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Ottendorfer Zeitung : 29.12.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-12-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191612291
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19161229
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19161229
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-12
- Tag 1916-12-29
-
Monat
1916-12
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 29.12.1916
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Oer äeutlcbe Geist. Von Prof. Rudolf Eucken. Schwere Zeilen machen es besonders wichtig rind wertvoll, das; ein Volk nicht aus den bloßen Augenblick angewiesen ist, nicht vom bloßen Tage zu leben braucht, das; es vielmehr in seiner Geschichte ein Stammkapital besitzt, worauf cs zurückgreifen und woraus es die Gegenwart verstärken kann. Es wird nicht mir die Span nung des Kampfes steigern, wenn der Kämpfende weiß, wieviel an ererbtem Besitz seiner Treue und Tapferkeit anvertrant ist, es wird auch die Gemüter, ost über ihr bewußtes Wollen hinaus, zusammensühren und zur Gemeinschaft des Wirkens verbinden. Namentlich in Zeilen, welche den Menschen aus den Grund seiner Seele zurückwersen und Höchstes von ihm ver langen, werden aus jenem gemeinsamen Besitze frische Quellen Hervorbrechen, die der träge Verlauf des Alltagslebens sonst mit einer Kruste «Herzog. Solche Zeilen treiben zur Besinnung auf den gemeinsamen Geist und rufen seine ganze Kraft für die Aufgabe der Gegenwart auf. So gewährt setzt dem deutschen Volk in den ungeheuren Forderungen dieses gewaltigen Welt krieges der deutiche Geist eine feste Stütze und eine unerschöpfliche Kraft. Dieser Geist konnte sich nicht entwickeln ohne eins Anlage unserer Natur, wie sie in Wahrheit schon die ersten ge schichtlichen Anfänge unseres Volkes zeigen; dann aber haben Jahrtausende daran gear beitet, ihn auszubilden und zu befestigen. So umfängt er uns jetzt aus der Arbeit in Krieg und Frieden, aus unseren Sillen und Gesetzen, aus unseren Überzeugungen und Lebenszielen. Er macht uns das Leben nicht leicht, denn er fordert von jedem viel. Vielleicht ist für ihn nichts bezeichnender als die Bedeutung, die er dem Pflichtgedanken zuspricht. Denn bei allem schweren Ernst bedeutet ihm die Pflicht nicht eine lästige Fessel, sondern etwas, das, in selbst gewollter Entscheidung ergriffen, den Menschen erst auf sich selber stellt und ihm neue echte Größe und Würde verleiht, eine Größe und Würde, die sich auch in einer äußerlich noch so bescheidenen Stellung voll zu erweisen vermag. Tie Anerkennung des Pflichtgedankens schlingt ein festes Band um die Gemüter. Der größte preußische König und der größte deutsche Denker fanden einmütig in der Pflicht die höchste Höhe des Lebens, zugleich aber ist sie auch dem schlichtesten Menschen verständlich und ver- uaut. Wo der Gedanke der Pflicht voransteht, da gewinnt das Leben einen tiefen Ernst und kann nicht als eine Sache leichten Spiels und bloßen Genusses gelten, aber aus treuer Pflicht- klinllnng quillt unmittelbar eine innere Freudig- keir auf, auch begründet sich daraus die Über zeugung, daß, soviel Dunkel über unseren äußeren Geschicken liegen mag, unser Leben keineswegs sinnlos ist, daß es eine hohe Am- gabe in sich trägt und geistigen Zusammen hängen angehört, die den Menschen weit über alle bloße Natur erheben. Auch daS hängt eng mit dem Pflichlgedanken zusammen, daß dem Deutschen die Lebensbewe gung nicht bloß ein Wirlön nach außen, sondern