Volltext Seite (XML)
Der Regierungswechsel in Frankreich Der Rücktritt der französischen Regierung Her- , riot wird vielfach als Anzeichen einer neuen Wendung j der außenpolitischen Lage angesehen. Man ist in Deutschland bisher immer gewillt gewesen, den franzö sischen Ministerpräsidenten als den Exponenten einer Politik zu betrachten, die die Herbeiführung einer Entspannung zwischen Deutschland und Frankreich anstrebt. Zur Stunde will man in den Berliner maßgeben den außenpolitischen Kreisen noch nicht recht glauben, daß Herriot durch seins Niederlage im Senat schon völ lig erledigt ist. Man erwartet daher eher eine Wie derkehr des bisherigen französischen Kabinetts oder zum mindesten die Bildung einer gemäßigten Nechtsregierung unter Briand. Der Sturz Herriots muß jedoch insofern in Deutschland einen unangenehmen Eindruck Hervorrufen, als gerade in den letzten Wochen die Möglichkeit eines Einlenkens Frank reichs in der Sicherheitsfrage bestanden hat. Daß jetzt etwa wieder ein Kabinett Poincars ans Ruder kommen könnte, hält man jedoch in den Ber liner außenpolitischen Kreisen für nahezu ausgeschlossen. Die Rückwirkungen der französischen Regierungs krise werden sich zunächst darin bemerkbar machen, daß die Erörterung der Sicherheits- und der Räumungs- frage gänzlich zum Stillstand kommen wird. Schon seit dem offenen Ausbruch der Krise zeigte sich, daß Frank reich bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge gar nicht in der Lage war, die außenpolitischen Verhandlungen fortzusetzcn, zumal da dis Aufmerksamkeit der französi schen politischen Kreise von der Innenpolitik in An spruch genommen wurde. Briand mit der Regierungsbildung beauftragt. Painleve hat den Auftrag zur Kabinettsbildung mit der Begründung abgelehnt, daß seine Persönlichkeit nicht geeignet sei, eine Entspannung zwischen der Kam mer und dem Senat herbeizuführen. Darauf wurde Briand mit der Bildung des Kabinetts beauftragt. Briand nahm sofort die Besprechungen mit den Füh rern der Parteien auf. Briands Absicht ist die, ein Ka binett nur bei aktiver Heranziehung sämtlicher Mehr heitsparteien, also auch der Sozialisten zu bilden. Zu der Frage des aktiven Eintritts der Sozialisten in das Kabinett wird eine außerordentliche sozialistische Ta gung Stellung nehmen. Ob die Sozialisten ihre bis herige Haltung aufgeben und zur aktiven Mitarbeit übergehen, ist angesichts der Beschlüsse des letzten sozia ¬ listischen Parteikongrssses in Grenoble äußerst frag würdig. Briand hält die bisherige Unterstützungs politik der Sozialisten für ungenügend. Ein Teil der Presse bespricht die Möglichkeit eines Konfliktes zwischen den Radikalen und den Sozia listen für den Fall, daß letztere den Eintritt in das Kabinett ablehnen. Im Echo de Paris erklärt ein Vertrauter Briands, daß die Radikalen in diesem Falle die Auflösung des Kartells und die Bildung eines nach rechts erweiterten Konzentrationskabinetts erwägen. Auf alle Fälle müsse die Regierungskrise in den näch sten Tagen gelöst werden. Äm 15. April werden 400 Millionen Franken von einem Gesamtbeträge von 33 Milliarden, die Frankreich in diesem Jahre zu zahlen hat, füllig. Weiter muß das neue Kabinett bis Don nerstag vor dem Erscheinen der Wochenbilanz das mit der Bank von Frankreich vereinbarte Abkommen rati fizieren, das nachträglich die Heraufsetzung des Geld umlaufes auf 43 Milliarden legalisiert. Nach den Blät tern hat De Monzis gestern in den Wandelgängen der Kammer erklärt, daß, wenn bis zum 16. April die Geld umlauffrage durch eine neue Regierung nicht geregelt werde, er nicht einmal zur Erledigung laufender An gelegenheiten im Amte bleiben werde. Anderseits wird die Bank von Frankreich evtl, dis Veröffentlichung der Wochenbilanzen einstellen. Wie scharf sich der Konflikt zwischen dem Kabinett Herriot und dem Direk tor der Bank von Frankreich vor einigen Tagen zuge spitzt hatte, geht auch daraus hervor, daß die Bank zwei Tage vor dem