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Ottendorfer Zeitung : 21.07.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191607219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19160721
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19160721
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-07
- Tag 1916-07-21
-
Monat
1916-07
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 21.07.1916
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Kem kwngerfrieäe. Wie schwer ein Wirtschaftskörper von siebzig Millionen sich einrichiet, das erfuhren wir in den bisherigen Kriegsmonaten, das erfahren wir jetzt von Tag zu Tag neu, wo es sich nm die Einrichtung auf das dritte Kriegsjahr han delt. Die gewaltige Verwicklung der verkehrs- wirtschastlichen Beziehungen, die Verschlungen- heit der Wege, die die Lebensmittel wandern vom Acker bis in die Küche, die vielseitigen Be dingungen, von denen der Ausbau der land wirtschaftlichen Erzeugung abhängig ist, all das ist unserem Volke klar geworden, als wir an fingen, die Haushaltjührnng nach Bedarf und Vorrat in die Hand zu nehmen. Die Not fernzuhalten, die Knappheit auf das Erträgliche zu mindern, wenn nicht gar zu überwinden, das war die Aufgabe. Aber scheint diese Ausgabe überhaupt möglich; deuten nicht so viele Beschwernisse und Klagen auf unüber windbare Not? Es wäre falsch, das zu glauben. Wir werden manches entbehren müssen, wir werden die Breite der Lebcns- haltung, wie wir sie vor dem Kriege kannten, nicht beibehaltcn können; aber mit derselben Sicherheit können wir sagen, Not, erdrückende Not wird nicht an uns herantreten. Wenn eine orhebliche Einschränkung nötig wird, so bedeutet das zwar ein Aufgeben eingewurzelter Gewohn heiten und einen Rückgang in der Lebens haltung, aber immer ein Aufgeben reicher Ver- brauchsgcwohnheiten und eine Minderung einer sehr hohen Lebenshaltung; und von da bis zu Not und Hungerfrieden ist ein gewaltig weiser Weg, den wir keinesfalls durchmessen werden müssen. Es sei mit aller Schärfe festgestellt, daß von den wichtigsten Lebensmitteln ein Vorrat vor handen ist, der es ermöglicht, das deutsche Volk aus der eigenen Erzeugung des Landes auch bei weiterer Fortdauer des Krieges in der Nahrungsversorgung zu sichern. Diese Gewiß heit bewährte sich für das laufende Erntejahr, trotzdem dieses Erntejahr besonders ungünstige Witterungsverhältnisse aufgewiesen hat, die nach dem Urteil landtvirtschaftlicher Sachverständiger in weiten Bezirken, besonders des Getreide baues im Osten, Jahrzehnte hindurch nicht un günstiger vorgekommen sind. Was in diesem Jahre möglich war, wird es also auch im fol genden Erntejahre sein. Mögen Milch, Butter, Fett und manche Einfuhrprodukte sehr knapp werden: die Möglichkeit des Durchhaltens ist keineswegs in Frage gestellt. Der günstige Saatenstand dieses Jahres eröffnet alle Aus sichten auf eine reichliche Ernte, und mit dieser ist dann unsere Versorgung sichergestellt bis in den Herbst 1917. Mancher wird sagen: Wenn die Schwierig keiten schon so grosi waren, was soll dann noch erst bei längerer Dauer des Krieges werden, wo doch notwendig mit der Dauer des Krieges die Not sich verschärft? Dieses Bedenken klingt sehr überzeugend; es ist ja in der Tat die stärkste Stütze aller Hoffnungen unserer Feinde. Aber dieses Bedenken ist nicht sowohl begründet wie es scheint. Es hat zwei schwache Punkte: Seine erste Schwäche liegt darin, daß es über sieht, in wie großem