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Ottendorfer Zeitung : 30.06.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191606304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19160630
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19160630
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-06
- Tag 1916-06-30
-
Monat
1916-06
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 30.06.1916
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Znarckie äer dkren. Die Sommerzeit in Frankreich. Am 15. Juni ist in Frankreich die Sommer zeit eingeiührt worden, und die dabei not wendige Umstellung der Uhren gibt einem Mit arbeiter des .Journal des Döbats' Gelegenheit, für eine Reform des gesamten öffentlichen Uhrenwesens einzulreten. Die Unpünktlichkeit der Pariser Uhren spottet nämlich jeder Be schreibung : „In der Welt der Uhren herrscht bei uns eine Willkür und Unordnung, die nicht von heute und nicht von gestern stammt, die aber seit Beginn des Krieges alle Grenzen über schreitet. Jede Uhr zeigt ihre Stunde, die nicht dieselbe ist wie die der Nach barin ; gleichgültig gegen die Sonnen bahn, taub gegen alle Bestimmungen des Staates, ohne Rücksicht auf die Astronomen und ohne Achtung vor den Gesetzgebern, hat jede Uhr die Zeit, die ihr gerade paßt und wird sich auch um die neue Sommerzeit nicht kümmern. Wenn die Taschenuhr des Privatmannes oder die Wanduhr einer Bürgerwohnung eine falsche Zeit angibt, so ist es eine Angelegenheit, die nur ihren Besitzer angeht. Mag er die Nacht zum Tage machen, mag er die Aufstehenszeit um zwei Stunden verschlafen oder um vier Stunden zu spät ins Geschäft kommen, es ist fein persönlicher Schaden oder Nutzen. Aber eine öffentliche Uhr, deren Aufgabe es ist, der Allgemeinheit zu dienen, darf nicht unaufhörlich täuschen und irreführen, Tag um Tag mit der gleichen hartnäckigen und unverbesserlichen Wider setzlichkeit. Eine solche Unordnung kann man nicht dulden, und doch ist diese Unordnung allgemein. Wohnen Sie vielleicht in der Nähe eines Ministeriums? Die Uhren der verschiedenen Negierungsgebäude schlagen alle zu verschiedenen Zeiten; sie stimmen untereinander nicht überein und nicht mit den Uhren des benachbarten Ministeriums. Da sich in der Nähe noch zwei Kirchen und fünf oder sechs Klöster befinden, so vervielfacht sich der Stundenschlag jedesmal wie durch ein Wunder, nnd wenn es Mitternacht schlägt, dann hallen die Töne langsam durch die schweigende Dunkelheit mindestens bis um 1 Uhr morgens. Der Weg zum Bahnhof, wenn man sort- fahren will, ivird in diesen schlimmen Zeiten, in denen man weder auf die Untergrundbahn, noch auf den Omnibus zählen kann, in denen eine Droschke wie ein unfaßbares Wunder erscheint, ein wahrer Martergang. In höchster Spannung blickt man auf alle Uhren, an denen man vorbei kommt. Die Uhr einer Zeitungsbude gewährt dir noch eine Viertelstunde Zeit; das geht; wenn du etwas schneller gehst, wirst du gerade noch zurecht kommen. Die zweite Uhr, die einer Schule, gibt dir gar noch 20 Minuten; du kannst also langsamer gehen. Die dritte, eine „Normaluhr" (welch ein Hohn) läßt dir 25 Minuten Zeit. Du bleibst ausatmend einen Augenblick vor einem hübschen Schaufenster stehen. Die vierte Uhr steht; das kann dich nicht weiter beunruhigen; aber dort die fünfte zeigt den Abgang des Zuges in 10 Minuten, sodaß du einen Dauerlauf anschlägst, und wenn du in Schweiß gebadet ankommst, verkündet dir die Bahnhofsuhr, daß der Zug eben abge fahren ist. Möge