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Ottendorfer Zeitung : 26.11.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191611265
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19161126
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19161126
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-11
- Tag 1916-11-26
-
Monat
1916-11
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 26.11.1916
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Xailer franL ^olepk Mitten im lobenden Länn des Weltkriegs Hot Kaiser Franz Joseph das Haupt zur Ruhe gelegt. Ungebrocheneu Geistes hat er seine Negentenpflichtcn getreu erttillt, bis mit dem letzten Atemzug ' dies Keben ausgetöscht wurde, das altes Leid und alle Gröhe menschlichen Schickials umschloß. Iu liebe voller Ehrfurcht verweilt unser Sinnen in diesen Stunden bei der ritterlich-milden Gestalt des Kaisers, von der in alten wie in jungen Jahren ein unvergleichlich hoher Zauber aus- giug. In tiefer Trauer teilen wir den Schmerz, der die österreichisch-ungarische Monarchie bis in die letzte Hütte bewegt. Zwischen dem Monarchen und seinen Völkern bestand ein Verhältnis von einer persönlichen Innigkeit, wie cs sich nicht ost in der Welt geschichte wiederholt hat. Gewiß hat viel dazu die lange Dauer dieser Negierung getan, die die Entwicklung Österreich-Ungarns seit einer Zeit umfaßte, die keiner der heule politisch wirkenden Männer in ihren Anfängen handelnd nuterlebte. So verkörperte sich in dem Kaiser und König den Völkern der Monarchie eine an inneren und äußeren Ereignissen überreiche GeWchls- Keriode. Zu ihnen sprach iu der ehrwürdigen Persou oes Herrschers die lebendige Überlieferung. Die Anhänglichkeit an das Herrscherhaus, jener alt überlieferte Schatz der Habsburgischen Krone, hatte sich zu einem unverbrüchlichen Treu- verhällnis verlieft, das im staatlichen Leben der Monarchie eine allen Prüfungen slaudhaltende Tragkraft bewährte. Dem Bündnis mit dem Deutschen Reiche war Kaiser Franz Joseph ein Hüter von un wandelbarer Festigkeit. Es war die Grundlage der friedlichen Politik, die er im engen Ein vernehmen mit den Lenkern des Deutschen Resches zum Segen Europas Jahrzehnte hindurch aufrecht erhielt. Trotz aller Welkerzeichen und wachsenden Gefahren schien es, daß seine Regierung im Frieden zu Ende gehen sollte. Da gaben die Schüsse von Serajewo das weithin hallende Signal zu der surcht- baren Krisis, die über Europa herein brach. Die zum Kriege treibenden Mächte hatten die Oberhand gewonnen. Ihr erster Schlag richtete sich gegen das Habs burgische Haus. Es ging um das Dasein der österreichisch - ungarischen Monarchie. Ohne Wanken hat Kaiser Franz Joseph auch in dieser schwersten Prüfung gestanden. Wenn es ihm nicht mehr beschieden war, seine Völker zum letzten Sieg und zum Frieden zu führen, so durfte er doch das Werk getrosten Mutes in die jugendkräftigen Hände seines Nach folgers legen. Siegreich steht Osterreich-Ungarn dem Anprall seiner Feinde. Klar leuchtet Habs burgs Stern durch Wetterwolken und Sturmes- drang! Wenn schon der Tod eines Herrschers in normalen Zeilen fast immer ein schwerer Schlag für einen Staat ist, so muß der Tod dieses Monarchen, der, ganz abgesehen von seinen persönlichen Eigenschaften, schon durch die Länge seiner Aegierungszeit ein ge waltiger Machtfaktor in