Rücktritt Herriots damit drohte, jede Be ziehung zu der Regierung abzubrechen, solange der Geldumlauf nicht wieder in legale Grenzen getreten sei. Gelinge Briand die Kabinetsbildung nicht, so würden die Kabinettskrisen fortgesetzt werden, was ! schließlich zur Auflösung und zur Ausschreibung von ! Neuwahlen führen müßte. Briand gab über die Lage i folgende Erklärung ab: Ich glaube, sagen zu können, daß ich überall warmen Zuspruch und große Teilnahme für meine Aufgaben gefunden habe. Ich würde indessen lügen, wollte ich sagen, daß ich auf allen Seiten dasselbe Entgegenkommen gefunden hätte. Gewisse Gruppen haben Vorbehalte geäußert. Ich muß abwarten, bis der sozialistische Nationalrat sich schlüssig geworden ist, ob er mir seine Unterstützung an gedeihen läßt. Ich bin der Ansicht, daß mein Mini sterium nur unter Beteiligung der Linksgruppen lebens fähig sein wird und halte mich außer Stande, unter den gegenwärtigen Umständen ein Kabinett zu bilden, daß nur von vorübergehender Dauer sein würde. Blitzschlagunglück auf der Festung Königstein. Zn Königstein ging gestern nachmittag in der vierten Stunde ein außerordentlich heftiges Gewitter nieder, das anfänglich im Gebiete von Schmilka-Schöna zu starken Negenfällen führte. Es zog dann elbabwärts und entlud sich plötzlich in mehreren Blitzen über König stein, ohne daß vorher Regen niedergegangen war. Einer der Blitze traf eine Gruppe von etwa 30 Per sonen »die sich auf der Festung an der sog. Königsnase befand. Die Gruppe hatte sich nicht beeilt, ein schützen des Dach aufzusuchen, da der Himmel teilweise noch unbewölkt war und auch eine Schutzhütte in der Nähe war. Sämtliche Personen waren sofort betäubt und fielen zu Boden. Der Blitz hatte zuerst eine Eiche, unter der die Gruppe stand, ge troffen und war dann in das Gitter übergesprungen, das die Eiche umgibt. An diesem Gitter hatten sich drei Personen festgehalten, die auf der Stelle tot waren, 23 Personen wurden verletzt, die meisten leicht. - Glücklicherweise konnte den übrigen Verunglückten so fort Hilfe gebracht werden, da sich eine Abteilung des Pionierbataillons 2 auf der Festung befand, die im Verein mit dem gleichfalls zufällig anwesenden Dr. Haenel (Dresden), der sofort herbeigeeilten Sanitäts- kolonne Königstein und mehreren anderen Aerzten die erste Hilfe leisteten. Alsdann wurden die Verletzten durch den Aufzug hernntergebracht; ein Teil der Ver letzten wurde in bersitgeftellten Privatautos und einem KeseZchaftsanto nach den Krankenhäusern in König stein und Dohna geschafft. Die übrigen leichter Ver letzten wurden sofort nach ihren Wohnorten Pirna, Dresden usw. gebracht. Schilderungen von Augenzeugen. Der sofort zur ersten Hilfeleistung herbeigeeilte Dr. Hans Haenel (Dresden) gibt folgende Schilderung der Katastrophe: Zur Zeit des Blitzschlages regnete es noch nicht, so daß auch die Führung noch nichi abgebrochen war. Durch den Blitzschlag wurden sämtliche Personen nieder- geschlagem Die Wirrung war die einer einschlagenden Granate. Die Leute lagen mit verbrannten und zer- festen Kleidern da. Der lahme Führer nahm sich geistes gegenwärtig der Leute an. Ich stellte fest, daß der Tod bei den drei Personen sofort durch Herzlühmung eingetremn war. Die Verletzten wurden sofort nach dem La-aretkgebäudc gebracht. Die anfänglichen Lähmungs erscheinungen behoben sich größtenteils. Die von den Verletzten erlittenen Brandwunden sind solche zweiten Grades, so daß keine Lebensgefahr mehr be steht. Ein»' Ausnahme könnte vielleicht eine junge Frau bilden, die ausgedehntere Brandwunden erlitt. Das Gewitter wird von einem anderen Augenzeugen wie folgt geschil dert: Mehrere Blitzschläge, von denen einer in eine Pappel fuhr, veranlaßten den Fremdenführer, die Füh rung abzubrechsn. Gleich hierauf entlud sich ein Blitz schlag, der sich in etwa vier oder fünf Arme teilte, teil weise in das Gestein fuhr und so zum Beispiel einen Steinblock von etwa 50 Kilo Gewicht