die Sommerzeit uns an den öffent lichen Uhren endlich auch einmal die richtige Zeit bringen!" Volkswirtschaftliches. Beschlagnahme der Schafschur. Wie halb amtlich verlautet, wird demnächst eine neue Bekannt machung betreffend Beschlagnahme und BestandS- erhcbung der deutschen Schafschur und des Wollge fälles bei den deutschen Gerbereien erlassen werden, die an Stelle der alten Beschlagnahme-Bekannt machung der deutschen Schafschur treten wird. Nach den neuen Anordnungen wird die Einlieferung der Wolle zum Waschen nur noch bei fünf Woll kämmereien statthaft sein. Die Mengen Wolle, die nicht innerhalb zwölf Wochen nach dem Scheren oder Fallen zum Waschen eingeliefert oder nicht innerhalb zehn Wochen nach ihrer Einlieferung an die KricgS- wollbedarfS - Aktiengesellschaft veräußert sind, sollen Paul kam ohne viel Umschweife auf den Kern der Sache. „Nun sagen Sie uns bloß/-Herr Lehrer, wie das alles geschehen konnte /— der Bankerott und das andere, das. fürchterliche l So was kommt doch nicht plötzlich, das kündet sich doch an l Mich trifft das Unglück jedenfalls ganz un- vorbereitet, denn ich habe auch nicht die leiseste Ahnung gehabt, daß hier etwas nicht in Ord nung sein könnte. Neulich — na, eS sind ja nun wohl vier Wochen jetzt, da hatt' ich ein Anliegen an Papa Sie können sich ja denken, was es war. — Pech hat schließlich jeder 'mal. Na, und ich sage Ihnen, Papa hat prompt reagiert, aber prompt, sag' ich Ihnen — und ohne Moralpauke, vor der mir doch 'n bißchen bange war. Also könnt' ich doch auch nicht annähernd auf den Gedanken kommen, daß hier die Sachen so faul seien, und ich war ordentlich gerührt, faktisch! Aber cs war doch auch ein wohliges Gefühl dabei: er nimmt's ja aus dem Vollen, dacht' ich mir. Und dann sah ich den guten Papa vor mir, lächelnd und un besiegbar in seiner Gutmütigkeit." Horst unterbrach seine Wanderung durch das Zimmer. „Paul, ich bitte dich — !" rief er gequält. Paul zog die Augenbrauen hoch, während er sich bemühte, dem Bruder im Halbdunkel des Zimmers ins Gesicht zu sehen. „Aber erlaube mal — was willst du nur? Daß ich Papa aufrichtig betrauere, das be zweifelst du doch hoffentlich rncht. Aber —" und nun wandte er sich an den Lehrer, als wolle er dessen Unterstützung an- entcignet werden. Zu diesem Zwecke wird eine Meldepflicht eingcführt. Obstverbilliqung in Hessen. Mit sofortiger Wirkung sind für das gesamte Grotzherzogtum Helsen Höchstpreise für Obst und zwar für EMuger und iür Händler festgesetzt worden, die gegenüber den bisherigen Steigemngen eine Verbilligung um 40 bis 60°/, darstcllen. Die Preise nähern sich denen des Großherzogtums Baden. Verbunden mit den Höchstpreisen ist ein Ausfuhrverbot nach außer hessischen Orten, von dem Ausnahmen zugelafsen sind. Lohnende Waldarbeit. In den dicht bewal deten Gegenden an der Mosel, auf dem Hunsrück, in der Eifel und im Luxemburgischen wird jetzt das „Loheschälen" oder „Lotzeschleitzen" in großem Um fang und mit riesigem Flciße betrieben. Schon frühzeitig ziehen die Leute, oft ganze Familien mit den kleinen und kleinsten Kindern, hinaus in den Wald, wo geschält werden soll. Jeder erhält sein bestimmtes Schleitzgebiet. Die kleinen Eichenstämme, die für diese Zwecke besonders angepflanzt sind, werden über der Wurzel abgehackt, dann wird der Stamm mit einem gekrümmten Messer abgcschält. Die Arbeit erfordert eine sichere Hand und Übung. Gewandte Lohschäler verdienen gut ihre 8 Mark den Tag. Auch die Frauen und Kinder helfen tüchtig dabei, da