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Ottendorfer Zeitung : 20.12.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191612206
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19161220
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19161220
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-12
- Tag 1916-12-20
-
Monat
1916-12
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 20.12.1916
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Antworten auf die MedenZnote. Es bestätigt sich, daß der neue englische Premierminister Lloyd George und der franzö sische Minister des Innern unmittelbar nach Be kanntwerden der deutschen Friedensnote Tele gramme austauschten, in denen sie einander versicherten, den Krieg bis zum siegreichen Ende weiterführen zu wollen. Dementsprechend lauteten auch die Erklärungen, die Briand in der französischen Kammer abgab. Er sagte u. a., er werde dem Parlament später die ein stimmige Meinung der Verbündeten mitteilen, aber schon jetzt sei es seine Pflicht, sein Land vor einer öffentliche» Vergiftung zu bewahren. E-r mahnte zur äußersten Vorsicht gegenüber deni deutschen Angebot und schloß: „Ich habe das Recht von dieser Tribüne zu erklären: Es ist ein Manöver, durch das man versucht, die Verbündeten zu entzweien, ihr Gewissen zu be unruhigen und die Völker zu demoralisieren." Offenbar find die Ausführungen Briands maßgebend für die französische Presse gewesen, denn ihre Stellungnahme zum deutschcnFriedens- angebot ist ganz auf den Ton Briands ge stimmt. Die Blätter warnen vor dem deutschen Vorschlag, und in der ihm eigenen vornehmen Ausdrucksweise nennt ihn der,Temps' einen neuen Schurkenstreich. Saint Brice schreibt im ,Le Journal': „Deutschland will innerhalb seiner Grenzen das Volk davon überzeugen, daß seine Feinde allein verantwortlich sind für die Fortsetzung des Krieges. Im neutralen Aus lands hat man nichts mehr mit Vermittelung zu schaffen. Probeballone haben die Unmöglich keit einer Vermittelung gezeigt." Saint Brice betont, daß Deutschland Mäßigung vorgebe, um die Neutralen günstig zu stimmen und zugleich, sofort nach Trepows Rede, in der dieser Kon stantinopel forderte, Uneinigkeit unter den Vier- verbandsmächten zu stiften. Der Artikel schließt: „Der deutsche Streich wird mißlingen." Die französischen Regierungsblätter lehnen es energisch ab, die Friedensanerbietung der Mittel mächte als eine mögliche Grundlage für die Friedensverhandlungen anzuerkennen. Sie er blicken darin insgesamt ein allerdings geschickt ausgesonnenes Manöver, um einerseits die öffentliche Meinung in den eigenen Ländern für die bereits geforderten oder noch zu fordernden Opfer günstig zu stimmen, und anderseits den Versuch, in den neutralen Staaten die Meinung zu erwecken, als seien Deutschland und seine Verbündeten schuldlos an weiterem Blutver gießen, so daß dem Vierverband die Fort setzung der Kriegsgräuel zur Last gelegt werden müsse. Immerhin ist die im ,Figaro' aufge stellte, auch von anderen Blättern berührte Frage beachtenswert: „Wie denkt sich Deutschland die künftige Gestaltung Europas, falls die Unmög- keit zur Wirklichkeit werden und der Vierver band gewillt sein sollte, auf das Ansinnen seiner Gegner einzugehen?" Als einen Anschlag auf die Einigkeit der Vierverbandsstaaten betrachtet auch die den amtlichen Stellen nahestehende Londoner ,West minster Gazette' das deutsche