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Ottendorfer Zeitung : 24.11.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191611241
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19161124
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19161124
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-11
- Tag 1916-11-24
-
Monat
1916-11
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 24.11.1916
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^uverlickt im Kriege. Zu jedem großen Wurf im Leben gehört ein gewisser freudiger Optimismus. Der Kauf- mann und der Industrielle können eines solchen nicht entraten. Hat doch unser geschäftlicher Wagemut den Neid und die Feindschaft nahezu der ganzen Welt gegen uns hervorgerusen. Um so mehr aber bedars es des Optimismus im Kriege. - In .hohem Maße besaß ihn König Friedrich. Ohne ihn hätte er sich im Sieben jährigen Kriege nicht aufrechtzuerhalten ver mocht. Wöhl ist er häufig der Verzweiflung nahe gewesen, so, als er bei Kolin den Zauber der Unbesiegbarkeit seines Heeres dahinschwinden sah, als er bei Kunersdorf das Ende seines Hauses vor Augen zu sehen glaubte; doch diese Schicksalsschläge haben ihn wohl zu beugen, nicht aber zu brechen vermocht. Sehr bezeichnend schreibt Moltke: „Es gibt in jedem Hauptquartier eine Anzahl von Leuten, die mit großem Scharfsinn alle Schwierigkeiten !bei jeder vorgeschlagenen Unternehmung hervor- zuhebeu wissen. Bei der ersten eintretenden Verwicklung weisen sie überzeugend nach, daß sie alles vorhergesagt haben. Sie sind immer im Recht, denn da sie selbst nicht leicht etwas Positives. Vorschlägen, viel weniger noch aus- führen, so kann der Erfolg sie nie widerlegen. Diese Männer der Negative sind das Verderben der Heerführer." Moltkes Schule wirkt glücklicherweise nach. „Männer ller Negative" gibt es im deutschen Heere in leitenden Stellen nicht. Sie würden dort nicht geduldet werden. Im Heere herrscht bei uns nur positiver Siegeswille. Wie aber steht es damit in der Heimat? Wohl werden dort die Leistungen unseres Heeres anerkannt, der organisatorischen Kraft, die sich in seinem ganzen Organismus offenbart, zollt man Be wunderung, es herrscht Vertrauen in die Füh rung, aber der Blick haftet doch immer wieder sorgenvoll ym einzelnen. Das ist zum großen Teil begreiflich und entschuldbar in mitten der Sorgen des Alltags, die durch mannig fache Erschwerungen und Entbehrungen noch gesteigert werden. Wohl werden diese tapfer ertragen, aber sie erzeugen bei manchen eine Grundstimmung, die Hoffnungsfreudigkeit nicht recht aufkommen lassen will. Es wäre unge recht, das zu verkennen. Andererseits aber tollten wir nicht vergessen, daß sich bei uns im Innern doch die Dinge im ganzen genommen immer noch weit günstiger gestaltet haben, als zeitweilig zu befürchten stand. Dafür sollten wir dankbar sein angesichts der uns von Eng land angedrohten Aushungerung. Weil sie miß glückte, sah sich England erst veranlaßt, mit vollem Ernst in den Krieg eiuzulreten und Hundertlausende seiner Söhne an der Somme ohne greifbaren Erfolg zu opfern. . Wo wir Zaghaftigkeit in der Heimat wahr nehmen, hat sie zum Teil ihren Grund in der Unkenntnis der Verhältnisse, wie sie an der Front herrschen. Wer nicht den Pulsschlag des Krieges draußen gefühlt hat, macht sich leicht falsche Vorstellungen von den Dingen. Ihm erscheint selbst die nur vorübergehende Stockung einer Operation als ein Fehlschlag. Auch ein nur vereinzelter Rückschlag läßt ihn Schlimmes befürchten. Wer aber zu solchen Auffassungen neigt, sollte sich sagen, daß er damit unter die „Trübsals-Spritzen" geht, wie Blücher alle Pessimisten zu nennen beliebte, statt, wie es im Hauptquartier des „Marschall Vorwärts" ge schah, „in dem großen Gedanken dieses größten Krieges lebend, und in den höchsten Zielen das Maß dessen zu suchen, was geleistet werden muß". Um nicht zum Pessimisten zu werden, gilt es, sich' gegen die Gefahr suggestiper Ein wirkungen, die heute besonders groß ist; zu wappnen. Unendlich viele Menschen leben, ohne es zu wissen, gar nicht in der Wirklichkeit, son dern in einer Welt, die ihnen ihre Umgebung vörspiegelt. Die großen Städte mit ihrem Zu sammendrängen der Menschenmassen, ihrer Ent fremdung von der Natur äußern hierin einen besonders verderblichen Einfluß. Diese weit verbreitete Zugänglichkeit für die Meinung anderer leistet dem Entstehen übertriebener Ge rüchte und der Verallgemeinerung von Urteilen uns Klagen Vorschub, die für den Einzelfall zutreffend und berechtigt fein mögen, auf das 'Ganze ausgedehnt, aber ein völlig falsches Bild ergeben. Unsere viel gerühmte deutsche Objektivität ist von Nutzen, wenn sie zu einer nüchternen, gewissenhaften Abschätzung der Kräfte der Gegner führt, sie bildet dagegen eine Gefahr, wo sie für diese zu günstigen Annahmen macht, ihre Schwächen übersieht und so die eigene Hoffnungs- frendigkeit herabdrückt. Solche Denkweise ähnelt derjenigen des unglücklichen Besiegten von Auer stedt, des Herzogs von Braunschweig, der stets ein „relatives Recht des Gegners" gelten ließ und darüber vergaß, daß es darauf ankommt, seinerseits dem Gegner das Gesetz zu geben. Die Leistungen des Befreiungskrieges und die von 1870/71 sind von unserem Heere jetzt vielfach übertroffen worden. Der Weltkrieg mit seinen ungeheuren Anforderungen hob uns über uns selbst empor. Die Erfahrungen früherer Kriege haben nur noch bedingte Gültigkeit. Bleibenden Wert aber wird stets das Beispiel großer Charaktere der Vergangenheit behalten. An dem feurigen Optimismus, wie er in Blücher und Gneisenau lebte, wollen wir uns daher in dieser schweren Zeit aufrichten. Nur wo ein gesunder und hoffnungssreudiger Optimismus herrscht, wird man kühne Taten sehen. Soll er beim Heere vorherrschen, so darf er auch im Volke nicht fehlen. Ein Volksheer bedarf des Einklangs seiner Stimmung mit der in der Heimat herrschenden, sie wirken wechselseitig auf einander ein. Beherzigen wir daher das Wort unseres großen Kriegsphilosophen Clausewitz: „Nur wenn Volkscharakter und Kriegsgewohn heit in beständiger Wechselwirkung sich gegen seitig tragen, darf ein Volk hoffen, einen festen Stand in der politischen Welt zu haben." verschiedene Nriegsnachrichten. Schonung der Familienväter im Felde. Die Nachrichtenabteilung des Kriegsministers bringt solgendes zur öffentlichen Kenntnis: Das Kriegsministerium hat Anordnung getroffen, daß bei der Verwendung der Mannschaften auf die Familienverhältnisse der ost schon durch schwere Blutopfer hart geprüften Familien Rücksicht zu nehmen ist und daß Familienväter mit vielenKi n d ern möglichst nichtdauernd in vorder st er Linie Verwendung finden. — Die kämpfende deutsche Nation wird aus dieser Maßnahme von neuem erkennen, daß alle Stellen der Heeresleitung sich gewissenhaft bemühen, die Opser, die der Riesenkampf gegen halb Europa fordert, mit allen nur möglichen Mitteln auf das unvermeidliche Maß zu be schränken. Ihnen wird heimlich im Busen bang ... Der Mailänder ,Corriere della Sera' nennt das deutsche Massenaufgebot eine äußerst ernste Maßregel, die geeignet sei, den größten Eindruck hervorzurufen. Während langer Zeit habe das Bestreben geherrscht, die energischen Maßregeln des Feindes