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Ottendorfer Zeitung : 29.03.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191603292
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19160329
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19160329
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-03
- Tag 1916-03-29
-
Monat
1916-03
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 29.03.1916
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Kampfe im Uaukasusgeblet. Türkische Gegenoffensive bei Erzerum. Die Berichte des russischen Generalstabes über das „Vordringen* der russischen Truppen westlich von Erzerum werden von Tag zu Tag immer dünner und erschöpfen sich in der breiten Ausmalung belangloser und völlig nebensäch licher Kl-inigkeiten. Man kann daraus ernennen, daß ibmm die Kraft zu weiteren großzügigen Vorstößen fehlt, und daß der jüngste türkische Generalstabsbericht über die gesamten Vor gänge bei Erzerum das Richtige mitteilt, wenn er erklärt, daß die Russen seit der Räumung von EMrum seitens der Türken keinerlei Be wegung von Belang und irgendwelcher Tragweite haben aussühren können. Nach der Aufgabe von Erzerum sind die Türken in vorher vorbereitete Stellungen zurück gegangen, die der Wetterführung des Krieges günstig sind. Hierher folgten ihnen die Russen, zum größten Teil ohne einen einzigen Schuß abgeben zu müssen. Dieser Vorgang gab nun bisher Vera "assung zu den gewaltigen Sieges meldungen der Russen, die ja in derartigen Leistungen auch schon zur Zeit unserer großen Offensive im Sommer vorigen Jahres ffch ganz ungewöhnlich ausgezeichnet haben. Ginge es nach den russischen Meldungen, dann wären sie auf allen Fronten erste Sieger. Wenn jetzt trotzdem der Sieflessang ein wenig verstummt, so liegt das allein daran, daß nun die Stellungen erreicht sind, und das leichte „Vor dringen" ein Ende genommen hat. Der türkische Bericht erklärt zugleich, daß sich die Lage des türkischen Heeres von Tag zu Tag bessere, und daß demgemäß Aussicht ans die Ausnahme einer Gegenoffensive gegen Erzerum vorhanden ist. In Klein-Asien reifen die Dinge langsamer als in Mitteleuropa, da die Eisenbahnen und guten Heerstraßen, die Vorbedingungen schneller Kriegsunternehmungen fehlen. So war es auch nicht möglich, rechtzeitig gegen die große russische Übermacht die notwendigen Verstärkungen heranzuholen. Es war aber von vornherein klar, daß die türkische Heeresleitung den Verlust von Erzerum nur als vorübergehende Er scheinung ansehen würde, die eine von den un vorhersehbaren Wechselfällen des Krieges dar- stellt. Bei der hervorragenden Beschaffenheit des türkischen Heeres mußte man schon in den Tagen, da Erzerum von den Russen besetzt worden war, damit rechnen, daß über kurz oder lang der türkische Gegenstoß einsetzen werde, wenn die notwendigen Vorbereitungen zu einem günstigen Ergebnis gediehen sein würden. Nun bestätigt der türkische Gencralstab, daß diese Auffassung richtig sei. Es soll nicht unter sucht werden, wann dieser Gegenstoß einsetzen kann und wird. Sicher ist das eine, daß er kommen wird. Heut stehen die Türken in festen Stellungen, die von Süden nach Norden das ganze Land durchziehen und wie ein fester Gürtel gegen ein weiteres Vordringen der Russen gespannt sind. Der südliche Flügel des türkischen Heeres steht westlich von Bittis. Von hier aus geht die Stellung nach Nordwesten über den Raum von Musch nach Aschkala, das geradenwegs westlich von Erzerum gelegen ist. Nun geht die Linie weiter