Volltext Seite (XML)
10^2 Mlliaräen. Deutschlands neuer Finanzsieg. Die fünfte Kriegsanleihe des Deutschen Reiches ist allen feindlichen Vorhersagen zum Trotz ein voller Erfolg geworden. 10V- Mil liarden sind auf den neuen Nus des Reiches gezeichnet worden, eine Kunde, die überall in Deutschland wie auch bei unseren Verbündeten große Genugtuung Hervorrufen wird. Lanier und eindringlicher als sonst bei unseren Kriegsanleihen ist diesmal für ihre Zeichnung geworben worden. Nicht, als ob der Patriotis mus des deutschen Volkes nachgelassen oder daß unsere Kapitalskrast gelitten hätte. Aber es galt allerlei törichte Gerüchte zu zerstreuen, die von Tante Zaghaft und Onkel Miesmacher oder gar von unseren Feinden verbreitet worden waren. So war offenbar unter dem Einfluß einer selbstverständlich von keinerlei Sachkenntnis an gekränkelten Londoner ,Times'-Meldung das Gerücht von einer zwangsweisen Herabsetzung der Zinsen der Kriegsanleihe oder einer be sonderen Besteuerung ihrer Eigentümer, ferner, daß ein Erfolg der neuen Anleihe den Krieg verlängere, die Verweigerung von Geldern ihn aber verkürze. Glauben konnte solch Gerede natürlich nur Unverstand oder Un kenntnis und dementsprechend handeln konnte nur, wer gleichgültig gegen Deutschlands politische und wirtschaftliche Zukunft ist. Wer aber ist das ernsthaft im Deutschen Reiche? Allen Lauen und Flauen, den an den Sieg des Vierverbandes glaubenden Neutralen, vor allem aber unsern Feinden hat das deutsche Volk mit seiner fünften Kriegsanleihe die Antwort gegeben: Wir halten durch und sind des Sieges gewiß! Wir können um so freudiger bewegt über das Anleiheergebnis sein, als zu gleicher Zeit England und Frankreich ganz unzweideutige Anzeichen finanzieller Schwäche gegeben haben. Frankreich gibt seine neue 5°/oige Kriegsanleihe zu einem fast 10°/° niedrigeren Kurse aus als Deutschland, und England hat alle Mühe eine neue Kriegsanleihe unterzubringen, weil es in der ihm eigenen Überhebung alle seine früheren Kriegsanleihen zu einem viel zu niedrigen Zins fuß ausgegeben hat. Daß die Geldbeschaffung in Rußland und Italien außerordentliche Schwierigkeiten macht, ist längst ein öffentliches Geheimnis. Die Versuche des russischen Mini steriums in London und Newyork, sowie in Paris neue Anleihen unterzubringen, sind teils gescheitert, teils nur nach großen Mühen von Erfolg begleitet gewesen. Der Erfolg unserer neuen Anleihe ist doppelt bedeutsam. Er zeigt zunächst, daß die Kräfte, die unserer militärischen Bereitschaft die feste Grundlage schufen, im zweijährigen Kriege nicht gebrochen worden sind. Wenn auch hier und da gewaltige Verschiebungen auf dem Kapitals- markte stattgefunden haben, wenn hier und da die Kapttalsergünzung auch nicht mehr so außer ordentlich stark ist wie im ersten Jahr, so stehen doch andere gerade jetzt auf dem Höhepunkt ihrer Ergiebigkeit. Daß heute die Kapitalien nicht mehr so leicht und ungestüm der Kriegsanleihe zudrängen wie jetzt vor einem Jahre zur Zeit der dritten Kriegsanleihe, als die Zeichnungskraft des aus- gesanunelten alten Besitzes sich mit der in voller Entwicklung begriffenen neuen Kriegswirtschaft zn dem Zwölf-Milliarden-Ergebnis vereinigte, kann nicht wundernehmen. Um so größere Genugtuung muß es Hervorrufen, daß auch diesmal ein Ergebnis erreicht wurde, das nicht allzuweit hinter jener klassischen Höchstleistung der nationalen Kapiialkraft zurückbleibt. Während wir