Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 08.12.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-193312086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19331208
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19331208
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1933
-
Monat
1933-12
- Tag 1933-12-08
-
Monat
1933-12
-
Jahr
1933
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 08.12.1933
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
alonor !negs- 7. nicht ir alle fernen !mi. e Ein- -chulen steichs- mmen- er tat- ;t man ein in «gliche jedem de ein ei 220 and 55 W. Frick ig zur rn des me ge- jierung diesem ns die sch land sen zu eigenen «sregie- en jeg- strksten mäßige «eträgt, es aber nahen ftichem, m nur dieser idischen -gesamt waren stärker len, in > v. H. en der sogar halt zu cge ge rn Akt )arüber Rassen- nerhal- >ill die )er an- zt, daß -er eine m liegt m. In uf hin- tschland nd daß )ie vor er. Innern zugehen worden, ie am eblieben wlk sich Mehrheit Reichs- nir eine e klein- isichtlich ersonen, sen und gemacht sager es -tag der Volks- awirken, mg der erbleibt ändigt." nd Pro- : ivat- eden le gen, an ts nicht wochen- Flaggen tigenden Flaggen aen aus ihäusertt rscht be- geordnet >st früh" I wieder ksam ge- ms die bestehen, r Aerzie- sen und frus ge- sammen- Gries- für da« Haus in ast, Dr. sitzenden Der Reichstagsbrandprozeß. RA. Dr. Seuffert stellt, wie schon kurz gemeldet, im Benehmen mit RA. Dr. Sack einen neuen Beweisan trag, der sich mit der Möglichkeit der Inbrandsetzung des Plenarsaales allein durch van der Lubbe beschäftigt. Dr. Seuffert führt aus, es sei festgestellt worden, daß zur Reinigung des Plenarsaales ein Putzmittel verwendet wor den ist, das nach Aussage des Sachverständigen Schwerben zin enthält. Es ist behauptet worden, daß durch die häufige Verwendung dieses Putzmittels sich an den Holzstllhlen eine Schicht festsetzte, die zur Gasbildung neigt, sobald diese Räume kalt werden, und daß eben wegen dieser Gasbil dung über d e m G e st ü h I eine plötzliche Ent flammung möglich ist, wenn an irgendeiner Stelle ein Feuerbrand hineingebracht wird. In einer Zuschrift sei behauptet worden, daß ein solcher Fall in Bad Kissingen bereits vorgekommen sei. Dort sei durch das Herausfallen eines Kohlenstückes in kürzester Frist ein Raumschlag art i g i n F l a m m e n aufgegangen. RA. Dr. Seuf- ! fert beantragt, den Sachverständigen Dr. Schatz darüber zu hören, ob diese Behauptungen richtig sind. Auch der Hausinspektor Scranowitz soll gehört werden, in welchem Umfange das Putzmittel verwendet worden ist. Der Oberreichsanwalt erklärt, daß er keine Bedenken gegen diesen Antrag habe. Der nächste Zeuge, Kriminalsekretär Kassebaum, Dortmund, hat seinerzeit die polizeilichen Ermittlungen in der Strafsache Rosner in Hamm geführt, in der bereits die Hauptverhandlung gegen 34 Angeklagte stattgefunden hat. Von diesen Angeklagten sind der Bauarbeiter Zer - weis und der Installateur Brand, die zu fünf und zwei ! Fahren Zuchthaus verurteilt worden sind, heute als Zeugen vorgeführt worden. Kassebaum bekundet, er habe festge stellt, daß die Gruppen des Rotfrontkämpferbundes auf Ver anlassung der Partei gebildet waren und daß auch die Par tei Gelder zur Waffenbeschaffung zur Verfügung stellte. Für die Wahlnacht war höchster Alarm angeordnet und „die Nacht der langen Messer" vorbereitet worden. Man habe nur auf den Befehl zum Losschlagen gewartet. Der : Zeuge Zerweis bestätigt, daß im Februar Alarmbereitschaft bestand. Der endgültige