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Ottendorfer Zeitung : 02.07.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191607025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19160702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19160702
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-07
- Tag 1916-07-02
-
Monat
1916-07
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 02.07.1916
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bmkaufsmonopole. Die ,Nordd. Allgem. Zig/ beschäftigt sich sehr eingehend mit der Fra^e der Zentralisation der Einfuhr. In dem Artikel heißt es u. a.: Zwei Tatsachen haben unsere Stellung als Käufer ausländischer Lebensmittel grundlegend bedroht: die Beschränkung in der Zahl der zu unserer Verfügung stehenden B«ugSmärkte und die Beschränkung der Lieferfihizkeit dieser wenigen, offengeblisbenen Bezug-märkte, im be sonderen ihrer Lieferfähigkeit für uns. Etliche unserer wichtigen BezuaSländer sind für unsere Bedarfsdeckung bei Beginn oder im Laufe des Krieges völlig oder teilweise ausgeschieden: teils, weil sie sich mit uns im Kriegszustand be finden, teils weil ihre Lieferfähigkeit durch eigene jkriegsteiluahms und deren Folgen beeinträchtigt ist, Wil? — das gilt bekanntlich von den ge samten überseeischen Gebieten — weil die britische Blockade ihren Verkehr mit uns zer schnitten hat. Was uns blieb, waren wenige neutrale Staaten Europas, mit denen wir die Herbindung über Land oder über von uns be herrschte Meeresabschnitte hinweg aufrecht er halten konnten. In diesen wenigen Ländern suchte unsere ganze, anderwärts unbefriedigte Nachfrage Deckung. Sie Hütte diese auch in vollem Um fange finden können, wenn für unsere Lieferungs länder Weltmarkt und Weltbezug freigeblieben wären. Denn diese hätten sich dann die Gegen stände unseres Bedarfs neben denen ihres eigenen in fener Ecke des Weltmarktes, wo sie gerade erhältlich waren, beschafft und uns als Zwischenhändler zugeführt. Allein der Welt verkehr ist auch für die Neutralen bekanntlich längst nicht mehr frei. Einmal hat England seine Blockade schrittweise auch auf sie aus gedehnt, hat ihre Einfuhren kontrolliert und ihnen die Importe gesperrt, die direkt oder in direkt der Versorgung der Zentralmächte dienen konnten (eine Methode, die von Monat zu Monat konsequenter ausgebaut und engmaschiger durchgesührt wurde). Außerdem steht ja der ganze Überseeverkehr der Welt im Zeichen drän gender Frachtraumnot; man verfügt nicht über die Möglichkeiten des Transports beliebiger Mengen, sondern kämpft überall selbst sür den notwendigen, eigenen Bedarf um jede Tonne Schiffsraum. Die Zufuhren und damit die Angebots mengen der Länder, die für unsere Versorgung in Betracht kommen, sind also durch natürliche Umstände wie durch künstlichen Eingriff be schränkt. Dazu aber kam, daß um die Erzeug nisse dieser Länder ein wilder Wettbewerb be gann. Deutsche Einkäufer — darunter viele, die nicht zu den besten Elementen unseres Kaufmannstandes gehörten — überschwemmten (neben österreichisch-ungarischen) unsere neutralen Nachbarländer im Westen und Norden, Über boten einander gegenseitig, ohne an irgend eine Grenze der Preistreiberei zu denken, und verteuerten in gleicher Weise uns wie der neutralen Bevölkerung ohne Maß und Ziel den Lebenraufwand. Kein Wunder, daß die neutralen Regierungen in ihnen sehr bald eine'Landplage sahen und, um sich gegen sie zur Wehr zu setzen, die ganze Ausfuhr be schränkten und teilweise verboten. Selbst wenn wir bereit und in der