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Ottendorfer Zeitung : 30.06.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191606304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19160630
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19160630
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-06
- Tag 1916-06-30
-
Monat
1916-06
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 30.06.1916
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^rtoffewerlorgung. In einem längeren Aufsatz über die Frage der Kartoffelversorgung führt der Präsident des .Kriegsernährungsamtes, v. Batocki, u. a. aus: Zur einigermaßen ausreichenden Ernährung ist neben der allgemeinen, sür Schwerarbeiter neuerdings erhöhten Brotration eine Durch schnittsmenge von etwa einem Pfund Kartoffeln auf den Kopf und Tag notwendig. Von Mitte Juni ab geht der Kartoffelverbrauch im Frieden sür 8 bis 10 Wochen regelmäßig zurück, denn der Vorrat an alten Kartoffeln ist dann meist ziemlich verbraucht, sie werden auch weniger haltbar und weniger schmackhaft und die neuen Kartoffeln sind dann noch nicht in genügender Zahl zu haben, um für die Massenverpflegung auszureichcn. Die Bevölkerung wendet sich im Frieden in dieser kartoffelarmcn Zeit mehr zum Verzehr von Hülsenfrüchten, Graupen und Grützen und Tcigwaren. Die Knappheit an alten Kartoffeln ist auch in diesem Jahre eingelreten; da aber auch die genannten Ersatzmittel knapp sind, ist der Kar toffelbedarf in jetziger Zeit sehr viel höher wie ini Frieden. Daß die Sicherung reichlicherer Vorräte von alten Kartoffeln für den Juni und Juli in dem zu Ende gehenden Wirtschaftsjahr nicht hat erfolgen können, ist sehr bedauerlich. Für das nächste Jahr wird alles daran gesetzt werden, um solche Mißstände zu vermeiden. Für dieses Mal gilt es nicht, rückblickend zu kritisieren, sondern alles zu tun, um dem Mangel entgegcnzutreten. Gleich nach Beginn der Arbeit des Kriegs ernährungsamts sind alle Anordnungen erfolgt, um alle noch vorhandenen alten Kartoffel bestände restlos dem menschlichen Verbrauch in den Bedarfsbezirken zuzusühren. Dabei mußte scharf in die landwirtschaftliche Erzeugung ein gegriffen werden, trotz der dagegen bestehenden ernsten Bedenken. Die Verfüttern»g zum mensch lichen Gebrauch geeigneter Kartoffeln an Pferde und Schweine wurde völlig verboten. Durch diese Anordnung sind beträchtliche .Kartoffelmengen für Städte und Jndustrie- bezirke frei geworden, aber nur in einzelnen Kreisen, die starken Kartoffelbau treiben, während in anderen Landbezirken mit weniger gutem Kartoffelboden Knappheit herrscht. Alle verfügbaren alten Kartoffeln werden von der ReichSkartoffelstelle nach einem vom KriegsernährungSamt genehmigten sorgsam aus gearbeiteten Plan mit Schnellzügen an die Be darfsorte geschickt. ES ist aber bei der Knapp heit an Ware unvermeidlich, daß dabei Stockungen eintreten, die eine zeitweilige Herabsetzung der Kartoffelration an dem einen oder anderen Ort auf unzureichende Mengen notwendig macht. Für diesen Fall hat das Kriegsernährungsamt angeordnet, der Bevölkerung als Ersatz sür die fehlenden Kartoffeln eine vermehrte Brotration zu verabfolgen, was durch die vorsichtig vor- auSschauende Verwaltung der ReichSgetreidestelle und durch die erfolgreiche Einfuhrtätigkeit der Getreidesbteilung der Zentral-Einkaufs-Gesell- schast zum Glück möglich ist. Selbstredend bildet dieses Mehl oder Brot nur einen ganz unzureichenden Ersatz für zeit- weilig fehlende Kartoffeln, deshalb muß die Beschaffung von Frühkartoffeln zum Ausgleich für die