nach Norden, west lich an Jspir vorbei, das nördlich von Erzerum gelegen ist, an das Gestade des Schwarzen Meeres, Ivo sie westlich von der Seestadt Rize endet. Rize liegt wiederum nördlich von Jspir ungefähr derart, daß die Linie Erzerum—Jspir— Rize eine verhältnismäßig grade Ausrichtung von Süden nach Norden ausweist. Diese Front erstreckt sich demgemäß östlich von der Linie Diarbekr—Erzinghan—Trapezunt, die im Rücken der Türken einen starken Schutz bildet. Es ist zu hoffen, daß sich der Vor marsch der Russen an diesen befestigten Stel lungen brechen wird. Wenn nun über kurz oder lang der angekündigte türkische Gegenstoß einsetzen wird, dann wird sich zeigen, daß diejenigen Stimmen berechtigt waren, welche den russischen Erfolg in Klein- Asien unter keinen Umständen einen end gültigen nennen wollten. Besonders in der neutralen Presse halte sich diese Auffassung geltend gemacht, da man hier erst die Tragweite der Besetzung von Erzerum dann würdigen wollte, wenn der türkische Gegenangriff über haupt ausbleiben sollte. In Frankreich und England dagegen war natürlich der russische Er folg weil über jede Vernunft aufgebauscht und gewertet worden. Man sah nicht nur bereits einen Vormarsch gegen Konstantinopel auf riesigen Umwegen (die vielleicht Jahre hätten dauern könnens voraus, sondern man glaubte auch an einen Entsatz von Knt-el-Amara, kurz die Phan tasie schoß üppig ins Kraut. Von einem „Vormarsch" gegen Bagdad ist es allerdings sehr schnell wieder still geworden. Auch die anderen erhofften „weittragenden" Folgen des russischen Sieges werden sich nicht einstellen. verschiedene Uriegsnachrichten. (Von der mit. .gemurbebörde zugetanem Nachrichten.) Die neue Beschießung Belforts. Nach den .Baseler Nachrichten' melden die französischen Blätter, daß die Deutschen aber mals bgonnen haben, Beifort aus großer Entfernung mit schweren Gra naten zu beschießen. Belforter Blätter be richten darüber: Um 7 Uhr abends (am 18. d. Dits.) wurden in Zwischenräumen von nur fünf Minuten wieder schwere Granaten auf Belfort geworfen. Die Bevölkerung, die gerade zu Tische saß, begab sich sofort in die Keller. Der größte Teil der Bevölkerung halte sich nach der ersten Beschießung aus der Stadt entfernt, kehrte aber wieder zurück, als es ruhiger wurde. Jetzt hat sie es aber für gut befunden, ihren Aufenthalt wieder nach außerhalb zu verlegen. Seit der letzten Be schießung ist gerade ein Monat verflossen. * England braucht die Verheirateten. In einer Zusammenkunft des Londoner liberalen Kriegskomitees wurde allgemein dem Verlangen Ausdruck gegeben, auch die ver heirateten Mannschaften unter das Dienstpflichtgesetz zu stellen. Im Kriegskomitee der unionjstischen Partei wurde durch die Mehrheit die gleiche Forderung ge stellt. Aber diese Mehrheit zeigte sich nicht ge neigt, gegen die Leiter der Unionisten, die sich im Kabinett befinden, in Gegnerschaft zu treten. Diese beiden Komitees bilden die hauptsäch lichsten Gruppen, die mehr 'oder weniger öffentlich gegen die Regierung auflrelen. -p Ein Monat Schiffsverluste. Die holländische Maklerfirma Bloom u. van der Aar, die Schiffsversicherungen belreibt, ver öffentlicht die 17. Lists von Schiffsuntergängen. Die Liste umfaßt den Zeitraum vom 15. Fe bruar bis 18. März 1916. Durch kriegerische Ereignisse gingen in dieser Zeit verloren: 30 englische, 7 französische, 7 schwe dische, 5 holländische, 12 belgische, 2 russische, 2 italienische und ein norwegisches Schiff. * Schwere italienische Verluste. Das ,Neue