Friedensangebot. Das Blatt erklärt aber, es wäre voreilig, den Vorschlag nicht zu beachten. „Der Vierverband darf sich nicht weigern, den Vorschlag zu er wägen, aber er muß deutlich zu erkennen geben, daß seine Völker entschlossen sind, ge meinsam zu handeln, und daß Vorschläge, die darauf abzielen, einander, zu verraten, nicht die geringste Aussicht haben. Beachtenswert sind die Ausführungen des Manchester Guardian'. Das Blatt schreibt: „Es besteht durchaus keine all gemeine Neigung, Deutschland den Friedens vorschlag als Arglist auszulegen. Ebensowenig sieht man die Anerkennung seiner Niederlage in dem Vorschlag. Anscheinend bietet Deutschland keine Friedensbedingungen besonderer Art an, sondern schlägt einfach vor, in Friedensunter handlungen zu treten. Das Angebot ist auf richtig. Es muß durch die Regierung und die vernünftige öffentliche Meinung nicht als An gebot zum formellen Waffenstillstand oder als Vorschlag zur Vermittlung einer dritten Partei behandelt werden. Aber es muß sofort ein Gedankenaustausch stattfinden. Die direkte Ver weigerung würde dem Vierverband in den Augen der Neutralen hoffnungslos Unrecht geben." Auch einige andere Blätter äußern sich in ähnlichem Sinne. Nur die hetzerische.Times' lehnt rundweg jede Fricdenserörlerung ab, und die Morning Post' meint sogar, jetzt einen Waffenstillstand zu schließen, würde ein Verrat Englands an der Zivilisation sein. Die italienischen Blätter äußern sich sehr vor sichtig. Sie erklären in ihrer Mehrzahl, daß von einem Frieden auf Grund der militärischen Lage keine Rede sein könne, doch warnen sie zugleich vor einer debattelosen Ablehnung des deutschen Vorschlages. Auch in Rußland be handelt man das deutsche Angebot vorläufig mit großer Zurückhaltung. Natürlich ist in den Blättern der Allrussen vor allem davon die Rede, ob ein Friedensschluß auf dieser Grund lage sür das Zarenreich Konstantinopel bringen werde. In der neutralen Welt legt mau der deutschen Friedensnote die größte Bedeutung bei. Die dänischen, schwedischen und wenn auch zögernd und widerwillig die meisten norwegi schen Zeitungen erklären das Friedensangebot sür einen äußerst wichtigen Schritt auf dem Wege zum Frieden. Freilich verkennen sie auch nicht, daß der Vierverband sich vor eine schwere Ausgabe gestellt sieht. Sein Kriegsziel sei nicht erreicht, und dennoch könne er nicht ohne weiteres den Vorschlag von der Hand weisen, wolle er nicht die Sympathien der ganzen Welt verscherzen. So ähnlich klingt es auch aus der hollän dischen Presse wider. Die bedeutendste Amster damer Zeitung ,Das Allgemeen Handelsblad' schreibt: „Unabhängig von der Frage, worin die Friedensvorschläge bestehen, ist die Tatsache, daß sie gemacht worden sind, von sehr großer Bedeutung. Wir alle haben Grund zur Freude und verlangen nach dem Ende dieses schrecklichen Streites. Es ist nicht schwierig, die Bedeutung des deutschen Schrittes zu verkleinern. Es stehen ihm die Programme der alldeutschen Bünde ent gegen und die übertriebenen Forderungen, wie sie ,Daily Chronicle' stellt. Die Regierungen stehen beiderseits nicht auf dem früheren ex tremen Standpunkt. Die einzige Frage bleibt, ob eine Formulierung von Forderungen und Wünschen den deutschen Vorschlägen folgen wird. Wir haben gute Hoffnung darauf. Die Tat des deutschen Kaisers ist um so mutiger, als er auch in seinem eigenen Land auf sehr starken Widerstand stoßen wird. Sie war geschickt, weil