Volltext Seite (XML)
dnsere Ernäkrungspolitik. Die grundsätzliche Kritik unserer Ernährungs- Politik strebt nach zwei geradewegs entgegen gesetzten Richtungen auseinander. Auf der einen Seite — in diesem Sinne schrieb beispielsweise erst vor wenigen Tagen ein bekannter National- ökonom in einer großen Berliner Zeitung — wird ihr zum Vorwürfe gemacht, sie habe Re glementierung, Organisation und Zentralisation nicht wett genug getrieben; sie müsse auch die Erzeugung überall in den festen Nahmen zwingender Vorschriften spannen, die Verteilung noch straffer und allgemeiner behördlich zu sammenfassen, auch die noch vorhandenen Neste freien oder beschränkt freien Verkehrs ausschalten. Eine andere Gruppe von Kritikern dagegen behauptet, daß die Zentralisierung und „Bureaukratisierung" unserer Versorgung schon jetzt schädlich überhaupt sei, daß die Hemmungen und Stauungen vermieden oder verringert Werden könnten, wenn man die freien Kräfte des Wirtschaftslebens, die „private Initiative" wieder mehr in den Versorgungsprozeß ein gliedere und für ihn nutzbar mache. Stärkere Heranziehung des Handels in irgend einer Form ist das Heilmittel, das von dieser Seite uner müdlich empfohlen wird. Die erste dieser beiden Richtungen der Kritik hat den Schein der Folgerichtigkeit für sich, sie will auf einem Wege weitergehen, den wir — in bewußter Abweichung von den Bahnen der Friedenswirtschaft — während des Krieges ein- gcschlagen und bislang ziemlich stetig verfolgt haben. Aber diese Folgerichtigkeit ist noch kein Beweis der Zweckmäßigkeit, oder selbst nur der Durchführbarkeit. Es ist denkbar, daß ein theo retisch durchaus richtiger Gedanke bis zu einem Punkte getrieben wird, wo einfach die praktisch technischen Möglichkeiten seiner Ausführung nicht mehr gegeben sind. An Beispielen dafür fehlt es uns ja gerade auf dem Gebiete der Er- Währungspolitik nicht. Es ist theoretisch eine sehr einleuchtende Idee, die Kartoffeln genau so zu behandeln wie das Getreide: sie zu ent eignen, in großen Vorratslagern zu sammeln und stetig dem Bedarf entsprechend auf den Verbrauch zu verteilen. Aber praktisch geht das nicht, weil die tatsächlichen Lagerungs-, Be- arbeitungS- uod Transportschwierigkeiten nicht ausreichen. Bei manchen leicht verderblichen Nahrungs mitteln — wie z. B. bei der Milch — bestehen noch lokale Versorgungsverbindungen rein privaten Charakters, die dem technischen Be dürfnis dieses Verkehrs vollkommen angepaßt sind. Sie zugunsten zentralisierender Organi sation zu zerreißen, wäre zum Teil kein Fort schritt, zum Teil gar nicht möglich. Die öffent liche Organisation kann hier und in manchen anderen Fällen — so beispielsweise beim Obst — nur ergänzend und verbessernd eingreifen, wenn sie nicht mehr Schaden als Nutzen stiften soll. Der landwirtschaftliche Produktionszwang ist ein Gedanke, der auf den ersten Blick sehr besticht. Er ist aber zumindest in seiner Allgemeinheit praktisch ein Unding, wir haben gar nicht Menschen genug, um diesem Zwange einmal eine in jedem Jahre sachgemäße, alle tatsächlichen Voraussetzungen ausreichend berücksichtigende Unterlage zu geben und um außerdem seine wirkliche Durchführung zu überwachen. Die Propaganda für die stärkere Wieder einsetzung des Handels knüpft an gewiße Hem mungen und Schwerfälligkeiten an, die eine un vermeidliche Begleiterscheinung behördlicher oder halbbehörblicher Zentralisation sind. Aber sie vergißt, daß wir aus