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Ottendorfer Zeitung : 24.11.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191611241
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19161124
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19161124
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-11
- Tag 1916-11-24
-
Monat
1916-11
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 24.11.1916
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Zn äer französischen front. Abgeordnete als Kontrolleure. Die OrganisalionZmängel an der französischen ^ront haben bekanntlich zur Einsendung einer Anzahl Abgeordneter als Kontrolleure in das französische'Kriegsgebiet Veranlassung gegeben. Man hoffte, daß diese Abgeordneten die vielen Mißgriffe in der Kriegszone beobachten und durch Berichterstattung hierüber zu ihrer Be hebung beitragen würden. Bisher hat jedoch mich dieses Kontrollmittel nicht allzu viel ge nützt, da dis französischen Kommandostellen meist mit Erfolg dafür sorgen, daß den Abgeordneten nur die guten Seiten gezeigt werden, während man alles Fehlerhafte sorgsam vor ihnen verbirgt. Nunmehr deckt der General Verraux in .L'Oeuvre' in einem „Brief an einen Abgeord neten und Kontrolleur im Kriegsgebiet" diese Mißstände auf: Herr Abgeordneter, heißt es in diesem fingierten Brief, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen für die erfolgreiche Durchführung der Kontrolle, mit der Sie betraut sind, einige sach gemäße Ratschläge gebe. Mein Hauptral gipfelt in der Beschwörung: lernen Sie reiten. Und zwar aus dem Grunde, weil das Militärauto, in dem man sie herumfährt, ein zu schnelles Tempo hat, als daß Sie sehen könnten, was Sie sehen sollten. Außerdem ist das Auto zu groß, da es einen militärischen Führer auf- uehmen kann, der Ihnen auf seine Weise alles zeigt und erklärt und Sie von den Schützen gräben abhält, Sie überhaupt nicht über die Grenze läßt, die die Generalstäbe von der Front trennt. Unter dem Vorwand, daß es keinen Unterkunftsort gäbe, ladet der Führer Sie ein, Ihre Mahlzeiten beim General zu nehmen. Der General wird sich natürlich von seiner liebenswürdigen Seite zeigen und Sie im Generalquarlier wohnen lassen. Sie werden unter den hohen Oifizieren Bekanntschaften schließen, Sie werden Verpflichtungen haben und die Wahrheit nicht sehen können oder nicht sehen wollen. Wie anders wird aber das Bild, wenn Sie allein, ohne Führer und nach eigenem Gut dünken in langsamem Tempo und dem Zuiall überlassen in der Kriegszone umherreilen! Vor allem wird die Wahl eines Pferdes Sie bereits sehr interessieren. Sie werden finden, daß die Ställe in den Generalquartieren mit Pferden überfüllt sind. Mit Pferden, die seit Kriegs- beginn kein Mensch bestiegen hat und die darum wild und halsstarrig geworden sind. Vielleicht werden Sie auf den Gedanken kommen, daß es nicht gerade unsinnig wäre, die untätigen Pferde lieber zum Ziehen von Kanonen zu verwenden. Schließlich werden Sie aber doch ein brauch bares Tier finden und Ihre Reise beginnen. Auf den Feldern, auf den verlassenen Guts- Höfen werden Sie Motorpflüge und andere landwirtschaftliche Maschinen erblicken, die seit Jahr und Tag verstauben und verrosten. Sie werden auch Gepäckwagen und Karren sehen, die unbrauchbar geworden sind, trotzdem ein wenig Schmieröl und Reinigung genügt hätten, sie für Armeezwecke brauchbar zu er halten. Desgleichen werden Sie staunend fest stellen, daß in den Werkstellen Unmengen von verschiedenartigsten Kriegsmaterial zugrunde gehen. Sie werden auch bemerken, daß