Wiener Journal' meldet: Der schnelle Abbruch der letzten italieni schen Offensive am Jsonzo wurde durch die außerordentlich großen Verluste der Italiener verursacht. Die Verluste der fünften Jsonzoschlacht übertrafen die aller voraufgegan genen Vorstöße. So wurden zwei italie- Nische Genieregimenter durch einen österreichischen Gegenstoß vollständig ver nichtet. * Die Aushungerung der Senussi. Eine Proklamation in arabischer Sprache in Alexandria teilt mit, daß alle Reisenden, die nach Westen in die Wüste reffen, nur soviel Lebensmittel mit sich nehmen dürfen, als unbedingt für ihren eigenen Bedarf notwendig ist. Bei Zuwiderhandlung werden sie als Bannwarenschmuggler zugunsten der Senussi und deren Agenten betrachtet. Jede Zufuhr von Lebensmitteln usw. an die Senussi oder ihre Agenten oder der Versuch dazu wird mit Todesstrafe bestraft. — Eine echt englische Maßnahme. Oeulleber Aeicbstag. (Oriq.-Bericht.) Bertin, 24. Marz. Die Besprechung der Sleuervorlagen wurde am Donnerstag zu Ende geführt. Auch der nationalliberale Redner Abg. Dr. Stresemann verfehlte nicht, des Großadmirals v. Tirpitz zu gedenken und den Dank an ihn wie alle Truppen draußen zu wiederholen. Das Wirtschaftsleben habe zweifellos gelitten, andererseits aber durch den Krieg neue Anregungen erhallen. Aber das so glänzende Ergebnis der Kriegsanleihen dürfe nicht dazu verleiten, alle Ausgaben im Kriege auf An leihen zunehmen. Was nun die neuen Steuern an lange, so sei eine mäßige Belastung des Tabaks zu ertragen, eine Verstempelung der F "ht- urkunden verhältnismäßig unbedenklich. Bei der Quittungssteuer und den Verkehrsabgaben sei aber das Gegenteil der Fall. Immerhin müssen die großen Steuerquellen auf dem Ge biete der direkten Besteuerung für spätere Zeit intakt gehalten werden. Redner betonte lebhaft, daß gegen die unberechtigte Steuerschen vorgegangen werden müsse; eine Ehrenpflicht sei es, mit dem eigenen Besitz für das Reich ein zutreten. Die Arbeit für den Staat sei das Höchste und bedinge die Freiheit der Zukunft. Mit längerer Rede folgte der Abg. Graf Westarp (kons.). Er leitete sie ein mit einem Rückblick auf die errungenen Erfolge, auf die Heldentaten der Flotte und das verdienstliche Wirken des Großadmirals v. Tirpitz. Wenn auch seine Partei den Bestrebungen des Herrn v. Tirpitz anfangs nicht immer ge folgt sei, so sei doch bald die Er kenntnis gekommen über die Bedeutung der Flotte. Wenn seine Partei zurzeit auf die Erörterung der V-Bootfrage verzichtet habe, so bedeute das keinen Verzicht, sondern lediglich einen Aufschub der öffentlichen Erörterung in der Volksversammlung. Zu den Steuersragen übergebend sagte der Redner, daß der Besitz wohl Opfer bringen müsse, daß aber die Steuer pflicht auch für weniger Wohlhabende gelte. Die finanzielle Selbständigkeit der Einzelstaatcn dürfe nicht angetastet werden; sie sei ein hohes Gut. Vor allem sei es nicht an der Zeit, das Problem der Erbschaftssteuer anzurühren. Auch gegen einen nochmaligen Wehrbeitrag müßte sich die konservative Partei entschieden ausjprechen; ein solcher Plan würde die Zustimmung zu den anderen neuern Steuern beeinflussen. Die starke Belastung des Besitzes bedinge auch die Heranziehung des Verbrauches und deS Verkehrs. Bedenken bestehen gewiß gegen manche der neuen Steuern, aber unter Wirtschaftsleben sei so gesund, daß es die Be lastungsprobe der neuen Sienern wohl ertragen werde, die schließlich nur ein Zeichen der wirt- schafttichen Unüberwindlichkeit sei. Ähnlich äußerte sich der