fehlenden alten Kartoffeln mit besonderem Nachdruck betrieben werden. Hier haben die Ereignisse der ReichskartoffelsteÜe leider nach zwei Richtungen einen unerfreulichen Strich durch die Rechnung gemacht. Holland, das stets auch im Frieden eine große Frühkartoffelaussuhr nach Westdeutschland hat, hat diese Ausfuhr, weil sich dort, wie mitgeteilt wird, auch zeit weilig .Kartoffelknappheit gezeigt haben soll, vor übergehend gesperrt und das kalte Wetter hat die erwartete Entwicklung der in Deutschland in diesem Jahre in allen dazu geeigneten Gegenden in besonders großem Maße angebauten Früh- kartoffeln wider Erwarten aufgehalten. Solche Ereignisse kann die Rcichskartoffel- stelle auch bei sorgsamster Berechnung unmöglich voraussehen. Jede weitere Woche bringt darin Besserung, sie bringt immer größere Mengen von Frühkartoffeln zur Reife und in nicht allzu ferner Zeit wird die Kartoffelnot völlig beseitigt fein. Bis dahin gilt es, sich mit den Verhält ¬ nissen, so unerfreulich sie sind, so gut es geht, abzufinden und zugleich durch durchgreifende Beschlagnahme und richtige Lerteilung der neuen Kartoffelernte dafür zu sorgen, daß im nächsten Frühjahr eine solche Knappheit unter allen Umständen auch bei Zusammentreffen aller möglichen ungünstigen Zufälle ausgeschlossen ist. Die neue Kartoffelernte steht so gut, daß dieses Ziel bei sorgsamer Vorbereitung aller nötigen Maßregeln unter allen Umständen erreicht werden muß. Verschiedene Uriegrnachrichten. Die Kämpfe nm Fleury. Auf die nach den Pariser Berichten von Parlament und Presse mit größter Spannung erwartete Entwicklung der Kümpfe um Fleury fehlt in der letzten Joffrenote jeder Hinweis. Auch die die Bevölkerung dringend zur Geduld mahnenden halbamtlichen Dar stellungen verschweigen alle seitherigen Vor gänge. Die Havasnote sagt, daß bis zum Ab gang des Berichtes trotz der Rücknahme der französischen Mittelstellungen die Verbindungen mit den westlich und östlich des Thiaumont- abschnittes verbliebenen französischen Abteilungen erhalten werden konnten. Immerhin vermerkt die Fachkritik, daß zum erstenmal von fran zösischer Seite der Höhenrücken „Kalte Erde" als in Mitleidenschaft gezogen bezeichnet wird. * Verduns „verminderter Wert". Trotz des gegenwärtig verminderten mili tärischen Wertes von Verdun, so heißt es in einer halbamtlichen französischen Note, sei die Verteidigung bestrebt, die deutschen Fortschritte einzudämmen, um für die Unternehmungen auf anderen Gebieten Zeit zu gewinnen. Die „Bundesgenossen". Im Lazarett in Auteuil schlich sich ein senegalesi scher Soldat mit einem langen englischen Messer be waffnet in den Krankensaal, in dem fünf verwundete Franzosen schliefen, und ermordete zwei von ihnen. — Diese Untat gewinnt eine gewisse Bcdcniung, da aus dem Verhör des Senegalesen hcrvorgeht,' daß sich die farbigen Franzosen über gemeine Be schimpfungen seitens ihrer weißen Kameraden ernstlich beklagen, und daß der Mörder sich sür solche Be schimpfungen rächen wollte. * „Unzeitiges Friedensgerede." Die englischen Minister ziehen wieder ein mal im Lande umher, um das Volk durch Reden aufzumuntern. Bei einer solchen Ge legenheit ermahnte der Unterrichtsminister Henderson (Arbeiterpartei) seine zahlreichen Zu hörer, vor unzeitigem Friedensgecede auf der Hut zu sein. Er sagte, das Land wolle keinen übereilten Frieden, sondern einen, der sich auf Gerechtigkeit und Ehre auf- baue. Wir müssen uns so entschieden wie mög lich gegen einen erniedrigenden rühmlosen Ver gleich wehren. Das Ende des Krieges ist noch nicht in Sicht. Der Feind