den Erfahrungen der KriegSzeit den praktischen Beweis dafür haben, daß diese Hemmungen der Verkehrsfreiheit gegen über das kleinere Übel sind. Wir sind auch nicht aus Lust an staatssozialistischen Experimenten zur Zurückdrängung und Ausschaltung des Han dels gekommen, sondern unter dem Drucke härter und zwingender Notwendigkeit. Wir hatten am Beginne des Krieges die freie Handelsbetätigung auf allen Gebieten unserer Versorgung. Es hat sich herausgestellt, daß sie bei dem außergewöhnlichen Verhältnisse zwischen Angebot und Nachfrage, das den Kriegsverhältnissen (und namentlich den Ver hältnissen dieses Krieges) eigen ist, notwendig . Eine Lj Roman von Ludwig Rohmann. sFoosetzungo Sie geleitete Inge in die Wohnstube und kieß sie sorgsam in einen Lehnstuhl gleiten. Dann schickte sie dje beiden Jüngsten hinaus, die bis dahin gespielt hatten und nun mit großen Augen das weinende Fräulein aus der Dilla anstarrten. „Geht, Kinder — draußen ist's schöner als hier und ich kann euch jetzt auch nicht brauchen/ Manders war den Frauen in die Stube ge folgt. Er küßte die Kinder, die er am Morgen noch nicht gesehen hatte und führte sie dann liebevoll zur Türe. „Geht und seid nicht zu laut!* Inge suchte sich gewaltsam zu fasten. Sie trocknete die Augen und sie rang sich sogar ein Lächeln ab, da§ freilich zur wehvollen Grimasse verzerrt Ivar. Aber Frau ManderS war mit dieser Art der Selbstbeherrschung gar nicht ein verstanden. Inge durfte sich jetzt keine Gewalt ontun, wenn der Schmerz nicht mit vermehrter Gewalt ihr die Seele zerwühlen sollte und da rum sollte sie vor allem eimnal mit dem jungen Mädchen alle« sein. Sie schickte den Lehrer hinaus. „Tu mir di» Liebe, Männe, und streck' dich ein bißchen au». Man fwht dir'? an, wie er schöpft du bist/ Aber ManderS schüttelte den Kopf. „Nein, Liebe — ich muß wieder hinauf/ Dabei lab er Le bedeutsam an. ^cb hab' Ler versagt. Dieses Versagen ist nicht die Schuld des einzelnen Händlers und erstreckt sich nicht etwa bloß auf den „unreellen" Handel, — es ist einfach funktionell, liegt in der Natur dec Umstände und der Handelstätigkeit. Wie aber Politik ist auch unsere gegenwärtige Lebcnsmittelpolittk die Kunst des Möglichen. Genaue Erforschung der wirklichen Verhältnisse, freie, umsichtige und vorurteilslose Würdigung der einzelnen tatsächlichen Voraussetzungen ist die Grundlage ihres Erfolges. Mit der starren Verfolgung grundsätzlicher Leitgedanken bis in das Gebiet hinein, wo sie schädlich oder un durchführbar werden, ist ihr nicht gedient. verschiedene Uriegsnachrichten. Verdun — der Hauptpunkt des konti nentalen Krieges. Die .Times' Lesürchten, daß die russische Offensive die Aufmerksamkeit von den Vorgängen von Verdun ablenken könne. Verdun aber bleibe der Hauptpunkt des kontinen talen Krieges. Für die Verbündeten und wahrscheinlich auch für die Deutschen versinnbild liche Verdun die heutige Kriegslage. Viele sagten, daß Verdun den Preis an Blut, der dafür gezahlt wird, nicht wort sei, aber die ,Times' halten die Festung Verdun für eine Art Symbol. Wenn dies nicht so wäre, würden die Deutschen nach der Meinung des Blattes nicht so töricht sein, alles an die Eroberung dieser Festung zn setzen. * Französische Friedenssehnsucht. In den französischen Blättern werden trotz der Zensur Erschöpfung und Friedens sehnsucht immer deutlicher erkennbar. Frank reichs Forderung nach einem Eingreifen der Engländer an der Westfront tritt