Abg. Mertin (Deutsche Fraktion). Abg. Hoch (so^.) nannte die Vorlagen als zugunsten der Besitzenden hergestellt, die doch auch ganz gut eine besondere Steuer zahlen können. Staatssekretär Dr. Helfferich legte Ver wahrung gegen diese Beurteilung der Vorlagen ein und verbat sich unter großer Unruhe der Sozialdemokraten, daß die Stenern auf den Nutzen der Neichen und Schaden der Arbeiter berechnet seien. Notwendig sei eine sachliche Beurteilung; eine Fortsetzung der Erörterung im Stile des Abg. Hoch bedeute eine Gefähr dung vaterländischer Interessen. Unter stür mischem Beifall der bürgerlichen Mehr heit schloß der Staatssekretär: „Suchen Sie dem Volk das Gefühl nicht zu verleiden und ihm die Vaterlandsliebe, die Gottseidank noch in ihm steckt, nicht zu vergiften I" Nach einer weiteren Antwort des Abg. Hoch schloß die Besprechung. Die Steuern wurden einem besonderen Ausschuß überwiesen, die Kriegsgewinnsteuer und der Haushalt dem Haushältsausschuß-! Die erste Sitzung, die das Haus am Frei tag abhielt, nahm einen unerwarteten, erregte« Verlauf, der durch das Auftreten des sozial demokratischen Abg. Haase hervorgerusen wurde. Die Sitzung begann mit einigen kleinen Anfrage«. Staatssekretär Dr. Solf gab Antwort aus die Anfrage des Abg. Bassermann nach den letzten Kämpfen in Kamerun und Ostafrika. Er schilderte eingehend den Verlauf der Kämpft und betonte den erschwerenden Verlauf der selben. Auch in der nächsten Zeit drohen von allen Seiten Angriffe auf Ostafrika, jedoch dürfe man zu dem Heldenmut der Truppen volles Vertrauen haben. Nun begann die 1. Lesung des NotetatS. Staatssekretär Dr. Helfferich gab das Er gebnis der Kriegsanleihezeichnungen unter dem stürmischen Beifall des Hauses bekannt., Allen Feinden zum Trotz sei unsere Kraft ungebrochen, unser Vertrauen zum Siege könne nicht er schüttert werden. Die Abgg. Bassermann (natl.), Graf Westarp (kons.) und Spahn (Ztr.) gaben ihrer Genugtung und dem Danke an den Staatssekretär Ausdruck. Abg. .Scheidemann (Soz.) erklärt», daß seine Partei dem Notetat zustimme, r sich jedoch für die Abstimmung zum eigentli., .. Etat binden zu wollen. Darauf nahm Mg. Haase (Soz.) das Wort, um der Auffassung Ausdruck zu geben, daß diese Bindung doch entstehe. Die Zu stimmung zum Notetat müsse abhängig gemacht werden von der Stellung der Regierung zu den Sleuervorlagen. Die Regierung habe in der Lebensmittelversorgung völlig versagt. Auch müsse sich die Volksvertretung zum Dolmetsch der Friedensstimmung machen, wedsr Sieger noch Besiegle dürfe es geben. Der Widerspruch des Hauses, der sich immer mehr regte, machte sich jetzt in stürmischen Pfui-Rufen Luft; der Präsident versuchte vergeblich, den Redner zur Sache zu verweisen. Der Lärm im Hause steigerte sich, als der Redner auS- sükpte, daß die Arbeiterklaffe nicht die Waffen erheben könne gegen die, mit denen sie durch die Gemeinsamkeit der Interessen verbunden sei. Vergeblich mahnte der Präsident, immer lauter wurden die Rufe und der Lärm; auch Partei genossen des Abg. Haase erhoben Einspruch durch Zwischenrufe. Endlich mußte der Präsi dent das Haus befragen, ob es den Redner weiter anhören wolle. Das Haus lehnte das ab und der Abg. Haase mußte die Tribüne verlassen. Neichsschatzsekretär Helfferich bedauerte diese Ausführungen eines Mannes, der sich Volksvertreter nenne, Worte, die dem Feinde den Rücken stärken müssen. Ein sozialdemokratischer Abgeordneter rief: „Sie reden für das Ausland !" Dr. Helffe rich schloß, daß mit der neuen Anleihe das Volk