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Das I^ied der Deutkcken. (Zur 75. Wiederkehr seines Entstehungstages am 26. August.) I. 26. August 1841. Unter den Badegästen der Insel Helgoland weilte seit einiger Zeit auch der Professor und Kgl. Bibliothekar a. D. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Der Dichter der „Unpolitischen Lieder", die ihn sein Amt ge kostet, suchte hier Muse zur Selbstbesinnung und einen Ruhepunkt für die in Zukunftsträumen sich verzehrende Seele. Die Freunde aus Hannover, mit denen er in den letzten Tagen sich an den liberalen Idealen berauscht, waren wieder abgereist. In Hoffmann hatten diese Stunden tiefen Eindruck hinterlassen. Man hatte von Einigkeit, von Recht und Freiheit geträumt. Von der Einigkeit der jetzt noch zersplitterten deutschen Stämme untereinander. Von der Treue, die ihnen allen eignete, der Treue dem deutschen Wesen gegenüber. Von der Freiheit, die ein Kaiser der Zukunft bringen sollte. Von all den politischen Idealen, deren Verwirklichung sie in einem geeinten Deutschland erhofften. All das zitterte in der empfindsamen Seele des einsamen Wanderers noch nach und wies den einstürmenden Gedanken ihre Richtung. Bittere Vergleiche der Gegenwart mit dem schönen Zukunftstraum weckten schmerzliche Emp findungen, von denen die jäh aufflammende Mebe zu Volk und Vaterland den Dichter be freiten. Mochten auch schwere, drohende Wolken darüber liegen und sein strahlendes Antlitz ver dunkeln, sein Vaterland, sein Deutschland ging ihm über alles! Aus diesem heißen Gefühl sprang der dichterische Funke auf, und Hoffmann von Fallersleben schenkte seinem Volke das Lied: „Deutschland, Deutschland über alles!" II. 31. Juli 1914. Unter den Linden in Berlin wogte eine unruhige Menge auf und ab. In den Augen der Männer und Frauen glänzte das Fieber der Erwartung. Auf den Gesichtern lag eine Spannung, die der Angst verwandt war. Was wird werden? Unausgesprochen lag die Frage auf aller Lippen. Die Ungewißheit zerrte an den Nerven. Dann kam die Erlösung: Der Kaiser hatte den Kriegszustand sür das Reich erklärt. Ein einziges Aufatmen ging durch die Tau sende. Und eine unsichtbare Macht schob die Menge vor das Kaiserliche Schloß. Unabsehbar brandete die riesige Menschenwoge vor dem Ge bäude. Vereinzelte Rufe wagten sich empor zu den verschlossenen Fenstern. Dann trat der Kaiser auf den Balkon. Das Stimmgebraus ebbte zur Totenstille. Der Kaiser sprach zu seinem Volk. Von der schweren Stunde, die über Deutschland hereingebrochen. Bon seiner Hoffnung, das Letzte noch abwenden zu können. Von seiner Zuversicht, daß wir, wenn es denn so sein müsse, das Schwert mit Ehren sühren werden. Und dann empfahl er sein Volk Gott. In Ehrfurcht vor der Größe der Stunde schwiegen die Tausende. Dann aber brach mit elementarer Gewalt aus aller Herzen das Gelöbnis: Deutschland, Deutschland über .10. November 1914. Belgien war in einem unerhörten Siegesmarsch durchlaufen. Die Riesenfestung Antwerpen bezwungen. Nun tobte der Kampf um Ipern. In breiter Front standen die deutschen Truppen vor dem starken feind lichen Stützpunkt. Das Dorf Bixschoote war bereits genommen; es galt, das südlich davon gelegene Langemarck dem Feinde zu entreißen. Heiße Blutarbeit , stand bevor. Gegenüber lagen französische Eliteregimenter. Junge deutsche Regimenter, die Kriegsfreiwilligen, sollten hier die Feuertaufe empfangen. Vor Wochen hatten viele von ihnen noch auf der Schulbank ge sessen. Würden sie sich auch bewähren? Tapfer würden sie gewiß sein, das war selbstverständ lich, aber das allein genügte nicht, hier nicht. Eine leise Beklommenheit