immer mehr hervor. So sagt Marcel Cachin in der ,HumanitS': Die Engländer verfügen über ein ungeheures, gut ausgerüstetes Heer, mächtige Geschütze und reiche Munition. Die Stunde ist da, wo dieses Heer zeigen muß, was es leisten kann. Es wird hoffentlich den Gang des Krieges ändern und so das „mit Ungeduld erwartete Ende" beschleunigen. * Die Bedeutung der Kämpfe bei Luek. Stegemann schreibt im Berner ,Bund': „Die Sicherstellung der russischen linken Flanke ist durch die Einnahme von Czernowitz noch keines wegs ausgemacht. Die Russen müssen zu diesem Zwecke mindestens das Tal des großen Sereth an sich bringen und laufen bei zu starker Ver wicklung- in dieser Richtung Gefahr, bei einer österreichischen Offensive gegen die rumänische Grenze gedrückt zu werden. Wollen sie ihren Erfolg in diesem Einbruchsraum operativ aus beuten, so müssen sie sehr starke Kräfte nachschieben. Ob sie das angesichts der festen Haltung Bothmers können, ist die Frage. Lem berg, das ideale Operationsziel der russischen Offensive, ist so lange nicht bedroht, als die Rusten im Raume Luck unter der Pressung der konzen trischen Gegenoffensive stehen und das Zentrum der österreichisch-deutschen Verbündeten Be wegungsfreiheit behält. Es hat denn auch den Anfchein, als hielten sich die Gegner im ent scheidenden Kampfraum von Luck noch die Wage. Es wird also vom Heranbr singen neuer Reserven abhängen, auf welche Seite sich die Schale neigt. Dabei ist von vornherein mit zahlenmäßiger russischer Über legenheit zu rechnen, die aber erst bei einem offenkundigen Mißverhältnis wirksam wird." * Verlorene englische Millionen. Der englische Lordkanzler Buckmaster erklärte, daß von den täglichen englischen Kriegsausgaben, die 100 Millionen Mark übersteigen, nicht weniger als 20 Millionen für die Be zahlung der bestellten Munition und Kriegsausrüstung an das Ausland ab fließen und dauernd verloren seien. Er pro phezeite den Engländern die größten wirtschaft lichen Schwierigkeiten nach Friedensschluß, wenn nicht strengste Sparsamkeit geübt werde. Riescnmunitionsaufträgc des Verbandes. Eine Meldung Lyoner Blätter aus Paris besagt, das; das japanische Krisgsministcrium 45 große Fabriken beauftragt hat, die immer bedeutender werdenden Munitions bestellungen der Verbündeten auszuführen. Amerika unä Mexiko. Eröffnung der Feindseligkeiten. Das Reutersche Bureau läßt sich aus El Paso bestätigen, daß ein blutiges Gefecht bei Carrizal stattgefunden hat. Die Amerikaner verloren etwa 20 Tote und 17 Gefangene. Die Mexikaner verloren etwa 40 Mann ein schließlich des Generals Gomez. In Washington herrscht infolge dieses Vorkommnisses größte Be sorgnis. Es scheint unzweifelhaft zu sein, daß, wenn der Angriff der Mexikaner eine Folge von Carranzas Ultimatum gewesen ist, Wilson es als eine Kriegshandlung betrachten wird. Immerhin scheint man in manchen Kreisen der Ver. Staaten noch immer Hoffnung auf eine friedliche Lösung des unheilvollen Streites zu hegen. Freilich, von einem Notenwechsel ist wohl kaum noch etwas zu erwarten; denn weder Wilson noch Carranza werden den Ver such machen, sich jetzt noch auf schriftlichem Wege zu verständigen. Es heißt aber, Carranza habe einen großen südamerikanischen Staat um seine schiedsgerichtliche Vermittlung gebeten, und dieser habe seine Vermittlung zugesagt. Amerikas Kriegsvorbereitungen. Inzwischen treffen die Ver. Staaten alle notwendigen militärischen Vorkehrungen. Von