an erster Stelle eine Bildung der Seele ist. Aber die Sorge sür die Seele bedeutet dem Deutschen nicht eine Flucht in die stille Klause des Gemütes und eine Ent fremdung gegen die Welt, wie es bei den Indern der Fall war, vielmehr drängt es ihn, das, was im Innern erwuchs, nach außen hin voll zur Wirkung und Geltung zu bringen, die Seele in die Arbeit hineinzulegen, Seele und Arbeit einander gegenseitig durch dringen zu lassen. Nur bei der daraus er wachsenden Beseelung kontue der deutschen Art die Arbeit um ihrer selbst willen lieb und wert, konnte sie zu einem völligen Selbstzweck werden; ohne das hätte sie nun und nimmer die Tüchtig keit, die Gewissenhaftigkeit, die Präzision his ins Kleinste erreicht, die selbst unsere Gegner widerwillig anerkennen müssen. Diese Verbindung von Seele und Arbeit hat den Deutschen im Verlauf der Geschichte zu Leistungen geführt, die sich getrost allem Großen der Völker und Zeiten zur Seite stellen dürfen, sie wirkt lebendig auch in die Gegenwart hinein, sie begründet, um nur eines -mzusühren, die stolze Höhe der deutschen Wissenschaft. Aber jene Art mit ihrer Tüchtigkeit reicht in alle Verzweigung des Lebens und in alle Volks- llassen hinein. Der deutsche Arbeiter wie der Bürger, der deutsche Lehrer wie der Beamte bekunden sie mit gleicher Deutlichkeit. Vor allem aber durchdringt sie mit belebender und er höhender Kraft das deutsche Heer, sie hat es zu einem unerschütterlichen Halt des deutschen Volkes gemacht, sie hat es herrliche Taten voll bringen lassen, sie wird ihm auch weiter die Kraft verleihen, durch den Geist die Masse zu überwinden und durch alle Stürme hindurch endgültig den Sieg zu erringen. verschiedene Uriegsnachrichten. H-Boot-Wirkungen. Wie die amtlichen Börsenlisten ergeben, sind seit etwa drei Wochen in Genua keine Kohlen mehr an gekommen. Die ,Perseveranza' schreibt dazu, trotz der englischen Versprechungen fingen nunmehr sogar die Kohlenvorräte an, für die eigentliche Kriegs industrie knapp zu werden. Das Blatt führt den Übelstand in erster Linie auf den deutschen O-Boot-Krieg zurück, der nicht nur die Kohlen- zusuhr, sondern auch die Beschaffung der Metalle gefährdet. Nach anderen Blättern hat der Transportminister angeordnet, daß ab 1. Januar alle italienischen Handelsschiffe, auch die nicht requirierten, und besonders diejenigen, die den Personenverkehr mit Nord- und Südamerika besorgen, den gesamten Laderaum sür den Transport von Waren freihallen müssen, die von ausschließlichem Interesse für Italien sind. * Verschärfung der Blockade. Wie aus dem Haag gemeldet wird, wird der englische Ministerrat in den nächsten Tagen eine Reihe neuer Maßnahmen zur Ver schärfung der Blockade Deutsch lands beschließen, insbesondere die Ver stärkung des Druckes auf Holland und Skan dinavien. * Vom englischen Fliegerkorps. In dem Bericht des Ausschusses zur Unter suchung der Leitung und Organisation des englischen Fliegerkorps wird darauf hingewiesen, daß jenes Korps zu Anfang des Krieges nur über 76 Flugzeuge mit 100 Fliegern und über 20 Apparate sür die Ausbildung von Fliegern verfügte. Rühmend hervorgehoben wird die Tatkraft, die aus diesen Ansängen so Gewaltiges geschaffen hat. Kritiken an gewissen Arten von Flugzeugen werden zurückgewiejen, dagegen wird zugegeben, daß die zu Beginn des Krieges auf ^Veranlassung der Admiralität aus Amerika bezogenen Flugzeuge und Motore unbrauchbar waren. Rußlands Schuld am Weltkriege. Aus dem Felde schreibt der .Kölnischen Volkszeitung" Major Z.: „Als ich Anfang