die Arbeit nicht anstrengend ist. Vielfach nehmen auch die Dorfgemeinden jetzt russische Kriegsgefangene zum Lohschleißen an, um sich selbst ihren landwirtschaftlichen Arbeiten widmen zu können. Von nnä fern. Kaiser Wilhelm und die Mutter von 8 Kriegern. Die Witwe Wilhelmine Winkel mann in Wagenfeld, Kreis Diepholz, Halle dem Kaiser eine Photographie gesandt, die sie im Kreise ihrer acht unter der Fahne stehenden Söhne zeigte. Der Kaiser schickte ihr sein Bild mit der eigenhändigen Unterschrift: „Der Mutter von acht tapferen Vaterlandsverteidigern. Wil helm i. ir." Keine Post nach Griechenland. Zurzeit bietet sich keine Möglichkeit, einen Postaustausch mit Griechenland sicherzustellen. Daher können auch die bisher nach den von den feindlichen Mächten nicht besetzten Gebieten Griechenlands noch zugelassenen gewöhnlichen Briefe, Post karten und politischen Zeitungen nicht mehr be- sördert werden. Die Postanstalten sind ange wiesen worden, Sendungen nach Griechenland nicht mehr anzunehmen. Freiherr v. d. Goltz in Konstantinopel beigesctzt. Auf dem Kricgssriedhof in Kon stantinopel fand die Beisetzung des General- seldmarfchalls Freiherrn v. d. Goltz unter Ent faltung großen militärischen Gepränges und unter allgemeiner Teilnahme der Armee, der Flotte, der Regierungskreise und der Bevölke rung von Konstantinopel statt. U. a. hielt der türkische Kriegsminister eine Ansprache, in der er „der Verdienste des großen Lehrers der osmanischen Armee" gedachte. Freiherr v. d. Goltz rnht in der Nähe des Mollledenkmals neben dem Grabe des Botschafters Freiherrn von Wangenheim und des Militarattachös von Leipzig und in unmittelbarer Nähe der Gräber von Offizieren und Mannschaften des Mittel meergeschwaders, die in den Kämpfen im Schwarzen Meer gefallen sind. Der Erzbischof von Köln zur Volks- ernährungsfrage. Der Kirchliche Anzeiger der Erzdiözese Köln veröffentlicht eine Bekannt machung , worin seitens des erzbischöflichen Generawikarials darauf hingewiesen wird, daß, während die ländliche' Bevölkerung mit den wichtigsten Lebensmitteln, wie Fleisch, Fett, Milch, Butter, Eier, reichlich versehen ist, die Bewohner der Großstädte und industriellen Landbezirke sie zeitweise ganz entbehren oder sich dke größte Einschränkung auferlegen müssen. Die Geistlichkeit wird ausgefordert, durch zweck entsprechende Belehrungen und Ermahnungen in Versammlungen und auf der Kanzxl auf frei willige Einschränkung des Fleischgcnusses und freiwillige Ablieferung der nicht notwendigen Vorräte an Fleischwaren aus dem Lande zu gunsten der städiiichen' und industriellen Be völkerung hinzuwirken. die Backvorschriften durch Radierungen im Brot buche, ferner gegen Verordnungen über Preis treiberei und Abg«beverweigerung vergangen haben. Vieheinkanfsverband in Strrttgart. Die Inhaber der SchWchterSetriebe Stuttgarts sind durch städtische Verfügung zu einem Meh- einkaufsverbande vereinigt worden. Ihm liegt die Beschaffung von Schlachtvieh jeder Art, ins besondere durch den Württembergischen Meh- handelsverband ob. UnglücksfM im französischen Russen lager. Während Übungen mit Handgranaten im Lager von Mailly ereignete sich ein Unfall, bei dem ein russischer Leutnant tödlich, drer russische Soldaten schwer verletzt wurden. Dr. Heinrich Hansjakob ch. In seiner Vaterstadt HaZlach im Schwarzwald ist im Alter von 79 Jahren der bekannte, badische VolkS- schristfleller, Stadtpsarrcr Dr. Heinrich HanSjakob gestorben. Pfarrer Hansjakob begann seine schrift stellerische Laufbahn