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WschmWr A. Atilis übel die MWen Kl WWvM. Pforzheim, 5. Januar. Am Sonntagabend fand eine Mitgliederversammlung der Pforzheimer Orts gruppe der Deutschen VoIkspartei statt, an der auch Dr. Curtius teilnahm. Im Lerlauf des Par lamentarischen Bierabends erklärte der Reichsauken minister, wie die „Badische Presse" berichtet, er sei nach Baden gekommen, um für den schweren Gang nach Genf sich das Vertrauen seiner n ä ch- st e n Parteifreunde zu sichern, nachdem es ihm gelungen sei, in Ostpreußen und Obcrschlesien gleich falls Vertrauen zu erwerben. „Ich kann Ihnen nicht versprechen," sagte Dr. Curtius.daß wir in Genf in den entscheidendenFraqen unseres Vaterlandes qroke außen politische Erfolge werden erzielen können. Ich kann Ihnen aber wohl versprechen, daß ich meine ganze Per sönlichkeit für Deutschland und für Deutschlands Ehre einsehen werde. Ich hoffe, den Widerhall der ganzen Nation dafür zu finden, was ich in Genf zu erklären habe. Im gegenwärtigen Augenblick stehen die Fragen des nationalen Staates und der nationalen Idee im Vordergrund unseres gesamten innerpolitischen Ge schehens. Sie sind leider zu einem parteipolitischen Kampfobjekt erniedrigt worden." Dr. Curtius erklärte ferner, man habe ihm nach- gesagt, er sei im günstigsten Falle ein geschickter Ressort verwalter, er verstehe es, mit Sachlichkeit die auken politischen Probleme aktenmäkig zu erledigen. Es gebe jedoch in Deutschland leinen, für den die Idee des freien und glücklichen Vaterlandes so unmittelbar der Leit stern seines ganzen Handelns sei, wie ihn. Es wäre un möglich, die aukenpolitischen Geschäfte, dazu noch in der gegenwärtigen Lage, zu führen, wenn nicht diese Ge danken an das Vaterland dem Aukenminister reiner und klarer oor Augen stünden als irgendeinem anderen. Das Tragische an der Lage des Außenministers sei. daß er genötigt ist, fortwährend seine ganze Kraft darein zu sehen, die nationalen Leidenschaften zu- .rückzu drängen undsie in ein Klärbecken der Vernunftzuleiten und dak manchmal auch die eigenen Parteifreunde nicht verstehen, warum der Außenminister so und nicht anders gehandelt hat. Nie mand sehne den Tag heißer herbei als er, an dem es möglich sein werde, die entscheidenden Schritte für die wirkliche Befreiung des Vaterlandes zu tun. Niemand könne einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise zeigen und entscheidende außenpolitische Erfolge in Aussicht stellen. Wir hätten jedoch die Pflicht, nicht zu ver zweifeln. Wir wollen die Zeiten, wo Stresemann und die Deutsche Volkspartei am Wiederaufbau des Vaterlandes beteiligt waren, nicht verkleinern. Die Politik Stresemanns und der Volkspartei habe das Vaterland keineswegs erniedrigt. Wir seien nicht mehr Objekt der Weltpokitik, sondern stellen wieder einen wichtigen Faktor der gesamten Weltpolitik dar. Heute in den Notzeiten des Reiches sei der deutsche Gedanke in der Welt weit stärker ausgeprägt als in den glücklicheren Vorkriegszeiten. Erst nach dem Kriege hätten wir so etwas wie ein Eesamtnationalbewußtsein gewonnen. Mit diesen Kräften würden wir auch die politische und die Wirtschaftskrise überwinden. Die Lage im Ruhrgebiet. Essen, 4. Januar. Zur Beurteilung der Gesamt lage der Streikbewegung im Ruhrbergbau sind die Fest stellungen des Polizeipräsidiums Recklinghausen beson ders bemerkenswert, in dessen Bereich allein 54 Schacht- nnlagen mit 91 000 Bergarbeitern bei insgesamt 200 Schachtanlagen des Ruhrgebietes mit einer Gesamtbe legschaft von rund MO 000 Bergleuten liegen. Von den 54 Schachtanlagen sind 14 von Teilstreiks betroffen. Von den 91 000 Bergleuten streiken etwa 10 bis 12 v. H. sim Bereich des Polizeipräsidiums Bochum z. B. wird die Streikbeteiligung auf nur 0,5 v. H. beziffert). In der Entwicklung der Streiklage ist bei einem Vergleich der Anfahrtsziffern der