man das Getreide und das Stroh trotz ihres hohen Wertes verkommen läßt. Sie werden finden, daß überall Metallgegenstände umherliegen, deren Sammlung eine Menge von vielen tausend Tonnen Material darstellen würde. Anderer seits werden Sie angenehm erstaunt sein über das fröhliche Leben in den Etappen und über die Anwesenheit vieler junger und hübscher Damen in den Generalquartieren. Und Sie Werden wohl finden, daß Frankreich wirtlich galant ist, da so viele seiner Stabsoffiziere sich mitten im Kriege damit beschästigen, elegante Damen in Militärautos im Kriegsgebiet spazieren zu fahren! . . . Volkswirlsckafllicbes. Höchstpreise für Sämereien. Es bat sich als notwendig herausgestellt, auch den Handel mit Klee-, Gras-, Futterrüben- und Runkelrübensamen von einer behördlichen Erlaubnis abhängig zu machen, wie sic für den Handel mit Lebensmitteln schon vorgcschricben ist. Eine im Neichsgcsetzblatt veröffentlichte Verordnung des Reichskanzler be stimmt deshalb, daß in Zukunft nur derjenige Handel mit den genannten Sämereien treiben darf, der die Erlaubnis dazu erhalten hat. Händler, die schon bisher mit diesen Sämereien gebandelt haben, dürfen den Handel bis zum 1. Dezember 1916 ohne Erlaubnis fortsühren oder, sofern sie bis zu diesem Tage einen Antrag auf Erlaubnis gestellt haben, bis zur Entscheidung aus ihren Antrag. Eine Aus nahme ist zuzulassen für den Kleinverkauf unmittel bar an den Verbraucher. Die Genchmigungs- behörden haben bei Erteilung der Erlaubnis Bedingungungen und Preise für den Handel vor zuschreiben. Generalleutnant v. Höppner. Dis wachsende Bedeutung des Luftkrieges bat es erforderlich gemacht, die gesamten Lustkampf- und. Lustadwehrmiuel des Heeres im Felde und in der 'Heimat in einer Dienststelle zu vereinigen. Der einheitliche Ausbau und die Bereitstellung dieses Kriegsmillcls ist einem „Kommandierenden General der Luftstrcitkräste" übertragen worden. Aus diesen Posten ist Generalleutnant v. Höppner, bisher Führer einer Ncservedivision, bcruien worden. General leutnant v. Höppner ist 1860 zu Wollin in Pommern geboren und im Kadettenkorps erzogen worden. Seine militärische Lausbahn führte ibn frühzeitig in den Gcneralstab und in das Kricgsmimstcrium. Vor dem Kriege war er Chef des Generalstabes des 7. Armeekorps, Abteilungschef im Groszen General stab und Kommandant des >8. Husaicn-Regiments in Dudenhofen. Während des Krieges ist General leutnant v. Höppner längere Zeit hindurch Chef des Generalstabes einer Armee gewesen. Die kommende Volkszählung. Der preußische Unterrichtsminister hat in einem Erlaß die Lehrerschaft zu einer regen Beteiligung als freiwillige Zähler bei der am 1. Dezember statt- findenden Volkszählung aufgefordert. „Ich ver traue," sagte der Minister, „daß Oberlehrer und Oberlehrerinnen, Lehrer und Lehrerinnen das Ehrenamt eines Zählers gern freiwillig über nehmen und gewissenhaft ausführen, wenn nicht ein zwingender Grund ihre Mitwirkung durchaus unmöglich macht. Auch die freiwillige Beteili gung geeigneter älterer Schüler der höheren Lehr- und der Lehrerbildungsanstalten unter Aufsicht ihrer Lehrer soll gefördert werden. Immer noch Buttcrhmterziehungen. Der Landrat von Beeskow-Storkow, v. der Mar witz, erläßt eine amtliche Bekanntmachung, in der es heißt: „Es berührt mich schmerzlich, daß ich von Tag zu Tag die Wahrnehmung machen muß, daß seitens der Kuhhalter des Kreises nicht entsprechend der Anordnung des Kreis ausschusses verfahren und die nach der Ver ordnung vorgesehene überschüssige Butter nicht an die Auskäuser abgeführt wird. Auch