allen Seiten werden die Miliztruppen nach der mexikanischen Grenze geleitet, wo bereits 60 000 Reguläre eingetroffen sind. Amerikanische Schiffe blockieren die beiden Küsten Mexikos. In den amerikanischen Arsenalen herrscht große Tätigkeit. Eine Division Torpedoboote ist in See gegangen, die amerikanischen Panzerschiffe wurden auf derHöhe von Tampico, Veracruz usw. gesichtet. Der ,New Dock Herald' sagt, es sei wahrscheinlich, daß die amerikanischen Soldaten wie im Jahre 1914 Veracruz, Tampico und Tuxpan besetzen werden, um die Zerstörung der Petroleumgruben zu verhindern, die englisch-amerikanischen Gesell schaften gehören und Petroleum für die englische Flotte fördern. In letzter Stunde. Nach einer Meldung der .Franks. Ztg.' aus Madrid hat die spanische Kolonie in Mexiko, die eine große Anzahl Mitglieder hat, durch Kabel- telegramm ein Gesuch an König Alphons ge richtet, der König möge sich dafür verwenden, daß der Krieg zwischen den Ver. Staaten und Mexiko vermieden werde. Die spanische Presse unterstützt einmütig dies Gesuch. Der König wird, wie verlautet, sein Möglichstes tun, um der Bitte zu entsprechen. Indessen eröffnet der Beginn der Feindseligkeiten zwischen ameri kanischen und mexikanischen Regierungstruppen wenig Aussicht auf eine friedliche Beilegung des Streites, wenngleich die diplomatischen Be ziehungen formell noch nicht abgebrochen sind. An der Washingtoner Börse ist man ohne Zu versicht, es herrsche eine panikartige Stimmung. Politische Aunälckau. Deutschland. * Die Frage der Aufhebung aller lokalen Ausfuhrverbote, die von verschiedenen Seiten dringend gefordert wird, unterliegt nach wie vor eingehender Bearbeitung. Es muß im Auge behalten werden, daß manche der Verbote schlechterdings nicht aushebbar sind: besonders in solchen Fällen, wo ein Kommunal verband etwa Lieferungsaufträge hat und ohne ein Ausfuhrverbot außerstande ist, die ge forderten Mengen an Nahrungsmitteln zu liefern, wenn . gleichzeitig von anderer Seite Aufkäufe in seinem Bereich vorgenommen werden dürfen. Nach Möglichkeit wird natürlich der Präsident des Kriegsernährungsamtes, Herr v. Batocki, den Wünschen Rechnung tragen. * Durch eine Bundesratsverordnung wird die Vornahme einer Erntevorschätzung augeordnet. Die ElMe^orichätzung findet für Brotgetreide und Gerste in dec Zeit vom 1. bis- 20. Juli, für Haier zwischen dem 1. und 20. August, für Kartoffeln und Rüben zwischen dem 1. und 25. September statt. Zugleich ist ein Verbot des Vorverkaufs von Getreide (wie im Vorjahre) erlassen worden. Es erstreckt sich auf sämtliches Brotgetreide, auf Hafer, Gerste und Mischfrucht, außerdem auch auf Buchweizen, Hirse, Hülsenfrüchte und Ölfrüchte. Ferner auf Futtermittel, die der Verordnung über den Ver kehr mit Krastfuttermitteln vom 28. Juni 191- unterliegen. Alle Kaufverträge über diese Er zeugnisse sind nichtig. Eine Reihe von Aus nahmen sind vorgesehen, so Verkäufe von Saat getreide unter Sonderbestimmungen, Verkäufe an Heeresverwaltung, Gemeinden, ReichSgetreide- stelle usw. * Die sächsischeRegierung hat den Beamten alle Nebenbeschäftigung, durch die Gewerbetreibende in der freien Erwerbstäligkeit benachteiligt werden, verboten. Spanien. *Das deutsche Unterseeboot „II 35" kam in Cartagena an und ging in Dock, um Repa raturen vornehmen zu lassen. Der Sekretär der deutschen Botschaft machte einen Besuch auf dem Schiff. Der Kapitän hatte ein Hand- sch reibe nKaiserWilhelms an