Früh-, Mittags- und Nacht schicht am Sonnabend ein zum Teil ziemlich starkes Abflauen der Streikbewegung f e st z u st e l l e n. Um so stärker aber machte sich der kommunistische Terror bemerkbar, so daß die Polizei wiederholt zu schärfsten Eingriffen gezwungen war. Am Sonnabend wiederholten die Kommuni st e n auf der Zeche Schlegel und Eisen I1I/IV in Langen bochum mit einem Aufgebot von etwa 400 Streikenden und Erwerbslosen, die aus dem benachbarten Wester- Holt anrückten und schon auf dem Wege arbeits willigen Bergleuten Kaffeeflaschen und Butterbrote wegnahmen, den Versuch, die Arbeitseinstellung zu erzwingen. Die Menge wurde je doch rechtzeitig von der Schuhpolizei empfangen und unter Anwendung des Gummiknüppels bis an die Westerholter Grenze zurückgetrieben. In Marl wu rdedie Polizei mitZiegel- st einen und Flaschen beworfen. Verleht wurde glücklicherweise niemand. Lediglich eine große Schaufensterscheibe ging in Trümmer. Größere Men gen von Streikenden und Arbeitslosen wurden zerstreut. Die Unruhe verstärkte sich am späten Abend. Eine Polizeistreife wurde plötzlich mit Steinwiirfen ange griffen, während gleichzeitig aus den anliegenden Häu ¬ sern ei« Bombardement mit Steinen und Bierflaschen auf die Polizeibeamten eröffnet wurde. Aus Häusern und Schlupfwinkeln fielen etwa zwanzig Schüsse. Der Polizei gelang es schließlich, die Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Kommunistischer Überfall auf arbeits willige Bergleute. Dortmund. 4. Januar. Am Sonnabend gegen 21 Uhr wurde in Mengede eine Anzahl arbeitswilliger Bergleute, die sich auf dem Wege zu ihrer Arbeitsstelle auf der Zeche Adolf von Hansemann befanden, plötzlich von mehreren Kommunisten beschossen. Der Bergmann Schramowski brach sofort tot zusammen. Sein Bruder und zwei weitere Bergleute erlitten schwere Verletzungen Als Täter kommen zwei Kommunisten aus Mengede in Frage. Der eine konnte bereits festgenommen werden, während der andere flüchtete. Die Polizei säuberte so fort die Straße von den Kommunisten und beschlag nahmte bei ihnen drei Revolver und Schlagwerkzeuge sowie Dolche. Düsseldorf, 4. Januar. Der Sonntag ist im Kreise Mörs völlig ruhig verlaufen. An drei Orten hatten die Kommunisten zu Kundgebungen gegen „Polizeiterror" einberufen, in denen beschlossen wurde, den Streik unter leinen Umständen abzubrechen. Am Sonnabendabend kam es in Lintfort zu einem regelrechten Kampf zwischen der Polizei und den Streitenden. Etwa 2000 Streikende versuchten die Polizeiwache zu stürmen, was jedoch nicht gelang, da genügend Ver stärkungen von auswärts vorhanden waren. Die Ur sache des kommunistischen Angriffs war di e Verhaftung von zwei Rädelsführern, die gewaltsam befreit werden sollten. Im Verlauf der Schießerei, die etwa eine Stunde andauerte, hatten die Angreifer einen Toten, zwei Schwerverletzte und zehn Leichtverletzte zu beklagen. Bin drei Personen, die dem Rheinberger Krankenhaus zuoeführt werden mußten, gelang es zweien, am Sonn- tag wieder zu flüchten. Die Polizei erlitt keine Ver luste. Sonnabend gegen 22 Uhr wurden in Neukirchen auf eine Polizeistreife zwei Schüsse ab gegeben. Die Täter konnten jedoch bisher nicht fest- genomme n werden. Der Sonntag im Nuhrbergbau Lebhafte Versammlungstätigkeit. Essen. 4. Januar. Wegen des arbeitsfreien Sonn tags läßt sich über den allgemeinen Stand der Streik bewegung im Ruhrbergbau nur wenig Neues mitteilen. Um so lebhafter war die Versammlungstätig keit. Sowohl die an der Streikbewegung unbeteilig ten Mitglieder der tarifbeteiligten Bergarbeiterverände als auch die kommunistische revolutionäre Gewerkschafts opposition hielten zahlreiche örtliche Versammlungen ab. Sabotageakt auf einer Ruhrzeche. — Zwei Förder wagen in den Schacht geworfen. Wanne-Eickel, 4. Januar. Auf Schacht Wilhelm der Zeche Pluto wurde am Sonntagabend von unbe kannten Tätern ein Sabotageakt