Umfange unsere bisherigen Ernährungsschwierigkeiten verschuldet waren durch Mängel in der Organisation der Beschaffung und des Verkehrs, und durch Mängel in der Verteilung und Zuteilung. Soweit die Schwierigkeiten aus solchen Mängeln herrührten, ist alles geschehen, sie zu überwinden. Einrichtungen sind getroffen worden, Verkehrserleichterungen sind geschaffen worden, die die relativen Knappheitserscheinungen zum mindesten stark verringerten; in diesen Einrich tungen haben wir nun die Formen, die unter den Verhältnissen unserer Kriegswirtschaft für die Sicherung und Regelung der Ernährung nötig sind. Die Kernfrage ist somit, ob wir überhaupt für die Ernährung Lebensmittel genug haben. Damit kommen wir zum zweiten schwachen Punkt der eben erwähnten Befürch tung. Es ist unrichtig, ohne weiteres anzunehmen, daß die Erzeugung von Nahrungsmitteln sich notwendig mit der Dauer des Krieges verringern muß. Es ist vielleicht viel richtiger zu sagen, daß unsere heimische Erzeugung sich mit der Dauer des Krieges einrichtet auf das Fehlen aus ländischer Futtermittel und Düngestoffe, und daß im Umfange, wie diese Einrichtung vor sich geht, die Auslandszufuhr einigermaßen vollgültig er setzt wird. Für diese Auffassung spricht min destens ebensoviel wie für die entgegengesetzte. Unsere Kalkstickstoffwerke, unsere Futterhefe anlagen, unsere Fabriken zur Herstellung von Strohkraftsuttermitteln gelangen erst mit der Zeit zu gesteigerten Erzeugungsleistungen; und im Grade, wie ihre Leistung zunimmt, ersetzen sie das, was uns die Zusuhrsperre an Futter mitteln und Düngestoffen abgeschnilten hat, schaffen damit eine im deutschen Boden wurzelnde Sicherung alles dessen, was wir sür die Er nährung von Heer und Volk benötigen. Die Entwicklung unserer Nahrungswirtschaft läßt sich also folgendermaßen darstellen: in den ersten Monaten des Krieges spürten wir keine fühlbare Knappheit, weil wir Auslandsvorräte noch aufzubrauchen hatten; mit dem Zusammen schmelzen dieser Auslandsvorräte wurde die Knappheit immer fühlbarer; der Druck dieser Knappheit zwang uns, die Auslandszufuhr durch eigene Erzeugung zu ersetzen; naturgemäß geht das nicht von heut auf morgen, und für diese Übergangszeit sühlten wir Nöte und Ent behrungen ziemlich stark, mit der Steigerung der Neuanlagen und neuen Beschaffungswege aus eigener Produktion nimmt die Knappheit fühlbarer ab, gelangen wir auf den Versorgungs stand, den vor. dem Kriege manche Kreise als erstrebenswert hinstellten: auf die Befriedigung unserer nahrungswirtschaftlichen Ansprüche durch die eigene deutsche Erzeugung. Damit sind die Befürchtungen und, so weit unsere Gegner in Frage stehen, auch die Hoffnungen derer als gegenstandslos erwiesen, die der Ansicht sind, mit der Dauer des Krieges würde doch noch die Not an unsere Türen klopfen und uns einen bedingungslosen Hungerfrieden diktieren. verschiedene Uriegrnachrichten. „Ernstliche Sorge" um Verdun. Nach holländischen Blättermeldungen ist man in Pariser militärischen Kreisen ernstlich um das Schicksal Verduns besorgt. Die erwartete Entlastung von dem deutschen Druck, der vor allem von der riesigen Menge deutscher Artillerie, die vor Verdun zusammengezogen sei, ausgehe, sei vorläufig trotz der Offensive in der Picardie noch nicht eingetroffen. Es könne aber keine Rede davon sein, daß die Franzosen, um schwere Verluste zu vermeiden, die Festung preisgeben würden. General Main soll erklärt haben, daß die Franzosen, selbst wenn