lag über denen in den Hinteren Stellungen. Der Sturm begann, die ersten stiegen aus den Gräben. Dy, was war das ? Gesang? Jetzt in diesem Augenblick Gesang? Die Töne schwollen an, wurden stärker: Deutschland, Deutschland über alles. Die Kolonnen gingen vor. Viele fielen, aber die anderen sangen weiter, stürmten weiter. Die Hinteren sahen sich an, waren beschämt und er griffen und schwiegen. Von vorn kam es: Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang I... Jetzt waren sie an den feindlichen Stellungen; der Gesang wurde wieder etwas schwächer. Endlich kam es machtvoll hinter den fran zösischen Gräben hervor: Deutschland, Deutsch land über alles! Jubelnd! Ein Siegesgesang I Von IXak unä fern. Das erste Hindenburg-Denkmal. In Rodacherbrunn bei Wurzbach in Reuß wird das erste Hindenburg-Denkmal errichtet. Es ist eine Bord sich eine Prinzessin befand, mußte der Flieger, um einem Anprall auszuweichen, die Maschine mit einem Ruck zur Seite steuern. Dabei überschlug eS sich und beide Insassen stürzten heraus. Glücklicherweise ging es aber ohne größeren Unfall ab, nur ein paar Haut abschürfungen waren die Folgen des Sturzes. Anzeichen eines reichen Meeressegens. Seit einigen Tagen treten an den mecklenbur gischen und pommerschen Küsten Heringsschwärme in solchen Massen auf, wie dies seit Jahren nicht beobachtet worden ist; im August war hier der Heringsfang bisher äußerst ergiebig. Die Heringszüge stehen bis hinein in die schwedischen Küstengewässer der Landschaft Schonen und in der nordöstlich davon gelegenen schwedischen Bucht Hanö. Auch dort werden zurzeit außer ordentlich große Fänge gemacht. Der Fisch zieht also durch die ganze Ostsee hindurch bis hin über nach Schweden. In Dänemark hat die Herbstfangzeit bereits begonnen, im Belt und Sund liefert die Heringsfischerei schon große Erträge, und die Zufuhren nach den dänischen Fangplätzen nach deutschen Fischhäfen, vor nehmlich nach Kiel, sind zurzeit ziemlich bedeu tend ; mitunter wöchentlich 600 Osten. Zurzeit befriedigen die Sprotten- und Heringsfänge an der Ostküste Schleswig-Holsteins, die Zeit der großen Offensive aber auf Heringe, Sprotten und Makrelen steht sür die heimischen Gewässer erst im Herbst bevor. Vorzügliche Hopfenernte im Elsast. Der Stand des Hopfens im Elsaß ist infolge günstiger Witterung seit Monatsbeginn vorzüg lich geworden. Man schätzt den Ernteertrag auf 40 000 Zentner. Eisenbahmmfall. Ein von Heilbronn in der Richtung Crailsheim abgefahrener Güterzug entgleiste bei der Einfahrt in die Station Sulz dorf. Die Lokomotive stürzte um, der ver heiratete Lokomotivführer Heinzelmann aus Heilbronn wurde getötet, der Heizer wurde schwer und zwei Mann des Bremspersonals leicht verletzt. Misternte in Frankreich. Der Groß grundbesitzer Quillet hatte mit einem Vertreter Kampf ^Wilcken einem Doppeldecker und zwei fokkern. Momentaufnahme eines Fliegerkampfes im Westen. Hoch oben im Äther sind drei Kampfflugzeuge aneinandergeraten. Zwei leichtbeschwingte Fokker haben einen Doppeldecker aufgespürt und zum Kampf gestellt. Zwar sehen sie in den wilden Luftgebildcn aus wie drei Mücken, von unten natürlich, aber doch geht der Kampf auf Leben und Tod; denn die Maschinen sind von Menschen gelenkt, die alles daran setzen, den Gegner in die Tiefe hinabzu stürzen. Nirgendwo im ganzen Kriege wird so viel Nervenkraft, jo viel Anspannung und Energie ver langt wie bei den Kämpfen in den Lüften. Hier auf unserem Bilde haben wir cs mit einem Kampf zu tun, der sich zwischen den beiden Fokkern und dem Doppeldecker abspiclt. Stiftung der Frau Direktor Blaufuß. Mit dem Bau des Denkmals ist bereits