verübt. Zwei Förder wagen wurden in den Schacht geworfen, um die För derung unmöglich zu machen. Der angerichtete Schaden beläuft sich auf etwa 25 000 RM. Ein Teil der Be legschaft des Schachtes kann infolge des Sabotageaktes nicht einfahren. Als Täter kommen, zwei Männer in Frage, die von in der Nähe arbeitenden Leuten gesehen wurden. Verschärfter Kommunistenterror angekündigt. Essen, 5. Januar. Die Beschlüsse der Bergarbeiter verbünde und der kommunistischen Eewerkschaftsopposi- tion am Sonntag haben eine gewisse Klärung der Lage herbeigeführt. Die Bergarbeiterverbände lehnten er neut die Lohnabbauforderung des Zechenverbandes ab und wandten sich scharf gegen die wilde Streikbewegung der Kommunisten. Die Versammlung der Zechendele gierten der revolutionären Ewerkschaftsopposition zeigte das wahre Ziel der Kommunisten: den Ausbruch eines politischen Massenstreiks, die Schaffung eines rotenEinheitsverban- des der Bergarbeiter, Sturz der Regie rung B r ü n i n g u n d d e r „f a s ch i st i s ch e n D i k- ratu r". Die Kommunisten wollen in den nächsten Tagen, wenn die Polizei die Zechen zum Schutz der Ar beitswilligen besetzen sollte, die Wege zu den Zechen be setzen und so die Arbeitswilligen am Zugang zu den Zechen verhindern. Demgegenüber hat der Verbands vorsitzende des Bergbau-Indu st riearbeiter- verbandesdie Losung ausgegeben: „AlleMann Montag wieder zur Arbeit". Die neuen Schlichlungsoqrhandlungen, die in Essen unter Vorsitz von Professor Dr. Brahn stattfinden, werden voraus sichtlich am 7. Januar beginnen. Gerüchte von der Er nennung eines Sonderschlichters treffen nicht zu. Scharfes Vorgehen der Bochumer Polizei gegen die Kommunistische Partei Deutschlands. Bochum. 5. Januar. In der Nacht zum Montag drang die Bochumer Polizei überraschend in die Räume der örtlichen KPD.-Leitung ein. Eine sogenannte E r- werbslosen staffel von über hundert Mann wurde auf Lastkraftwagen ins Polizeipräsidium ge schafft. Die Umstellung des Häuserblocks, in dem die KPD.-Leitung ihre Geschäftsräume hat, erfolgte so überraschend, daß es zu keinerlei Zwischenfällen kam. Der Polizei war bekannt geworden, daß die Erwerbs losenstaffel Montag früh auf der Zeche Präsident ein gesetzt werden sollte, um durch Gewaltanwen dung und Sabotageakte die Arbeitsei n- stellung zu erzwingen. Unter den Zwangsge stellten sind zahlreiche Führer der Bochumer KPD., so daß damit der Bochumer Streikbewegung ein empfind licher Schlag versetzt sein dürfte. Die große Liebe. Roman von Emmi Lewald. Wj (Nachdruck verboten.) Leeven kniff die Augen ein. Er überlegte. Nun ja, vielleicht war alles Unsinn. Aber das eine war höchst sonderbar zum mindesten: das mit dem Schiff nach Griechenland! Und aller Hatz, der in ihm wohnte gegen den Mann, der wie ein ewiges Hindernis aus seinem Wege stand, schlug in Leeven hoch und wurde zu einer heißen Hoff nung. daß dies alles wahr sein möchte, daß da wirklich ein dunkler Punkt war in Gristedes Vergangenheit, ein kaum zu begreifender, ungeheurer Betrug, irgendwann, irgendwo ausgeübt in einer Fremde, die er undurch dringlich glaubte. Und ein Triumphgefühl war in ihm, „fast zu schön, um wahr zu sein," sagte er vor sich hin. Ter Polizeichef winkte die Polizisten heran. Der Fall gemeinen Pferdediebstahls wurde rasch und sum marisch abgetan. Er befahl, den Sünder in die Haft ab zuführen. Als er noch einmal zu reden anfangen wollte, schrie er ihn an, und die Schutzmänner nahmen ihn lachend an der Schulter und schoben ihn aus dem Raum. „Der Kerl ist total verrückt," sagte der jüngere der beiden zu Leeven, an dem sie den Gefangenen vorbei zur Tür drängten „Verrückt!" schrie der noch einmal zu Leeven hin. „Sagen Sie doch dem feinen Herrn von Gristede, daß er seinen alten Genossen besuchen soll, wenn er den Mut zu dem Wiedersehen hat. Jakob Heerdweg läßt grüßen!" Leeven stieg langsam zum