von der heiteren Seite aufzufassen und sie als ein Zeichen seiner schnell zunehmenden Schwäche anzusehen. Jetzt aber sei man über zeugt, daß es sich um die äußerste An spannung aller Kräfte angesichts der zunehmenden Ausdehnung des Kampfes handelt, und daß es verkehrt wäre, ihr nicht die ge bührende ernste Aufmerksamkeit zu schenken. Der Gedanke, daß Deutschland aus Mangel an Mannschaften gezwungen sei (?), zu so ver zweifelten Mitteln zu greisen, sei zwar tröstlich; aber niemand könne sich die große Bedeutung der Ergebnisse verhehlen, zu denen diese Maß regeln führen können. Daher müsse der Vier- verband ernste Gegenmaßregeln ergreifen, und das Blatt ist überzeugt, daß diese von der gegenwärtigen Konferenz der Vierverbands minister in Paris beschlossen werden. * Die Lage in Rumänien. Die Londoner.Times' läßt sich aus Bukarest melden, daß durch die Ankunft neuer Ver stärkungen die Lage ernst geworden sei, so daß rasches Handeln Rumäniens und seiner Bundesgenossen notwendig geworden sei. — Beim letzten Fliegerangriff auf Bukarest sind über zehn Menschen getötet worden. * Sarrails neue Offensive. Der Mitarbeiter des Budapester ,Az Est' meldet aus dem bulgarischen Hauptquartier über die neue Offensive Sarrails gegen Monastir folgendes: Die Offensive wurde aus genommen mit neuen Truppen, die in Saloniki gelandet waren, unter Heranziehung der Streit kräfte von anderen Teilen der mazedonischen Front. Sie steht im Zusammenhang mit dem Besuch des Generals Roques. Briand beab sichtigt entgegen dem Willen der anderen Vier- verbändsmächte das Salonikiunternehmen fort zusetzen. General Roques ordnete die neue Offensive an, um zu beweisen, daß mit dem Salonikiunternehmen Erfolge zu erzielen seien. Die neue Offensive wurde am 12. November durch gründliche Artillerievorbereitung eingeleilet. Bajonettangriffe erfolgten nur im Abschnitt Prespasee—Kenali. Sie wurden glänzend ab gewiesen. Auch ein großzügiger Massenangriff der Serben in der Nacht vom 13. znm 14. No vember gegen Preleg blieb erfolglos. Sarrails Aussichten auf einen Erfolg sind gering. * Der Ausgleich der Kräfte. Nach zuverlässigen Berichten hat der Vier verband jetzt etwa 350 000 Mann an der gesamten Balkansront. Nicht eingerechnet sind Verstärkungen, die jüngst eintrafen, aber auch nicht abgerechnet die Verluste, die der Vierver band seit der Septemberoffensive erlitt. Die Trnppenzahl des Feindes ist demnach nicht be sorgniserregend. Erfolge, die der Feind in den letzten zweieinhalb Monaten erreichte, sind nur so zu erklären, daß Sarrail geschickt Truppen von einem Punkt nach dem andern werfen konnte und artilleristische Überlegenheit besaß. Nachdem es jedoch infolge genügender Trans portmittel mit dem Bau von Feldbahnen und Munitionsnachschub auch bei uns besser bestellt ist, haben sich die artilleristischen Kräfte etwas ausgeglichen, so daß die bulgarisch-deutsche Frontlinie heute bereits als unerschütterlich an gesehen werden kann. Belgien und veutsch-GstaMa. In einer der letzten Nummern des,Echo Beige' ist wiederum ein längerer, augenscheinlich aus amtlicher Quelle stammender Artikel er schienen, der sich mit dem belgischen Anteil an den Kolonialkämpfen, insbesondere an dem Feld zug gegen Deutsch-Ostafrika beschäftigt, der nach belgischer Auffassung mit der Besetzung von Tabora für Belgien beendigt ist. In dem Artikel wird zunächst wieder die alte Geschichts fälschung Versucht, als ob Belgien gewillt ge wesen fei, die Bestimmungen der Kongoakte zu achten und den Krieg von Afrika fernzuhalten, und als ob seine dahinzielenden Bemühungen nur durch Deutschland vereitelt worden