im Jahre 1867 mit einer Schrift: „Die Grafen von Freiburg", und ließ nun Buch auf Buch folgen, fo daß er bald auch als Erzähler einen geachteten Namen besaß. Die meisten seiner Werke spielen im badischen Schwarzwald; er besaß ein starkes Heimatgefühl und ein feines Verständnis für die Freuden und Leiden seiner Landsleute. Alle Schriften Hansjakobs erlebten mehrere Auslagen; sein Buch, das am meisten Leser fand, betitelt sich: „Aus meiner Jugendzeit." Auch seine Kanzelreden erschienen in Buchform. Der Pfarrer Hansjakob war in seinem engeren Heimatland Vaden und insbesondere im Freiburgischen eine volkstümliche, von hoch und niedrig gleich geschätzte Persönlichkeit. Zuckernot in Frankreich. Nach dem Pariser ,Petit Journal' herrscht in gewissen De partements Frankreichs immer noch eine Zucker krise, die ernsteren Umfang angenommen hat. Die Grohkauflcule sind außerstande, Vorräte zu erhalten. Auch in den Gegenden, die selbst Zucker erzeugen, nimmt der Mangel bedenklich zu. Bei Kleinhändlern ist selbst für 1,60 Franken für das Kilo kein Zucker mehr erhältlich. Unwctterschäden und WeinSergsver- heerungen in Frankreich. Laut ,Petit Pa- risien' beläuft sich der durch die letzten Unwetter angerichtete Schaden in der Auvergne auf mehrere Millionen. Der Hagel habe alles ver nichtet. In Massettes habe ein Erdrutsch statt gefunden. Im Kanton Besse seien fast alle Verbindungen abgeschnitlen. Auf verschiedenen Brücken sei der Verkehr unmöglich. Zwischen Besse und Chaudesour haben die angeschwollenen Ströme mehrere Brücken weggerissen. Große Hafenneuanlagen in Dänemark. In der Nähe von Hirthshals wird ein großer Fischereihasen angelegt werden, für dessen Er stellung 11'/-Millionen Kronen bewilligt wurden. Weitere Hafenanlagen im Werte von 5 Millionen Kronen werden bet Lökken und bei Ringkjöbing zur Ausführung gelangen. 651 Personen unter Anklage. In Köln wurde im Mai gegen 651 Personen ein Strafverfahren eingeleitet, die sich u. a. gegen Gerichtshalle. Berlin. Schwere Urkundenfälschung bei der Ausübung dreister HeiratSichwmdeleicn führte den rufen — ,,aber schließlich kann mir's doch auch kein Mensch verdenken, wenn ich bei allem Schmerz die Situation recht unangenehm empfinde, in die wir da versetzt worden sind. Und dann: es hat doch mit der Trauer gar nichts zu tun, wenn ich vor allem einmal klar sehen will." Manders fühlte sich gleichfalls durch die Weschäftlichkeit Pauls, die ihm trocken und pietätlos schien, unangenehm berührt und er ant wortete uicht. Ec fühlte tief im Herzen mit, was Horst litt, und es lag ihm vor allem einmal daran, diesen zu beruhigen. So stand er ans und ging Horst nach. „Kommen Sie," bat er herzlich, „setzen Sie sich zu uns. Ich verstehe, daß Sie das Schwerste erst einmal im Herzen verwinden müssen und daß Sie nicht nüchternen Er wägungen Raum geben wollen, solange die dumpfe Wucht des ersten Schmerzes Ihnen die Seele folicrt. Aber gerade darum bitt' ich: kommen Sie und lassen' Sie mich berichten. Vielleicht kann ich Ihnen den Vater wieder geben Ihrem Herzen wenigstens, wenn Sie alle die Gründe kennen, die dieses Ende herbeigeführt haben." Er schlang einen Arm um die Schultern des jungen Arztes und so schritten sie znm Tische hin. Horst sank schwer aus einen Stuhl hin und ließ aufstöhnend den Kopf vornüber in die Hände sinken. „Wie das letzte geschah," begann Manders bewegt, das weiß nur Gott allein. Ich habe vergebens nach Briefen für Sie — für mich oder irgendwen sonst gesucht. Ich dachte so: er war