einfach aushob und mehrere Eesteinssplitter abbrach. Die Namen der drei Toten sind Johannes Grosch witz aus Lengefeld i. Erzg., Hermann Großmann aus Breslau, Viktorinstraße 94s und Frau Martha Göritz aus Pirna. Zur Reichsprästdentenwahl. Aufruf der Vereinigten Vaterländischen Verbände Deutschlands. Die Vereinigten Vaterländischen Verbände Deutsch lands erlassen folgenden Aufruf: Durch die Aufstellung des Generalfeldmarschalls von H i n d e n b u r g hat die vom Reichsminister a. D. Dr. Jarres vorgezeichnete schwarz-weiß-rote Linie im Wahlkampf um den Reichs präsidenten die höchste Steigerung erreicht. Auf dieser Grundlage haben sich alle Verbände und Parteien ge funden, die'Deutschlands Heil nicht in internationaler Verwässerung, sondern in fester nationaler Einheit sehen. Die Vaterländischen Verbände danken dem gro ßen Führer in der Not für die Bereitwilligkeit, mit der er sich erneut zur Verfügung gestellt hat. Hoch über allem Parteikampf steht der Feldmarschall als ein Fels in den uns umbrauscnden Wogen. Ein höheres Sinn bild der nationalen Einheit gibt cs nicht. Der Name Hindenburg ist der Inbegriff christlichen deutschen Wesens, er ist die Verkörperung der alten deutschen Tugenden: Reinheit, Treue und Wahrheit. In diesem Zeichen wird Deutschland zu seinem vorgesteckten Ziel: Einigkeit und Recht und Freiheit gelangen. So allein wird der Sieg über alles Halbe. Schlecht und Unwahre errungen werden. Darum auf, deutsche Frauen und Männer, zum Sieg mit Hindenburg unter der Losung: Deutschland, Deutschland über alles. Wahlaufruf der Sozialdemokratischen Partei. Der „Vorwärts" veröffentlicht einen Aufruf des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei, in dem die sozialdemokratischen Wähler aufgefordcrt werden, für Marr zu stimmen. In dem Aufruf heißt es: Alle Republikaner müssen sich für den zweiten Wahl gang vereinen. Stark ist die Partei der Arbeiter, als Kermruppe der Republik hat sie sich aufs neue erwie sen. Doch erst ein Drittel des Volkes hat sich für die Sozialdemokratie entschieden, fast zwei Drittel stehen noch im Lager der bürgerlichen Parteien. Deshalb forderte politische Notwendigkeit die Einigung der drei Parteien, die gemeinsam die Verfassung von Weimar geschaffen haben. Auf Rat und in voller Uebereinstimmung mit Otto Braun, in Uebcreinstim- mung mit dem Parieiausschuß und der Reichstagsirak- tion haben wir beschlossen, dis Wählerinnen und Wäh ler der Sozialdemokratie aufzufordern, am 26. April den früheren Reichskanzler Wilhelm Marr zum-Reichs präsidenten der deutschen Republik zu wählen. Politische Tagesschau. Dr. Paasche ch. Der frühere Vizepräsident des Reichstages und ehemalige Führer der Nationalliberalen, Tr. Paasche ist in Detroit gestorben. Dr. Paasche, der sich aus einer Reise durch die Vereinigten Staaten befand wo er Vorträge über die derzeitigen Verhält nisse in Deutschland, insbesondere über die Zustände in dem von den Franzosen besetzten Gebiet, hielt, erkrankte bei seiner Ankunft in Detroit an Lungenentzündung. Unterzeichnung eines deutsch-franzö sischen Grenzabkommens. Im französischen Außenministerium ist ein deutsch-französisches Abkommen über die Einrichtung der Erenzbahnhöfe an der deutsch- französischen Grenze unterzeichnet worden. Ferner wurde ein Vertrag über die Festsetzung der Grenzen zwischen dem Reiche und Frankreich parafiert, dessen formelle Unterzeichnung nach Beendigung gewisser technischer Ar beiten demnächst erfolgen wird. Für Deutschland unter zeichnete das Abkommen der Wirkl. Legationsrat von Greunau, für Frankreich der Referent im Außenministe rium Brugore, die mit der Führung der Verhandlungen beauftragt waren. Polen. Berlin, 14. April. Der Lokalanzeiger meldet aus Guben: Am Ostersonnabend 10 Uhr vormittags ist bei Merzwiese, südwestlich von Crossen an der Oder ein polnisches Militärflugzeug neuester französischer Kon struktion mit 400 ?8.