es den 42 - Zentimeter - Geschützen ge länge, einen Zugang zur Stadt zu erzwingen, noch jedes Haus und jede Straße bis zum äußersten verteidigen würden, selbst wenn die ganze Stadt dem Erdboden gleich gemacht werden würde. — Mit großem Be dauern stellt der ,Temps' fest, daß es der fran zösischen Heeresleitung unmöglich ist, den nach der,Times' von den Deutschen gegen Verdun aufgebotenen 2000 Kanonen ein gleichwertiges Artilleriematerial rntgegenzusetzen. Es sei sür den französischen Verproviantierungsdienst im ! Gebiet von Verdun eine außerordentlich schwierige Aufgabe, eine solche Geschützmasse mit der ausreichenden Munition zu versehen, da die für den Transport notwendige Linie Lorouville— Verdun unter dem Feuer des vom Feinde be setzten Forts Camp des Romains liege. * Schwere Verluste der Franzosen und Engländer. Der Pariser Korrespondent der ,Tijd' schreibt, er habe von einem Priester, der als Sanitäts soldat Dienst tut, eine schreckliche Schil derung über die französischen Verluste von Fleury erhallen. Das Tal liegt voller Leichen. Alle fünf Minuten sielen am Ein gänge nach dem Tale Granaten schwersten Kalibers nieder, so daß eS keine einzige Stelle gäbe, die nicht vollständig umwühlt sei. * . Russisches Ohnmachtseingeständnis. Die ,Times' meldet aus Petersburg: Ein Berichterstatter, der sich bei der mittleren Heeresgruppe der Russen befindet, beschreibt in einem Bericht vom 11. Juli die Schwierig keiten, mit denen die Russen zu kämpfen haben. Diese seien ähnlich denen der Franzosen und Engländer im Westen. Man dürfe nicht zuviel erwarten und nicht annehmen, daß es den Russen hier gelingen werde durch zustoßen. Sie ständen vielmehr einem ganz anderen Gegner gegenüber wie General Brussi- low. Dadurch jedoch, daß sie den Feind in seinen Stellungen festhielten, erleichterten sie die Aufgabe der russischen Truppen im Süden des Pripet. Das Verhängnis Kelgiens. Voraussage des belgischen Majors Girard. Der belgische Major Girard hat ein Buch veröffentlicht, daS den Titel trägt: „Wie ein Belgier das Verhängnis seines Vaterlandes voraussah." Das Werk, das für die Vor geschichte des Krieges von nicht zu unterschätzen der Bedeutung ist, enthält den Wiederabdruck zweier Aufsätze, die der Verfasser in den Jahren 1889 und 1912 veröffentlicht hat, zu einer Zeit also, in der die Völker noch keineswegs an einen Weltkrieg dachten. Der Major Girard aber hielt schon 1889 die von der belgischen Regierung getriebene Kriegspolitik für so ver hängnisvoll, daß er den Offiziersrock auszog, um in voller Unabhängigkeit mit Nach druck und Ernst auf die Gefahren und unaus bleiblichen Folgen hinzuweisen. Seine von tiefer und wohlbegründeter Sorge um sein Vaterland diktierten Mahnungen freilich fruchteten nichts, aber sie sind uns Deutschen heute von höchstem politischen Wert, da sie beweisen, daß es für uns unumgänglich notwendig war, in Belgien einzurücken und uns nicht auf die „Neutralität" dieses Landes zu verlassen. In der Geschichte seines Landes weiß der Verfasser besser Be scheid als die leitenden Politiker, denen er Un kenntnis und Verletzung alter Verträge nach weist, durch welche Belgien ganz bestimmte Verpflichtungen Preußen-Deutschland gegenüber hatte. Die belgische Regierung hatte die ge schichtlichen Grundlagen der belgischen Neu tralität vergessen und befand sich in einer ganz irrtümlichen Vorstellung von dem Wesen dieser Neutralität. Man möchte fast auf den Gedanken kommen, daß man in unserem