seinen Staaten geworden war, eine ganz besonders große Lücke reißen. Und sein Scheiden aus dein komplizierten Mecha nismus der österreichisch-ungarischen Staats verwaltung wird selbstverständlich um so schwerer empfunden, als es an die Zeit fällt, da unge heure Ereignisse über die Zukunst Österreich- Ungarns entscheiden. . Es unterliegt denn auch keinem Zweifel, daß Deutschlands und Österreichs Feinde diesen Tod frohlockend als einen Aktivposten in ihre Kriegsbilanz einreihen werden. > Konnte man doch schon längst vor dem Ausbruch des .Krieges von Leuten, die sich ganz besonders weise dünklen, die Behauptung aussprechen hören, daß der ganze österreichische Staat nur noch durch die Persönlichkeit des alten Kaisers zusammengehalten würde. JmLager unsererFeindewirddeshaib in diesen Tagen Jubel herrschen; denn dort hofft inan, daß der Tod des greisen Alonarchen von be sonderem Einfluß auf die innere Politik sein, daß er alten Hader emporflammen lassen wird. Diese Hoffnung wird sich nicht erfüllen; deun der Nachfolger, der jugendliche Kaiser Karl I., hat sich schnell die Herzen des Volkes gewonnen, während er im Verlaufe des Krieges au der Front weilte. Er wird deshalb auch voll das Erbe des) großen Token anireten. Habsburgs Macht bleibt ungeschwächt. Fast ein Knabe noch, ward Franz Joseph auf den Thronsessel der Habsburger gehoben; brachte die Jünglingsjahre, die Frühlingszeit männlicher Jugend auf dem Thron zu, ward unter dem Schmuck der Kaiserkrone zum Mann, zum Greis, war Majestät all seine Tage. Nur Victoria von England hat im ahgelaufenen Jahr hundert ein Leben auf eines Thrones Höhe ver bracht. Und nimmt man nur die Schauspiele der Geschichte, die Franz Joseph von seinem Herrschersitz aus hat abrollen sehen, dann hat Kaiser Franz Joseph. dies Leben schon Größe. Er sah die Republik in Frankreich. Sah den dritten Napoleon das zweite Kaiserreich ausrichten, sah dieses Kaiser reich in Trümmer gehen und die Einheit Deutschlands aufblühen. Sah, wie der mächtige Leib des Türkenreiches allmählich zerstückelt wurde und wie aus den kleinen Fürsten auf der Balkanhalbinsel sich Herrscher ent wickelten, die dein großen Österreich Gegner wurden. Er sah Friedrich Wilhelm IV., sah Kaiser Wilhelm I., Kaiser Friedrich, Wilhelm II., hat den vierten Erben der deutschen Kaiserkrone aus der Taufe gehoben und sah den fünften noch das Licht der Welt erblicken. Er sah die alle Königin Victoria von England, sah, wie aus dem Prinzen von Wales ein Eduard VII. wurde und erlebte auch noch dessen Sohnes, Georgs V., Königtum. Er sah den Zaren Nikolaus I., sah den zweiten und dritten Alexander und Nikolaus den Enkel. Er sah die Päpste. Sah des neunten langes Pou- kiflikat, sah die lange Hohepriesterschaft des drei zehnten Leo, sah den Patriarchen von Venedig sich, als Pius X., dis Tiara auf das Haupt setzen und Benedikt XV. auf den päpstlichen Thron steigen. Er sah die weltliche Macht des Papstes vernichtet, sah das HauS Savoyen auf den Trümmern vernichteterFürstenlhrone das geeinte Königreich Italien errichten. Und hat drei Könige von Italien geschaut, der kleineren Regenten, der Präsidentschaften gar nicht zu gedenken. Und der nun Verewigte hat des Leides viel erfahren. Der Sohn fiel einem geheimnisvollen Verbrechen zum Opfer, die Gattin ward ihm ermordet, der Thronfolger grausam hingemordet. Aber