seien. Demgegenüber muß erneut festgestellt werden, daß nach den unwiderlegten amtlichen deutschen Veröffentlichungen Belgien allerdings anfänglich Neigung zeigte, auf die deutsche Anregung ein zugehen, die das sogenannte konventionelle Kongobecken bildenden mnerafrikanischeu Ge biete, zu denen auch ganz Deutsch-Ostafrika ge hört, zu neutralisieren, daß die belgische Re gierung aber dann auf das Geheiß ihrer eng lischen Herren eine weitere Verhandlung über diesen Punkt ablehnte, also an der Übertragung des Krieges auf Afrika mitschuldig ist. über die Bedeutung der Teilnahme Belgiens an dem englischen Raubzug gegen Deulsch-Ost- asrila läßt sich das ,Echo Beige' dann weiter u. a. wie folgt ans: „Die politische Bedeutung des ostafrikanijchen Feldzuges sür Belgien wird eine einzige Betrachtung richtig erkennen lassen. Der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg hat kürzlich und mit besonderem Wohlgefallen vön der Beachtung gesprochen, die man der „Kriegs karte" zollen müsse. Diese Beachtung würde einige Bedeutung haben, wenn der Krieg am Ende wäre. Aber unlogisch wie die Sache an sich ist, stellt sie die Frage doch auf einen Boden, auf dem für Belgien die Sache gar nicht so schlecht ist, wie Deutschland es glauben machen möchte. Deutschland besitzt ungefähr 29 000 Quadratkilometer belgischen Bodens, aber Belgien hält fast 200000 Quadratkilometer deutschen Bodens in Afrika in seiner Hand. Zweifellos gleicht sich das nicht aus, aber dichtsdestoweniger ist es wahr, daß die belgi- gischen Siege in Afrika die politische Stellung Belgiens besonders festigen. So hat Belgien schon jetzt die gerechte Belohnung seiner Loyalität, seiner Achtung vor dem Recht und seines Mutes, mit welchem es der Ungerechtig keit Widerstand geleistet hat, in Afrika gefunden, wie es sie auch in Europa finden wird. Je mand hat einmal gesagt, daß man in der Politik für alle Fehler zahlen müsse." Wir können diesen letzten Satz nur unter streichen. Allerdings haben wir eine andere Auffassung von der ausgleichenden Gerechtigkeit in der Politik als der belgische Artikelschreiber. Unserer Ansicht nach wird Belgien sicher für seinen politischen Fehler zahlen müssen, daß es als neutraler Staat nicht neutral blieb, sondern schon lange vor Ausbruch des Krieges seine Neutralität dem englischen Imperialismus ver kaufte. Besonders merken wollen wir uns dann für diese Abrechnung aber auch noch die in diesem belgischen Artikel vertretene Auf fassung, daß die von den Belgiern in Afrika besetzten deutschen Gebiete keinen auch nur an nähernden Gegenwert für das von uns besetzte belgische Gebiet in Europa bilden. poUMcke Kunälckau. Deutschland. *Die ,Nordd. Allg. Ztg.' veröffentlicht einen Artikel, der in vernichtender Kritik sich mit dem russischen Protest wegen der Wieder errichtung des Königreichs Polen beschäftigt. Das Blatt weist nach, wie Ruß land durch eine unerhörte Raub- und Gewalt politik das ehemals selbständige Königreich Polen verschlungen hat. *Das dem Bundesrat vorliegende Kriegs hilfsdienstgesetz soll die allgemeine staatsbürgerliche Pflicht zur Tätigkeit in der Kriegführung und der Kriegswirtschaft be gründen. Es wird sich deshalb auf alle männ- lichen Personen erstrecken, die zur Er füllung dieser Pflicht nach Gesundheit und Alter fähig sind. Der Zwang soll dabei nur als letztes Mittel Platz greifen. Österreich-Ungarn. * Über das Befinden Kaiser Franz Josephs wird gemeldet, daß der Monarch noch immer an Katarrh leidet, der übrigens die allgemeine Tätigkeit nicht beeinträchtigt. Zu Besorgnissen liegt keinerlei Anlaß vor. Polen. *Nach Mitteilungen