begonnen worden. Sieht man von den „eisernen Hindenburgen" ab, die die verschiedenen deutschen Städte auf gestellt haben, so ist dies das erste öffentliche Denkmal, das dem Befreier Ostpreußens er richtet wird. Folgenschwere Gasexplosion in Char lottenburg. Im Hause Wallstraße 95 in Charlottenburg erfolgte eine heftige Gasexplo sion, durch die das zweite und dritte Stockwerk sowie die Giebelwand zum Einsturz gebracht wurden. Drei Hausbewohner wurden von den Trümmern verschüttet und von der herbei gerufenen Feuerwehr befreit, zwei von ihnen sind tot, eine ist lebensgefährlich verletzt. Neun Personen erlitten schwere Brandwunden und mußten nach dem Charlottenburger Krankenhaus geschafft werden. Mele wurden durch Glas splitter verletzt. Man nimmt an, daß das Un glück infolge eines Selbstmordversuches eines Betrunkenen, der bei der Katastrophe den Tod fand, entstanden ist. Flugzeugnnfall einer Prinzessin. Ein aufregender Vorfall ereignete sich dieser Tage auf einem Flugplatz bei Stock am Chiemsee. Beim Niedergehen eines Flugzeuges, an dessen des ,Petit Parisien' eine Unterredung, tn Ler er als Präsident des Agrarverbandes sür das De partement Eure feststellte, baß Frankreich eine Mißernte bevorstehe. Die diesjährige Ernte sei derart mißraten, wie er es in 35 jähriger Erfahrung noch nicht erlebt habe. Zu dieser Äußerung be merkt die Direktion des Agrarverbandes Frank reichs, die von Quillet gegebene Schilderung entspreche leider der Lage in gar zu vielen Be zirken. Es stehe fest, daß die diesjährige Ernte geringer sei, als die vorjährige, die auch nur einen mittleren Ertrag ergeben habe. Explosion in einer englischen Munitions fabrik. Eine Explosion hat in einer Munitions fabrik in Iorkshire stattgefunden. Der Verlust an Menschenleben ist schwer. DaS Erdbeben in Italien. Nach dem .Corriere della Sera' dauern die Erdstöße i^ Pesaro (an der Mündung des Foglia in» Adriatische Meer) fort. An eine Rückkehr der Bevölkerung in die Stadt sei nicht zu denken. Ein Besuch der Stadt zeige, daß viele Häuser, deren Fassade noch aufrecht steht, im Innern eingestürzt sind; sehr viele sind dem Einsturz nahe. Schwer hat auch die Landschaft in der Umgebung Pesaros gelitten, viele Ortschaften sind zum Teil zerstört. In Pesaro sind an öffentlichen Gebäuden die Präfektur, die Inten danz, die Kaserne der Karabinieti, die Volks bank und das Irrenhaus unbewohnbar ge worden. Die Behörden verteilen Brot an die ärmere Bevölkerung. Erntehilfe aus Wolhynien. Ein Teil der vor dem russischen Einbruch in Wolhynien geflüchteten Bewohner wird in Schleswig-Holstein untergebracht. Seit einigen Tagen treffen Sonderzüge mit wolhynischen Flüchtlingen ein, die auf die ländlichen Kreise der Provinz vet- teilt und zu Erntearbeiten eingestellt werden. Sie sind bei dem Mangel an Arbeitskräften den Landwirten sehr willkommen, sie werden überall mit Herzlichkeit empfangen und wird für sie bestens gesorgt. Die Flüchtlinge bringen viele Pferde mit, die sie vor der mordbrennerischen russischen Soldateska zu retten vermochten. Die Tiere werden auf Wunsch an schleswig-holsteinische Landwirte für Rechnung der Besitzer verkauft und bringen einen Erlös bis zu 2300 Mark das Stück. Kriegsspende der Konstantinopeler deutschen Kolonie. Das Ergebnis der Sammlung der Konstantinopeler deutschen Kolo nie für eine Spende zugunsten deutscher Kriegs gefangener beträgt 40 000 Mark. Volkswirtschaftliches. Aufbewahrung von Kartoffeln! Die Kar- toffelvcrsorgungsverordnung gibt den Gemeindcn und auch den Privaten die Möglichkeit, sich gröbere Mengen Kartoffeln auf Vorrat hinzulegcn. Hierdurch wird die Frage der