König Alfons mit, das den Dank für die Behand lung der Deutschen aus Kamerun aussprach. Das II-Boot fuhr 3 Uhr .morgens wieder ab. Außerhalb des Hafens verfolgten Torpedoboote die Bewegungen des Unterseebootes. Balkanstaaten. *Jn Griechenland drängen die Dinge zur Entscheidung. Nach italienischen Meldungen hat Zaimis den Gesandten Frankreichs, Eng lands, Italiens und Rußlands milgeteilt, daß er infolge des Rücktritts des Kabinetts Skuludis die Mi n i st erpr äs i d e n t s ch a ft übernehme und die Noten der vier Mächte völlig annehme. Es bleibt nun abzuwarten, ob die neu zu wählende Kammer Venizelos, den „Minister des Vierverbandes" ans Ruder bringen wird. Die ,Nea Himera', das Organ des General stabes, schreibt: Für das gequälte Griechenland ist es ein großer Trost, die Sympathien und die Stütze des starken Deutschland zu besitzen. kriegsereigmsse. 17. Juni. Die Russen erleiden bei ihren Massen angriffen, die sie ohne Rücksicht auf Menschen leben fortsetzen, ungeheure Verluste. Die Kämpfe dehnen sich auf die deutsche Arme« Linsingen aus. — Italienische Angriffe an der Jsonzofront und gegen die österreichische Do lomitenstellung werden verlustreich abgeschlagen. — Im Kaukasus werfen die Türken die Russen weiter zurück. 20. Juni. Der russische Angriff auf die Heeres gruppe Linsingen ist zum Stehen gebracht, an einigen Stellen sogar in einen Rückzug der Russen verwandelt worden. Die deutschen Truppen halten einen recht stattlichen Ge ländegewinn zu verzeichnen und machten viele Gefangene. -- Die österreichischen Truppen verzeichnen erfolgreiche Abwehrkämpfe südlich und nordöstlich von Lokaczy in Wolhynien. 21. Juni. In der Gegend von Dnnaburg drangen Truppen der Armee Hindenburg bei Dubatowka siegreich vor. 200 Russen ge fangen. — Russische Streitkräfte bei Gruziatyn über den Styr zurückgeworfen. — Die Russen büßten etwa 1000 Gefangene ein. — In Albanien mußien die Italiener den Brücken kopf von Feras unter schweren Verlusten räumen. 22. Juni. Östlich der Maas haben sich neuer dings Jnfanteriekämpfe entsponnen, die sich westlich von der Feste Vaux für uns erfolg reich entwickeln. — Zwischen Sokul und Liniewka wurden die russischen Stellungen genommen und wiederholte starke Gegenstöße abgewiesen. — Auch südlich der Linie Swiniuchi—Gorochow werden die Russen weiter zurückgedrüä?- — Erneute Vorstöße der Russen bei Kolki Heitern im österreichischen Feuer. Lene versprochen, wiederzukommen; sie ist allein mit dem Gesinde und das tut nicht gut." Frau ManderS verstand, was er nicht wieder aussprechen wollte. Es mutzte Besuch in der Dilla geben — Herren vom Gericht und der Kreisarzt waren zu erwarten, und da war es wohl doch gut, wenn ihr Mann zugegen war. So nickte sie ihm freundlich zu. „Aber ruh dich oben aus und sag der Lene, daß sie dir etwas Genietzbares besorgt — ja? Du mußt mir versprechen, daß du das auch ge wiß tun wirst!" Manders lächelte: „Ich will, du Gute!" Er drückte Inge die Hand und küßte seine Fran. „Zu Mittag bin ich wieder da." Aus der Villa traf er den Arzt bereits an, der aus Mühlhausen herübergekommen war. Der hatte den Toten genau gekannt und wie alle Leute der Gegend verehrt und er war sichtlich tief erschüttert, als er der Leiche gegenüberstand. „Wann ist's geschehen?" „Es schlug gerade drei, als ich gerufen wurde; also doch wohl kurz vorher." „Und wie fanden Sie ihn, Herr Lehrer?" „Fast so wie jetzt — bewußtlos, aber doch noch mit