er sich die Dankbarkeit von Millionen Friedens freunden erworben hat und weil sich außerdem kein günstigerer Augenblick, Frieden zu schließen, für Deutschland ausdenken läßt." Eine freundliche Aufnahme hat der deutsche Vorschlag durchweg in der Schweiz gefunden. Man setzt große Hoffnungen auf diesen Schritt, wenngleich man sich die Schwierigkeiten nicht verschweigt, die vor allen darin bestehen, daß keine Bedingungen sür den Frieden genannt sind, und das andererseits der Vierverband bisher keines seiner Kriegsziele erreicht hat. Dennoch ist man der Ansicht, daß die Stimme der Vernunft siegen wird, und man hoffe, daß diesem ersten Schritte weitere folge» werden, auch wenn es diesmal noch nicht zu Verhand lungen kommt. Wie die übrige neutrale Presse ist auch die schwelzerische der An sicht, daß nun beide Parteien der Welt ihre Bedingungen bekannt geben müssen, was für die Neutralen vielleicht zur Grundlage der Vermittlung gemacht werden könne. Es ist be merkenswert, daß auch die Organe der franzö sischen Schweiz ohne Ausnahme von her Auf richtigkeit des deutschen Angebots überzeugt und der Meinung sind, daß der Bierverband nicht ohne weiteres sich ablehnend verhalten dürfe. Nur ,Genevois' erklärt das Friedensangebot für ein deutsches Manöver, um Hindenburg Zeit zu Vorbereitungen gegen die Westfront zu lassen. Seltsamerweise erklären die amerikanischen Blätter, die Zeit sür einen Friedensschluß sei für den Vierverband noch nicht gekommen. So wenigstens meldet Reuters Bureau, das ja auch eins Note veröffentlicht, nach der der Vierverband das Friedensangebot ablehnend beantworten werde. Präsident Wilson soll sich angeblich bereit erklärt haben, zu vermitteln, doch will er nur die deutschen Vorschläge weiter geben, nicht selbst Vorschläge machen oder dem Vierverband einen Rat erteilen. — Man wird nun noch einige Tage abwarten müssen, bis die gemeinsame Antwort des Vierverbandes vor lieg!. Erst dann wird die Frage „Krieg oder Friede?" endgültig entschieden sein. Verschiedene ttriegsnachrichten. Eine Million Engländer mehr. Reuter meldet aus London: Der Nachtrags etat zur Verstärkung der Armee um eine Million Mannschaften sür das Rechnungsjahr, das am 31. März 1916/17 endet, ist jetzt eingebracht worden. Die Mann- schastsziffer bedeutet, so fügt Reuter hinzu, ver mutlich eine Verstärkung über die schon für 1916/17 bewilligte Mannschastszahl hinaus. Die ursprüngliche Schätzung von 4 Millionen Mann würde sich jetzt auf 5 Millionen stellen. Dr. v. Spitzmüller, der neue österreichische Ministerpräsident. Kaiser Carl von Oslerreich-Ungarn hat den Dr. v. Spitzmüller mit der Neubildung des Kabinetts betraut. Dr. v. Spitzmüller ist am 12. Juni 1862 als Sohn eines Arztes in Wien geboren und trat 1883 bei dex niederösterreichisch-russischen Finanzpro kuratur als Konzipient ein. Bei den niederöstcrreichischen Finanzbehörden stieg er schnell empor; 1897 wurde er Leiter des Präsidiums, 1900 wurde er als Referent in die Kreditsektion des Finanzministeriums über nommen, als er die Vorarbeiten iür eine ganze Reihe finanzieller Gesetze erledigte. 1903—191Ö war er Vizepräsident der Finanztandesdirektion. Im Jahre 1910 trat er aus dem Staatsdienst aus, um eine Stelle bei der Österreichischen Kreditanstalt an- zunehmcn. Er war dort Vorsitzender der Direktion und leitete das große Finanzgeschäft. »»»-»»»,!»»»»»