habe ich, trotzdem die Beschlagnahme der Milch und somit auch die Butlerbeschlagnahme erfolgt ist, erfahren müssen, daß seitens der Kuhhalter unter der Hand, natürlich unter Überschreitung des festgesetzten Höchstpreises, nach wie vor Butter verkauft wird. Sollten mir fernerhin noch Zuwiderhandlungen angezeigt werden, so bin ich zu meinem Bedauern gezwungen, dem Beschuldigten das Buttern in der eigenen Wirt schaft nach Versiegelung der Buttervorrichtung zu verbieten und anzuordnen, daß sämtliche Voll milch beschlagnahmt wird." über 100 MM Mark erschwindelt. Der 26 Jahre alte Kaufmann Gustav Graicher aus Chemnitz hat eine Anzahl von Geschäfts- und Privatleuten um mehr als 100000 Mark geschädigt. Graicher hat umfangreiche Be stellungen auf Lebensmittel und Seife entgegen genommen und sich die Waren stets im voraus bezahlen lassen. An Lieferungen dachte er nur in den seltensten Fällen. Bis, jetzt liegen An zeigen vor, die einen Schaden von über 100 000 Mark ausweisen. Indessen laufen bei der Dresdener Kriminalpolizei noch fortgesetzt neue Anzeigen ein, so daß sich die Schadensumme noch erhöhen wird. Graicher ist flüchtig. Eine neuartige Kriegsschiebung hat man in München entdeckt. Es handelt sich darum, daß gewisse Agenten in München ganze Woll warengeschäfte um jeden Preis aufzukausen suchen, um dann die Warenbestände nach Ham burg auszuführen. Bereits vier große Woll warengeschäfte haben solche Agenten zu erwerben gewußt. Beschlagnahme von Spirituosen. Die Be- schkagnabmc von Num und Arrak, von der cS noch vor kurzem hieß, daß sie nicht beabsichtigt sei, ist laut ,Berliner Börsen-Zcitung' nunmehr doch, und zwar schon für die nächsten Tage zu clwcntcn, nm den Bedarf der Heeresverwaltung an Spirituosen sicherzustcllen. Eine Beschlagnahme des Wcinbrands scheine vorerst nicht geplant zu sein, dagegen soll eine Ablieferungspflicht der Kognakbrcuncreicn für einen Teil ihrer Erzeugung in Aussicht stehen. Die anderen Spirituosen, insbesondere die Liköre, werden aller Voraussicht nach nicht beschlagnahmt werden. Von f^ak MÄ fern. Dev Unfall dos kl-Boots „Deutschland". Nach einer Neuler Meldung ist das E-Booi „Deutschland" bei seiner Ausfahrt mit einem Begleitschlepper zusammengestoßen, der sank, wobei 7 Mann der Besatzung ertranken. Wie verlautet, ist das Innere des lll-Booles nicht! beschädigt, und wird es i n n erh a l b w en i ge > Tagt wieder zur Abfahrt bereit jein. Ein Mitglied der Besatzung erzählte über den Zusammenstoß, der Schleppdampier sei un erwartet vor das V-Boot gekommen und von diesem von rückwärts gerammt worden. Infolge dessen seien die Kessel des Schleppdampfers explodiert und das Schiff gesunken. Der an Bord des Schleppers befindliche Kapitän Hinsch vom deutschen Dampfer „Neckar" sei gerettet; er hätte sich an einen Rettungsgürtel geklammert, der von dem II-Boot ansgeworien war. Opfer der Lawinen. Aus den schon tief verschneiten Bergen in Tiro! werden bereits die ersten Lawinenopfer gemeldet. Am Schlankerer Sonnenberg rm Vinschgau löste sich vormittags eine mächtige Lawine und stürzte gegen ein Bauerngehöjt, ap dessen Stallgebäude sie sich teilweise staute. Ein 14 jähriges Mädchen, das eben mit den zwei kleinen Kmdern des Bauern aus dem Stall trat, wurde samt den Kindern unter den Schneemassen begraben. Nach langem Bemühen zog man das Mädchen tot hervor, während die zwei Kinder noch lebten. — Eine zweite Lawine, die an einer anderen Stelle des Berges niederging, verichültete eine Schafherde. — Großes Unglück verursachte im Martelltale eine Lawine, die in der