in Deutschland mit der 5 "/eigen Anleihe wieder Milliarden mobil ge macht haben, müssen England und Frankreich 6 °/o versprechen, ohne zu demselben Ergebnis zu kommen. Langfristige Anleihen, Schatzwechsel, Auslandsdarlehen, Ausländsanleihen spielen in den Kricgskoslenrechnuugen Frankreichs, Eng lands und Rußlands die Hauptrolle, bei uns in Deutschland haben wir glatt die Kriegs- rechnungeu mit fünf Anleihen gedeckt, die 4,46, 9,06, 12,10, 10,71 und 10,59 Milliarden, im ganzen also 46,92 Milliarden ergeben haben. Diese Zahlen beweisen mehr, als alle Reden, die unverwüstliche Finanzkraft Deutschlands. Neben der wirtschaftlichen hat aber das Er gebnis der fünften Kriegsanleihe auch eine große politische Bedeutung. Immer wieder weisen unsere Gegner, um ihre Völker erneuten An strengungen aufzupeitschen, darauf hin, daß Deutschland am Ende seiner Kräfte stehe, der Verzweiflung und dem Zusammenbruch nahe sei. Als die deutsche Kriegsanleihe zur Zeichnung aufgelegt wurde, konnte der Vierverband den diplomatischen Erfolg des Kriegseintritts Ru mäniens für sich buchen, hoffend, daß dadurch nicht nur die militärische Kraft Deutschlands und seiner Verbündeten, sondern auch die Stimmung des deutschen Volkes niedergedrückt werden würde. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Die neue Kriegsanleihe zeigt Deutschland unge brochen, durchdrungen von dem Willen zum Siege, entschlossen zum Durchhalien um jeden Preis. Das Ausland weiß jetzt, daß man uns nicht entmutigen kann, wie man uns weder militärisch besiegen, noch aushungern konnte. verschiedene UriegsnachrichLen. „V 53" in Amerika. Die kühneFahrt desdeutschen „II-Bootes 53" über den Atlantischen Ozean hat in Amerika große Begeisterung wachgerufen. Die Zeitungen teilen mit, daß das O-Boot nach seinem Ein treffen in New Jork Depeschen für den deutschen Botschafter abgegeben und nach zweistündigem Aufenthalt, ohne Brennstoff und anderes Material zu ergänzen, die Ausfahrt angetreten habe. — In der Vierverbandspresse weist man auf die Tatsache hin, daß Deutschland immer wieder durch kühne Unternehmungen die Welt in Erstaunen setze. * Die deutschen II-Boote im Eismeer. Wie der norwegische Generalkonsul in Ar changelsk seiner Regierung mitgeteilt hat, sind außer den norwegischen und englischen Dampfern auch die beiden amerikanischen Dampfer „Ha- Wita" und „Columbia" im Eismeer ver senkt worden. Sie führten Munition aus Amerika. Die Besatzung wnrde von den: O-Boot gerettet. — Wie verlautet, hat die englische Negierung eine Anzahl von Kriegs schiffen nach dem Eismeer zur Jagd auf die II-Boote beordert. * Mahnung zur Vorsicht. Bei der Abschätzung der bisherigen Ergeb nisse des neuen englisch-französischen Angriffs an der Somme weisen mehrere Pariser Fachkritiker auf den von den Deutschen zu einem kleinen Gibraltar ausgestalteten Ab schnitt von Bapaume und die zugehörige tzügel- stellung Wartancourt hin und sagen, es wäre frevelhast, dort ohne andauernde, bis zur Zer splitterung des Hügels fortgesetzte schwer artilleristische Arbeit Nahkampfoperationen gegen die erfahrungsgemäß jeden Fußbreit heldenmütig verteidigende gegnerische Infanterie zu führen. * Die Zeppelinschäden in England. Als neuer Beweis dafür, daß durch die Zeppelinangriffe auf England ein viel größerer Schaden angerichtet worden ist, als von den englischen amtlichen Berichten zugegeben Wird, kann die Tatsache gelten, daß die Lon doner ,Daily News' über tausend Lesern aus ihrem Zeppelinfonds Entschädigungen ausbezahlt hat. Die Zahlungen der ,Daily Mail', die ihre Leser gleichfalls gegen Zeppelin schäden Versichert, sind noch erheblich größer. Neue große Aushebungen in Italien. Das römische Amtsblatt veröffentlicht einen Erlaß, wonach die Zurückge st eilten der Jahrgänge 1876 bis 1881 sich einer neuen ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen. Die Diensttauglichen werden sofort ein- gezogen werden und dann vorläufig Urlaub erhallen. Der ,Agenzia Stefani' zufolge soll die neue Aushebung zwischen dem 15. Oktober und dem 7. Dezember stattfinden. * Die Lage an der russischen Front. In einem längeren Artikel schreibt der Pariser ,Temps' über die Ostfront: An dem Nordteil verharren die Russen in der Verteidigung. Viel ernster sind die Kämpfe südlich des Pripet, die besonders bei Luck, Wladimir-Wolhynsk und an der ZIota Lipa sehr hartnäckig geführt werden. In letzterer Gegend führten die Deutschen beträchtliche Verstärkungen heran. Das Ergebnis der dortigen Schlacht wird von sehr großer Bedeutung sein. * Ein Schlag in die Luft. In einem Aufsatz über den mißglückten DonauübergangderRumänen schreibt der militärische Mitarbeiter der Stockholmer Zeitung ,Svenska Dagbladet': Die Entschei dung kann man nicht durch einen Schlag in die Luft herbeiführen, und bei Rjahovo taten die Rumänen einen solchen. Einem Feinde gegen über, der kein besseres Urteil zeigt, kann v. Mackensen sich ziemlich ruhig fühlen. Der Übergang über die Donau bei Rjahovo hat wahrhaftig nicht dazu beigetragen, die durch die kurz vorhergehenden Ereignisse mit Schande be fleckte rumänische Heeresleitung wieder zu Ehren zu bringen. Sarrails Nuslrckten. Schwierigkeiten des Salonikiheeres. Während man in England alle Tage lesen kann, daß nunmehr die große Offensive in Mazedonien die längst erwartete Wendung der allgemeinen strategischen Lage herbeiführen werde, während die russischen Zeitungen er klären, man dürfe gegenwärtig keine wesentlichen Erfolge der Zarenheere in Wolhynien und Galizien erwarten, schreibt überraschenderweise die italienische uud französische Presse ungefähr das Gegenteil. Der französische General Sarrail, der bekanntlich die Saloniki-Armeen des Zehnverbandes und seiner farbigen Hilfs völker befehligt, ist häufig wegen seines zögern den Vorgehens angegriffen worden, bis er sich endlich entschloß, dem allgemeinen Drängen nach zugeben. Sofort ertönten in den Vierverbands organen Siegessanfaren, und alle Hoffnungen Englands und Rußlands, die anfänglich den Rumänen gehörten, wandten sich nun dem Sarrailschen Unternehmen zu. Nun aber kommt eine Stimme aus Italien, die Wasser in den Wein der allgemeinen Be geisterung gießt. Dem meist gut unterrichteten Mailänder,Secolo' wird nämlich aus Saloniki berichtet, daß die Verwirklichung der Hoffnung auf rasche Erfolge in Mazedonien, insbesondere auf die so sehniichst in England und Rußland erwartete Einnahme von Monastir noch in weiter Ferne liegt. Das Blatt schreibt: Die Bulgaren haben sich bis auf ihre erste von Monastir vorgeschobene feste Linie bei Kenali zurückgezogen und scheinen entschlossen, hier energischen Widerstand zu leisten. Monastir ist mit seiner weitesten Umgebung von den Bul garen in ein außerordentlich stark befestigtes Feldlager umgewandelt worden und wird über dies im Südosten durch die Sümpfe der Tscherna und im Südwesten durch hohe