von unterrichteter Seite wird die Aufstellung der polnischen Armee durch Deutschland unter Mitwirkung österreichisch-ungarischer Offiziere besorgt. Den Stamm für das künftige Heer bilden die polni schen Legionen, die seit dem August 1914 als ein Teil der österreichisch-ungarischen Wehrmacht in den Reihen der verbündeten Heere gekämpft haben. Die polnische Armee ist polnisch-natio nal, also weder österreichisch-ungarisch, noch deutsch. Alle Kommandostellen stehen polnischen Offizieren offen, werden aber vorläufig wegen Mangels an solchen zum Teil durch öster reichisch-ungarische und deutsche Offiziere besetzt werden. Die künftige polnische Armee wird vorläufig dem deutschen Heere angegliedert. Ruhland. * In der Duma gaben der Kriegsminister und der Marineminister Erklärungen über die Kriegslage ab. Nach Wiederaufnahme der Sitzung sagte bei Besprechung der Äußerungen des Kriegs- und des Marineministers ein Abgeord neter, daß selten so beweiskräftige und nützliche Worte in einem fo geeigneten Augenblick aus gesprochen worden seien. „Der Vertreter des Zaren erklärt entsprechend dem Willen des Zaren, daß das Heer bis zum Ende kämpfen werde. Die Duma wünscht nichts anderes und hat sich nur zu diesem Zweck versammelt." k)mnerk, cier Xueckt. 17j Roman von Bruno Wagener. «Fortsetzung.) „Da kommt nun der Manasse auf die schlaue Idee, die Boltcn-Siemersschen Koppeln unter der Hand aufzukaufen," fuhr der Stadtrat fort, „einen guten Preis bietet er, um den Zuschlag zu bekommen, und in vier Wochen, oder vielleicht auch in einem Vierteljahr muß ihm das Konsortium kommen, weil es den Grund und Boden unbedingt braucht. Daun wird das Schäfchen geschoren, und der Manasse steckt den. Profit ein. Nun ist Ihnen die Ge schichte wohl klar?" Hinnerk nickte nachdenklich. „Das wohl, aber was soll denn aus dem Hofe, werden, wenn er um dreißig Morgen besten Ackerbodens ver kleinert wird?" „Aber, Mensch! Dafür bekommt ja Frau Siemers das - blanke Geld auf den Tisch ge zählt! Und. sie soll nur nicht bescheiden sein — immer doppelt so viel fordern, als man ihr bietet!" ' . „Das ist richtig, Herr Stadtrat," sagte Hinnerk ernst, „aber der schöne Hof wird dauernd entwertet; die ganze Wirtschaft muß auf andern Fuß gebracht werden. Ich kann'keinen Segen dabei finden!" Er stand gnf und dankte dem freundlichen Letaler. „Vielleicht haben Sie recht," sagte der Stadtrat, als er Hinnerk zum Wschiede die Hand drückte; „man muß alles von zwei Seiten anfehsn. Aber dem Manasse setzen Sie nur ja den Stuhl vor dis Tür. Solche Leute können wir hier nicht brauchen." — Zehn Minuten später öffnete Liese Rickmann ihrem Verlobten die Tür des Volkhardtschen Hauses, und als sich die Liebesleute ein Viertel stündchen miteinander ausgesprochen hatten, kam die Frau Professor, um sich Lieses Bräutigam anzusehen, und dann wurde Hinnerk in das Atelier des Malers gebeten. Das Herz klopfte dem jungen Mann, als er in den höhen, Hellen Raum trat. Er hatte das Gefühl, mit unbe scheidenen Händen nach Früchten zu langen, die nicht für ihn wuchsen. Das seine Lächeln der kleinen, zarlen Frau mit dem gütigen, klaren Gesicht, daS-ihn so forschend betrachtete, war ihm ein wenig spöttisch vorgekommcn. Aber sie hatte mit keinem Wort auf das Paket angespielt, das neben ihm aus dem Küchentisch lag, obwohl er gesehen, daß sie es gleich bemerkt hatte. Da tonnte er natürlich auch nicht davon anfangen. Die freundliche Dame hatte ihn nur gefragt, wie cs ihm hier in Lieses Reich geialle, und hatte dabei mit einem so mütterlichen Blick auf das hübsche Mädchen geschaut, daß es dcni Hinnerk warm ums Herz