Dezember 1614 von Belgien nach dem Osten kam, marschierten wir von Thorn der Weichsel entlang durch Polen. In der Nähe des polnischen Städtchens Gostinyn kamen wir in einem Dorfe unter, wo auch eine Anzahl deut scher Bauern wohnten, wie man das an der Weichsel häufig fand. Wir quartierten uns bei dem größten deutschen Bauer ein. Hier erzählte uns die Bauersfrau, daß bereits im März 1914 sehr viele Bauern der Umgebung von der russischen Regierung requiriert worden seien, darunter auch ihr Mann, um gegen 50 Pfennig Tagelohu an der Äzura Stellungen auszuheben. Viele Tausende von Bauern hätten dort längere Zeit gearbeitet; die ganze Bzuralinie sei stark befestigt; zwischen der Bzura und Warschau befänden sich noch weitere sechs Verteidigungslinien. Außerdem seien bei Blonie (etwas weiter südöstlich der Bzura) große Verteidigungsanlagen gemacht. Als wir zwei Tage später durch den Kamps bei Jlo die Russen hinter die Bzura zurückwarseu, fanden wir die Angaben der Frau bestätigt. Unsere Flieger stellten auch die weiteren Befestigungs anlagen zwischen Bzura und Warschau fest, ebenso diejenigen bei Blonie." — Wer hat nun den Krieg planmäßig vorbereitet? AuMlcke Trügen. „V crwüstun gc u" im besetzten Gebiet. In der Duma hat sich der neue russische Minister des Äußern, Pokrowsky, in seiner das deutsche Friedensangebot ablehnenden Antwort auch mit unserer wirtschaftlichen Betätigung in den von uns eroberten und verwalteten fremden Gebietsteilen beschäftigt und bemerkt, daß „die feindlichen Heere Belgien, Serbien und Monte negro, Teile von Frankreich, Rußland und Ru mänien verwüstet und besetzt hätten". Weder in Belgien, Serbien und Montenegro noch in Frankreich, Rußland oder Rumänien haben wir das Land „verwüstet" im Sinne einer zweck- und ziellosen Brandschatzung. Belgien ist heute, abgesehen von den durch Kampfhandlungen zerstörten wenigen Ortschaften, abgesehen auch selbstverständlich vom eigentlichen Kampfgebiet, ein blühendes Land. Die Feld wirtschaft gedeiht wie in Friedenszeiten; es ist sogar von der dentschen Ver waltung darauf gedrungen worden, daß jedes irgendwie brauchbare Landstück angebaut worden ist. Infolgedessen ist jetzt in den meisten Landes- teilen mehr Ackerfläche unter Kultur genommen als sonst in Friedenszeiten. Häuser sind nur an solchen Stellen zerstört worden, wo der Kampf gewütet hat oder eine regelrechte Beschießung stattfinden mußte. „Verwüstet" und ausgeraubt wurden zahlreiche Häuser, z. B. in Löwen und den benachbarten Ortschaften, nicht durch deutsche Soldaten, sondern nachgewiesenermaßen durch die belgische Bevölkerung selbst. Wie in Belgien, so hat auch auf besetztem französischem Gebiet die deutsche Verwaltung dafür gesorgt, daß auf dem Lande draußen die Felder bestellt werden, in den Städten die Fabriken arbeiten und die Kohlenzechen ihren wertvollen Brennstoff herauffördern. In Montenegro und Serbien bemüht sich die österreichisch-ungarische Verwaltung nach Kräften, das vom Kriege schwer heimgesuchte Land wieder aufzurichten. „Verwüstet" haben wir dort ebensowenig etwas wie in Rumänien, wo dieses Geschäft nach Ausweis unserer Heeres berichte von den Landestruppen oder den Ein wohnern selbst besorgt wird. Was wir endlich ans russischem Boden in Polen, Litauen und Kurland „verwüstet" haben sollen, dürfte Pokrowsky nachzuweisen schwer fallen. Im Gegenteil sind alle Ortschaften dort, soweit sie heute noch in Ruinen liegen, von den Russen selbst zerstört worden. Systematisch wurde ein Dorf nach dem anderen von den Russen in Brand