Befehl sei aber nicht gekommen, so daß in Kreisen des Rotfrontkämpferbundes die Meinung herrschte, man müsse selbst losschlagen. Die Frage, ob der Reichstagsbrand das Fanal zum bewaffneten Aufstand sein sollte, verneint der Zeuge. Der Zeuge Brand aus Hamm bekundet, daß der ganze Rotsrontkämpferbund im Februar Neu organisiert worden war. Weiter machte der Zeuge Be kundungen über eine Unterredung, in der davon gesprochen wurde, daß in Düsseldorf beabsichtigt sei, dieEaswerke zur Explosionzubringen, Kabel zu sprengen usw., um dadurch Verwirrung zu stiften und den Boden für den Aufstand vorzubereiten. Die Weiterverhandlung wird dann auf Dienstag vertagt. * Der Nachweis für die kommunistische Umsturztätigkeit wird heute im Brandstifterprozeß mit einigen Beispielen aus der Mark Brandenburg noch erweitert. Es werden wieder in Untersuchungshaft sitzende Kommunisten aus Prenzlau, Eberswalde und Moabit vorgeführt, die der Teilnahme an hochverräterischen Aktionen dringend ver dächtig sind. Die Verhandlung beginnt mit der Verneh mung eines Arbeiters Felix aus Bad Freienwalde, gegen den in Zusammenhang mit Sprengstoffaufbewahrung ein Verfahren schwebt. Er ist bis 1929 Mitglied der KPD. ge wesen, wurde dann wegen Unterschlagung ausgeschlossen, hat sich aber weiterhin noch ständig in kommunistischem Sinne betätigt. Er wurde nur nicht mehr in alle vertrau lichen Angelegenheiten der Partei eingeweiht. Der Zeuge ' teilt mit, daß am 2. Februar ein gewisser Jessel aus Berlin nach Freienwalde gekommen ist, der Verbindungsmann der Partei vom Unterbezirk Freienwalde für die Abteilung 66, § einer technischen Abteilung, deren Aufgabe die Waffenbe- ichafsung war. Jessel hat dort erklärt, daß ein Verbot der ! Partei die erste Phase des Bürgerkrieges sein würde. Das bedeute die Ausführung von Sabotageakten, Lahmlegung s lebenswichtiger Betriebe durch Beschädigung, Sprengung von Eisenbahnbrücken usw. Jessel habe eine Anzahl Waffen aus Berlin, Blendlaternen zum Anlernen von Morsezeichen Landkarten und ähnliches mitgebracht. Auch hier spielt wie der planmäßig von der kommunistischen Zentrale aus pro pagiert der Gedanke des nationalsozialistischen Marsches auf Berlin, der mit Gewalt verhindert werden müsse. Wenn am 5. März, so habe Jessel erklärt, die Konterrevolution den Marsch auf das rote Berlin unternehmen würde, so müsse man dieser Aktion durch Teilkämpfe des Proletariats wirksam entgegentreten und diesen Marsch mit allen Mit teln zu verhindern suchen. Als Beispiel habe Jessel ange führt, daß der BVE.-Streik sehr leicht zum Generalstreik hätte werden können und daß damit der bewaffnete Auf stand ohne weiteres gegeben gewesen wäre. Vor dm MW dn BMisMNWchn Leipzig. Leipzig, 6 Dezember. Der Reichstagsbrandstifter prozeß steht dichtvordemAbschlußderVeweis- aufnahme. Der Senat beabsichtigt, heule noch ein um fangreiches Arbeitsprogramm zu bewältigen und dann eine mehrtägige Pause zur Vorbereitung der Plä doyers eintreten zu lassen. Notfalls wird noch der mor gige Donnerstag zu Hilfe genommen werden müssen. Außer den schon gestern vernommenen Gefangenen ist heute u. a. noch ein Oberlandjäger als Zeuge erschienen. Ferner sind geladen worden: Der Polizeibeamte aus Hennigsdorf, der in der Nacht zum 27. Februar im Obdachlosenheim Dienst getan hat, eine Frau, die über die dortige Anwesenheit van der Lübbes Aussagen machen kann, weiter der Hausinspek tor des Reichstages und die Leiterin der Reinemachefrauen, die über die Verwendung des Möbelputzmittels, des sen richtiger Name „Sangajol" ist, Auskunft