Ministerium des Aus wärtigen die Schlüssel zu der Schublade, in der die Verträge schlummern, verloren habe, meint Girard voll Hohn. Er gibt dann eine klare Darstellung jener Verträge. Dabei macht er einmal eine für die englische Politik sehr be zeichnende Äußerung: „Der neue Staat (Belgien) verdankte unzweifelhaft sein Dasein der englischen Diplomatie; aber deren Ziel war erreicht worden. Die belgischen Provinzen waren der Preis gewesen, den England an Holland gezahlt hatte, um die Kapkolonie und die Niederlassungen von Ceylon, von Demerara, von Essequilo und Berbice zu behalten, deren es sich im Lause des Krieges gegen Frankreich bemächtigt. Nachdem es den Gewinn eingesteckt hatte, war England nichts mehr schuldig." Ein schönes Beispiel sür die Politik des uneigen nützigen Beschützers der kleinen Staaten und der Neutralen! Major Girard setzt sich dann eingehend mit der Frage auseinander, wie Belgien sich auf Grund seiner Verpflichtungen und in Hinsicht auf die Schwäche seines Heeres bei einem kriegerischen Zusammenstoß zwischen Deutschland und Frankreich, den er als unvermeidlich ansah, verhalten müsse. 1889 schrieb er: „Belgien wird der Geschichte das denkwürdige Beispiel eines durch politische Sorglosigkeit herbeigejührten Zusammenbruches bieten. Es hält sich für un entbehrlich und ist doch nichts als ein Not behelf. Es hält sich für neutral und ist doch nur ohnmächtig. Es glaubt an Verbündete, und es wird nur Gebieter haben. Es glaubt, den zuerst Eindringenden einschüchtern zu können, und wird doch nur sein Spielball sein. Es glaubt eine Armee zu haben, und hat nichts Eine L,üge. 12j Roman von Ludwig Rohmann. Kortsehung.) Dann drängten die andern hinzu, auch Werkenthin. „Da ich keine Wahl habe — auf ein Jahr!" Als alle wieder auf ihren Plätzen waren, ließ Paul die Gläser füllen, dann erhob er den eigenen Humpen gegen die Menge. „Prositi" rief er laut, „auf ein gutes Ge deihen I" Die Leute stießen untereinander an und ein mächtiges Prosit hallte von den Wänden wider. Dann mahnte Paul zum Aufbruch. „Kommen Sie, Herr Lehrer — ich hall's hier nicht mehr aus." Manders erhob sich schweigend. Er fühlte sich äußerst unbehaglich und bedauerte, daß er mitgekommen war. Die Sache hatte einen Ver lauf genommen, der ihn sehr bedenklich machte, und doch trug er, ob sie nun gut ging oder nicht, unter allen Umständen einen Teil der Verantwortung. Das Auftreten Pauls in der Versammlung und ein unbestimmtes Gefühl sagten ihm, daß er schwer an dieser Verant wortung zu tragen haben werde. Auch ihn drängte es hinanszukommen. Da heim wollte er dann alles noch einmal in Ruhe überdenken und mit sich selbst ins Klare kommen, ob er sich einen Einfluß auf die weitere Gestaltung der Dinge sichern sollte oder nicht. Paul ging voran, lachend und händeschüttelnd. und Manders folgte ihm, nach rechts und links ernst grüßend. An der Tür stand Hans Kramer, der seinen tiefsten Diener machte. „Lassen Sie's Bier nicht ausgehen, Herr Wirt," rief Paul gut gelaunt , „solch ein Ereignis will begossen sein, und die Leute haben ja einstweilen noch Zeit, einen Kater z'» verschlafen." Als er draußen war, schwang Hans seine Mütze in der Luft. „Hurra, der junge Herr! Kinder, das ist einer, wie wir ihn brauchen. Hurra!" Und die Leute stimmten fröhlich ein „Hurra!" 