« Die ll-Boot-Gefahr im Kanal. Slnläßlich der Versenkung des «dänischen Dampfers „Inger" durch ein deutsches Untersee boot im Kanal veröffentlicht ,Berlingske Tidende' einige Bemerkungen, worin es u. ä. heißt: Dis deutschen Unterseeboote entfalten in diesem Teil des Kanals eine außerordentliche energische Tätigkeit, wo hindurch zukommen es gegenwärtig am Tage gewisser maßen unmöglich ist. Ein kürzlich heimgekehrter dänischer Kapitän berichtet, daß dort im Laufe zweier Tage 35 Schiffe versenkt wurden. Die Engländer scheinen diesen Verhältnissen ganz machtlos gegenüberzustehen. Von wirksamen Gegenmaßnahmen ist jedenfalls nichts zu merken. «Ganz natürlich leidet die neutrale Schiffahrt unter dem Handelskrieg besonders stark, die gezwungen ist, sür die Engländer Reisen auszuführen. poMKKe Armälckau. Deutschland. "-Kaiser Wilhelm hielt am 13. d. Mts. in der Nähe von Mülhausen i. Els. eine Truppenschau ab. Der Monarch dankte den Truppen, wies auf sein Friedensangebot hin, das er angesichts des großen Sieges in Rumänien den Feinden gemacht habe und sprach die Zuversicht aus, daß die Truppen auch ferner den Sieg an ihre Fahnen heften werden, wenn die Feinde die Erörterung über den Frieden ablehnen sollten. * Die nationalliberale Fraktion des Reichs tags hat dem Deutschen Kurier' zufolge ein mütig beschlossen, in einem Schreiben an den Reichskanzler gegen die Übergehung des Reichstags in der Friedensfrage Ein spruch zu erheben. *Jn der letzten Sitzung des Bundes rates gelangten u. a. zur Annahme: der Entwurf einer Verordnung betreffend die Kranken versicherung deutscher Arbeiter im besetzten feindlichen Ausland, eine Ergänzung der Be kanntmachung betreffend gesundheitsschädliche und täuschende Zusätze zu Fleisch und dessen Zu bereitungen usw., der Enttvurf einer Verordnung betreffend die Anmeldung von Auslarrösforde- rungen, der Entwurf einer Verordnung betreffend die Verwendung weiblicher Hilfskräfte im Ge richtsschreiberdienste, und der Entwurf einer Verordnung über die GeschSftsaufsicht zur Ab wendung des Konkurses. *Von derHamburgerBürgerschaft wurden die vom Senat geforderten 10 Millionen Mark sür durch den Krieg erwachsene außer ordentliche Ausgaben einstimmig angenommen. Durch diese Bewilligung steigt der Betrag sür diesen Zweck auf 165 Millionen Mark. Österreich-Ungar«. *DerRü cktrittdes Ministeriums Körber kam auch den politischen Kreisen Wiens völlig überraschend. In erster Linie ist Körbers Rück tritt darauf zurückzuführen, daß er allem An schein nach nicht die Schwierigkeiten zu überwinden vermochte, die ihm von ungarischer Seite in der Ausgleichsfrage gemacht wurden. Auch die Schwierigkeiten, auf die Körber bei den deutschen Parteien des öster reichischen Abgeordnetenhauses stieß, mögen dazu beigetragen haben, ihn zum Rücktritt zu ver anlassen. Bekanntlich wollen diese Parteien verschiedene wichtige Fragen im Wege der Oktroyierung (d. h. durch einfache Regierungs verordnung) erledigen, während Körber auf verfassungsnläßiger Erledigung bestand. Frankreich. * Das Kabinett Briand hat nach seiner Umwandlung nicht an Beliebtheit in der Kammer gewonnen. Sie hat ihm mjt Z14 gegen 165 Stimmen das Vertrauen aus gesprochen, das Verhältnis ist also .dasselbe wie vor der Umwandlung. Man ist also augen scheinlich mit der Umwandlung nicht ganz zu frieden. General Joffre, der deS Ober befehls enthoben ist, wurde fachmännischer Be rater für den Krieg, während General Nivelle und General