gesteckt. Die Saat auf den Feldern wurde vernichtet; in den Fabriken wurden die Apparate und Maschinen unbrauch bar gemacht oder sortgeschteppt. Vor allem sorgte die deutsche Verwaltung dafür, daß die Landwirtschaft sich wieder erholen konnte. Wer heute von Libau über Mitau, Wilna und Grodno nach Warschau fährt, sieht nur bestellte Felder, wo die Russen Wüsteneien hinterlassen hatten. So sehen die von uns Deutschen angeblich „verwüsteten" fremden Ländergebiete aus. Er obert und „besetzt" haben wir die Gebiete in Gemeinschaft mit unseren Bundesgenossen aller dings — und das nach schweren Kämpfen, auf die wir stolz sind. Die Tatsache der Eroberung kann auch Pokrowsky natürlich nicht ver schweigen. Vergebens sucht er diese Großtaten eines heldenhaft geführten Kampfes durch falsche Angaben zu verdunkeln; auch er wird eS nicht verhindern können, daß die Wahrheit trotz aller Verleumdung endlich doch siegt. Politische Armcklekau. Deutschland. *Jn parlamentarischen Kreisen nimmt man an, das; der Reichstag, falls nicht besondere Umstände seine frühere Berufung notwendig machen sollten, in der zweiten Hälfte des Januar n. Js. zu seiner Frühjahrstagung zusammentreten wird. Welche Regierungsvor lagen außer dem Reichshaushaltsvoranschlage für 1917 dem Reichstage zugehen werden, steht gegenwärtig noch nicht fest. *Einc Reihe kleiner Anfragen, die im Reichstag eingelausen aber nicht be- antwortet waren, sind jetzt durch schriftlichen Beftheid erledigt worden. So wurde mitgeteilt, das; die Überschreitung der Höchstpreise sür Kohl rüben nach der Beschlagnahme ausgeschlossen sei. Gleichmäßige Verteilung der Kartoffelvor räte sei gesichert. Verschiedene Beschwerden aus Bayern wurden als ungerechtfertigt bezeichnet. Brckigetreide zur Körnbranntwein-Erzeugung werde nicht verwandt, wurde auf eine weitere Anfrage erklärt. Österreich-Ungarn. * Bei der Besprechung der Zusammensetzung des neuen Kabinetts CIam - Martinitz ist die gesamte österreichische Presse darin einig, daß der neue Ministerpräsident zu den be deutendsten Politikern der Monarchie gehör?. Das neue Kabinett wird insbesondere den Ausgleich mit Ungarn und die Rege lung der Sprachenfrage durchführen. Wie ver lautet, soll der Neichsrat demnächst zu sammenberufen werden. Frankreich. * Der Kamm eraus s ch u ß, der mit der Prüfung der Vorlage beauftragt ist, die der Regierung das Recht geben soll, auf dem Ver ordnungswege gewisse Maßnahmen zu treffen, beschloß, es sei bis auf weiteres nicht erforderlich, die Regierung zu hören. Er lehnte mit 24 gegen 2 Stimmen den Grundgedanken der Vorlage ab, der dahin ziele, das Parla ment seiner konstitutionellen Befugnisse zu ent kleiden. — Diese Ablehnung der Vorlage Briands bedeutet sür die Regierung eine empfindliche Niederlage. * Die sozialistischeMinderheitder Kammer versendet ein Rundschreiben an ihre Parteifreunde, das sich gegen die Erobe- rungspläne in den einzelnen Vier verbandsstaaten wendet. England. * Die Rede, mit der Premierminister Lloyd George das Friedensangebot der Mittelmächte vor dem Unlerhause beantwortet hat, findet in allen englischen Blättern Zustimmung. Merkwürdigerweise lesen aber die einzelnen Organe ganz verschiedene Dinge aus den ministeriellen Worten. Während nämlich ein Teil erklärt, Lloyd George habe die Vorschläge, wie zu erwarten war, abgelehnt, schreiben die andern, daß sie mit dieser Rede die Grundlage zu weiteren Verhandlungen ge schaffen, und die (amtlichen Kreisen nahestehende) ,Westminster Gazette' meint: Der Feind soll die Antwort