7. „Der Herr bittet um die Erlaubnis —" Der Diener brachte Herrn Berg eine schmale, feingestochene Visitenkarte auf einem silbernen Tablett. Berg saß vor seinem Schreibtisch und lässig griff er nach der Karte: „Paul Bornemann." Berg blieb ruhig sitzen. Aber ein Schwäche anfall überkam ihn und vorübergehend hatte er die Empfindung, als wollten ihm die Sinne schwinden. Der Diener, der in respektvoller Haltung ge wartet hatte, räusperte sich diskret und Berg schreckte empor. „Der Herr ist mir willkommen," sagte er. Aber als der Diener bereits an der Türe war, rief er ihn nochmals an. „Aber bitten Sie den Herrn, sich einen Augenblick zu gedulden; ich bin beschäftigt und werde läuten, wenn ich fertig bin." „Sehr wohl!" Als Berg allein war, nahm er die Karte wieder in die Hand, und seine Augen hingen wie gebannt auf dem Namen, der dort ge schrieben stand. Dann bedeckte er in plötzlicher Erschütterung die Augen mit der linken Hand, und so saß er unbeweglich einige Minuten. Als ? er die Hand wieder sinken ließ, glänzte es feucht * in seinen Augen, und der Blick verlor sich ge dankenvoll ins Leere. Plötzlich schreckte er empor : der junge Mann , wartete ja. ! Er fuhr mit der Hand hastig über die Augen und drückie entschlossen auf den Knops der elektrischen Birne. Mochte er kommen l Berg erhob sich, als Paul eintrat. „Mein lieber Herr Bornemann —!" Er ging ihm mit großer Lebhaftigkeit entgegen. „Ich freue mich unendlich, daß nun auch Sie mich aufsuchen I" Er schüttelte Paul herzlich die Hand und lud ihn dann zum Sitzen ein. „Haben Sie Ihre Schwester schon begrüßt?" Paul saß ein wenig steif in dem weichen Ledersessel. „Nein," erklärte er im Ton korrekter Förm lichkeit. „Ich freue mich allerdings sehr, Inge wiederzusehen, aber ich bin doch nicht nur dämm hierher gekommen." „Ah!" Berg sah den jungen Mann forschend an. „Wenn es nicht indiskret ist —" „Ich komme zu Ihnen — dem Freund meines armen Vaters — und ich bitte um Vergebung, wenn ich ohne Umschweife ausspreche, was ich auf dem Herzen habe." als einen Haufen, der unfähig ist, im gegebenen Moment zu handeln. Es glaubt, die erste Festung der Welt zu besitzen, und hat doch nichts als eine Mausefalle..." Und 1912 hält er seinen Landsleuten vor: „Da die Annahme eines Eroberungskrieges ausgeschloffen ist, so kann die Absicht, in der die Armeen Frankreichs und Deutschlands unsere Grenzen überschreiten, nur strategischer^. Natur sein. Was wird eine Armee, die aus solchem Grunde neutrales Gebiet verletzen muß, als das Vorteilhafteste sür sich betrachten? Gewiß nicht, mit Gewehrschüssen empfangen zu werden, sondern im Gegenteil einer würdigen, sich ins Unab änderliche fügenden Ergebung zu begegnen . . . Es liegt demnach im Interesse unserer beiden Nachbarn, unser Land als Freunde zu betreten und uns so wenig Unannehmlichkeiten wie mög lich zu bereiten, reichlich zu bezahlen, waS ge fordert werden muß, und uns vollständige Ent schädigung zu gewähren für die von ihnen etwa verursachten Schäden." Wie anders stände es jetzt um Belgien, wenn es diese wohlbegründeten Ratschläge berück sichtigt und unsere völlig dementsprechenden Vorschläge vor dem als notwendig erkannten Ein marsch, die bekanntlich nochmals nach dem Fall von Lüttich wiederholt wurden, angenommen hätte! Politische Armälckau. Deutschland. *Das sächsische Finanzministe rium hat auf eine Eingabe der Leipziger städtischen Körperschaften erklärt, daß nach dem Kriege eine Reform des Einkommen steuergesetzes vorgenommen werden solle, wobei besonders der sogenannte Kinderparagraph eine Erweiterung erfahren soll. Auch will man die Frage erörtern, ob unverheiratete