das schwere Schicksal konnte den Pflicht getreuen nicht brechen. Bis zum letzten Atem zuge galt feine Sorge und seine Arbeit seinen Völkern, mit denen wir trauernd an her Bahre eines ganz Großen dieser Welt stehen, an der Bahre eines Mannes, der ein leuchtendes Vor bild für alle sein muß, die ihr Leben an ihre Pflicht hingeben. d-„vLMlcklLnäs" (LukaU. Ein feindlicher Anschlag! Der Unfall des Handels-II-Bootes „Deutsch land", das bei seiner Abfahrt von New London mit einem Begleitschlepper zusammenstieß, ist in seinen Ursachen und seinem Verlauf noch nicht geklärt. Reuters (als unzuverlässig bekanntes) Bureau meldet, daß ein Motorboot versucht hatte, die „Deutschland" zu rammen und daß sich beim Ausweichen des II-Bootes der Unfall ereignete. Das Handels-H-Boot wurde bei seiner Ausfahrt von zwei Schleppern begleitet. Einer fuhr voraus und der andere hinterher, um die Sicherheit der Fahrt zu gewährleisten. Ein amerikanischer Kreuzer „Columbia" war zur Erhöhung der Sicherheit des Handels-II-Bootes nach dem Hafen New London gekommen und lag bei Easternpoint vor Anker. Da die Eng länder schon mehrfach gezeigt haben, daß sie von dem Hoheitsrecht neutraler Staaten nur sehr geringe Achtung haben, und daß darum sichtlich Gefahr vorlag, daß unserem Handels-U- Boot von englischer Seite Gefahr drohte, so suchte der amerikanische Kreuzer „Columbia" vor der Abreise der „Deutschland" den unteren Hafen ab. Erst nach der Fahrt um Montaukpoint und nachdem die Mündung des Hafens bereits er reicht war, kann der Zusammenstoß der U-„Deutschland" mit dem Schlepper erfolgt sein, deun bis dahin wurde das Handels U-Boot noch wohlbehalten gesehen. Man wird sich noch erinnern, daß bei der ersten Ankunft der U-„Deutschland" im ameri kanischen Hafen New-Port ihr allerlei Ge fahren zugedacht waren. Es wäre nicht sonderlich schwer gewesen, durch ein von den Engländern bestochenes Schiff unser U-Boot zu " rammen und dadurch beschädigen zu lassen. Im Hafen waren aber dagegen alle Maßnahmen getroffen worden, das Handels U-Boot zu schützen. Eine Anzahl befreundeter Schiffe legte sich derartig um das Boot, daß eiue „zufällige" Beschädigung von feiten eines feindlich gesinnten Schiffes nicht möglich war. Bei der zweiten Hinfahrt ist auch die Ein fahrt in den Hafen durch Schlepper erfolgt und bekanntlich auch ohne Störung verlaufen. Erst jetzt bei der Ausfahrt kam es — vorausgesetzt, daß die Reuter-Meldung zutrifft — zu diesem Zusammenstoß. Uber die Hafenverhältnisse kann gesagt werden, daß sie recht günstig sind. Wenn der Zusammenstoß der U-„Deutschland" mit dem Schlepper ein unglücklicher Zufall war, kann un sichtiges Wetter die Schuld daran getragen haben, das gerade in der Bucht des öfteren herrscht. Über die Beschädigung der „Deutschland" werden auch keine Mitteilungen gemacht. Die Tatsache aber, daß das H-Boot in den Hafen zurückgekehrt ist, ist ein Beweis dafür, daß et waige Beschädigungen nicht sehr groß gewesen sein können. Wir können darum trotz des un glücklichen Vorfalles mit einer früher oder späteren glücklichen Rückkehr der „O-Denlschlaud" in die Heimat rechnen, da angenommen werden kann, daß etwaige Schäden leicht ausgebessert werden können. Gerade der Hafen von New-London und seine Lage zu den großen Docks gibt die Gewähr dafür. verschiedene Uriegsnachrichten. Italienische