radel wichtige Ar beiten burchgeführt worden. Zur besseren Anreicherung der nutzbaren Mineralien hat man im letzten Jahrzehnt besonders die Schwimm aufbereitung (Flotation) verwendet. Sir ist hervorragend geeignet für sulfidische Erze und gediegene Metalle, weniger für orydische Mineralien. Die größten Schwierigkeiten bereitete bisher die Schwimmaufbereitung von Zinnerz. Diese Frage ist nicht unwichtig, da bekanntlich im Erzgebirge eine Reihe von Lagerstätten bekannt sind, die früher beträchtliche Zinnmsngsn geliefert haben. Mit den bisherigen Methoden kann man kaum mehr als 60 Prozent des im Erz enthaltenen Metalls gewinnen. Die im Aufbereitungs-Labora torium der Freiberger Bergakademie durchgeführten Versuche haben gezeigt, daß man mit der Schwimmaufbereitung bei den beiden wichtigsten Zinnvorkommen von Zinnwald und Altenberg 90 Prozent des Metalls und darüber gewinnen kann. Die Rentabilität der Be triebe kann also durch Schwimmaufbereitung wesentlich gesteigert werden. Die Anwendung des Verfahrens wird möglich sein, wenn der Zinnpreis, der zur Zeit außergewöhnlich tief ist, sich gebessert hat. Im Laboratorium ist es ferner gelungen, die Schwimmaufberei tung auch für Koalin durchzuführen. Man erhält reinere Erzeugnisse als bisher. Das Aufbringen dürfte ebenfalls wesentlich besser sein. Beim Flußspat konnte nachgewiesen werden, daß durch Schwimm aufbereitung der jetzt meist als wertlos betrachteten feinkörnigen Abfallprodukte der Aufbereitung ein Verkaufsprodukt erzielt werden kann, das den höchsten Anforderängen an Reinheit entspricht, wie sie zum Beispiel zur Herstellung von Flußsäure und anderen Chemikalien nötig ist. Aus aller Welt. * Abg. Dingeldey operiert. Wie der „Börsenkurier" meldet, hat sich der Führer der Deutschen Volkspartei, Reichstagsabgeordneter Dingeldey, am Montag einer Kieferoperation unterziehen müssen. * Berliner Oberingenieur zwischen Frankfurt und Darmstadt auf den Schienen tot aufgefunden. Auf der Strecke Frankfurt—Darmstadt wurde die Leiche eines älteren Mannes, nur mit Hemd und Hose bekleidet, zwischen den Schienen aufgefunden. Wie festgestellt wurde, handelt es sich um den 63 Jahre alten Oberingenieur Karl Mühleisen aus Berlin von der Firma Schwartzkopff. Mühleisen war in Begleitung eines Herren von der gleichen Firma unterwegs nach St. Blasien, wo er von einem Nervenleiden Erholung finden sollte. Die beiden hatten in Frankfurt den Schlafwagen aufgesucht. Kurz danach wurde Mühleisen vermißt. Später fand man seine Leiche auf der Strecke. Ob er aus dem Zuge gesprungen oder durch eine unglückliche Verwechslung herausgestürzt ist, muß die Untersuchung noch ergeben. * Ein eigenartiger Selbstmord. Der 21 Jahre alte Fritz Reischke verübte aus verschmähter Liebe auf eine sehr merkwürdige Weise Selbstmord. Er bohrte in eine Eisenplatte ein Loch, gerade groß genug, um eine Patrone aufnehmen zu können. Daraufhin fügte er die Patrone ein, legte sich die Platte auf die linke Brustseite und setzte einen Nagel auf die Zündflüche der Patrone, worauf er einen Stein nahm und damit auf den Nagel schlug. Die Patrone entlud sich und der Kern des Geschosses ging dem jungen Mann direkt ins Herz, so daß er auf der Stelle tot war. * Schwirrt StreikunrichM m Erfurt. — Em Toter. Am Dienstag nachmittag gegen: 17 Uhr kam es in Ersurt- Nord gekegent'Uch des Schichtwechsels in der Berlin- Erfurter Maschinenfabrik Henry Peks L Co. mehrfach zu schweren ZufammenstösM zwischen ArbeitswiMgen, Strei kenden nn!d Erwerbslosen. Hierbei wurde ein Arbeits williger lebsnsg-Lfährlich verletzt. Ein geschlossener Trupp Erwerbsloser, der sich nach Erfurt-Nord bewegte, wurde