un wegsame Gebirge geschützt. Nur eine sehr weit ausholende Umgehungsbewegung im Osten, für die aber noch keine Anzeichen vorliegen, oder die Durchbrechung der bulgarischen Linie bei Kenali könnte Monastir ernstlich bedrohen. Es sei aber gut, sich darüber keinen allzu großen Hoffnungen hinzugeben. Denn selbst nach einem Durchbruch bei Kenali würde die Einnahme von Monastir noch sehr schwierig sein. Es ist bezeichnend, daß der sonst so sieges gewisse ,Corriere della Sera' derselben Meinung ist. Sein Mitarbeiter an der Mazedonischen Front schildert die schwierigen Verpflegungs verhältnisse des im Gebiete von Florina gegen Monastir vorgehenden Vierverbandsheeres, weil die Bulgaren bei ihrem Rückzüge die Brücke zwischen Ekaisn und Baniza gesprengt haben. Immerhin sei durch die Siege der unter dem Kommando des französischen Generals Cordonnyer kämpfenden Serben, Franzosen und Russen in dieser Region die Gefahr der Vereinigung der Bulgaren und Deutschen mit den königstreuen griechischen Truppen beseitigt worden. Das Blatt mahnt Sarrail angesichts des nahenden Winters zu ganz besonderen Anstrengungen, weil sonst an einen Erfolg nicht zu denken sei. So ist denn wieder eine Hoffnung des Vierverbandes zu Wasser geworden. Noch im August war man in Frankreich überzeugt, daß die Sommeschlacht im Verein mit Brussilows Offensive in Galizien und Wolhynien, Italiens neuer Vorstoß am Jsonzo, Rumäniens Verrat und General Sarrails beginnender Vormarsch die Fronten der Mittelmächte erschüttern müßten. Nichts von allem hat sich erfüllt. Mazedonien ist des Vierverbands gegenwärtig letzte Hoff nung. Vernichtung der Verbindung Berlin- Sofia—Konstantinopel, Niederzwingung Bul gariens, Zerschmetterung der Türkei, Sieg über Österreich — das sind die Etappen, die man auf dem Wege zur Niederwerfung Deutschlands, die dann folgen sollte, zurückzulegen gedachte. Und nun läutet das sonst so großsprecherische Italien ab. Geduld, Geduld! Politische Armcllckau. Deutschland. * Mehrere deutsche und österreichische Parlamentarier waren in Berlin zu ein gehenden Erörterungen über die Gestaltung der wirtschaftlichen Beziehungen nach dem Kriege zusammengetreten. Den Vorsitz in den Ver handlungen, die unter Ausschluß der Öffentlich keit stattfanden, führte Fürst Otto zu Salm. *Nach Berichten aus parlamentarischen Kreisen sollen sich die Verhandlungen des Reichstages bis zum 28. d. Mts. erstrecken. Wie lange sich das Parlament ver tagt, ist noch nicht festgestellt, doch nimmt man an, daß vor dem Neujahr keine Sitzung mehr stattfindet. England. * Der rumänische Divisionsgeneral Geor gescu, der Adjutant des "Königs von Ru mänien, der den Befehl in - der Dobrudscha führte, ist in London angekommen. Er wird das rumänische Oberkommando im englischen Hauptquartier vertreten. In einer Unterredung erklärte er, er halte die militärische Lage für befriedigend, obwohl Rumänien an zwei Fronten zu gleicher Zeit zu kämpfen habe. Dieser Kampf an zwei Fronten habe jedoch nach den ursprünglichen Plänen niemals in der Ab sicht Rumäniens gelegen. — Deutlicher kann man die Enttäuschung, die der perfide und törichte Schritt Rumäniens im eigenen Lande Hervorrust, nicht aussprechen. * Trotzdem in Irland der Widerstand gegen die allgemeine Wehrpflicht an hält, rechnet man in englischen Kreisen bestimmt mit ihrer Einführung und glaubt, Anfang des nächsten JahreS etwa IV2 Millionen Rekruten im Dienst zu haben. Die