sogenannten Schmelz niederstürzle: sie verschüttete fünf Männer, von denen bisher drei tot geborgen wurden, wäh rend die anderen zwei noch nicht aufgesunden werden konnten. Explosion einer französischen Ölfabrik. Wie ,Pelit Journal' meldet, ist die Olfabrik m Sainle Julie durch Explosion vollkommen zerstört worden. Menschen sollen nicht um gekommen sein, doch ist der Materialschaden ungeheuer, da auch die umliegenden Gebäude in Mitleidenschaft gezogen sind. Das funkentelegraphische Weltnetz Amerikas. Der Erfinder des dänischen draht losen Systems, Poulsen, teilt dem ,Sydvenska Dagblad' mit, daß gegenwärtig auf den Philippinen die größte Funkewiaston der Welt gebaut wird, die in Größe und Aussehen dem Eifelturm in Paris ähnelt. Der Aktionsradius der neuen drahtlosen Station ist sehr groß und reicht von Kopenhagen bis San Francisco. Die Nachricht deutet wieder darauf hin, was in unterrichteten Kreisen bereits bekannt war, daß Amerika planmäßig daran arbeitet, ein funken- telegraphisches Weltnetz für sich zu errichten. folgen des Bcrgarbeiterstreiks in Australien. Die Londoner ,Times' erfährt aus Sydney, daß dort Wolle im Werte von 750 000 Pfund auf die Verfrachtung nach Eng land, Frankreich und Japan wartet, aber nicht verschifft werden kann, weil infolge des Berg arbeiterstreiks keine Kohlen vorhanden sind. Gericktskalle. Bielefeld. Die hiesige Strafkammer verurteilte den Direktor Wilhelm Vogt und den Prokuristen Fritz Gungeler von der Vogt-Wolf A.-G., Ftcisch- warenfabrik in Gütersloh, wegen Überschreitung der Höchstpreise beim Ankauf von Schlachtschmcinen W 10 000 bezw. 8000 Mark Geldstrafe. Ihr Einwand, sie hätten nicht aus gewinnsüchtiger Absicht gehandelt^ sondern aus dem Grunde, um ihren Betrieb nicht Megen und nicht langjährig beschäftigte Arbeiter, darunter eine Anzahl Kriegerfrauen, entlassen zu müssen, schlug nicht durch. Die Händler Anton Hörst- kamp aus Glandorf und Wilhelm Hörslkamp aus Laer (Kreis Iburg), die sich die Überpreise hallen zahlen lassen, erhielten 3000 bezw. 4500 Mark Geld strafe. Wien. Vor einem hiesigen Bezirksgericht war der Schuhmachermeister Franz Kienast wegen Preis treiberei angeklagt, weil er für das Vorschuhen und Sohlen eines Paar Schuhe 25 Kronen verlangt hatte, obwohl der Kunde das erforderliche Leder selbst beigestcllt hatte. Ein als Sachverständiger ver nommener Schuhmachermeister erklärte, die Forderung sei mit Rücksicht auf die Arbeitslöhne der jetzigen Zeit angemessen. Der Richter, der während dieses Gutachtens wiederholt den Kopf geschüttelt hatte, sprach schließlich den Angeklagten doch frei. Wenn das Gericht auch, heißt es in seiner Begründung des Freispruches, an das Gutachten des Sachver ständigen nicht gebunden sei, so könne es in diesem Fall doch nicht übergangen werden, weil dem Ge richt die notwendigen Fachkcnntnisse fehlen. Vermischtes. Die Wanduhr des französischen Pa trioten. Da so viele französische Geschäftsleute durch patriotische Reklame reich geworden sind, sind auch die Mitglieder der Vereinigung der französischen Uhrmacher auf den -Gedanken ge kommen, ihr Gewerbe patriotisch zu verklären und ihren Erzeugnissen einen chauvinistischen Schwung zu geben. Wie der „Revue de l'Hor- logerie" zu entnehmen ist, sind nunmehr die ersten Wanduhrmodelle dieser neuen Gättnpg herausgekommen, und zwar unter dem Neklame- titsl: „Die Strass der Barbaren. Neue patrio tisch-automatische Wanduhren, mit reichem Farben- schmuck, versehen mit Figuren, die sich automa tisch bewegen." Und was ist mit diesen Figuren dargestellt? Zwei deutsche