polizeilich aufgelöst. Da die Räumung der Straße auf starken Widerstand stieß und dir Beamten 'fortgesetzt mit Stetnen beworfen wurden, mußte die Polizei von der Schußwaffe Gebrauch machen. Hierbei wurde ein 28- jähriger erwerbsloser Maurer tödlich getroffen und eine weitere Person durch einen Armschuß schwer verletzt. * Unglücksfall oder Selbstmord dreier Deutscher in San Remo. An dem übermäßigen Gebrauch von Schlaf mitteln sind in San Remo das deutsche Ehepaar Walter Gerland und eine Frau Roth geb. Gleichfeld gestorben. Sie waren vor kurzem in San Remo eingetroffen und hatten sich bei einem gewissen Giusta eingemietet. Dem Haus besitzer fiel eines Tages auf, daß er seine Mieter seit einiger Zeit nicht mehr gesehen hatte und die Tür zu ihrer Wohnung stets verschlossen war. Er ließ die Tür mit einem Reserveschlüssel öffnen und fand das Ehepaar sowie Frau Roth in ihren Zimmern tot auf. Ein herbeigerufener Sa nitäter stellte fest, daß der Tod vor ein bis zwei Tagen ein getreten sein mußte. In der Kommode fand man zahl reiche Rezepte für Schlafmittel, die, wie man annimmt, den Tod verursacht haben. Gerland war 40, seine Frau 29 Jahre alt. * Lastkraftwagen in eine Kolonne Polizeischüler hineingefahren. — Sieben Verletzte. Am Dienstag morgen gegen 7.30 Uhr fuhr auf der Rheinbrücke Bonn—Beuel ein Lastkraftwagen in eine Kolonne Polizeischüler hinein. Sieben Polizeischüler wurden verletzt, davon drei so er heblich, daß sie sofort ins Krankenhaus gebracht werden mußten. Einer von ihnen hatte einen Schädelbruch und schwere Verletzungen am Unterleib davongetragen. Der Kraftwagenführer will infolge des dichten Nebels, der über der Brücke lagerte, die Fahrbahn nicht deutlich haben erkennen können und außerdem die Polizisten nicht ge sehen haben. * Hamburger Schiffahrt durch Rebel lahmgelegt. Im Hamburger Hafen und auf der Unterelbe setzte am Diens tag wieder dichter Nebel ein, durch den der Schiffsverkehr lahmgelegt wurde. Auf der Unterelbe ankern etwa zwan zig Schiffe, um besseres Wetter abzuwarten. Diese Nebel bank erstreckt sich bis in die Nordsee. * Pestseuche in der französischen Provinz Constantine in Rordafrika. In der französischen nordafrikanischen Pro vinz Constantine ist die Pest ausgebrochen. Die Seuche scheint sehr viel größeren Umfanges zu sein, als man fran- zösischerseits zugeben will. Die sanitären Schutzmaß nahmen, die jetzt ergriffen worden sind, lassen jedenfalls erkennen, daß für die Bevölkerung größte Gefahr besteht und daß sich aus der im Entstehen begriffenen Seuche leicht eine unübersehbare Katastrophe entwickeln kann. Auf An ordnung der Gemeindebehörden wurde nunmehr eine große Zahl von Bahnhöfen der Provinz geschlossen,. Reisende, die dort eintreffen, werden sofort in Quarantäne gesetzt und dürfen die Ortschaft vorläufig nicht wieder ver lassen. Um Constantine herum wurden 10 Ueberwachungs- posten eingerichtet, so daß es praktisch keinem Einreisenden möglich ist, den Fuß in die Stadt zu setzen, ohne vorher untersucht worden zu sein. Ein arabisches Dorf mußte von sämtlichen Bewohnern geräumt werden und diejenigen Häuser, in denen Pestfälle zum Ausbruch gekommen waren, wurden durch Feuer vernichtet. * rNotorbootunglück im Vest-Ajord. — Alle Insassen ertrunken. Ein Motorboot, das am Montag mit acht Per sonen von Kabelvaag auf den Lofoten nach Henningsvaer abging, wurde unterwegs von einem Unwetter betroffen und erreichte nicht den Bestimmungsort. Am Dienstag fand man nun Wrackreste und eine Leiche von einem der an Bord Befindlichen, weshalb man befürchtet, daß alle acht Personen umgekommen sind. * Der Bruderkampf der Jmro. — Zwei