irische Gegnerschaft wird von der Negierung nicht ernst genommen, da General Maxwell eine militärische Organi sation eingesührt hat, durch die neue Aufstände im Keime erstickt werden sollen. Alle irischen Regimenter werden aufgelöst und mit englischen und Kolonialtruppen vermischt. Griechenland. * Wie erst jetzt bekannt wird, hat derKönig von England kürzlich an KönigKon st a n t i n ein Telegramm gerichtet, in dem er ihn ersucht, die Forderungen des Vierverbandes zu bewilligen. In dem Telegramm heißt es, falls König Konstantin sich noch länger weigern sollte, sich mit seinen Truppen dem Viervcrband anzuschlteßen, so wäre England gezwungen, sein wohlwollendes Verhalten (?) gegenüber Griechen land zu ändern. König Konstantin scheint in dessen auch von diesem Telegramm ungerührt geblieben zu sein, ebenso wie von dem Lärm, den noch immer der Gernegroß Venizelos macht. Amerika. * Um den Japanern, die das ganze China- geschäst an sich zu reißen bemüht sind, zuvor zukommen, hat eine große amerikanische Finanz- gesellfchast einen Vertrag mit der chinesischen Regierung geschlossen, der den Bau von Eisenbahnen in China in der Länge von 1100 englischen Meilen vorsieht. Ick will. 18f Roman von H. Court hs-Mahler. (Fortsetzung.) Nach einem heimlichen, kurzen Abschied von ihrem Vater und Tante Josephine verließ sie an Letzingens Arm die Waldburg. Sorgsam hatte er ihr selbst den kostbaren Pelzmantel um die Schultern gelegt. Draußen hob er sie in den Wagen und stieg dann selbst ein. Renate drückte sich stumm in die Ecke des Wagens zurück. Auf der ganzen Fahrt, die mehr als. eine halbe Stunde dauerte, sprach sie kein Wort. Auf ihres Mannes Fragen, ob ihr kalt sei, ob sie bequem sitze und so weiter, ant wortete sie nur mit einem Neigen oder Schütteln des Hauptes. Letzingen war selbst viel zu erregt, nm viel sprechen zu können. Er sühlte, daß sie vor unterdrückter Erregung zitterte. Immer wieder suchte sein Blick das Dunkel im Wagen zu durchdringen, um in ihren Zügen lesen zu können. Aber es gelang ihm nicht. Endlich hielt der Wagen vorder Freitreppe des Letzinger Gutshauses. Es war ein vor nehmer alter Bau in schönen Verhältnissen. Zwei schlanke Ecktürme erhoben sich über die langgestreckte Front. Uber der in Sandstein in wuchtigen Formen herausgearbeiteicn Eingangs pforte war das Wappen der Letzingen an gebracht. Heinz Letzingen sprang schnell aus dem Wagen, und als Renate ihren Fuß auf das Trittbrett stellte, hob er sie empor und trug sie über die Schwelle seines Hauses. „So will ich dich festhalten und durchs Leben tragen allezeit, Renate," sagte er leise, vom Ge fühl überwältigt. Sie konnte nichts erwidern. In der Vor halle hatten die Leute in feierlicher Kleidung Aufstellung genommen, sie begrüßten - ihre' neue Herrin. -Letzingen führte sie an der Hand durch die Reihe. „Gott segne deinen Eingang," sagte er laut. Renate sah bleich aus wie der Tod. „So will ich dich festhalten und durchs Leben tragen allezeit." Diese Worte klangen und sangen in ihren Ohren wie die Offenbarung eines unsagbaren Glückes. Gewaltsam mußte sie sich fassen und darauf besinnen, was sie sich für heute vorgenommen hatte. Sie drängte alle Weichheit von sich und wappnete sich mit dem ganzen Stolz einer be leidigten Frau. Ruhig und freundlich erwiderte sie die Grüße der Leute. Dann schritt sie an ihres Mannes Seite die Treppe hinauf zum ersten Stock. Dort befanden sich in einer Reihe