geben werden. Hierzu wird in erster Linie das von der Verteidigung be antragte ' Gutachten des Gerichtschemikers Dr. Schatz, Halle, von Bedeutung fein, der dem Vernehmen nach der These derVerteidigung nichtbeitreten wird. Den interessantesten Teil der heutigen Verhandlung werden die Gutachten der medizinischen Sachverständigen über den körperlichen und geistigen Zustand van der Lübbes bilden. Nach den Aeußerungen des Senatspräsidenten Dr. Bünger wird unter allen Umständen die Beweisaus nahme im Reichstagsbrandstifterprozeß heute zu Ende ge führt. Der Oberreichsanwalt hat beantragt, daß eine An zahl von Urteilen gegen Kommunisten verlesen werden, darunter auch das Urteil gegen Neumann im sogenannten Tscheka-Prozeß, das vom Staatsgerichtshof im Jahre 1924 gefällt worden ist. Wenn die Dispositionen des Vorsitzen den, Senatspräsidenten Dr. Bünger, eingehakten werden, ist damit zu rechnen, daß die Verhandlungen heute, am letz ten Tage der Beweisaufnahme, bis in die späten Abend stunden fortgesetzt werden. Aus aller Welt. * Wegen Beleidigung Hitlers verurteilt. Die Wiener Pvlizeidirektion hat am Dienstag eine Strafe wegen Be leidigung des Reichskanzlers Hitler verhängt. Der Ver antwortliche Schriftleiter der Kunstzeitschrift „Der Zwiebel fisch", die früher in München herausgegeben wurde, wurde wegen Kritik an dem deutschen Reichskanzler nach der Verordnung zum Schutze der Ehre von Mitgliedern^aus- ländischer Regierungen zu einer Geldstrafe von 100 Schil ling verurteilt. * Kommunistisches Arbciterheim in Böhmen in Flam men. In Grottau (Nordböhmen) brach in dortigen kom munistischen Arbeiterheim ein schweres Schadenfeuer aus, dem ein großer Teil des Heimes zum Opfer fiel, obwohl die Wehren der näheren Umgebung rasch zur Stelle waren. Die Entstehungsursache ist unbekannt. * 2224 Oesterreicher ausgebürgert. In Oesterreich sind seit dem Erlaß der Notverordnung vom 16. August, wonach Oesterreicher ihrer Staatsangehörigkeit verlustig erklärt werden können, 2224 Personen ausgcbürgert wor den, fast ausnahmslos Nationalsozialisten, die sich ins Deutsche Reich begeben haben. * Nationalsozialist Langhans aus Karlsbad aus gewiesen. Der in ganz Westböhmen bekannte ehemalige nationalsozialistische Parteiführer, Fachlehrer Langhans, der mit seinen Eltern weit mehr als 30 Jahre in Fischern bei Karlsbad wohnt, erhielt den sofortigen Ausweisungs bescheid aus dem Karlsbader Polizeibezirk bis zum 1. Januar 1936. Der Bescheid stützt sich auf die Bestim mungen des Gesetzes über die aufgelösten Parteien. Die übrigen Führer der NSDAP, und der Deutschen National partei im Karlsbader Polizeibezirk erhielten einen Bescheid des Karlsbader Polizeikommissariats, wonach sie folgenden Einschränkungen unterworfen werden: 1. Ihre Briefe und sonstigen Postsendungen unterliegen der Beschlagnahme bzw. Oeffnung. 2. Ihre Telegramme werden zensiert. 3. Sie werden unter Polizeiaufsicht gestellt. Danach dürfen sie sich vom 4. Dezember an bis zum 1. Januar 1935 aus dem Karlsbader Polizeibezirk nicht entfernen und haben sich in dieser Zeit dreimal täglich bei der Polizeihauptwache in Karlsbad zu melden. Ferner wird ihnen die Teilnahme an Versammlungen jeder Art verboten. * Tagung des Verbandes der polnische» Kriegsteil nehmer. Am letzten Sonntag fand in Warschau im Bei sein des Senatspräsidenten, der Mitglieder der Re gierung und der Heeresleitrng die 6. Vertretertagung des polnischen Verbandes der Kriegsteilnehmer statt. Die Er öffnungsrede hielt der Vorsitzende des Verbandes, ein Ge neral. Er wies darauf hin, daß