Tageslicht empor. Das war wahrscheinlich ein seltsamer Sack mit Neuig keiten, und wenn es sich auch schließlich herausstellen sollte, daß nichts Wahres dabei war, so gönnte er dem hoch mütigen Gristede und der stolzen Karen doch die kleine Er regung über den bösen Klatsch, der sich nun vermessen in die Höhe wagen würde. Er selbst hatte ja eine sichere Position, und wenn er auch , überall das Gehörte erzählte, würde er eben nur referieren, gar nicht urteilen! Niemand sollte ihm eine positive Meinung entlocken können. Aber niemand konnte auch verlangen, datz er so viel gravierende Einzelheiten für sich behielt. Und er bedauerte fast, daß er auf dem Wege in seine Wohnung keinen Bekannten traf, mit dem er die neuesten Ereignisse durchhecheln konnte. Zehn Jahre war Gristede nun im Lepd und keiner hatte ihn persönlich gekannt, ehe er kam, niemand war im ganzen Herzogtum, der erklären konnte, datz er mit ihm vor zehn oder zwanzig Jahren zusammengewesen war. Jeder halte von seiner Existenz als Sohn seiner Mutter und Erbe des alten Herrn auf Meerwarfen gewußt — aber Bayern und Griechenland waren weit. Leeven psisi vor sich hin Und mühsam kramte Leeven in seinem Gedächtnis nach einem verdächtigen Umstand irgendeiner Art. Und fand nur den einen, der im Grunde so sehr für Herrn von Gristede sprach, daß jeder, der über seine Athener Zeit wußte, von leichtfertigen Jahren und tollen Streichen redete, und datz jeder erstaunt war, ihn jetzt so abgeklärt und musterhaft zu finden. Vielleicht lietze sich doch aus dieser Tugend der Strick drehen 1 Warum hatte er nicht ein Zwangsmittel, Gristede und den Strolch zu konfrontieren und zu sehen, was dabei her auskam? Mußte man nicht kontrollieren, was sich da m oer Zelle dieses Jakob Heerdweg begab, ob da nicht ein unver fänglicher Dritter mit Gristedeschem Bestechungsgeld er- schien, diesem Zeugen einer dunklen Vergangenheit den Mund zu stopfen? Was mochte Gristede in diese:: :ug...blick denken, er, der doch allein Herr über seine möglichen Geheimnisse war? Leeven pfiff vor sich hin. Angenehm erregt kam er an sein Haus. Frau von Leeven und seine drei Töchter stie-zen gerade warm umwickelt in den Hofwagen. Richtig, es war ja Probe draußen bei der Herzogin für das Kindermärchen. Es geschah ja alles, um die lei dende Herzogin auf heitere Gedanken zu bringen. Sein Erlebnis brannte ihm auf der Zunge. Aber er wußte: seine Gattin konnte nicht schweigen, es war ge fährlich, sie in der Nähe der Herzogin mit solchem Ge heimnis zu belasten. Die Angelegenheit war auch noch nicht genügend entwickelt. Er hatte binnen drei Stunden selber Dienst bei der Herzogin. Vielleicht war man bis dahin etwas mehr im Bilde ob es geraten war, zu reden oder zu schweigen. Zunächst begann sein Dienst im Vorzimmer des He: zsgs. Dort konnte man höchst bequem der allgemeine Meinung sozusagen den Puls fühlen und das Gern:-.:: sachte weiterverbreiten. „Empfiehl mich der schönen Karen!" ries er d > Gattin nach. Nun ja, vielleicht konnte es sich noch mal erweise:: daß diese schöne Karen bester daran getan haben würde zeitig Frau von Leeven zu werden, als einem talentvolle- Hochstapler in die Hände zu fallen. Hochstapler! Er sagte das Wort ein paarmal vor sick hin und berauschte sich förmlich an seiner verhängnisvollen Bedeutung. Eine Stunde später trat der Hausminister zum Vor trag beim Herzog ein. Der Herzog litt in diesen Wochen viel an schlafloser Nächten. Das Meer von Sorgen, das von überall her den fürst lichen Thron umbrandete, war für den einsamen alter Herrn eine schwere Prüfung. Und doch trug er seine Sorgen lieber allein, wenn ei seine Schwester draußen im Sommerschloß geborger wußte, geschützt vor all den Problemen, die ihm die Seel« schwer machten, von all der leichten, heiteren Geselligkei umgeben, die nun einmal der hohen Frau Erholung uni Lebensbedürfnis war. (Fortsetzung folgt.)