schwachen Lebenszeichen. Zu tun gab es nichts mehr. Unsereiner muß ja wohl auch ein wenig Arzt sein und meine paar Semester Medizin hätten mir vielleicht auch zustatten kommen können. Aber hier kam eben alle Hilfe zu spät und ich mutzte mich darauf beschränken, die schwindenden Lebensäußerungen zu beob achten. — Um sieben war alles vorüber, ohne daß °.r auch nur einen Augenblick das Bewußt sein wiedererlsmü Lättp." Nachdem die notwendigen Feststellungen ge macht waren, bat Manders den Arzt ins Speise zimmer. Der alten Lene trug er auf, für ein kleines Frühstück Sorge zu tragen. Als sie einander gegenübersatzen, schnitt auch der Arzt die Frage an: was nun werden solle? Manders zuckte die Achseln. „Das mag Gott wissen! Was mich be sonders erschüttert, das ist die Tatsache, daß hier einmal die besten Absichten, die menschen freundlichste Lebenstat in ihr Gegenteil verkehrt wurden; und was mich drückt, das ist die Ge wißheit, daß nach meinem toten Freunde sich keiner finden wird, der sein Werk aufnehmen und mit frischen Kräften weiterführen möchte. Das ganze Unternehmen ist viel mehr eine Wohltätigkeitsanstalt als ein Geschäft gewesen und das verdirbt den Unternehmern da draußen doch den Geschmack. Und fände sich doch einer — darf er verstehen, worauf es hier ankommt? Dürfte er die Motive auch für sich gelten lassen, aus denen heraus der stille Mann da drinnen seit Jahr und Tag sein Geld und seinen Fleiß daran setzte der hungernden Bevölkerung seiner Heimat einen ausreichenden Erwerb und eine menschenwürdige Existenz zu schaffen? Der neue Fabrikherr könnte doch im besten Falle nur ein Geschäftsmann sein, dem der Gewinn selbstverständlich obenan steht, dem die Menschen Mittel und Zweck, persönlich aber doch wohl ziemlich gleichgültig sein würden. Und dann erst recht dürfte er finden, daß hier keine Schätze zu holen sind; er würde sich beeilen müssen, die Geschichte wieder los zu werden, ehe er viel Geld bineingesteckt — ua. und das Ende wäre dann leicht abzusehen. Wir dürfen uns also nicht mit Hoffnungen tragen, die sich doch nie erfüllen werden. Was hier geschaffen wurde, das ist eben aus der Heimatliebe unseres am Wohltun verbluteten Toten herausgewEen rind opferfrohe Heimatliebe allein könnte das alles nur auch retten und erhalte». „Nun, ich weiß doch nicht —!" meinte der Arzt zweifelnd. „Die Industrie, die Herr Bornemann hier begründet und mit schweren Opfern unterhalten hat, trug ja allerdings bis zu einem gewissen Grade den Charakter des Persönlichen, aber vielleicht doch nicht so selm daß nicht auch ein anderer, der dann freilich wieder ein Menschenfreund sein müßte, sie fork» führen könnte. Die Söhne vielleicht —?" Manders schüttelte den Kopf. „Sie sind keine Kaufleute. Horst, der Altere, ist Mediziner; er will Halsspezialist werden und ist noch nicht ganz durch die Assi- stentenjahre hindurch. Paul studiert im vierten Semester Chemie — er ist schwer durch da? Gymnasium gekommeL, und darum ein wenig spät daran mit dem Studium. Aber abgesehen davon und selbst die Möglichkeit zugegeben,, daß Pau! sein Studium aufgeben und sich hier festsetzen wollte — was könnte er denn ohne Geld aus richten ?" „Nun, das ließe sich vielleicht ausbringen/ „Meinen Sie? Wenn das möglich wäre, dann hätte sich doch wohl der Bankerott auf halten lassen und dann hätte sich doch auch nie das Unglück ereignet, das uns hier zusammen geführt hat." Der Arzt war noch nicht überzeugt.