Lage gewesen wären, eine Verteuerung ohne Ende zu ertragen, hätten wir bald nicht? mehr bekommen, weil sich die Neutralen — in durchaus berechtigter Selbst verteidigung — die für ihre eigene Versorgung so unbequemen Mttler unserer Einfuhr vom Halse gehalten hätten. . Deshalb war radikaler Wechsel der Methoden nötig. Wir legten die Einfuhr in die Hände großer gemeinnütziger, öffentlich kontrollierter Organisalionen, deren größte und bedeutsamste bekanntlich die Zentral-Einkaufsgesellschaft ist. Sie sollten ins Ausland gehen, um dort ein ehrliches Geschäft zu angemessenen Preisen zu machen. Sie sollten kaufen, was zu bekommen war, aber nicht in wilder Jagd nach jedem Stück Ware, sondern durch solide Verein barungen mit jedermann, der zu reellen Bedin gungen zu verkaufen bereit war. Der tatsächliche Erkolg der Zentralisation Wird folgendermaßen belegt: Es steht fest, daß bei den wichtigsten Erzeugnissen die monatliche oder wöchentliche Durchschnittseinsuhrmenge seit der Durchführung der Zentralisierung durch die Zentral-Einkaufsgesellschaft erheblich höher ist als vorher bei freier Betätigung des Handels. Ebenso ist die Festlegung und vielfach die erhebliche Sen kung des Einkaufspreises eine gegebene und unbe streitbare Tatsache. Durch diese Preisregelung sind bei einer einzigen, freilich sehr bedeutenden Ware in sechs Monaten 30 bis 40 Millionen Mark erspart worden. Diese finanziellen Er gebnisse sind immerhin erheblich; wären die Preise unserer Einfuhr schrankenlos weiter ge stiegen, so hätten wir jenseits einer bestimmten Grenze entweder auf einen Teil derselben ver zichten oder unsere Ausfuhr steigern, also Roh stoffe und Arbeitskräfte unserem eigenen Bedarf entziehen müssen. — Zum Schluß macht das Blatt eine Anzahl von Bedenken geltend, die gegen eine Durchbrechung des Monopols der EinkaufZgessllschaften sprechen. verschiedene Uriegsnachrichten. Frankreich verblutet sich. Der Pariser Berichterstatter schreibt unter dem 8. Juni im Maasbode': „Seit mehr als drei Monaten, seit dem 21. Februar, leisten die Franzosen Widerstand vor Verdun, unterziehen sie sich den gigantischen Hammerschlägen der deutschen Angriffe; während der ganzen Zeit tun sie es allein. Niemand i st ihnen zu Hilfe geeilt, auf keinem anderen Punkt der Front wurde etwas geleistet, das ihnen Er leichterung gebracht hätte. Das kostbare Blut der Männer Frankreichs fließt unaufhörlich, der Heldenkampf fordert unzählige Opfer; das ist selbstverständlich, da das kleine Gebiet von Berhun eine wahre Hölle ist. Man hofft nun, daß der neue erfolgreicheAngriffderRussenzegenOster- reich nicht nur Italien von dem drohenden Druck der feindlichen Truppen befreien wird, sondern auch die Franzosen. Denn es darf nicht ge schehen, es wäre ein Unglück, wenn Frankreich bei dem Siege des Verbandes Weitz geblutet sein würde. Frankreich kann schlechter als irgend ein anderes Volk die ununterbrochenen Verluste tragen. Es ist die einzige Großmacht, deren Bevölkerung in normalen Zeiten stillstellt, ja so gar abnimmt. So braucht man wirklich kein Statistiker zu sein, um einzusehen, daß die Hunderttausende von Toten und die unzähligen Verwundeten und Invaliden eine drohende Ver minderung der Lebenskraft Frankreichs bedeuten. Wir berühren hiermit eine der am meisten sorgenerweckenden Fragen, deren Lösung viele Franzosen suchen. Und diese Lösung muß ge funden werden; denn es handelt sich um den Fortbestand und die Wiederausrichtung Frank reichs." * England soll helfe«. Die ,Times' erklärt, daß die Lage in Frank