Mißerfolge. Aus dem Wiener Kricgspresseamt wird ge meldet: Die feindliche Presse, insbesondere jene Italiens, kann sich in Übertreibungen der in den letzten Schlachten im Görzischen erzielten Erfolge nicht genug tun. Demgegenüber seien die Tatsachen zusammenfassend tlargelegt: Im Küstenlands hatten unsere Truppen bisher neun Bert e i d i g u ng s s ch l a ch t e n zu schlagen. Unsere Front blieb nördlich Salcano unverändert. Nur zwischen diesem Orte und dem Meere erfuhr sie eine Veränderung. Somit hat der Feind im Görzischen, wo nach und nach fast alle Verbände seines Heeres auftraten, in anderthalb Jahren einen Raumgewinn von höchstens zwölf Kilometern erzielt. Dieser Fort schritt kostete die Italiener weit über eine Million blutiger Verluste. Die Zahl der seit Anfang August, also in vier Schlachten, gemachten Gefangenen wird von italienischer Seite bekanntermaßen auf 40 000 zusammengerechnet. Wir haben an der Süd» Westfront einmal angegriffen und dabei 50000 Gefangene und über 300 Geschütze eingebracht. * Zur Räumung von Monaftir. Die italienische Presse feiert die Einnahme von Monaftir mit dem ühlichen Redeschwung. Sie stützt sich absichtlich auf falsche serbische Be richte, die von Kampf und Sieg, Gefangenen, Trophäen und der Flucht der Feinde melden, während der französische Bericht die frei willige Räumung ausdrücklich zugibt. * Rumäniens schwere Verluste. Die .Kölnische Zeitung' schreibt: Die schweren Schläge, die das rumänische Heer durch Mackensen in der Dobrudscha empfangen hat, vernichteten zugleich mit den Niederlagen durch Falkenhayn und Arz einen so großen Teil der rumänischen Kräfte, daß wenigstens ein gutes Drittel davon als außer Gefecht gesetzt betrachtet werden muß. pollMeks AunMckau. Deutschland. * Der Staatssekretär des Äußern v.Jagow ist von seinem Posten zurückgetreten, da die an gestrengte Arbeit der letzten Jahre seinen Ge sundheitszustand ungünstig beeinflußt hat. Zum Nachfolger ist Unterstaatssekretär Zimmer mann in Aussicht genommen. * Das jetzt veröffentlichte und dem Reichs tage zugegangene Hilfsdienstgesetz ver pflichtet jeden männlichen Deutschen vom 17. bis zum 60. Jahre zum vaterländischen Hilfsdienst, sosern er nicht zu den Waffen einberufen ist. Schweiz. * Die Baseler ,Nationalzeitung' versichert, daß die Nachricht von WilsonsFriedens- vermittlungsversuch von einer Persön lichkeit stammen, die selbst mit bei der Ver mittlung tätig sei. Die Forderungen der beiden Parteien, soweit sie den Unterhändlern bekannt- gegeben worden seien, ständen in schroffsten: Gegensätze zueinander, vor allem habe sich Präsident Wilson über die Grundfrage noch nicht entschieden, ob das Angebot der Vermitt lung und die Vorschläge der Neutralen offiziell der Welt mitgeteilt werden sollen. Solange über diese Fragen auch bei den Neutralen keine Einigkeit erzielt sei, dürste ein bedeutender Fortschritt in der Vermitllungsfrage nicht zu er zielen sein. Ebenso sei es ungewiß, ob die Neutralen versuchen könnten, irgend welchen Druck auf die Kriegführenden auszuüben. Norwegen. * Allem Anschein nach hat die Spannung zwischen Deutschland und Norwegen bereits nachgelassen. Der Ton der norwegischen Presse verändert sich sichtlich immer mehr in versöhn lichem Sinne. Deutlich sieht man jetzt bei den meisten Blättern die Absicht, sich mit Deutsch land zu verständigen und den