seine wahre Gesinnung gezeigt habe. Das Haus begleitete diese Rede mit lebhaftem, oft stürmiichem Beifalle, während eine kleine Anzahl der Sozialdemokraten durch Zwischenrufe zu stören suchte. Abg. Scheidemann (Soz.) gab seiner Überraschung über die Rede des Abg. Haase Ausdruck. Die Mehrheit der sozialdemokratischen Fraktion stehe noch zu den Worten vom 4. Au gust 19>4, daß sie in der Stunde der Not das Vaterland nicht im Stiche lassen. — Ein Schlußantrag wurde angenommen. Zur Ge schäftsordnung versucht Ab. Haase seine Aus führungen zu wiederholen; seine Parteigenossen Heine und David gaben durch laute Zwischen rufe: „Sie besorgen die Geschäfte des Aus landes !" „Das ist zum Unheile Deutschlands!" ihrem Unwillen Ausdruck. Die Stimmung wich auch nicht durch den Schluß der Sitzung und in großer Erregung entfernten sich die Ab geordneten. Nach etwa einer Stunde trat das Haus zur 2. Sitzung zusammen, in der der Notetat ohne Erörterung verabschiedet wurde. Von der sozial demokratischen Fraktion stimmte die große Mehr heit dafür. Der Präsident erhielt die Ermächtigung, die nächste Sitzung selbständig festzujetzen, spätestens am 4. oder 5. April. Auf eigner Sckolle. 26s Roman von Guido Kreutzer. ctsorNetzung.I „Das ist mein Verdacht, der fast an Gewiß heit grenzt. Und nun?" Hans Scharrehn ließ seine Augen nicht von dem Kameraden. „Und nun müssen Sie sich mir gegenüber ehrenwörtlich verpflichten, über diese Affäre niemals zu irgendeinem Menschen ein Wort zu äußern." Der andre hielt den Blick aus, zuckte nur verständnislos ein wenig die Schultern. „Dieses Ehrenwort gebe ich Ihnen natürlich, obwohl ich nicht recht begreife, welches Interesse Sie an der Geheimhaltung meiner Beobachtung hätten." Da legte er impulsiv die Hand gegen die Schläfe — „Halt, jetzt fällt mir ein: — Ihr Renkonlr» mit Bürger damals im Februar auf Langenbruch. Wegen des Fuchses, den Sie mit der Kugel geschossen hatten! Ist es deshalb, und wollen Sie selbst den geringsten Anschein von Gehässigkeit vermeiden? Das wäre aller dings eine etwas übertriebene.Delikatesse." Hans Scharrehn machte mit dir Hand eine kurze Bewegung. „Nehmen Sie immerhin an, Sie hätten das Nichtige getroffen. Und im übrigen können Sie völlig beruhigt sein: — ist der Bürger wirklich das, wofür Sie ihn halten, dann schlägt auch einmal seine Stunde. Es gibt hier jemand im großen Berlin, der mit tödlicher Sicherheit „d rächende Hand" auf ihn legen wird." Und er hätte dabei die Vision, als sähe er Wieder das verhutzete, quittegelbe Gesicht des Doktors Warrensbrügg vor sich mit dem brutalen Lächeln und den stechenden kalten Augen Da sagte die Erlaucht gedrückt: „Jetzt komm^ie zweite Bedingung." „Die zweite Bedingung ist: — Ihr Ehren wort als Soldat und Edelmann, Zeit Ihres Lebens kerne Hasardkarte mehr anzurühren I" — Luhn-Alwas war wieder in sich zusammen- gesunken; saß und sah mit einem bitter» Lächeln auf die Marmorplatte des Tisches. „Ich hab' gewußt, daß das kommen würde. Meinen Namen hätte ich darauf verwettet; denn ich kenne Sie doch! Sie sind der anständigste Kerl, den es geben kann, und denken natürlich, mir endgültig und für alle Zeiten zu helfen. Aber das ist es ja" — er zuckle abgerissen die Schultern — „mir ist nicht zu helfen. Und danim habe ich mich eben ein paar Minuten lang umwnst gefteut." Hans Scharrehn betrachtete ihn ernst. „Was also so viel heißt, als daß . . ." „. . . als daß ich Ihre zweite Bedingung nicht erfüllen kann. In diesem Punkte bin ich nun einmal anormal: — monatelang