Polen noch vor der großen Frage stehe, „ob es ein den großen Weltmächten ebenbür tiger, oder ein kleiner, auf die Hilse der mächtigen Staaten angewiesener Staat" sein solle. Der General ist überzeugt, daß Polen diese „Prüfung seiner Kräfte" noch ablegen müsse. Der Verband erblicke seine wichtigste Aufgabe in der „Aufrechterhaltung der Kampffähigkeit der Offiziere, Un teroffiziere und Soldaten in der Reserve zum Zwecke der »Festigung der Macht der Republik auf militärischem, ma teriellem und kulturellem Gebiet". Für Marschall Pilsudski sprach General Skladowski. Jedes Mitglied des Verbandes müsse, so sagte er, jederzeit bereit sein, im Augenblick der Gefahr für das Vaterland das Leben zu opfern. * Vor der Lösung der Führerfrage bei den schwedi schen Nationalsozialisten. „Svenska Dagbladet" zufolge ist eie Fülnerfrage bei den schwedischen Nationalsozialisten jetzt gelöst worden. Bei einem Vortrag wurde mitgeteilt, daß sich Oberst Martin Ekström zur Verfügung gestelltchat. Ei ist 46 Jahre alt und war von 1011 bis 1914 Instruktions offizier der persischen Gendarmerie. Später nahm er mit Auszeichnung an den finnischen, estnischen und litauischen Freiheitskämpfen teil. Er bekleidet jetzt eine führende Stel lung im finnischen Schutzkorps. Wenn die Nachricht richtig ist, daß Oberst Ekström die Führung über die verschiedenen nationalsozialistischen Gruppen, die sich bisher befehdeten, übernommen hat, so dürfte dies für die Entwickelung des schwedischen Nationalsozialismus die allergrößte Bedeutung haben. " Amerikanischer Senator entführt? Der amerikanische Senator James Hamilton Lewis aus Illinois, der' am Dienstagabend in Dallas in Texas über den nationalen Wiederaufbauplan sprechen sollte, ist nach Angabe seines Sekretärs spurlos verschwunden. Man befürchtet, daß der Senator zu Erpressungszwecken entführt worden ist. Eine umfangreiche Suche nach ihm ist eingeleitet. * Immer wieder Papierböller in Oesterreich. — Haus suchung mit tragischem Ausgang. In dem Ort Lind in Kärnten ist in dein Gemeindehause, in dem auch der sozialdemokratische Bürgermeister wohnt, ein Papierböller explodiert, durch den zehn Fensterscheiben zertrümmert wurden. In Villach wurde ein Papierböller aufgefunden, der jedoch nicht zur Explosion gelangt ist. Die nieder- österreichische Landesregierung hat die Ortsgruppe des Schulvereines Südmark in Münchendorf aufgelöst, weil ein Beauftragter der Ortsgruppe mit den Drucksachen des Schulvereins auch nationalsozialistisches Werbematerial versandt haben soll. Zwei Funktionäre der Ortsgruppe wurden verhaftet und mit Arrest bestraft. In Retz (Nie derösterreich) wurde ein Sprengstoffanschlag auf das dor tige Wasserwerk verübt. Wie aus Schwarzbach gemeldet wird, ist dort eine Haussuchung bei dem Nationalsozialisten Haag sehr tragisch verlaufen. Die Suche nach politischem Material war vollständig ergebnislos. Als die Gendar meriebeamten weggingen, erlitt die Frau Haag einen Herzschlag, dem sie erlag. * Mit dem LotterieloS in der Tasche beerdigt. Aus Paris wird berichtet: Nachdem erst am Montag bekannt wurde, daß ein geschickter Schwindler auf ein gefälschtes Lotterielos hin eine Million Franken einkassierte, wird am Dienstag aus Rennes gemeldet, daß ein Bauer eines in der dortigen Nähe liegenden Dorfes, der kurz vor der Ziehung starb, mit seinem Lotterielos in der Tasche be erdigt wurde und daß dieses Los angeblich eine Million Franken gewonnen hätte. Die Hinterbliebenen des dop pelt unglücklich betroffenen Bauern haben die Ausgrabung der sterblichen Ueberreste