schon früher an gestrebten Ausgleich über die schwebende Streit frage zu ermöglichen. Besonders bemerkenswert ist das Zugeständnis mehrerer Blätter, daß Form wie Zeitpunkt der norwegischen ll-Boot- Verordnung vom 13. Oktober glücklicher hätten gewählt werden können: Portugal. * Englischen Blältermeldungeu zufolge liegen von den 7 2 deutschen Schiffen, die im Hafen von Lissabon beschlagnahmt wurden, jetzt: noch 9 auf verschiedenen Werften, wo an ihrer Ausbesserung gearbeitet wird. Alle übrigen Schiffe, einschließlich der aus den Kolonien her- beigebrachtcn, sind bereits in Dienst gestellt. Eiue englische Firma Furneß hat hiervon allein 18 gemietet. Das laufende Feuiveio« wird durch folgende Erzählung «nterbroche»: Secks Mckel. Eine HZmoreskc von A d o l f Kuh le-Veilin. „Sag' mal, Albert, wer war die junge Dame, welche du soeben grüßtest?" „So neugierig, mein Lieber?" „Nenne es Neugierde, wenu du willst; was mich indessen zw der Frage veranlaßt, war die Art und Weise, wie sie deinen'Gruß erwiderte; da lag iu ihrem Gesichtchen eiue Freundlichkeit und ein Lächeln, welches zwar recht unschuldig, aber doch vielsagend wär, so als wenn Ihr zwei einen gemeinsamen Anhaltspunkt hättet, welcher höchst ergötzliche Rückerinnerungen hervorriefe." „Nicht so ühel, Herr Physiognomikus Psycho- lognsque; deinen Scharfsinn bewundere ich. Etwas Ähnliches steckt allerdings dahinter. Strenge indessen die Kräfte deines Geistes, zur näheren Erforschung des Wie und Mürnux nicht vergebens an. Ich werde dir die Ursache ihres vielsagenden Lächelns — wie du es nennst — erklären. — Nur nicht hier, wo die Menge Spaziergänger und das Gerassel der Wagen weder ein zusammenhängendes Reden noch ein aufmerksames Hören gestatten. Ein kühler Trunk -könnte nichts schaden; laß uns darum nach dem Bürgerbräu wandern, dort tu dem Schatten und der Stille einer grünbelaubteu Nische werde ich erzählen." „Wohl, ich bins zufrieden." Vorstehendes Gespräch hielten an einem Sammeltage zwei junge Smdemen in einer *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. der belebtesten Alleen des Berliner Tiergartens. Wie sie verabredet, geschah es; rüstigen Schrittes erreichten sie bald das Bürgörbrüu. Nahe dem Wasser, auf einem recht schattigen und gemüt lichen Platze ließen sie sich nieder. Nachdem ein diensteifriger, befrackter Kellner sie verlassen hatte und so niemand mehr ihre Ruhe störte, begann Albert also: „Am 2t. April Machte ich mit dem wenig Beruhigung ennlößenden Gedanken auf, daß mein ganzes Vermögen sich auf bare sechs Silbergroschen belief. Sechs Silbergroschen ist wenig und bis zum ersten Mai, welcher außer dem Frühling mir den stächen Wechsel bringen sollte, noch weit. Meine Bekannten, von denen ich, wie es eben Sitte ist, bei ähnlichen Ver- und Gelegenheiten pumpte, saßen ebenso sehr jmf dem Trocknen, wie ich. Du auch, mein Lieber, wenn du dich noch erinnerst. Genug, wenn ich mein Mittagbrot an diesem Tage ver zehrt halte, tonnte ich getrost verhungern, denn in Berlin, der Stadt der Intelligenz, kennen ja dis Wirte den anderswo üblichen Studenten- pump nicht; in elf Tagen konnte ich somit längst eine Leiche sein; länger als drei Tage soll ja der Mensch die Enthaltung von Speise und Trank nicht aushalten. Alle diese Gedanken gingen mir an jenem Morgen durch den Kopf, und als ich meinen Mokka samt