Protogeroff- Anhänger ermordet. Wie aus Sofia gemeldet wird, wur den Dienstag früh die beiden Anhänger der Protogerofs- Gruppe der makedonischen revolutionären Organisation Najco Spasoff und Nicola Daneff ermordet. Bekanntlich wurde derAnhänger des makedonischen Führers Michailoff, Witkaroff, am Hochzeitstage des Königs Boris ermordet. Spasoff und Daneff wurden damals des Mordes ver dächtigt, konnten aber flüchten. Als sie später verhaftet wurden, wurden sie bald darauf von der Staatsanwalt schaft wieder freigelassen, weil angeblich gegen sie kein stich haltiges Beweismaterial vorlag. Die Anhänger Michai- loffs schworen ihnen Rache. Als sie Dienstag früh um 4 Uhr ein Kabarett in Sofia betraten, wurden sie von den anwesenden Anhängern Michailoffs durch zehn Revolver schüsse getötet. Dis große Liebe. Roman von Emmi bewald. 2s - Nachdruck verboten ) Gristede schlug mit dem Falzbein in seine Handfläche. „Ja, Pastor Bardenwiet, zu Ihnen war damals nein erster Weg Sie waren gewissermaßen mein erster versuch. Sie brachien mir Vertrauen und Wertschätzung mtgegen Sie ließen mich glauben, daß die Rolle, die ich Hielte, keine Unmöglichkeit war Und so Hassenswerl ich nir wohl minulenweise erschien, daß ich so viel freund- icheS Entgegenkommen als der Unberechtigte einkassierte, jo war doch ein anderes Empfinden noch stärker in mir: der heiße Wunsch, eingereit» zu werden in eine lebens- mürdige Daseinsform, zwischen Menschen über den dunklen, unbestimmten Regionen, aus denen ich stammte Und ich beschloß, mir durch scharfe Arbeit das nicht vor handene Rech, zu verdienen, dem Stück Boden zu Helsen, den ich zu Unrecht in Anspruch nahm, die Schulden des wahren Herrn von Gristede zu tilgen, eine Zeit an jenem stillen Strande zu rasten, ehe ich wieder hinausging auf des Lebens unstete Wanderschaft Und es kam allerhand in mein Dasein. Do war die Gunst des Herzogs, das Ge fühl, ihm mit allem Erlernten irgendwie schätzbar zu fein: da war der starke Zauber der Scholle, das Meer, das mich irgendwie in seinem Bann hielt; da war vor allem die Nachbarin Karen Holgeri Und dann wußte ich, daß ich mich allmählich zu tief verstrickte, baß es nicht weiterging mit diesem Spiel Ich nahm ja Karen Holger ihr Erbe fort! Ich wollte Schluß machen, forlgehen für immer, ver löschen wie ein Licht, das nur aus kurze Zeit brennt. Ich habe mich gequält in all den Winternächten Ich habe ge kämpft gegen die Versuchung immer wieder Aber da war auch das andere Empfinden in mir. der Trotz des im Dunkeln Geborenen, der sich schuldlos fühlt, daß ihn das Leben vater- und mutterlos irgendwie in die Welt warf; die Verlockung des Starken, Widerstände zu besiegen, sich nicht freiwillig wieder hinabzubegeben in ein dunkles Tal. Aber wie ich scheiden wollte, da rief mich die eine Stimme zurück und hielt mich Und diese Stimme wurde stärker als alles andere und ich blieb — das übrige wissen Sie. Sie wissen, daß seitdem nichts in meinem Leben war, das Vorwurs verdient hätte." Pastor Bardenwiek haue sich langsam in einen Sessel am Fenster fallen lassen und hielt die Stirn in seinen breiten Händen Er fand kein Wort. „Ich weiß, was Sie sagen könnten und nicht sagen wollen," sagte Gristede weiter. „Die Schuldfrage bleibt, und was Sie Gutes bauten, bauten Sie auf Betrug und Lüge." Bardenwiek antwortete nicht auf diese Frage. „Drei Tage läßt Ihnen der Herzog, um für immer fortzugehen aus diesem Land," sagte er dann gepreßt. „Ich weiß, daß ich gehen mutz," sagte Gristede. „Wir sind zum letztenmal zusammen, Pastor Bardenwiek. Ich bitte Sie um zweierlei: helfen Sie meiner Frau, soweit das im Bereich des Möglichen liegt. Und zweitens