rühre ich mich nicht aus Herzogswalde heraus, lebe einfach wie ein Puritaner, drehe ;edes Markstück zwanzig mal ..m, schränke mich auis äußerste ein, um ein paar -Mark zuiammenzukratzen. Ugd wenn dann solch ein Anfall über mich kommt, setze ich mich auf die Bahn, fahre nach Berlin und ver- wiele in einer einzigen Nacht das ganze Geld, as ich mir die lange Zeit vorher mühselig ge bart habe." Er strich sich mit einer fahrigen Bewegung über die Stirn. „So geht's mm schon aü die ' Jahre hindurch. Wenn Sie wüßten, wie ich mir innerlich oftmals erbärmlich vorkomme: wie i solche Schlappheit und Energielosigkeit einen de- ! moralisiert! — Aber das ist eine Krankheit, gegen die kein Kraut gewachsen ist." ! Scharrehn zog wie in innerm Frösteln die Schustern zusammen. „Sie solllen heiraten, Luhn-Alwas!" Der andre lachte nervös auf. „Um eine Frau unglücklich zu machen und Kinder in die PZelt zu setzen, die vor ihrem Vater verächtlich die Lippen ziehen ? Nee, lieber Herr, da habe ich denn doch zu viel Respekt vor der Heiligkeit der Ebe. Ein Spieler ist wie ein tollwütiger Hund. Den muß man allein lasten, aber nicht ins Haus nehmen. Sonst kann man besser schon gleich auf Leden und Gesundheit pfeifen." Ein lähmendes Schweigen trat ein. Und i dann nahm Hans Scharrehn entschloßen die! schlaff herunterhängende Rechte der Erlaucht. ! Ein herzlicher Ton war in seiner Stimme. „Luhn-Alwas, geben Sie mir Ihr Wort — s ich bitte Sie darum! Wenn es Ihnen im Moment s vielleicht auch schwer fällt — es wird Ihnen § s nicht leid werben, glauben Sie mir. Sie sind doch schließlich nicht der erste beste. Jeder vsn s ! uns muß doch an seinem Teil die Pflichten er- i füllen, die ihm Name und Stellung auferlegen. ! Und dazu gehört vor allen Dingen eiserne Diszi- plin und straffe Selbstzucht. Wir stehen dach so zusagen als ein winziges Häuflein von Führern ! vor der Frost des ganzen Landes. Aber eben, weil wir so wenige sind, muß jeder von uns! einen ganzen Kerl und eine gefestete Persönlich- keit in die Wagschals werfen, sonst kommt das Gleichgewicht der moralischen Wertung unmöglich zustande. Ich kann begreifen, wie schwer es Ihnen fällt, bei sich selbst eine gründliche Gene ralreinigung vorzunehmen. Denn ich habe Ähn liches erst vor ein paar Tagen am eignen Leibe verspürt und weiß, was es heißt, etwas auS sich herauszureißen, das gewissermaßen schon ein Teil des ganzen Organismus geworden ist. Aber da bleibt doch gar nichts andres übrig." Die Erlaucht straffte sich zusammen. „Das alles habe ich mir ja schon hundertmal selbst getagt, Scharrehn." — Eine stumpfe Mut losigkeit lag in diesem Zugeständnis. — „Aber ein Mensch, wie ich, ich kann doch nicht für sich garantieren. Oder würden Sie einem Rekon valeszenten das Ehrenwort abfordern, deß er nie mehr im Leben stank wird? — — Und was dann, wenn ich Ihnen jetzt wirkkcs Ihren Willen tue; und ich werde nachher . . . wort brüchig 2" Der Leutnant Scharrehn zögerte einen Moment. „Dann würde ich Ihnen — selbst auf diese Geiahr hin — jetzt trotzdem einen Betrag in Höhe Ihres Ehrenscheins zur Verfügung stellen." Und Egon Luhn-Alwas sagte darauf nach einer langen, langen Pause wie aus tiefem Sinnen heraus: „Wissen Sie, Scharrehn, daß Sie ein großer Seelenarrt sind? Trotz Ihrer Jugend? Ich glaube fast, ich habe Sie erst in diesem Augen blick richtig kennen gelernt. Es gab nur ein einst ws Mittel, um mich zu packen: — dieses mitleidige Bedauern, daß m Ihrer Antwort ge-
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