zweckmäßigen Aufbewahrung in dringlicher Weise angeschnitten. Größere Mengen Kartoffeln werden unter allen Umständen in so genannten Kartoffelmieten besser ausbewahrt, als in Kellern. Zur Kartoffelausbewahrung geeignete Keller müssen vor allen Dingen kühl und luftig sein. Ihre Temperatur darf zweckmäßig 10 Grad Celsius nicht übersteigen, darf aber andererseits auch keinesfalls unter den Gefrierpunkt sinken. Bei Temperaturen unter 10 Grad Celsius gedeihen die FäulniSerrcgcr nicht mehr. Bei der Anlage von Kartoffelmieten ist vor allen Dingen zu beachten, daß ein trockener, möglichst durchlässiger Boden gewählt wird, auf dein sich unter keinen Umständen Regenwasser sammeln kann. Für städtische Haushaltungen, welche Kar toffeln einlagern wollen, kommt die Aufbewahrung in Mieten im allgemeinen nicht in Betracht. Derartige Haushaltungen müssen zunächst die einzulagcrnden Kartoffeln sorgfältig mit der Hand verlesen, alle kranken, angefaulten oder verletzten Kartoffeln werden entfernt und zum sofortigen Verbrauch bereitgcstellt. Die Kartoffeln müssen in dunklen, aber lustigen Kellern in nicht zu dicken Schichten gelagert werden. In derartigen Kellern dürfen sich unter keinen Umständen Anlagen sür Zentralheizung oder Warm wasserversorgung befinden. Sind die Keller dumpfig oder zu warm, so wähle man lieber den Hausbodcir zur Aufbewahrung. Man dämpft etwaige Fenster durch dunkle Vorhänge ab und schützt die Kartoffeln durch in mehreren Schichten überlegtes Zeitungs- Papier, alte Teppiche, Läufer usw. gegebenenfalls vs» Frost. Häufigere Kontrolle auf etwaige angefaulte Kartoffeln muß aber auch hier von Zeit zu Zeit Daheim forderte er eine Unterredung mit Pauk. Der war aber recht übler Laune. Die ewigen Krankheiten im Dsrfe verdarben ihm das Geschäft, öS wurde wenig gearbeitet, er kam mit den Lieferungen in Verzug und hatte obendrein immer wieder Bitten um Lohnvorschüsse anzuhören. Nun fragte er heftig, ob Horst denn gegen all diese Unannehm lichkeiten nichts tun könne. Horst mußte resigniert verneineM er konnte nichts dagegen tun. Dann bat er dringend, Paul möge die Fabrik öffnen. Das sei die wichtigste Vor bedingung jeder Besserung, daß die Leute nicht länger gezwungen würden, in den Wohnungen zu arbeiten. Paul fchnitt ihm kurz das Wort ab. „Daran ist nicht zu denken," sagte er scharf. „Der teure Fabrikbetrieb würde mich einfach erdrücken und ich will nicht wieder aufgeben, was ich mir mühsam aufgebaut habe — einst weilen wenigstens noch nicht. Was später kommt, das wissen die Götter — jedenfalls will ich mir hier nicht ewig vergraben. Jetzt aber halte ich die Zügel straff. Die Leute werden schließlich auch wieder über die Krankheiten hin weg kommen, wenn nur das Frühjahr erst da ist, sie müssen mir hinaushelfen und das werden sie tun — verlaß dich darauf." Horst fuhr auf. „Aber du siehst doch, daß sie dabei selbst zugrunde gehen!" „Ach was — das ist doch nicht alles in den paar Wintermonaten geworden! Die laufen ebe» krank und aefchwächt herum und packt sie'L einmal, na, dann ist's eben vorbei. Du liegst mir ja schon lange wegen der Heimarbeit in den Ohren und da hab ich mich denn er kundigt. Ich habe die Berichte der Gewerbe inspektoren und was sonst zu haben war, ge lesen und ich kann dir sagen — bei mir sind die Leute noch gut dran, denn ich lasse sie wenigstens was verdienen und das ist am Ende doch die Hauptsache." „Eine Hauptsache — nicht die Hauptsache," rief Horst erregt. „Im übrigen mußt du mir als Arzt doch auch ein Urteil gestatten, und ich rate dir dringend: öffne die Fabrik. Erlaube den Leuten wenigstens, in der Fabrik zu arbeiten — das