prahlt damit, daß England besiegt sei, aber dieses weiß besser, wie es ihm geht. Es hat auf dem Wasser den Feind besser als je in seinem Griff. (?) -X Die italienischen Offiziersverluste. Aus dem österreichischen Kriegspressequartier wird gemeldet: Einer Statistik über die Ver luste der italienischen Armee an Offizieren bis 15. Juni ist zu entnehmen, daß im Verlauf der Kämpfe auf italienischer Seite 3354 Offiziere fielen, darunter 6 Generale, 186 Stabs offiziere und 618 Hauptleute und Gleichgestellte. Die Zahl der verwundeten Offiziere erreicht mehr als das Dreifache. Der kleinere Teil dieier italienischen Osfiztersverluste stillt in die Zeit der österreichischen Offensive, da in letzter Zeit die Veröffentlichung von Todes anzeigen in den italienischen Blättern einge schränkt ist. * Das Ende der russischen Augriffe. Seit dem ersten Jubel über das Vordringen Rußlands ist es, so meinen holländische Blätter, in der englischen Presse bedeutsam still geworden. Die .Times' machen ihrem gepreßten Herzen noch einmal Lust, indem sie betonen, daß die russische Offensive den Engländern nicht die geringste Erleichterung gebracht hat. Das Blatt sagt dann weiter: Die Deutschen haben seit Kriegsausbruch viele Pläne verfolgt, dabei aber, ganz gleich wie not wendig sie an anderen Fronten gebraucht wurden, nie eine Schwächung ihrer Westfront gestattet. Graf Bothmer hält die Stellung des österreichi schen Zentrums an der Strypa und ehe diese hartnäckigen Kräfte nicht eingeschlossen oder ge worfen werden, dürfen wir kein Fortschreiten erwarten. Weiter betont das Blatt die Kraft der durch dis Deutschen verstärkten Österreicher und deutet an, wenn es das auch nicht aus spricht, daß die russische Offensive zn Ende ist. Oie I^age bei OLernowitL. Seit der Räumung von Czernowitz ist es von dem großen „Sieg" der Russen auf dem Südflügel merkwürdig still geworden. Abgesehen von einigen phantastischen Zahlen von Ge fangenen, welche die Russen gemacht haben wollen, haben sie nur sehr wenig Neues über die Kriegslage im Raume von Czernowitz ge meldet. Vor der russischen Offensive machte unsere Front hier eine kleine Abschweifung nach Südosten an die russische Grenze. Die Kriegslage bei Czernowitz wird jetzt durch die Richtung unserer neuen Front ge kennzeichnet. Schon vor der Räumung von Czernowitz meldete der österreichisch-ungarische Generalstabsbericht, daß die. Russen mit ihrer Reiterei die Linie Horodenka—Sniatyn erreicht hätten. Diese im Nordwesten des Raumes sich hinziehende Froutstrecke verläuft von Norden nach Süden und zwar derartig, daß sie sich an die Linie bei Buczacz fast geradlinig anschließt. Horodenka liegt nämlich ziemlich senkrecht südlich von Buczacz und Sniatyn nimmt die gleiche Lage zu Horodenka ein. Nach der Besetzung von Czernowitz sind die Russen über Czernowitz hinaus nach Westen vorgegangen und haben, wie der österreichisch ungarische Generalstabsbericht selbst am 21. Juni mitteilte, den Sereth südwestlich von Czernowitz überschritten. Der Sereth macht hier bald nach der Quelle einen nach Norden gerichteten fast halbkreisförmigen Bogen, der sich Czernowitz nähert. Die Übergangsstelle ist im Raume der am Sereth gelegenen Stadt Sadowa, südwest lich Czernowitz, gewesen. Wir haben darum jetzt hier in dem in Betracht kommenden Front stück des Südflügels eins Linie, die von Buczacz aus über Horodenka — westlich Sniatyn — westlich Czernowitz—Sereth geht, während sie vorher östlich bei Horodenka vorbeiging und die bereits aus diesem Kriege bekannte Stadt Kaleszyski im Rücken ließ. Wir haben