beantragt, um nach dem Los zu suchen. Man weiß aber noch nicht, ob die Genehmigung dazu erteilt wird. Roman von E. Marquardien-Kamphövener. «Nachdruck verboten.) Fräulein Stein hatte die Säle durchschritten, als wisse sie nicht, wie viele Blicke ihr folgten. Scheinbar ruhig ging sie zu den Garderoberäumen und legte ihren hellgrünen Kittel ab, betrachtete mechanisch ihr Gesicht im Spiegel, stülpte den kleinen weißen Filzhui aus ihren Goldhelm und zog den weißen Mantel zurecht Langsam packte sie ihre Klappe fertig, da alles, wessen sie hier be nötigt hatte, tn den vielen Taschen des Kittels verstaut war Als sie den Garderoberaum verließ, die weißen Handschuhe überstreifend, stand dort Albert, der Page, und reichte ihr stumm ein Kuvert hin. Sie nahm es ebenso stumm und nickte ihm zu Sie fühlte sich plötzlich als freier Bürger und nicht mehr als Angestellte und gab ihm aus ihrer kleinen Börse ein Geldstück. Er verbeugte sich ge wandt und öffnete ihr die Ausgangstür fürs Personal, als sei sie der Ches der Vereinigten Banken selbst. Als sie die Schwelle überschritt, reichte er ihr einen Zettel; sie sah ihn fragend an. „Meine Adresse, Fräulein; man kann nie wissen. Viel leicht hören Sie mal was für mich." Fräulein Stein nickte und ging davon; Albert, der Page, dachte, daß sie natürlich die einzige weggeschickt hatten, die ihn weder bekost noch beschimpft hatte. Na ja, man würde schon sehen I Und wandte sich ab. Fräulein Stein trat in den strahlenden Sonnenschein hinaus und atmete erst einmal tief. Als sie den Hinterhof des großen Instituts verlassen hatte, brachten sie wenige Schritte aus die breite Straße, von der aus der See zu sehen war. Sonne, Freiheit an einem Wochentage! Sie drückte ihre Mappe fester an sich und schritt aus. Wie lange war das nun, seit sie Freiheit an einem Wochen- tage genossen hatte? Ach, gar nicht nachzurechnen! Und Sonntags, da war es immer so arg voll. Wie schwer entschloß man sich doch, Teil einer Menge zu sein. Zu dumm, daß man das immer noch ntch: überwand! Zu dumm, wirklich. Aber da war etwas, das es nicht zuließ, daß man sich unter den gleichen Verhältnissen wohlfühlte wie andere Leute. Das mußte noch erreicht werden, un bedingt. Aber jetzt, an einem beliebigen Dienstag, mitten im Monat, elf Uhr vormittags, frei sein und den See vor sich sehen . . ja, das war herrlich! Sie setzte sich aus eine Bank am Kai und sah vor sich ins Wasser. Gott, wie schön war es hier! Dieser Züricher See war so weit und frei und so bewegt, beinahe wie ein Meer. Fräulein Stein sah sich beseligt um und verdankte es sicher nur der frühen Vormittagsstunde, daß sie auf ihrer Bank un behelligt blieb. Denn der Versuchung, lange in dieses lebensfrohe, strahlende Gesicht eines schönen Mädchens in Weiß, in der Sonne, am See, zu schauen, wäre wohl schwer zu widerstehen gewesen. Die frohe Versunkenheit dauerte allerdings nicht lange; dann stürzte das Denken wieder Uber sie her, und sie nahm das Kuvert, das ihr der Page gegeben hatte. Sie zählte das Geld und rechnete, wie lange es reichen würde, damit das liebe, das geliebte Sorgenkind nichts merke . . ihr großes, altes Sorgen- kind! Eine Weile würde es gehen, und inzwischen mußte man eben wieder suchen. Zum drittenmal nun hatte sie aus demselben Grunde ihre Stellung verlassen. Da hatte man gut sagen, daß das alles nicht so schlimm sei, daß die Chefs viel zuviel zu tun hätten, um sich um ihre An gestellten zu kümmern; daß das alles dumme Märchen seien. So schlimm war's doch geworden, daß sie schon daran gedacht hatte, eine grüne