Sarrail selbständig, der erstere in Frankreich, der andere in Saloniki komman dieren. * Der Ministerrat beschloß, den Alko- h o l sür die Bedürfnisse der Landesverteidigung zu beschlagnahmen und seinen Verbrauch zu unterdrücken. Schweiz. * Die Bundesversammlung wählte zum Bundespräsidenten für das Jahr 1917 den Bundesrat Edmund Schultheß, den Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements. Der neue Bundespräsident steht im Alter von 48 Jahren; 1905 wurde er in den Ständerat, 1914 in den Bundesrat gewählt. Z»m Vize- präsidenteu"wurde Bundesrat Calonder gewählt, Vorsteher des Departement«- des Innern. Er ist seit 1913 Mitglied des Bundesrats. Rustland. *Das Zarenreich hat schon wieder einen M i n i st e r w e ch s e l. Der Reichskontrolleur Pokrowsky ist zum Minister des Äußeren ernannt worden. Sein Nachfolger als Neichskontrolleur wurde der Gehilje im Finanzministerium Feodosiew, Der abermalige Ministerwechsel deutet an, daß mau nunmehr besonderen Wert auf dis Entscheidung wirtschaft licher Fragen legen wolle. hinnerk, 6er k^neckt. 27j Roman von Bruno Wagener. (Schluß.) Wahrscheinlich werde die Frau, deren ganze Lebenskraft untergraben sei, so fuhr der Arzt in seinem Gutachten iort, in wenigen Jahren dem Tode entgegensiechen, ohne aus dem apathischen Zustand zu erwachen. Eine Verant wortliche Zeugenvernehmung sei ganz ausge schlossen. Der Staatsanwalt beantragte selbst die kostenlose Freisprechung Hinnerks, und der Ver teidiger verzichtete auf sein Plädoyer. Die Ge schworenen zogen sich sür zehn Minuten zurück, und dann wurde Hinnerk Meyer freigesprochen. 21. Drei Jahre und rin halbes waren ver gangen. Wieder war der Frühling ins Land gezogen. Auf den Seen des Herzogtums Lauenburg kräuselte er mit frischem Wehen die Flut, an den alten Buchen küßte er die jungen Knospen auf, und den knorrigen Eichen riß er das in Treue sestgehaltene braune Laub des letzten Herbstes in Fetzen vom Leibe. Der Frühling brauste heran als ein herber, wilder Gesell, der übermütig in Wäldern und Fluren jauchzte und den Winter vor sich her trieb. Anders war er im Süden gekommen. Am Comer See am Fuße der italienischen Alpen halte er sich an der Schönheit der klarblauen Wasserfläche, in der der Himmel leuchtend sich spiegelte, berauscht. Einen schimmernden Kranz von' Blüten halte er sich aufs lockige Haupt ge drückt, und mit der Sonne hatte die Erde Hochzeit gefeiert. Auf dem Dampfer, der vormittags in vier Stunden von Como nach Costco fuhr, herrschte buntes Treiben. Zahlreiche Reisende waren mit der Gotthardbahn gekommen und fuhren über den klaren See, der, eine Perle Ober- italiens, in Berge gebettet liegt. Ein schlanker Mann von etwa siebenundzwanzig Jahren stand am Bug des Schiffes und spähte auf wärts. Ein Knabe von fechs bis sieben Jahren hielt sich an seiner Hand fest und blickte neu gierig dem Spiel eines Äffchens zu, das einem Savoyarden auf der Schulter saß. Man sah ihnen beiden an, dem ernsten Manne wie dem Kinde, daß sie aus Deutschland kamen. Nun tauchte da, wo der See M ver breiterte, rechts Bellaggio auf. Kurz bevor man es, den See kreuzend, erreichte, legte der Dampfer in Cadenabbia an. Hier verließ der Mann mit dem Knaben das Schiff. Sein Gepäck gab er einem der Träger an der Landungsstelle und hieß ihn, ihn zur Villa des Professors Volkhardt zu führen. In ernsten Gedanken schritt der Fremde dahin. Was würde die nächste Stunde ihm