reich wieder ernster geworden sei. Der Kampf um Verdun wäre jetzt wieder in ein kri tisches Stadium getreten. Es sei nicht zu leugnen, daß die Deutschen einen wei teren endgültigen Fortschritt gemacht haben und ihrem Ziele viel näher gekommen find. Die französischen Befehlshaber wollen, sofern sie es verhindern können, Verdun aber nicht aufgeben. Mittlerweile wurde das ArtillerieWuer an der englischen Front so gewaltig, daß es in den südöstlichen Grafschaften Englands hörbar ist. — Das erscheint wie eine Antwort auf die Artikel französischer Zeitungen, in denen immer wieder gefordert wird, England möge seine geplante Offensive beschleunigen. * Musterung der englischen 18 jährigen. .Labour Leader' überschreibt eine Meldung, daß die staatlichen Registratorbeamten in Eng land den Befehl erhielten, die jungen Jahr gänge 1897, 1898 und 1899 zu registrieren, mit der Überschrift „Wird etwa eine dauernde Dienstpflicht geplant?" Andere Blätter sprechen aber die Vermutung aus, daß die eng lische Negierung bereits für den gegenwärtigen Krieg wissen will, wie zahlreich diese jungen Jahrgänge der 18- bis 20 jährigen sind. Italiens Siegesjubel. Während Cadornas Meldungen über den Rückzug der Österreicher in Südtirol überall in Italien mit großen Kundgebungen begleitet werden, sind die militärischen Betrachtungen der großen Blätter erheblich kühler. Cadorna gesteht ein, daß er nicht einen einzigen Gefangenen machte, somit der Rückzug ohne italienischen Nachdruck erfolgt sein mutz. Auch können die Blätter nicht verhehlen, daß das rechtzeitige Ausweichen der Österreicher jedes Gesingen einer Umfassung der Flügel vereitelte, wozu Cadorna die gesamte verfügbare Armee verwendet hatte. Daher sprechen zwar die politischen Artikel von einem Sieg, die militärischen begnügen sich aber damit, die Ab wendung der drohenden Gefahr eines Einfalls in Venetien zu feiern. Die russischen Balkanpläne. Der ,Esti Ujsag' veröffentlicht eine über Bukarest eingetroffene Meldung des ,Rußkoje Slowo', der schreibt: Unser Vorteil verlangt, daß wir mit größeren Kräften auf dem Balkan auftreten. Es ist natürlich, daß wir zu diesem Zweck durch rumänischesGebiet ziehen müssen, aber nicht bloß durch die Dobrudscha, sondern auch durch die Moldau. Dagegen kann Rumänien keine Einwendungen (!) erheben, denn wir haben keine feindliche Absicht. Dasselbe Blatt meldet aus Sofia: Nach einer Meldung der,Balkanska Posta' aus Athen haben die deutschen undbulgartschenTruppen auf ihrem Vormarsch die von den verbündeten Truppen geräumten Stellungen bei Kilkis besetzt. I^rrtoffelversorgung 1916^17. Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung, die Kartoffelversorgung für 1916/17 neu ge regelt. Zu neuen Versuchen und neuen Risiken ist die Zeit nicht geeignet, um so weniger, als sich die Kartoffelverordnung vom 7. Februar 1916 in Verbindung mit den landesgesetz lichen Ausführungsbestimmungen als ein gang barer Weg erwiesen hat. Es ist also an dem bisherigen System der Anmeldung des Bedarfs und Zwangsabnahme durch die Bedarfsverbände und der Umlegung auf die llberschußverbände mit Zwangslieferungen seitens der Kommunalverbände und der Kartoffel erzeuger festzuhalten. Der zu deckende Bedarf wird durch Sicherstellung bei dem einzelnen Erzeuger festgelegt und der freien Verfügung entzogen. Wie bisher, so darf auch künftig der Handel zunächst nur als Kommissionär oder Beauftragter des Kommunalverbandes zugelassen werden. Pflichten der Kommunalvcrbände. Träger der Versorgungs-, Lieferungs- und Abnahmepflicht