68 Säule. Die toskanische Säule verdankt ihren Ursprung, so sagt die Geschichte, den Cydiern aus Kleinasien, welche nach der Zerstö rung von Troja (etwa 1184 Jahre vor Christus) nach Italien auswanderten, und unter einem Prinzen, Tyrrhen, sich in dem jetzigen Großherzogthum Toskana am mittelländischen Meere, wel ches von jenem Anführer das Tyrrhenische heißt, festsetzten. Die toskanische Säule ist also griechischen Ursprungs, denn obsckon die Hetrurier oder Hetrusker, welche im Mittlern Italien, na mentlich in Toskana wohnten, ein kunstreiches Volk gewesen seytt mögen, so ist es doch wahrscheinlich, daß sie den größern Theil ihrer Bildung jenen eingewanderten Fremdlingen aus Troja und Griechenland zu verdanken haben. Die ältesten Säulen der Hetrusker oder Etrusker mögen un streitig sehr roh und plump gewesen seyn, und wohl mag die tos kanische Ordnung der Säulen ihre Form und ihr gutes Verhält- niß aus Griechenland entlehnt haben. Aber kein Ueberrest eines Gebäudes im etruskischen und tos kanischen Styl ist zu uns übergegangen, und wir kennen die Säule blos aus der Beschreibung, die uns Vitruv von ihr hinterlas sen hat. Sie erhält ihre Bestimmung von der Breite des Tempels, indem diese in 3 Theile gethcilt wird, wovon 1 Theil die Höhe der Säule ist. Der siebente Theil der Säulenhöhe ist der untere Durchmesser. Die dorische Säulenart besitzt fast den nämlichen Charakter der Stärke wie die toskanische; doch ist diese Stärke durch eigen- thümliche Zierathen gemildert. Die Triglyphen, die Dielcnköpfe, die Tropfen unter den Triglyphen charakterisiren die dorische Säule und sind innig mit ihr verbunden. Ihre Verhältnisse empfehlen sie zu solchen Gebäuden, wo Stärke und Hoheit mit einander ver einigt sind. Die jonische Säulenart erhält mehr Feinheit, als die bei den vorhergehenden. Man hat diese Säule daher die weibliche Säule genannt, und sie mit dem Ansehen einer Matrone vergli chen. Sie ist das Mittel zwischen der männlichen toskanischen und dorischen Säule, und der jungfräulichen Zartheit der korinthi schen Säule. Das Freie und Ungezwungene des Capitäls und die liebliche Gestalt des Schaftes machen diese Säulenarl sehr ge schickt zu der Verzierung der Vorlage und des Haupteinganges ei nes prächtigen Wohnhauses. Der korinthischen Säule ist mehr Zärtlichkeit, mehr Zierde eigen, als irgend einer von den übrigen Säulenarten. Die Schön heit und der Reichtbum des Capitäls der korinthischen Säule und das schlanke Ansehen ihres Säulenschaftes bestimmen sie aus schließlich zu solchen Werken, die Pracht und Eleganz verlangen.