Personen nicht stärker als bisher zur Einkommensteuer herangezogen werden können. Eine Jung gesellensteuer, die vielfach angeregt worden ist, dürfte wohl kaum in Frage kommen. England. *Der englische Schatzkanzler und die Finanzminister Frankreichs, Ruß lands und Italiens hielten in den letzten Tagen eine Reihe von Besprechungen ab und berieten sich auch gemeinsam mit den Munitions ministern Englands und Frankreichs sowie dem russischen Generalstabschef über die finanziellen Abmachungen, die nötig sind, um den militä rischen und anderen Erfordernissen der ver schiedenen Regierungen im genreinsamen Interesse dec Verbündeten gerecht zu werden. Es wurde ein Abkommen betreffend die gemeinsamen Interessen der vier Mächte erreicht mit dem Ziel, ihre vereinten Abmachungen sür Vorräte und Finanzen weiterhin in Einklang zu bringen. * In Irland sind neue Unruhen ausgebrochen. Etwa 1000 Anhänger der Sinn- Feinbewegung veranstalteten in Code eine große Kundgebung, indem sie rebellische Lieder sangen, die Polizei und das Militär auszischten und schließlich das Werbebureau zerstörten. Die Wohnung des Hauptmanns, der seit Beginn des Krieges die Rekrutierung leitet, wurde mit Teer beschmiert und mit der Aufschrift versehen: „Hoch die Republik!" — In verschiedenen anderen Orten mußte die Polizei durch Militär verstärkt werden. Rußland. *Uber die innere Lage im Zaren reich geben einige Zeitungsartikel Kunde, die in Petersburger Blättern erschienen und offen bar der Aufmerksamkeit des Zensors entgangen sind. Danach soll ein besonderes Polizei- ministerinm eingerichtet werden, damit das Aus land über die Lebensmittelskandale in Rußland ein falsches Bild erhalte. Der Metsch' zufolge wurde eine besondere Tele gramm-Agentur mit einem bekannten Natio nalisten an der Spitze gegründet, die vorschrifts widrige Mitteilungen über die Lebensmittel zustände verbreitet. Ein anderes Blatt weiß von einem Offenen Brief an den Zaren zu be richten, in dem die Parteien der Rechten auf die zunehmende Gefahr einer Revo lution Hinweisen und eine starke Regierung fordern. Berg war lebhaft beunruhigt. „Sehr gut — ich liebe die Umschweife nicht." Paul nahm sich ein Herz. . . „Sje hatten die große Güte, sich uns mit Rat und Tat zur Verfügung zu stellen. Sie haben Inge in der liebenswürdigsten Weise aus genommen und das beweist mir, daß Ihr att erbieten mehr war als nur eine tröstende Förm lichkeit —" „Wer selbstverständlich ist mein Anerbieten durchaus ernst und — ich muß das anscheinend doch erst betonen — herzlich gemeint gewesen." Berg wurde plötzlich lebhaft und eine leise Freudigkeit klang aus seinen Worten heraus. „Ich bitte Sie, ganz über mich zu verfügen." „Ich halte dafür, daß alles Unangenehme so schnell als möglich getan werden sollte; darum hab' ich es vermeiden wollen, Ihr Gast zu sein und eine Bitte im Hinterhalt zu haben, die Sie mir vielleicht doch nicht erfüllen können. Also lassen Sie mich's kurz sagen: Ich brauche Ihre Hilse." Und nun erzählte er kurz, was er unter nehmen wolle, wie weit die Sache schon gediehen sei und daß nun alles nur von dem Vorhanden sein eines kleinen Kapitals abhänge, nm das er Herrn Berg habe bitten wollen. Die knappe, geschäftliche Art gefiel Berg un gemein. „Nun" — es klang beinahe scherzhaft — „das Kapital wird ja wohl zu beschaffen sein. Wie viel denken Sie?" Paul zögerte einen AiigerÄick. „Es ist viel I" sagte er vorsichtig.
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