Lloyd Georges nicht als eine energische Weigerung, über das Friedensangebot zu verhandeln, betrachten, sondern als eine versöhnliche Antwort auf den Vor schlag, den Deutschland uns gemacht hat. Jetzt liegt es an Deutschland Vorschläge zu machen. Auch in der neutralen Presse sind die Meinungen geteilt. Während man aber in Holland und Skandinavien noch immer einer kleinen Hoffnung Raum gibt, ist die Mehrzahl der amerika nischen Blätter der Überzeugung, Lloyd George habe abgelehnt und werde nicht eher Frieden schließen, als bis Deutschland ge schlagen ist. Dänemark. * Der Reichstag hat die Vorlage betr. den V er k au f der w e st in d i s ch e n I n seln nunmehr endgültig angenommen. Im Folketing stimmten 90 Abgeordnete dafür, 16 dagegen; im Landsting 40 dafür, 19 dagegen. Amerika. * Die amtliche Untersuchungskommission ver öffentlicht ihren Bericht über die Schuld bei der Ausfahrt der „Deutschland" aus dem Hafen von New London. Darin heißt es u. a.: „Wir freuen uns feststellen zu können, daß die „Deutschland" sorgsam und richtig vom Kapitän König gesteuert wurde, als sich der Zusammen stoß mit dem Schlepper „Scott" ereignete, und daß Kapitän König alles tat, was in seiner Macht war, um das Unglück abzuwenden." Die Ursache des Unglücks war ein falsches Flaggen signal, das der Kapitän vom Schlepper „Scott" gegeben hatte. Oer fall Guntram. 3s Kriminalroman von Wilhelm Fischer. Fortsetzung.) Das eng anschließende dunkle Kleid ließ das vollendete Ebenmaß ihrer Glieder und die große Schönheit ihrer Formen erkennen ; und der säusle, sehnsüchtige, sinnige Blick ihrer großen braunen Rehaugen gab den weichen Linien ihres schönen Gesichls das Träumerische, übersinnliche der Sixtinischen Madonna, während in ihrer Seele oer Feuerbrand teuflischer Bosheit loderte. Sie war die energische, geniale Versucherin dieses Mannes, der sie fürchtete, der sich aus ihren Fesseln sehnte, während sie in ihm den gehorsamen Sklaven, den demütigen Mitschuldigen erblickte, der ihr ergeben und eigen war, wie es ihre Laune wollte. Stefan von Larsen las die für ihn abge gebenen Briese, während Erna das Badeblatt studierte. Ein ärgerlicher Ausruf Stefans ließ sie aufblicken. „Er kommt also doch," rief er aus. „Wer?" „Dein Bruder! Er weiß doch, daß er uns hier nur geniert. Man sieht ihm ja den Kellner auf hundert Schritte an." „Wie dir den Nayonches auf 10," versetzte sie kaltblütig. Er überhörte diese Bemerkung, wie es schien, und zerknitterte ärgerlich den Brief. Sie erhob sich, schritt zu ihm und nahm ihm den Brief ans der Hand, den sie, nachdem sie ihn gelesen hatte, im Ofen verbrannte. „Wir werden ihn empfangen, um ihn auf irgend eine, ihn persönlich nicht kränkende Manier wieder abzuwimmeln, das lasse meine Sorge sein," sagte sie in ihrer bestimmten Weite. „Ec wird wohl wieder eine Anleihe ver suchen," meinte er mit unterdrücktem Fluch. „Ich möchte bloß wissen, wohin der Mensch das viele Geld bringt, das auf seinen Anteil fällt." Erna zuckle mit den Achseln, dann zitierte sie spöttisch: „Nun sangen an die schmerz erfüllten Klagen." Stefan schlug mit der Faust auf den Tisch: „Ich verbitte mir ein für allemal diesen Ton." Sie drehte ihm den Rücken und meinte sehr ruhig: „Du weißt, Wolf ist mein einziger Bruder. Ich lasse ihn einmal nicht schlecht von dir behandeln. Du würdest überhaupt gut daran tun, ihn nicht unnötig zu reizen. Du bist merk würdig ungerecht gegen den armen Jungen und undankbar zugleich." „Armer Junge. Ungerecht und undankbar!" lachte Larsen grell auf. „Dein