gehört, daß die Ablösung der k. u. k. Truppen vom Feinde ohne größere Verluste ersolgte, um vorbereitende Verteidigungsstellungen einzunehmen. Die Russen haben nach der Räumung von Czernowitz nicht mehr das ge waltige Ungetüm des Angriffes bewiesen, wie bei den Angriffen auf Czernowitz. Es scheint, als ob die ungeheuren Verluste, mit denen die Russen den Rückgang der österreichisch- ungarischen Truppen bei Czernowitz er kaufen mußten, die russische Armee sehr beträchtlich geschwächt und zur weiteren unaus gesetzten Durchführung eines gleich starken An griffes ungeeignet gemacht hat. Wir wissen, daß der Kampf um den Brückenkopf von Czernowitz mehrere Tage dauerte, da die öster reichisch-ungarischen Mannschaften der über wältigenden Übermacht mit ungewöhnlicher Tapferkeit standhielten. Die Russen ver mochten aber zur Erreichung dieses politisch wichtigen Zieles immer neue Reserven einzu setzen, sodaß ihnen schließlich die Besetzung von Czernowitz gelang. Gleichzeitig aber hat dieses rücksichtslose Aufopfern der russischen Truppen in den An stürmen gegen den Brückenkopf von Czernowitz eine gewaltige Schwächung der rujsijchen Über macht zur Folge gehabt, da nach russischen Be richten die Verluste vor Czernowitz sehr groß gewesen sein sollen. Wenn die feindliche Presfe nun versucht, die Lage bei Czernowitz als sehr ungünstig sür die k. und k. Truppen darzustellen, so erkennt man aus diesem Überblick, wie falsch eine -derartige Auffassung ist. Die geradlinige Front westlich t^ernowitz ist dem Angreifer nicht förderlich, zumal die russischen Verluste einer seits und die österreichisch-ungarischen Gegen maßnahmen andererseits das Kräfteverhälinis mehr ins Gleichgewicht gebracht haben dürften. Aolitilcbe Krmälckau. Deutschland. * Generalfeldmarschall v. Bülow ist t Genehmigung seines Abschiedsgesuches untr Verleihung des Kreuzes der Großkomture dev Königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern zur Verfügung gestellt worden. * Staatssekretär des Innern Dr. Helfferich erklärte sich in der Sitzung des parlamentarischen Beirats für Lebensmittelfragen für den lang samen Abbau der Zentralisation des Handels mit Lebensmitteln. Dr. Helfferich führte dabei aus, daß mit der größten Gewissen haftigkeit nachgeprüjt werde, ob in einzelnen Geschäftszweigen eine stärkere Beteiligung des privaten Handels zulässig wäre. Er werde für einen Abbau der Zentralisation eintreten, sobald und wo immer dieser Abbau mit dem Allgemein- iuteresse verträglich sei. *Der Verband der sozialdemokra tischen Wahlvereine von Berlin hielt eine Generalversammlung ab, die mit einer völligen Niederlage der bisherigen Leitung endete. Nach längerer Aussprache, iu der Mehrheit und Minderheit ihren Stand punkt mit schon öfter geltend gemachten Gründen vertraten, wurde au Stelle Ernsts der Landtags- abgeordnete Adolf Hoffmann mit 307 gegen 67 Stimmen gewählt. In den Parteiausschuß wurden Rosa Luxemburg und der Abgeordnete Stadthagen gewählt. Somit hat also die Min derheit den Sieg davongetragen. Asterreich-Ungarn. * Das jüngst geschlossene österreichisch- rumänische Abkommen über gegenseitige Erleichterungen des Handelsverkehrs zwischen Osterreich-Ungarn und Rumänien legte nur die allgemeinen Grundzüge fest. Die Ausarbeitung der praktischen Einzelheiten blieb dem in Bukarest arbeitenden gemischten Ausschuß überlassen. Wie die Wiener,Neue freie Presse' erfährt, hat der Ausschuß seine Arbeiten nunmehr abgeschlossen und der Handelsverkehr dürste sich bereits vom 1. Juli ab auf den neuen Grundlagen abspielcn. Frankreich. * Die