peinlich rechtlich und mitfühlend im Leben wie kein anderer; da muß er doch auch das Bedürfnis empfunden haben, ein Wort im Scheiden zu sagen und seine letzte Tat we nigstens denen zu erklären, die ihn liebten oder sonst ihm nahe standen. Aber noch einmal: ich fand nichts I Auf dem Schreibtisch lag alles wie sonst — etwas mehr Unordnung vielleicht, im übrigen aber ganz wie sonst. Ein unfertiger Brief an den Konkursverwalter obenauf, den ich gelesen Habs in der Hoffnung, etwas Auf klärendes darin zu finden; quer über dem Papier die Feder und damnter ein Klecks; der Brieftext unklar, durchstochene Worte in jeder Zeile, Verbesserungen darüber, die wieder durch- strichen waren ein Beweis dafür, wie schwer Ihrem Vater das Schreiben wurde, welche Seelenkämpfe er litt in dem Bestreben, sich zu offenbaren. Dann muß das Ende plötzlich gekommen sein, als er, von tausend Qualen gcsoliert, über der fruchtlosen Arbeit saß. Ich habe die Empfindung, daß er noch gar nicht daran dachte, sich ein Leid anzutnn, als er mit diesem Brief beschäftigt war — er würde sonst unbedingt seinen Kindern zuerst ein Wort ge sagt haben; ich meine vielmehr, daß er aus einem augenblicklichen Impuls heraus handelte und daß sich der erste Gedanke an die Tat und die Ausführung der Tat selbst nur in ein paar kurze Minuteu zusammendrängen." Horst stöhnte auf. „Vater — lieber, armer Vater!" Paul Halle lebhaft inleressiert zugehörig und nun stand er auf. „Ungefähr so hab' ich mir die Sache auch Kellner Hermann Harmsen vor das Schwurgericht. Der Angeklagte hatte sich bei seinen Heiratsschwin dellien als Kriminalbeamter ausgegeben und mit einer mit „von Jagow" unterzeichneten gefälschten Legitimation operiert. Das Urteil lautete auf zwei Jahre Gefängnis. Leipzig. Die Gebrüder Paul und Bruno Rinkert, die ein Fischwarengeschäft betreiben, wurden wegen Verkaufs verfälschter Nahrungsmittel vom hiesigen Schöffengericht zu je 150 Mk. Geldstrafe verurteilt, während eine Schwester der Angeklagten, die Fischwarenhändlerin Frau Hedwig Pfuhl, wegen fahrlässigen Vergehens gegen das NahrungZmittel- aesetz mit 25 Mk. Geldstrafe belegt wurde. Es handelt sich um den Salat „Excella", den die An geklagten aus Berlin bezogen und al§ „schwedischen Salat" für 1 bis zu 1,40 Mk. das Pfund an ihre Kunden verkauft hatten. Die Untersuchung durch den Direktor der chemischen UntersuchungSanstalt ergab, daß der Salat, den die Angeklagten mit 70 Pfg. bis 1 Mk. das Pfund eingekaust hatten, zu 75°/« aus Kartoffeln und nur zu 5°/, aus Heringen bestand. Die übrigen Bestandteile des SalatS waren Gurke, Zwiebeln und Ol. Der wirkliche Wert des Salats betrug höchstens 50 Pfg. für das Pfund. GaUieni-Znekäoten. Von einem Liebling Frankreichs. Anläßlich des Ablebens des Pariser Stadt kommandanten und Kriegsministers General Gallieni erzählt jetzt einer seiner Ordonnanz- Osfiziere im ,Gaulois' eine Reihe charakteristi scher Anekdoten aus dem Leben des Generals, der zu Frankreichs hervorragendsten Männern gehörte: Berühmt war die Langmut Gallienis, die ihn immer in gleichmäßiger Laune erhielt und selbst bei Gelegenheiten, die andere in Zorn gebracht hätten, seine unerschütterliche Rnhe und gleichmäßige Liebenswürdigkeit be wahren ließ. Als er noch Gouverneur von Madagaskar- war, beging einer der ihm untergebenen Be amten das Versehen, ihm an Stelle eines von der Kolonialregierung eingeforderten ' amtlichen Rapportes einen Privatbrief zu senden, der eine Menge nichts weniger als liebenswürdiger Be merkungen