müssen wie bisher die Kom- munalveÄmnde sein, daneben sind die Heeres verwaltungen und die Marineverwaltung sowie die ReichSiranntweinstelle und die Teka ver pflichtet, ihren Bedarf gleich den Kommunal verbänden anzumelden. Der freihändige An kauf aller dieser Stellen hat in Zukunft zu unterbleiben. Die Zuweisung an Teka und ReichSbranntweinstelle darf in Zukunft nur durch die Reichskartoffelstelle erfolgen. Pressehesefabriken müssen ihren Bedarf bei der Teka anzeigen. Brennereien werden von den Kommunalver bänden nach näherer Angabe der Reichskartossel- und ReichSbranntweinstelle beliefert. Gleich zeitig sind den Behörden neue Machtmittel in die Hand gegeben, um etwa notwendig werdende Lagerung, Ablieferung und Abfuhr beim Er zeuger zu den richtigen Zeiten zu gewährleisten. Zuwiderhandlungen gegen diesbezügliche An ordnungen der Verwaltungsbehörden sind unter Strafe gestellt. Die Verteilung der Bestände. Die Verbrauchsregelung bleibt, wie bisher, Pflicht der Kommunalverbände. Auf Grund der neuen Verordnung werden Reichskanzler und Reichskartoffelstelle in Kürze alle erforder lichen Anweisungen bezüglich statistischer Er hebungen, Bedarfsanmeldungen, Umlegung usw. ergehen lassen. So werden in diesem Jahre alle Provinzen, Uberichußkreise und alle Land wirte iU einigen Wochen. genau wisset,, wieviel sie zu liefern haben, und zwar für die ganze Zeit bis Herbst 1917. Die für Herbst und Winter notwendigen Kartoffeln werden sofort während und nach der Ernte mit größter Beschleunigung — Kartoffeleilzügen und dergleichen — an die Bedarfsorte gebracht. Der Rest wird bei den Landwirten lagern bleiben müssen, wie im Frieden. Jeder Land wirt weiß aber vor der Ernte bereits, was er im Frühjahr bereithalten mutz. Für genügende Reserven sorgt die Reichskartoffelstelle. Der Saatguthandel wird später geregelt werden. Aller Voraussicht nach wird er alsdann unter scharfe staatliche Kontrolle gestellt und die Aus fuhr von der Genehmigung des Kommunal verbandes abhängig gemacht werden. PoUMcke Aunälckau. Deutschland. *Nach einer Meldung aus zuverlässiger Quelle steht die Organisation einer Zentral- st eile zur Bekämpfung des Wuchers bei Gegenständen des täglichen Bedarfs durch den preußischen Minister des Innern unmittel bar bevor. *Der preußische Landtag ist Lis zum 14. November d. Js. vertagt worden. England. *Die Bewegung zur Schaffung eines Kanaltunnels zwischen Frankreich und England ist wieder aufgelebt. Es heißt, die Frage werde demnächst im Unterhaus erörtert werden, da beabsichtigt sei, in einer der kommen den Parlamentssitzungen einen Gesetzentwurf zur Durchführung des Planes einzubringen. * Nachdem es neuerdings in Irland zu ernsten Straßenkämpfen gekommen ist, bemüht man sich in London nicht mehr, den Ernst der Lage zu verschleiern. Die Blätter geben zu, daß die irische Frage eine Kabinetts krise hervorgerufen habe, da die Minister in der Lösung des irischen Problems nicht einig seien. Italien. "Nach dem rumänischen Blatt ,Dreptatea' hat die italienische Regierung eingewilligt, daß die Vertreter Preußens, Bayerns und Osterreich-Ungarns beim Vatikan nach Rom zurückkehren. Die rumänische Zei tung sieht darin den ersten Schritt zum Friedens- Wutz oder, richtiger, zum Gespräch über den Frieden mit den Beratern des Papstes. Luxemburg. *Die Regierung wird gemäß einer Mit teilung des Staatsministers Thorn einen Ge schäftsträger nach Paris schicken, um bei der französischen Regierung wegen der Fliegerangriffe in Luxemburg freund schaftliche Vorstellungen erheben