Brille zu tragen, damit sie wenigstens entstellt sei. Aber das schien ihr doch wieder allzu lächerlich. Es mußte doch auch so gehen! Aber es ging nicht. Es endete immer wie heute. Und sie konnte doch wirklich etwas. Komisch, da hieß es immer, die Frauenarbeit sei so weit fortgeschritten, und dabei konnte man in ganz Zürich tn ihrer Spezialbranche nicht einen einzigen weiblichen Ches finden. Wo versteckten die sich nur? Sie wollte es nochmals versuchen, einen zu finden, aber jetzt mußte sie erst einmal zu Krullchen. Welch ein Segen, daß es Krullchen gab! Was hätte sie sonst getan, wenn die Welt ohne Krullchen gewesen wäre? Gar nicht auszudenken I Schnell erhob sie sich und schlug den Weg zu Krullchen ein Der führte sie aus dem Viertel breiter Straßen fort, um den See herum dorthin, wo schon die Weinberge be gannen. Sonst fuhr sie den Weg immer mit der kleinen Uferbahn, aber jetzt wollte sie ihn einmal in der Sonne gehen, als besonders ruhebringenden Weg der neuen Entschlüsse. Aus allem, was sie um sich sah. sog sie sich Mut und Lebensfreude. Sie fühlte ihre Kraft und elastische Widerstandsfähigkeit bet jedem Schritt und mußte schließlich darüber lachen, daß sie das alles so ernst ge nommen hatte. Wann würde sie nur soweit sein, der gleichen nicht mehr tragisch zu nehmen? Zn dumm doch! Es galt ja alles gar nicht ihr selbst, vielmehr doch einem Wesen, das diese Leute sich unter ihr vorstellten. „Ach was!" sagte sie vor sich hin und lachte. Herrlich zu leben, zu gehen in der Sonne, so zwischen den Gärten hin. Was für ein Glück, daß sie dieses versteckte Haus damals gefunden hatte, um ihrem Sorgenkinde darin das zu erhalten, was dieser armen Unvernunft nun einmal das Leben bedeutete. Jetzt konnte sie schon den großen Gatten sehen mit dem Pavillon am Ende, nun auch das Schild mit seinen Riesenlettern, die vom Schiss aus erkenntlich sein mußten . . „Kunst- und Handelsgärtnerei von Schaffner", und dann war sie da. Heiß war ihr geworden, richtig heiß! Aufatmend nahm sie den Hut vom Kopf und ließ die Goldhaare in der Sonne blitzen, als sie in den breiten Mittelweg der Gärtnerei eintrat. Gleich rechts, nahe der Biegung, war das Gärtnerhaus, und davor saß ein Mädel, dunkel, schmächtig und blaß, und hatte den Schoß voll Blumen. Fräulein Stein blieb stehen, weil der Duft der Blüten bis zu ihr wehte, und rief hinüber: „Servus, MoidlU Was machst denn da?" Die Angerufene sah auf und lachte; sie warf eine Blume hoch. „Fang's, Fräulein Herzog!" rief sie. Fräulein Stein kam heran, nahm die Blume auf und hielt eine rötliche Orchidee in der Hand. Erstaunt sagte sie: „Ja, Herrgott, Moidli, mit was wirfst denn du da herum? Das kost' ja wer weiß was!" „Der, der's zahlt, kann's zahlen. Ich bring's nachher hin mit dem Wagen. So viel reich ist der, Fräulein Herzog, so viel reich! Und wohnt am Bahnhof unten!" „So", sagte Fräulein Stein zerstreut, weil ihr scharfes Ohr einen Schritt gehört hatte, der vom Pavillon her kam. Wer ging denn so? Und wer kam da überhaupt um diese Stunde? Sie wartete, bis die Büsche sie sehen ließen, wer es sein konnte, und dann tat sie einen schnellen Schritt vorwärts. So plötzlich war sie mitten im Weg, daß der gebückte kleine Mann erschrocken vor der unvermuteten Er- scheinung zurückfuhr. Dann beugte er sich bis zur Erde und murmelte etwas. „Lassen Sie das", sagte Fräulein Stein. „Aber geben Sie mir sofort, was Sie da mitgenommen haben. Sofort." „Aber, Hoheit, das ist unmöglich! Ich habe mein gutes Geld gegeben." «Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)