bitte ich Sie um eins. Ich habe immer gewußt, daß ein Feind auf der Lauer lag, der mein Leben umwerfen konnte wie Wind ein Kartenhaus. Mein Feind war der blöde Zu fall, der heute den alten Wandergefährten in dies nor dische Land gerade vor meine Füße geführt hat Und schon einmal im letzten Sommer, wie eine Mahnung, kam so ein Zufall — im Schloß, vor dem Herzog. Jemand, der in Athen gewesen war, der den richtigen Heinrich von Gristede gekannt hatte — und mehr wie durch ein Wunder ging damals die Gefahr vorbei Und wenn ich auch manchmal fühlte, daß des Herzogs Blick wachsamer und anders als sonst über mich hinging, so glaubte ich mich doch wieder gesichert An jenem Abend im August tat ich das, was ich bis dahin vermieden hatte: ich schrieb die Dinge auf, wie sie sich begeben hatten. Wußte ich doch, daß es in der Natur solch eines Geheimnisses lag: wurde es enthüllt, blieb keine Zeit zum Erklären, keine Möglich keit, in Worten noch jene Versuchungen verständlich zu machen, denen ich verfiel. Ich bin von Stund an wie ein toter Mann; ich kämpfe nur noch dafür, daß die Er innerung an mich nicht in gar zu verzerrtem Licht stehen möge bei denen, die mich gekannt haben." Er nahm ein großes Kuvert aus dem Schreibtisch und legte es vor Bardenwtek auf die Kensterbank Der sah beklommen zu ihm auf. „Es gab keine Zeit in meinem Leben, in der ich nicht ein guter Christ gewesen wäre," fuhr Gristede fort „Sie sehen, ich verteidige mich und kämpfe um mein Bild in Ihrer Seele. Meinen Sie nicht auch, Pastoi Bardenwiek, daß ich mich heute im entscheidenden Moment durch ein paar kluge Worte auch noch hätte retten können? Empört zustürzcn auf den Vagabunden und ihm schnell etwas zu flüstern von dem Beutel Geld mii dem dieser alte Weg genoß wohl zum Schweigen gebrach: wäre? Abei da war etwas anderes in mir, was mich lähmte und wehrlos machte. Und keiner, der nicht ein Dasein wie meines ge lebt hat, kann die Seltsamkeit ermessen, die darin liegt, Wenn man nach langen Jahren eines anderen Daseins plötzlich mit dem alten Namen angerufen wird, dem ver leugneten, fast vergessenen. Mir war es, als rühre mich das Schicksal an der Schulter: Franz Glanegg, nun ist das Spiel aus! Zehn Jahre — es ist genug." Bardenwiek erhob sich. Draußen rollte ein Wagen knirschend über den ge frorenen Schnee „Frau von Gristede! Herr von Stetten bringt sie durch den Vorgarten " Endlich, dachte der Mann am Schreibtisch, endlich sie! Karen Einziges Licht aus dem dunkel werdenden Pfade Karen Gristede trat ein. Tie warf ihren grauen Pelz ab und stürzte auf den Galten zu „Um Gottes willen!" ries sie „Diese furcht baren Menschen! Niedertnallen solltest du diesen Leeven, sie sind ja irrsinnig mit ihren Gerüchten!" Sie klammern üch an den Alaun und barg ihren Kops an seiner Schulter Bardenwiek wandte sich zur Tür „Bleiben Sie," sagte Gristede und schob langsam und sanft die halb betäubte Frau von sich weg Karen sah ihn entsetzt an und griff nach der Lehne des nächsten Sessels „Heinrich," ries sie, „es ist doch unmöglich, daß das wahr sein kann?" Sie sah zu Bardenwiet hin. Sie sah jein kummer volles, tief ergriffenes Gesicht. Sie faßte sich an die Stirn „Karen," sagte Gristede, „du allein weißt, daß in meinem Leben ein Geheimnis war! Du weißt, wie zögernd ich damals zu dir gekommen bin im Bewußtsein meiner Schuld; wie ich dich gewarnt habe vor einem Alaun in dessen Vergangenheil eine Schuld lag! Du allein weißi. wie lange ich geflohen bin vor der Liebe zu dir, und wie das, was über alle Bedenken hinweg uns zueinanderzog, das Höchste und Beste war. was Menschen überhanpi zu teil werden kann." (Fortsetzung folgt.)