zu lassen. Rustland. *E!n Erlaß des Zaren an den Finanz minister veranlaßt die Herausgabe kurzbefristeter Schatzscheine der Reichsrenten in Höhe von drei MiIliard en Rubel mit der Ein schränkung, daß der Wert der im Umlauf be findlichen Scheine neun Milliarden nicht über steigen darf. Balkanstaaten. *Zu Ehren der deutschen Neichs- tagsabgeordneten, die in Sofia ein getroffen sind, veranstaltete der bulgarische Mi nisterpräsident Radoslawow ein Frühstück, zu dem sämtliche Mitglieder der Regierung, die Ge sandten der verbündeten Länder, der Präsident und die Vizepräsidenten der Sobranje und der Generalsekretär des Ministeriums des Äußern geladen waren. Der Ministerpräsident hielt eine Rede, in der er der glänzenden Waffen taten der deutschen und bulgarischen Truppen gedachte und Deutschland der dauernden Freund schaft Bulgariens versicherte. Zum Schluß brachte er ein Hoch auf Kaiser Wilhelm aus. Reichstagsabgeordneter Erzberger antwortete für die deutschen Gäste, übermittelte die Grüße des Deutschen Volkes und betonte, daß das Bündnis zwischen Deutschland und Bulgarien nicht eine vorübergehende Erscheinung, sondern für alle Zeiten geschlossen sei. Dann brachte er ein Hoch auf den Zaren Ferdinand und das bulaarilLe Volkes. bme LHge. 4j Roman von Ludwig Rohmann. (ForN«tzunz.) > 'w „Und was hier geschehen ist," fuhr Paul fort, „das geht mich doch so sehr an, das greift so tief und so verhängnisvoll in mein Leben ein, daß ich hier zuletzt Grund habe, von meiner Gewohnheit abzugehen." «Meinetwegen!" rief Horst. „Aber warum muß das gleich heute geschehen ? Auch ich denke nicht daran, die Tatsachen, wie sie sich heute dar stellen, demütig hinzunehmen, und es wird viel leicht nöttg sein, mit peinlichster Sorgfalt den Ursachen nachzugehen. Nur heute sprich nicht davon. Die Lage wird nicht anders und nicht schlimmer werden, wenn wir in ein paar Tagen uns damit befassen; heute kann ich darüber nichts hören!" Paul zuckte die Achseln. „Das versteh' ich einfach nicht," sagte er ein wenig gereizt. „Wenn du es tausendmal pietätlos nennst — ich werde darum doch tun, was mir notwendig erscheint. Es wäre doch möglich, daß dem Tode des Vaters Umstände voraufgingen, die wir vor allem um seinetwillen aufgreifen und aufklären müssen. Mir kommt eben alles recht sonderbar vor, ich finde aus den furchtbaren Ereignissen keme Brücke, die mich zum Verständnis der letzten Handlungen Papas hinüberleiten könnte, und ich meine eben danim, daß wir unbedingt nach den näheren Umständen forschen müßten. Wer sagt aber dir, daß es dazu in ein paar Tagen noch Zeit ist? Wer sagt dir. daß uns über der tatlosen Trauer nicht am Ende die Möglichkeiten verkürzt werden, die Aufklärung zu schaffen und Papas Ehrs auch in den Augen der großen Welt wieder herzustellen?" Er bot Horst die Hand und ein warmes Gefühl klang aus seiner Stimme, als er nun sagte: „Wir sind in der Art verschieden, Horst — das wissen wir nicht erst seit heute. Aber das soll uns doch nicht hindern, voneinander immer nur das Beste zu glauben. Jedenfalls wäre es das Ärgste, was uns noch geschehen könnte, wenn wir am Sarge unseres Vaters anders als einträchtig stehen wollten. Und darum bitte ich dich: Gib dir Mühe, mich zu verstehen und laß mich gewähren." Horst sah dem Bruder forschend in die Augen, dann griff er willig nach der darge botenen Rechten. Paul schüttelte die Hand des Bruders kräftig. Dann wandte er sich wieder an Manders, der während der Auseinandersetzung der beiden Brüder sich im Hintergrunds gehalten hakte. Gestatten