ihre und ihres Gatten Zimmer. Sie waren getrennt oder vereinigt durch einen kleinen, neutralen Salon, aus dem man rechts in Renates, links in Letzingens Zimmer gelangen konnte. In diesen Salon traten die beiden Gatten ein. Renate wußte schon überall Bescheid, da sie in der letzten Zeit ost mit Tante Josephine und Ursula hier war, um zu bestimmen, wie sie alles eingerichtet zu haben wünschte. Noch hatte die junge Frau den Pelz nicht abgelegt. Er hing offen von ihren Schultern herab. Letzingen nahm ihn wortlos ab und legte ihn auf einen Sessel. Er war nicht weniger bleich, und erregt wie seine junge Frau. - Renate stand hoch aufgerichtet: mitten im Zimmer. In ihrem blassen Gesicht lebten nur die Augen, die jetzt einen Augenblick düsterer Entschlossenheit zeigten. Letzingen trat auf sie zu und faßte ihre Hände. „Renate — endlich —. endlich, bist du mein," sagte er halberstickt vor, Bewegung. Sie zog hastig die Hände' zurück und sah ihn starr an. Sie. vergaß in ihrer Erregung, daß sie diesem Mann erst vor Wenigen Stunden ewige Treue gelobt: „Spare deine Worte. Es ist nicht nötig, daß wir länger Komödie spielen. Du hast dein Ziel erreicht — ich auch. Ich habe nicht ver gessen, nicht einen Moment, wie du mich ge- demütigt hast. Im Übermut, in launenhafter Willkür hast du dir mein Jawort ertrotzt — weil dein Hochmut mir zurückzahlen wollte, daß ich dir gesagt hatte: ich hasse dich. Ich weiß, daß dir weniger daran lag, mich zu. deiner Frau zu machen, als daran, mich zu demütigen. Das sollte wohl meine Strafe sein. Aber du hattest eines vergessen — daß sich ein Weib wie ich nicht ungestraft kränken und beleidigen läßt. Deine Werbung war eine Beleidigung, denn du liebtest mich nicht. Jetzt aber liegt es an mir, Vergeltung zu üben. Vor der Welt bin ich deine Frau, aber zwischen uns wird keine Gemeinschaft bestehen. Mein Wille gegen den deinen! — Wenn dir das nicht gefällt — dann — dann kannst du es ja ändern, — aber dann wird alle Welt erfahren, wie Baron Letzingen um seine Frau geworben hat." - Er wollte sie unterbrechen-, aber sie streckte in leidenschaftlicher Abwehr : die Hände aus' und sprach hastig weiter, als fürchte stie, .nM^ sagen zu können, was sie sich so. oft" eingeM hatte. 's „Nein — ich will nichts hören — laß mich sagen, was ich dir noch zu sagen habe, damit alles klar ist zwischen uns. — Wenn du im Ernst angenommen hast, ich könnte als-deine Frau neben, dir leben nach der Schmach, die du mir angetan hast, dann kennst du mich eben nicht. Deine komödienhaften Zärtlichkeiten wäh. rend unserer Brautzeit habeich dulden müssen— um dieser Stunde willen habe ich sie ertragen. Dadurch, daß du mir deinen Namen gabst, ist die Schmach nicht von mir genommen worden. Von heute an, das schwöre ich dir, sollst du mich nicht mehr ohne Liebe berühren. Ich werde es nicht dulden, und wenn ich daran sterben müßte. Und nun habe ich dir nichts mehr zu sagen." - Nach diesen Worten verließ sie schnell, ehe er es hindern konnte, das Zimmer und trat in ihr nebenan liegendes Gemach. Ec hörte, wie sie es abschloß. Drüben lehnte sie halb ohnmächtig an der Türe und lauschte, was er beginnen wollte. Ihrem Stolz hatte sie nun Genüge getan — aber das Gefühl der Befriedigung, das sie er wartete, wollte sich nicht einstellen. Heißer und mächtiger als je überflutete sie die Liebe, die in allem Sturm und Drang sich stark und tief iu ihrem Herzen eingenistet hatte. Atemlos