Herr Bruder steht als mehrfach vorbestrafter Verbrecher in solchem Polizeiverruf, dqß wir um unserer Sicher heit willen uns nicht mit ihm zeigen können. Oder willst du dein behagliches Nest hier nut einer Zelle im Badener Amlsgerichtsaefängnis ver tauschen? Er soll nur kommen ^ich werde ihm schon zeigen, wo Bartel den Most holt." „Du wirst ihn empfangen, wie man seinen Kompagnon empfängt, mein Lieber. Er ist der Kompagnon deiner und meiner Verbrechen, und als Lump wird er gerade nicht kommen, um ein Almosen von uns zu wollen. Du bist Egoist, mein Lieber, aber die Klugheit sollte dich ver anlassen, es ihm nicht zu zeigen, daß du es bist! Zwei Drittel vom Gelds der Baronin Guntram hat er dir prompt ausgehändigt und ihr Perlen kollier hat er uns gar geschenkt. Er meint es gut mit uns und wir? Wir verleugnen ihn, um ihm den gefährlichsten Teil der Arbeit zu überweisen." „Er hat sich im Falle der Baronin so unge schickt und mich kompromittierend benommen, daß ich ihn, um mich sportlich auszudrücken, ab halftern werde," entgegnete er erregt. „Daran war ich schuld; ich wollte das Kollier haben, um das ich die Baronin beneidete," ant wortete sie trotzig. „Du! Du! Dein Starrsinn und deine Eigenmächtigkeit bringen unS noch ins Zucht haus." „Mir egal," lachte sie frech heraus. Er ballte die Faust, um sie zu schlagen, aber er besann sich eines Besseren, und das Berliner Blatt ergreifend, auf das er abonniert war, warf er sich schwer in einen Sessel. Sie blickte scheu fort und zu ihm hinüber. Die Duldermiene war sie nicht an ihm gewohnt, und daß er diesmal, wo sie im Unrecht war, so ganz resigniert tat, statt zu brummen, wie es sonst seine Art war, ließ sie stutzen, „Allerdings, es war ein Fehler, durch den die Baronin erfuhr, daß mein Bruder eine Schwester habe," meinte sie etwas kleinlaut. „Nehmen wir den Fall, sie gesteht ihrem Mann ihre Irrung, der Besitz des »Kolliers, das dir dein galanter Herr Bruder verschaffte, genügt, um uns der Polizei zu überliefern. Bargeld lacht, und wenn es ohne Quittung zu haben ist, tanzt es den Teufelstanz der Freude. Gib mir den Schmuck, ich sahre nach Karlsruhe hin über, um ihn an den Mann zu bringen! Willst du?" fragte er anscheinend ruhig, obwohl es in seiftem Innern gärte. „Nein, ich will nicht. Der Schmuck bleibt mein und wenn wir alle darüber zugrunde gehen sollten." Das schöne Weib stampfte energisch mit dem Fuße auf den mit einem imitierten Smyrnateppich belegten Fußboden. Er zuckte die Achseln. „Soll das eine Kriegserklärung sein? Auch gut. Die Ver antwortung falle auf dich, ich wasche meine Hände in Unschuld." „In Unschuld!" höhnte sie. Er biß sich auf dis Lippen und schwieg. Das reizte sie umsomehr und wütend fuhr sie los: „Nichts gönnst du mir. Aber auch nichts. Den Schmuck lasse ich nicht, und wenn ich zwischen ihm und ewigem Gefängnis zu wählen habe." „Du wirst ihn lassen müssen; ich schwöre es dir. Du wirst es," entgegnete er kalt und frostig. Sie kräuselte verächtlich die Lippen. Er kannte sie zu genau, um nicht zu wissen, das; sie eher ihre Freiheit aufs Spiel setzen als den Schmuck lassen würde; er beschloß trotzdem, sie zu seiner Meinung zu bekehren. „Du siehst doch ein, daß du den auffallenden Schmuck niemals tragen kannst, auf der Straße schon gar nicht und in der Gesellschaft, in der wir einmal verkehren werden, erst recht nicht. Du hast einen Narren au dem Dings gefressen, der dir den Hals umdrehen wird." „Und wenn schon; ich behalte ihn und wenn
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