-Motoren gelandet. Die Insassen, zwei polnische Offiziere in Uniform, erklärten, daß s'ch das Flugzeug auf dem Ueberführungsflug von Krakau nach Posen befunden habe und die Orientierung ver loren gegangen sei. Nach Feststellung ihrer Persönlich keiten wurden die beiden Offiziere freigelassen. Das Flugzeug ist einstweilen polizeilich s'chergestellt. Schweiz. Der Schweizer Bundes rat er ne ut gegen das französische Nheinkanalprojekt! Wie die „Freust Ztg." aus Zürich meldet, hat der Schweizer Bundesrat die im März für die Beratungen der tech nischen Unterkommission der internationalen Nheinzentral- kommission gegebenen Instruktionen auch für die ain 15. April beginnende Tagung der Rheinzentralkommis sion selbst :m wesentlichen bestätigt. Die Schweiz ver langt eine umfassende Sicherheit für eine gedeihliche Entwicklung der Schiffahrt auf dem Oberrhein, d. h. sie tritt für das Regulierungsprojekt und für eine Ableh nung des französischen Seitenkanalprojektes ein. Außer dem wird sie ihr Hauptaugenmerk auf eine genaue Kostenverieilung an der Regulierung richten, an der Deutschland, Frankreich und die Schweiz beteiligt sind, Italien. Eröffnung der Internationalen Mustermesse in Mailand. Am Sonntag wurde die 6. Internationale Mustermesse in Mailand in Gegen wart des Herzogs von Bergamo eröffnet. Ter König wurde durch Minister Nava vertreten. Außerdem waren die Spitzen sämtlicher Behörden und die Vertreter der Industrie und des Handels und fast sämtliche auslän dischen Kommissare und Konsuln, darunter auch die deut schen Vertreter erschienen. Mussolini hatte telegraphisch seine Glückwünsche übermittelt und den ausländischen Vertretern auf der Messe den Tank der Regierung aus gesprochen. Frankreich. Paris, 14. April. Die xadikalsozialistische Gruppe hat gestern nachmittag eine längere Sitzung abgehalten, an der auch die Senatoren der Gruppe tellnahmen. Zu nächst wurde beschlossen, daß kein Mitglied der Partei ohne ausdrückliche Genehmigung des Parteiausschujses einen! Kabinett beitreten dürfe. Senator Saraut er klärte auf Gerüchte, wonach er evtl, mit der Bildung des Kabinetts betraut würde, nicht in der Lage zu sein, einem Rufe des Präsidenten der Republik zu folgen. Schließlich wurde zu der Frage der Mitwirkung der Partei an einem Kabinett Briand Stellung genommen. Nach lebhaftem Meinungsaustausch wurde beschlossen, sich einer Entscheidung zu enthalten. Die gemäßigten Mit glieder der Partei sind jedoch für eine Zusammenarbeit mit dem Kabinett Briand. England. London, 14. April. (Eig. Dmhtmsidung.) Ge legentlich eines Festmahles zu Ehren der im Kriege Gefallenen warnte Ler englische General Jon Hamilton vor einer Fortsetzung Ler bisherigen Politik, dis nur Argwohn und Verdachtigunge« schaffe. Wenn die eng lische Diplomatie ihren eigenen Weg gegangen wäre, so märe es ihr zweifellos gelungen, den Argwohn zu ver meiden. Die Verlängerung der Besetzung der Kölner Zone über die Vertragsdaucr hinaus aus Gründen, die nicht klar seien, habe Besorgnis und Unruhe hervorgerufen und wird sich zu Folgen auswir ken, die nichts anderes als Krieg bedeuten. Diese Handlungsweise bedeute Tausende und Abertausende von Stimmen für Hinden burg und gegen den demokratischen Präsidentschafts kandidaten. LohnbeweguKgeu und Streiks. Beiderseitige Annahme des Tchi eds - spruchs im rheinischen B r a u n ko h !e nr e v ier. Ter am 8. April gefällte Schiedsspruch im Lohustreit des rheinischea Braunkohlmreviers ist sowohl von den Arbeitgeberverbänden als auch von den Arbeitnehmer verbänden im rheinischen Braunkohtenrevier angenommen worden. Aussperrung im Gesamtbaugewerbe Groß-Hamo urg. Tie vor einigen Tagen angeküm digte allgemeine Aussperrung im Eesamtbaugewerbc Groß-Hamburg und Umgegend trat am Sonnabend nach mittag 2 Uhr mit Arbeitsschluß in Kraft. Betroffen wird das gefaulte Hoch-, Tief- und Betonbaugewerbe. Tie Aussperrung der etwa 22 000 Arbeiter wird als eine Abwehrmaßnahme gegen die im Baugewerbe aus gesprochenen Teilstreits bezeichnet.