Sie die Frage, Herr Lehrer, ob Ihnen nichts Besonderes aus den letzten Tagen bekannt ist. Sie haben Papa doch genau ge kannt und er hat ost genug Ihren Rat ein geholt: da wäre es doch wohl möglich, daß er Sie auch mit seinen Sorgen vertraut gemacht hätte." Manders trat wieder in den Lichtkreis der Lampe. „Das hat er leider nicht getan. Und be sonderes?" Er überlegte einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf. „Nein — auch das nicht. Ihr Vater war allerdings in den letzten Tagen verreist — nach Frankfurt, wenn ich nicht irre. Ich wußte nichts von seiner Abwesenheit, aber er begegnete mir im offenen Wagen, als er zurückkam, und da habe ich denn zum letzten Male mit ihm gesprochen —" , Paul unterbrach ihn. „Ah, das ist interessant! Md was, wenn ich fragen darf, sprachen Sie?" Manders zuckte die Achseln. „Nebensächliches, wie man das so im Be gegnen tut, wenn man keinen Grund hat, der Begegnung besondere Wichtigkeit beizumsssen. Das war gestern früh. Erst später ist mir aus gefallen, daß er ungewöhnlich blaß und geradezu scheu war. Mittags erfolgte dann der Anschlag in der Fabrik, daß er den Bankerott erklären und die Fabrik schließen müsse und später fnhr er dann nach Treffurt hinüber, um den Konkurs anzumelden. Von dort kam er erst wieder nach Hause, als es Nacht war. EL drängte mich ordentlich, ihn aufzusuchen und die Lage mit ihm zu besprechen; aber dann sagte ich mir, daß er gerade jetzt mich rufen müsse, wenn er meiner bedürfte. Ich wollte mich nicht auf drängen, wenn er das Bedürfnis hatte, mit sich allein zu sein — und so blieb ich eben. Ob ich mir nun einen Anteil an dem letzten Unglück beimessen muß? Vielleicht, so frage ich mich, hat er auf dich gewartet, vielleicht hättest du die unglückselige Befangenheit zerstören können, aus der heraus er dann zur Waffe griff." Horst und Paul widersprachen gleichzeitig: „Aber Herr Lehrer — !" Er wehrte müde lächelnd ab. .Das sind nur die Gedanken, die mir so durch den Kypf gingen, während ich heute nacht -an seinem Bette saß; das läßt einen dann nicht wieder los, wieviel Vernunftgründe' man da gegen auch geltend macht. Aber ich will ja auch davon gar nicht sprechen. Ich möchA Ihnen vielmehr sagen, was Sie vermutlich nie ganz erkannt haben: welch ein erlesener Mensch" — er machte eine Pause und setzte dann mit tiefer Innerlichkeit hinzu — „welch ein Kind er war! Ich meine, es sei gar nicht notwendig, nach besonderen Ursachen für den Zusammen bruch zu suchen; ich meine, es genüge vollauf, alles, was geschehen ist, aus seiner besonderen Wesenheit heraus zu erklären; hat man dazu erst den Schlüssel gefunden, dann muß man wohl auch resigniert gestehen: es kam nur, was wohl einmal kommen mußte !" „Sie meinen," fragte Horst unsicher, „Papa sei nicht praktisch genug gewesen?" „Eigentlich — ja; nur muß man ihm daraus keinen Vorwurf machen. Gerade dieses Un praktischsein resultierte aus seinen besten Vor zügen, die sich dann nur leider an ihm selbst schwer gerächt haben. Ich erinnere mich eines Gespräches, das ich vor etwa sieben Jahren, bald nach meiner Versetzung nach hierher, ein- mal mit ihm gehabt habe. Mir waren damals schon Zweifel an der Rentabilität des ganzen Unternehmens gekommen und ich bewunderte den Mut, mit dem er sich hier vergrub und von aller Welt absonderte. So fragte ich denn geradezu, weshalb er eigentlich hierhergekommcn sei. Und da lachte er — sein fröhliches, offenes Lachen, aus dem mir immer etwas Naives heraus Ilana.
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