dem trocknen Milchbrot verzehrt hatte, war mein Geist, er mochte Gedanken wälzen wie er wollte, noch um keinen Pfifferling Weiler in der Auffindung von Wegen, um aus diesem verzwickten Dilemma herauszukommeu. Dazu war dis Wetter trübe: dicke Nebelmassen verwerrteu die Aus sicht, hüllten die Stadt in einen grauen Schleier und ein seiner Regen fiel kalt auf die Erde. Mittlerweile war es Zeit geworden, ins Kolleg zu gehen. JL> stellte die Pfeife, die ich so lange geraucht, in die Ecke, setzte den Hut auf, stieg, die Handschuhe anzwängend, die drei Treppen hinunter und ging tiessinnend über den Bürgersteig die lange Friedrichstraße hinab. All mählich fing es stärker an zu regnen, so daß die Menschen ihrs schützenden Regenschirme auf spannten, ohne daß ich sonderlich darauf achtete. Plötzlich fuhr- ich aus meinen Träumen auf: mein noch neuer mit sieben und einer halben Mark bezahlter, schwarz und weiß gesprenkelter Filz hatte den Sitz auf meinem Haupte mit der Gosse vertauscht: ein Regenschirm, von zarter Hand Lalanziert, hatte meinen Hut an gegriffen — und da lag er nun. Ich sprang auf die Siraße, und mit einer grimmen Ver wünschung zog ich meinen Hut aus der Gosse. Schnell säuberte ich ihn provisorisch von dem Schmutze der Mutter Erde, um mich nur dem Hohne der Vorübergehenden zu ent ziehen. Alles dieses geschah in Zeit von Sekunden. Als ich nun, den Hut auf setzend, aufschaue, steht die Täterin vor mir und der ZornesauSbruch, welcher auf meiner Zunge lag, unterblieb komischerweise, denn ich blickte in ein junges, hübsches Gesichtchen, welches mit einer Mischung von Angst und Schalk haftigkeit mich anblickte, und von ihren Lippen floß der Strom der Rede und Entschuldigung: „Sie werden verzcstm, mein Herr, daß ich so ungeschickt war; es tut nur ungeheuer leid, aber . . . „Oh, bitte," fiel ich ihr lachend ins Wor und hatte mich zugleich auf den Bürgersteig ge schwungen, sodaß wir Auge in Auge uns gegen über standen — und dieses Auge mit dem leisen schelmischlächclnden Ausdruck war reizend in seiner tiefen Bläue — „oh, bitte keine Entschuldi gung ! So etwas kann jedem passieren," „Ja, aber ich war auch recht ungeschickt und Ihr hübscher Hut ist ja ganz beschmutzt." „Was mich gar nicht schmerzt, da es mir Vergnügen macht, mit Ihnen ein paar Worte zu reden." Alle Sorge, die vorher mein Gemüt be lastete, war plötzlich wie weggeblasen. „Keine Schmeichelei, mein Herr, das kann Ihnen keinen Ersatz bieten," erwiderte sie. Unter solchen Worten waren wir weiter gegangen. Aber schon sah ich zu meinem Kummer die nächste -otraßenecke, ws es zur Universität abging, und damit den Augenblick der Trennung näher und näher rücken. Da mußte wohl ein Höherer mit mir Erbarmen haben; Jupiter Pluvius legte sich ins Mittel und sandte einen wahrhaft backsteinarügcn Regen, welcher mir das Herz im Leibe lachen machte. „O weh," rie; sie aus, „kommen Sie doch schnell unter meinen Schirm I" Ich gehorchte mit Wonne ihren Worten, fügte aber hinzu: „Nun werden Sie sowohl als ich naß; be nutzen Sie ihren Schirm lieber allein, besser ich regne durch, als daß Sie einen Tropfen bekommen." „Keine Umstände," entgegnete sie, „etwas Naß schadet nicht, aber Sie könnten sich er kälten, und schuld an Ihrem Tode," fügte sie lächelnd hinzu, „will ich nicht sein."
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