über die Persönlichkeit Gallienis enthielt. Am nächsten Tage ließ Gallieni den Beamten zum Frühstück zu sich laden, und er behandelte ihn mit so bestechender Gastfreund lichkeit, daß der verwirrte Übeltäter vor Äuße rungen der Dankbarkeit und des Entzückens überfloß. Am Ende der Mahlzeit übergab Gallieni seinem Gast das verhängnisvolle Schreiben mit den Worten: „Hier ein Rapport, den Sie mir irrtümlich zusandten und sür dessen Inhalt mir jedes Urteilsvermögen mangelt." Unter den Soldaten war Gallieni darum besonders beliebt, weil er sie, wenn die Ge legenheit es gestattete, völlig als Kameraden zu behandeln suchte. Als Gallieni bei einer Parade einem Soldaten persönlich das Militär- lreuz an die Brust heftete und ihm die Hand drückte, gewahrte er, das; der von der Stim mung des Augenblickes überwältigte Krieger in Tränen auszubrechen drohte. Um dies zu ver hüten, beugte sich der alte General vor und flüsterte dem Soldaten ins Ohr: „Schnell, um arme mich, und denke dir, ich wäre ein hübsches junges Mädchen ..." Bezeichnend für die Leichtfertigkeit, mit der schon zu Beginn des Krieges in Frankreich die verschiedensten Nachrichten aus dem Felde frei erfunden und in die Öffentlichkeit verbreitet wurden, ist das folgende Geschichtchen: Im August 1914, während die Deutschen in unauf- Haltzamem Vormarsch durch Belgien in Frank reich eindrangen, nahm Gallieni mit zwei Freunden und seinem Adjutanten eine Mahlzeit in einem Pariser Kaffeehaus ein. Da Gallieni und seine Begleiter in Zivil gekleidet waren, fielen sie nicht weiter auf, sodaß die Leute an den Nebentischen mit lauter Stimme ihre Ge spräche über den Krieg fortsetzten. Plötzlich kam ein neuer Gast heran, der schon von weitem laut rief: „Wißt ihr schon das Neueste: wir haben den Deutschen das Elsas; entrissen. So eben ist General Gallieni mit 60 000 Mann in Kolmar eingezogen!" „So macht man heutzutage Geschichte!" sagte Gallieni mit halblauter Stimme, und sein Mund verzog sich zu einem bitteren, traurigen Lächeln. gedacht. Wäre Papa bei klaren Sinnen ge wesen, dann würde er doch entschieden auch daran gedacht haben, wie fein Tod auf uns wirken, welche Folgen das ganze Unglück not wendig für uns haben mußte. Aber um so we niger kann ich mir nun den Bankerott erklären. Pepa war doch reich — lehrreich sogar, als er von Frankfurt da herauf zog; er hat uns seit her und, wie ich schon sagte, fast bis auf die letzte Stunde in dem Glauben gelasfen, daß wir Söhne eines reichen Mannes feien —" „Vielleicht," warf Manders ein, „weil er bis zum letzten Augenblick hoffte, das Unglück doch noch aufhalten und Ihnen die Sorge um seine und Ihre Existenz ersparen zu können." „Mag sein, aber damit wird doch noch nicht geklärt, warum es überhaupt dahin kommen mutzte, datz schließlich alles Von der Freundlich keit anderer abhing. Was zwang Papa, die Sache hier bis znm äußersten zu halten? Ich weiß, er hat seine Landsleute lieb gehabt und er hat ihnen helfen wollen. Ist ja ganz schön; aber dabei mußte er doch wissen, wann er zwischen der Liebe zu seinen Landsleuten und der Liebe zu seinen Kindern zu wählen halte." Horst sprang auf. „Paul!" Paul lächelte überlegen. „Aber ich begreife wirklich nicht, warum du dich über mich erregst. Ich ynb's immer so ge halten: allen Dingen zunächst einmal ins Ge sicht sehen, damit man nicht gar zu sehr über rumpelt wird das Gefühl kann darum doch immer noch auf seine Rechnung kommen. W» Korlsctzung socht.)
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