bringen. Er hatte sich angemeldet, sich und das Kind seiner vor zwei Jahren gestorbenen Frau. Ohne eine Antwort abzuwarten, war er abgereist. Heute morgen war er in Como angekommen, und nun sollte er sein Urteil hören, die Entscheidung über seine Zukunft. Ab und zu sprach er ein sreundstches Wort mit dem Knaben, der mit neugierigen Augen in die fremde Welt des Südens blickte. Und jetzt deutete der Führer auf ein hübsches weißes Haus inmitten blühender Magnolien und grüner Palmen. Heinrich Meyer ging unwillkürlich langsam bei dem Gedanken an.das bevorstehende Wiedersehen. Ob ihn das Mädchen, das er damals verlassen hatte, in den mehr denn drei Jahren nicht vergessen hatte? Ob sie ihn noch lieben konnte nach dem, was er ihr angetan hatte? Eine bange Furcht beschlich ihn, und er fühlte, wie sein Herz rascher klopfte. Er war nicht mehr der arme Knecht, nicht mehr der Bauer auf dem Hofe zu Neuenfelde. Heinrich Meyer war inzwischen ein Maler ge worden, dessen Ruhm anfing, über die Grenzen des Vaterlandes hinaus zu klingen. Mühsam hatte er sich seine Stellung geschaffen. Hinnerk selbst war nach Hamburg gegangen, wo er bei einem tüchtigen Lehrer Unterricht im Malen genommen hatte. Sein kleines Kapital würde dabei nicht weit gereicht haben, wenn er nicht angefangen Hütte, mit seiner Kunst sein Brot zu verdienen. Und dann war der Tag gekommen, wo sein großes Bild „Der Dorfbrand" ihm eine goldene Medaille und ein Staatsstipendium eingetragen haste. Nun hielt es ihn nicht länger. Er stand auf eigenen Füßen und durfte daran denken, ein geliebtes Weib an sich zu ketten. Und so war er denn gen Süden gefahren, wo Professor Volkhardt mit seiner Frau und Liese Rickmann nach dem Verkauf seiner Möllner Willa sich dauernd angesiedelt hatte. Er zog die Klingel an der Haustür. Ein sauberes Mädchen öffnete ihm und führte ihn in das schattige Wohnzimmer, von wo man den Blick hinaus über den dunkelblauen Spiegel des Sees und auf das von der Sonne bestrahlte Bellaggio mit seinen weißen Häusern im grüne,» Kranze genoß. Einen Augenblick stand Hinnerk allein in dem trauten Raume. Der Knabs war ans Fenster gelaufen und sah erstaunt in die herrliche Welt. ' Da öffnete sich die Tür zum Nebenzimmer. Wie gebannt hingen des Mannes Blicke an der reizenden Gestalt, die im hellblauen Frühlings- kleid auf der Schwelle stand. Seine Augen fragten, und die ihren gaben Antwort. Da hielt es ihn nicht mehr. Mit ausgestreckten Händen eilte er ihr entgegen. Mit innigem Vertrauen grüßten ihn ihre blauen Augen. Da zog erste an sich. „Liese, ich komme, ein altes Wort estr- zulösen — mit der alten Liebe im Herzen." Sie lehnte den Köpft an seine Brust. Heiße Tränen rannen über ihre Wangen, Tränen der Freude, Tränen der Erlösung nach langem Weh. Und wie sie so standen, eng um schlungen in neu erwachtem Glücke, da fühlte Hinnerk, wie eine kleine Hand ängstlich schmeichelnd die seine suchte. Leise machte er sich aus den Armen des geliebten Mädchem- los und sah sie bittend an. . „Ich bin nicht allein gekommen, Liese," sagte er zaghaft. „Willst du diesem Knaben eine liebe Mutter sein? Es ist ihr Kind, aber nun auch meins, denn ich habe es mir aus den Flammen ge rettet." Sie nahm den Knaben auf ihren Arm. Wie fchwer der kleine Kerl war, und wie hübsch er aussah in seinem weißen Matrosenanzug. Sie errötete vor Vergnügen, als sie ihn am tue
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