Invaliden, die im der Republik einverleibten Elsaß betteln gehen. Darunter die schöne Schrift: „Die invaliden Barbaren drehen die Orgel, um im französischen Elsaß einige Sous zu erbetteln." Dies sind die patriotisch-automatischen Uhren, die die Eroberung des Elsaß vorbereilen sollen. Das „Schützcngrabensieber". Eine erst seit kurzem beobachtete Krankheit bildehe . den Gegenstand der Erörterungen der letzten feld- ärzllichcn Sitzung der vierten sranzösischen Armee. Es handelt sich, wie in devl Bericht ausgeführt wird, um eine Krankheilserscheinung, die man das „Schützengrabenfieber" getauft., hat. Sie ist hauptsächlich durch Fieberanfälle charakterisiert, wobei die Temperatur bis zu 38 Grad steigt. Diese Fieberansälle sind von Schmerzen längs des Schienenbeins begleitet und von heftigem Schweißausbruch gefolgt. Die neue Krankheit tritt verhältnismäßig selten auf und ist nicht gefährlich. Sie ähnelt in manchem fiebrigen Gliederschmerzen, und einige Anzeichen stimmen mit denen der Influenza überein. Die sranzösischen Militärärzte haben den Auftrag, die Fälle von Schützengrabenfieber abzufondern und die charakteristischen Erscheinun gen zu studieren. —» > - - ' ES waren zumeist ungerahmte Skizzen, Aus- schnitte aus der Natur, aus Feld und Wald, wie er sie kannte. Und mit stillem Staunen sand er sich in einer vertrauten Umgebung. Da war der Neuenselder See mit seinem hohen Waldufer und hier die Landstraße, die zwischen gelben Roggenfeldern in das Holz führte. Und sogar sein Lieblingsfleckchen fand er wieder, den westen Ausblick über das lachende Land bis zu den fernen Lübecker Türmen. Und das alles leuchtete in saftigem Grün und schimmernder Himmelsbläue, und die Lupinenfelder lagen da zwischen wie ein Meer von Gold, und der Mohn wie Tropfen roten Blutes war da zwischen eingesprengt, daß es eine Pracht war. Mitten an der Wand hing ein großes Bild in breitem Rahmen von mattbraunem Holze mit einer schmalen Goldkante, die das Bild vom inneren Rande der Umrahmung ab hob. Buchenwald in dämmernder Abendstille. Zwischen den grauen Stämmen sah man hinaus in ein Wiesental, auf dem die scheidende Sonne lag. Hier oben aber neigte sich schon der Friede der kommenden Nacht über das weiche Moospolster des Bodens und deckte die Wald liese mit bläulichem Schatten. Ein junges Weib saß unter einer Buche im dichten Schatten; auf ihrem Schoße schlief ein Knabe, zu dem sie das schöne Antlitz neigte, daß ihr die Flut der schwarzen Haare über Nacken und Busen wogte. Bon dem Kinde ging ein sanfter Schimmer aus und durchleuchtete das heimliche Waldesdunkel mit einem feinen wunderbaren Glanze. Zur Seite in wallendem, weißen Ge wand stand eine schlanke Mädchengestalt mit silberschimmernden Flügeln. Aus großen Augen blickte sie auf die Mutter mit dem Kinde, und ihre Hände hielten die Geige, deren Sailen sie eine süße Melodie zu entlocken schienen. Das war wie ein Märchen im deutschen Walde. Und Hinnerk stand und schaute; und der Genius der Kunst rührte zum erstenmal vor eines Meisters Werk sein junges Herz. Tief aufatmend wandte er sich um, als er des Malers Stimme vernahm. Er hatte die Worte gar nicht verstanden. Seine Gedanken waren noch ganz bei dem Bilde. „Daß man so etwas malen kann!" sagte er leise. „Ist das wunderschön!" Volkhardt war aufgestanden und zu ihm ge treten. Nun standen sie beide vor dem Bild, und schweigend sah der Meister auf sein eigenes Werk. Längst hatte das Bild den Siegeszug durch die Kunstausstellungen hinter sich. Gol dene Medaillen und Ehrendiplome hatte es ihm eingetragen