Kammer hat nach kurzer Debatte mit 512 gegen 3 Stimmen die weiteren Kriegs- kredite angenommen. Die Sozialisten erklärten, alle Kriegskredite annehmen zu wollen, um den Sieg deS Vaterlandes sicherzustellen. England. *An die Regierung wurde im Unterhaus« die unbequeme Frage gestellt, ob ihr bekannt sei, daß nicht alle überlebenden die Überzeugung hätten die „Hampshire" sei ans eine Mine gestoßen. Der Vertreter der Regierung blieb darauf die Antwort schuldig. Zum Schluß der langen Debatte wurde aus dem Hause eine Anfrage darüber angekündigt, daß über den Untergang der „Hampshire" kei» Kriegsgericht geurteilt habe. Balkanstaaten. * Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß sich der Vierverband zunächst mit dem Ministerwechsel in Griechenland begnügen und nicht auf Neuwahlen drängen wird und zwar vielleicht schon deshalb, weil es höchst zweifelhaft ist, ob die Neuwahlen eine Mehrheit für Venizelos ergeben würden. Das neue Ministerium besteht fast ganz aus persön lichen Freunden von Zaimis. Auch jetzt liegt kein Anlaß vor, an der Fortsetzung der Neu tralitätspolitik Griechenlands zu zweifeln. Im ganzen Lande herrscht Ruhe. Die Gerüchte von der Abreise König Konstantins aus Athen siud unbegründet. 6me I-üge. Lj Roman von Ludwig Rohmann. cF-rts-tzunz.) Abends, als im Dorfe bereits die Lichter brannten, kamen Horst und Paul. Es gab ein erschütterndes Wiedersehen. Namentlich Horst vermochte seine Fassung nur mit Mühe zu behaupten; Paul dagegen be herrschte sich schnell. Er gab Manders und der Lehrerin die Hand und erzählte, daß das, Tele gramm ihn beinahe nicht mehr erreicht hätte. Er habe mit ein paar Kommilitonen gerade einen Hcrbstbummel durch den Odenwald machen wollen, aber er habe natürlich sofort abgesagt, und nun sei es ja wohl auch mit allem au§ und vorbei. Die beiden Brüder waren in der äußeren Erscheinung bis zur Unähnlichkeit verschieden. Horst war schlank und hechgewachsen und machte trotz seine; kräftigen BlondbcrrteS einen un gewöhnlich Weichen und jugendlichen Eindruck. Er war ganz dar Ebenbild deS DaterS, eine verträumte, zart empfindende Natur, und Mander; mußte, als er den jungen Mann jetzt teilnahmsvoll anfah, eines AuSsprucheS ge denken, den der Kommerzienrat einmal nicht ohne Bekümmernis getan: Der Junge sieht mir erschreckend ähnlich; er hat die paar Vor züge, deren ich vielleicht mich rühmen darf, aber er besitzt auch alle meine Fehler und wolle Sott, daß ihm die weiche, empfängliche Seele nicht zum Verderben werde. Ganz anders Paul. Der war untersetzt und kräftig gebaut, das Urbild gesunder Kraft. Die energisch geschnittenen Züge ließen ihn weit über seine Jahre hinaus gereift erscheinen, die grauen Augen blickten kühl und ein wenig über legen in die Welt: eine nüchterne, aber darum nicht eigentlich unsympathische Alltagsnatur. 2. Das Eichsfeld steht in einem recht schlechten Ruf. Nicht seiner Bewohner wegen, denn die sind brav und arbeitsam — ein prächtiger Men schenschlag, in dem noch viel von dem Wesen der germanischen Urväter lebendig ist, der nur viel unter der Not de§ Lebens zu leiden hat. Aber landschaftlich gilt das Eichsfeld als öde über jeden Vergleich, darin geschieht ihm un recht. Das Eichsfeld ist schön mit seinen Höhen uno Tälern, seinen herrlichen Wäldern, seinen idyllisch in Wsldgrün eingebetteten Dörfern und seinen Ruinen — den verträumten Zeugen einer entschwundenen Zeit, die auch der Eichs felder sehnsüchtig als die „gute, alte" be zeichnet. Das Land ist schön, aber es ist arm. Zwar im Nntereichsfeld trägt der Boden reiche Frucht, und die „goldene Mark" nimmt es mit der „goldenen Aue" und so mancher anderen als besonders fruchtbar gerühmten Gegend Deutschlands auf. Das Hochplateau des Ober- eichrseldes dagegen bringt karge Ernten. Hier ist die eichsfeldische Industrie zu Hause, von bi« aus ziehen alljährlich Tausende hinaus, die ihre Kraft in der Heimat »ich t ausreichend verwerten können und in der Fremde Arbeit und Lohn suchen muffen. Besonders schön gelegen, leider aber auch besonders arm sind die Weberdörfer im südlichen Eichsfeld. Sieht man von einer der Höhen hinab in dir vielgestaltigen Talkessel, dann muten die aus dem Buchengrün hervorlugendeu Hänschen ungemein freundlich an. Und doch wohnt drinnen das Elend in seiner bittersten Gestalt. Was je von der Not der schlesischen Weber der Welt durch Dichtermuud verkündet wurde, das findet hier ein Seitenstück, in dem die Schatten nur noch tiefer erscheinen. Hier sitzt der arme Handweber lebenslang am Web stuhl und webt und webt, bis die Glieder nicht mehr treten können und die Augen ihm brechen. Die alten Webstühle haben vielen Generationen ge dient und sind untüchtig auf die Gegenwart ge kommen ; aus besonderer Fürsorge stellt die Re gierung hier und dort einmal einen neuen Webstuhl auf für einen alten, der ganz un brauchbar geworden — die Menge der Weber aber muß an den veralteten Stühlen Zeit und Kraft verschwenden, ohne daß die Arbeit ihnen und den Ihren auch eine nur Halbwegs men schenwürdige Existenz schaffen könnte. Nach Hamberg, einem der größten dieser Dörfer, war vor Jahr und Tag Herr Borne mann gekommen. Sein Vater war einstmals Lehrer im Dorfe gewesen, er selbst hatte seine trübe Jugend hier inmitten des Elends der Weberbevölkerung verlebt und er entsann sich ihrer, nachdem er zu Vermögen gekommen war. Am Waldrand, ein wenig abseits vom Dorfe, wurde eine Fabrik gebaut. Bornemann wollte das Holz der Wälder zn GebrauchS- gegenstnnben verarbeiten und der armen Be völkerung besseren Verdienst bieten. Vor allem aber sollten die Leute heraus aus den engen, dumpfen Stuben, sie sollten in Hellen, luftigen Räumen arbeiten und bei der Arbeit wieder ge- fund und fröhlich werden. Damit recht viele beschäftigt werden konnten, wurden nur die UN? entbehrlichsten Maschinen angeschasft; 'tüchtige" Meister brachten den Leuten bald die nötigen Fertigkeiten bei, und nach einem Jahre schon hatte sich der Wohlstand ün Dorfe merklich ge hoben. Die alten Webstühle, die nun entbehr lich Zvaren, wurden verbrannt, die besseren per« kaust. Nur ganz vereinzelt klapperte der West» stuhl Weiler; daran saßen dann alte gebrechliche Leutchen, die zu anderen Hantierungen nicht mehr taugten und nach wie vor in der altge wohnten Tätigkeit den letzten Nest ihrer Kraft in Arbeit und Lohn nmsetzten. Der Segen, der von der Fabrik ausging, floß dem Dorfe ein volles Jahrzehnt zu, und kein Mensch hatte geahnt, daß der Schöpfer deS ganzen Werkes sich in dem Maße verblutet, indes die Lebenshaltung in den Hütten des Dorfes sich besserte. Um so furchtbarer wirkte nun aber dir Katastrophe, und die Leute ver mochten das Entsetzen nicht abzuschüiteln, das der Tod Bornemanns wachgerufen. Horst und Paul hatten sich nach dem Abend essen mit dem Lehrer in dessen Zimmer zurück gezogen, nm die Lage einmal durchznsprcchcn. Inge hatte sich ungern, bewegen lassen, in zwischen der Lehrerin Gesellschaft zn leisten. Nun saßen Paul und RiauderS sich an dem großen, mit Büchern Wttdccsten Miileltiich gc» geniiber, während Horst in nervöser Unruhe cms- und abging.
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