kostet doch nichts!" „Na, weißt du — eigentlich trau' ich den Gewerberäten doch mehr Urteil zu. Und als Arzt?" Er sah Horst ein wenig von der Seite an. „Mir hast du eigentlich mit deiner Kunst noch nicht imponiert und den Leuten — so scheint's wenigstens — auch nicht —" „Paul!" Horst hob die Faust und einen Augenblick konnte es scheinen, daß er sich auf den Bruder werfen wolle. Aber dann ließ er die Hand langsam sinken. „Du bist der dumme, alberne Junge ge blieben, der du immer warst," sagte er grollend, „es lohnt sich nicht, daß man dich ernst nimmt. Aber laß dir raten: kein Wort mehr, das mich beleidigt, oder wir sind sertig miteinander. — Aber nun hör' mein letztes Wort. Es ist deine Pflicht; der Heimarbeit ein Ende zu machen — jetzt, da du's kannst. Tust du's nicht, willst du mit dem Leben und der Gesundheit der armen, verblendeten Menschen da unten im Dorfe Wucher treiben, dann werde ich dafür sorgen, daß das Urteil der Gewerberäte eine gründliche Vervollständigung erfährt — ver standen?" Er ging hinaus; die Tür schlug krachend ins Schloß. Am nächsten Tage besuchte Horst den Kreis arzt, dem er Bericht erstattete. Der war ihm herzlich dankbar, und er versprach, energisch ein zugreifen. Zunächst kam er selbst nach Hain berg, besuchte die Kranken, und Horst begleitete ihn. Er ließ es nicht an Ennahnungen und Belehrungen und vor allem nicht an rückhalt loser Anerkennung für Horst fehlen. Der Kreisarzt veranlaßte dann, daß ein Gendarm in Hainberg Quartier nahm. Dem wurde die besondere Weisung gegeben, dem Doktor, wenn nötig, zur Hand zu sein und im übrigen darüber zu wachen, daß bei ansteckenden Krankheiten die gesetzlichen Vorsichtsmaßregeln auch beachtet würden. Diese letztere Maßnahme aber erbitterte die Leute geradezu, weil die Durchführung der Ab sperrungen, der Desinfektion usw. tief in das Erwerbsleben und in die Lebenshaltung ein griffen. . Allerdings gab es vorerst keinen offenen Widerstand mehr; aber der passive Widerstand wurde darum nur um so hartnäckiger geübt; Horst mußte immer wieder erleben, daß seine Vorschriften nicht befolgt wurden, und doch ruhte alle Verantwortung auf ihm. Manders und seine Frau sahen das alles mit tiefem Kummer. Sie nahmen wahr, wie Horst abstumpfte, wie seine Kampfesfreude er lahmte und wie er mehr und mehr gleich gültig wurde gegen das tiefe Elend, das sich trotz alledem immer wieder an ihn heran- drängte. ... ... ' . Als der Frühsing langsam auch auf die' rauhen Höhen des Eichsfeldes stieg, da "bcr- mochte Horst dem Sehnen in die Weite nicht mehr zu widerstehen. Er konnte sich doch nicht brach legen lassen mit all seiner Kraft und seinem Können, er mußte wirken, schaffen und helfen, und er brauchte vor allem auch Erfolge, ohne die der Glaube an seine Kraft notwendig verstechen mußte. Horst fragte deshalb in Gießen beim Kreis arzt an, ob er ihn besuchen dürfe, auf einige Zeit wenigstens, denn auf die Dauer werde er wohl doch nicht in Gießen bleiben. Mit der Lehrerfamilie besprach er seine Ab sichten. Denen war tieftraurig zumute, da sie ihn wieder ziehen lassen sollten; aber sie wußten nichts vorzubringen, was ihn hätte halten können — sie begriffen, daß er um seiner selbst willen gehen müsse. Am nächsten Tage kam ein Telegramm aus Gießen: „Besuchen Sie mich." Horst atmete auf. Nun fand er sich wieder, nun wollte er wieder von vorne anfangen. Dann ging er nochmals in der Abend dämmerung durchs Dorf. Hinter den kleinen Fenstern qualmten die Lampen, bei allen aber saßen bleiche Menschen; die schnitzten und malten, als hinge das Heil der Welt ab von der Arbeit, die sie leisteten. Lü rs (Fortsetzung folgt.)