und den Professorentitel dazu. Nie hatte ihn ein Lob tiefer befriedigt, als die stam melnde Bewunderung aus dem Munde dieses Bauernknechts. „Wollen Sie mein Schüler werden, junger Freund?" wandte er sich an den wieder in die Betrachtung des Bildes Versunkenen. „Ich meine, wollen Sie bei mir das Malen lernen?" Hinnerk nickte mit dem Kopf. „O ja, Herr Professor, das möchte ich wohl mehr als gern. Aber das ist gewiß eine teure Sache, und ich habe nichts als meine siebzig Taler Lohn im Jahre. Da wird das wohl nicht an gehen." Volkhardt lächelte. Allein, mein Bester, so war das nicht gemeint. Schüler habe ich sonst nicht — bin keiner, der viel Lust und Liebe zum Unterrichten hat. Aber mit Ihnen, das soll eine Ausnahme sein, weil Sie auch eine Ausnahme sind. Glauben Sie, die Knechte, die am Tage hinter dem Pfluge gehen und das Vieh füttern und Pferde striegeln und dann sich in ihrer Mittagspause oder nach Feier abend hinsetzen und zeichnen ganz aus sich selbst heraus, nur zur eignen Freude — glauben Sie, die laufen dutzendweise herum? Und wenn einem so einer vorkommt, da wär's ja die reine Sünde und Schande, hielte man den nicht fest. Und so will ich's mit Ihnen machen. Sie haben Augen im Kopfe, mit denen Sie schauen, wo andre nur glotzen. Ihre Zeich nungen haben Hand und Fuß. Wer das kann, in dem steckt ein Künstler. Fragt sich nur, ob Sie auch Farbensinn haben; und daran zweifle ich nicht. Und nun, junger Freund," fuhr der Pro fessor fort, „werden Sie nicht eitel. Ein Maler sind Sie noch lange nicht; da haben Sie noch viel zu lernen. Sogar Zeichenunterricht müssen Sie noch nehmen, um den Blick für die Formen zu schärfen. Dafür weiß ich einen tüchtigen Lehrer, mit dem ich sprechen will — ist ein einfacher Schulmeister und kann Ihnen auch sonst noch mancherlei beibringen, was Sie brauchen werden. Und die Kosten, die lassen Sie mal vorläufig meine Sorge sein. So viel habe ich wohl noch übrig, und nach ein paar Jahren geben Sie es mir wieder, wenn Sie wollen. Und nun Ihre Handt Sie sind doch damit einverstanden?" Hinnerk preßte des Malers Rechte mit einer wahren Inbrunst in der seinen. „Ich danke auch vielmals, Herr Professor," antwortete er; aber er sah traurig aus, als er sagte: „Das ist alles so schön; das könnte gar nicht schöner sein. Aber da wird wohl nichts daraus werden." Ruhig und bedächtig brachte er all' stine Bedenken vor. ' Er mußte doch sein Jahr als Großknecht auf dem Bolten-Siemersschen Hof aushalten, und selbst wenn Frau Siemers ihn sreigab, da war doch noch seine Mutter, für die er zu sorgen hatte, und die Liese, die daraus wartete, daß er sich genug erspart hätte, um sie zu heiraten und als Tagelöhnerleute auf einen Hof zu ziehen. Und für seinen eigenen Unter halt mußte er doch auch arbeiten. Da blieben ihm nur die Abende frei, und das würde dem Herrn Professor doch wohl nicht passen. Volkhardt lachte: „Nein, mein Lieber, das geht freilich nicht. Sie kennen doch das Wort: Memand kann zween Herren dienen? Nun, die Kunst erfordert den ganzen Menschen; sie ver trägt keine Halbheiten. Tags Großknecht und nach Feierabend Künstler, das ist unmöglich, Darum reden Sie mit Ihrer Bäuerin, ob sie Sie losläßt. Sagt sie nein, so werde ich mit ihr reden. Von mir bekommen Sie ein Jahres gehalt — seien Sie ganz still, mein Freund, ich will Ihnen nichts schenken, es soll nur ge borgt sein — und was die Liese betrifft, mit. der wird meine Frau sprechen; ich glaube, sie wartet gern noch ein paar Jahre." Hi 17 (Fortsetzung folgt.)
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