geworden war. Ja, die Liese Halle es gut hier. Das blitzte alles von Sauberkeit. Das weiße Tuch auf dem Küchentisch mit dem blaugemusterten .Kaffeegeschirr, die gescheuerten Fliejen des Fußbodens, der schwarze Herd mit den glänzenden Messingbejchlägen und den kupfernen Kesseln und an den Wänden die weißen Kacheln mit Delfter Verzierungen — wie sah das alles behaglich aus. Durch dis iriichaewäfcheuenFeuitervordünaefieldasSonnen- licht so freundlich und hell herein, als könne hier nur heiterer Sinn und reine Lebensfreude gedeihen. All das hatte Hinnerk hinter sich gelassen, als er nun in dem Atelier des. Professors stand. „Mein Mann wird gleich kommen," halte Frau Äolkhardt gesagt, als sie ihn hineinführte. Nun stand er und sah sich um. Er war allein in dem hohen Raume, der an das Wohnhaus an gebaut war. Eine kühle Luft umfing ihn trotz des im Kamin prasselnden Feuers. Durch ein großes Fenster auf der Nordseite und ein breites Glasdach über der Mitte des Ateliers drang das Licht in ruhigem Stroms herein. Die gelblichen Vorhänge waren zurückgezogen. Über die faust geneigte Hügellehne vor dem Hause, die zu Gärten und Ackerland benutzt war, stieg der Blick zu Tale, wo die Stadt auf ihrer Insel zwischen zwei Seen sich mit altertümlichen Häusern und dem Gewirr der Dächer erhob, auf den Seiten von Wiesen und Wald umfaßt. Und darüber hinaus schlug das Auge die Brücke über die blanke Wasserfläche und den Eisenbahndamm zum niedrigen Herzberg, der im letzten Herbst- schmuck gelber und roter Blätter in der Nach- millagssönue dalag, während weiter zurück der hohe Foßberg sein Haupt emporstreckte mit den drei mächtigen einsamen Wetterbuchen darauf, die weithin als Nichtzeichen dienten. Und das alles war in den Glanz flimmernden Lichtes ge taucht, das sich in den feinen Silbernebeln brach, die an deni See aufstiegen, der wie lauter Fisch schuppen blinkerte. Hinnerk war ans Fenster getreten. In den wundervollen Anblick vertieft, den man von hier oben genoß, hatte er ganz vergessen, wo er war. Jetzt fuhr er wie aus einem Traum auf, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Mit guts wütigem Lachen sah ihm der Professor in die Augen, in denen es feucht schimmerte wie von verhaltenen Tränen der Ergriffenheit. „Das ist schön Hierl Was?" fragte er statt jeder Be grüßung und deutete mit einem Kopfnicken nach dem Fenster. „Darum habe ich mich auch hiM angebaut, so recht auf Heller Höhe und mit dem Bilde da vor den Augen." Volkhardt war zu einem Tische getreten, auf den er die Zeichnungen legte. Als er das erste Blatt mit einem flüchtigen Micke gestreift hatte, sah er rasch zu seinem Besucher hinüber. Es war Hinnerk, als läge etwas Strenges in den Augen des Malers. „Die Blätter sind alle von Ihnen?" fragte der Professor, und da Hinnerk bejahte, nickte Volkhardt kurz und machte eine Bewegung mit der Hand. „Da, mein junger Freund, sehen Sie sich mal die Bilder an den Wänden an. Dc»s wird Sie interessieren. Ich schaue mir unterdessen in Muße Ihre Arbeiten an." Eine ganze Weile verging. Der Professor saß vor den Zeichnungen und sah Blatt sür Blatt an. Anfangs schielte Hinnerk wohl ab und zu nach ihm hinüber» heimlich, als wenn er etwas Unerlaubtes täte. Dann aber nahm ihn die neue Welt, die sich seinen Augen hier erschloß, ganz gefangen, daß er sich in sie versenken mußte, um darüber alles andere zu vergessen. Er halte noch nie in seinem Leben so viels Bilder bei sammen gesehen, und die er hier sah, überstiegen alles, was er bisher sich vorgeslellt hatte in un klaren Begriffen von der Malerei,
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