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Ottendorfer Zeitung. Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm« v«n Ins«raten bis vormittag 1» Uhr. Inserate werden mit w Pf, 'für die Spaltzetle berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 131. Sonnabend, den 31, Oktober 1903. 2. Jahrgang. Bekanntmachung, die Einkommen- und Ergänrungssteuerdrklaration betr. Auü Anlaß der im Laufe des nächsten Jahres statlfindenden allgemeinen Einschätzung zur Einkommen- und Ergänzungssteuer werden zur Zeit Aufforderungen zur Deklaration des steuerpflichtigen Einkommens und bez. Vermögens ausgesendet. Denjenigen, welchen eine derartige Aufforderung nicht zugesendet werden wird, steht es frei, Deklarationen über ihr Einkommen bez. ihr ergänzungssteuerpflichtiges Vermögen bis zum 21. November dieses Jahres bei dem unterzeichneten Gemeindevorstande einzureichen. Zu diesem Zwecke werden bei Letzterem Deklarationsformulare unentgeltlich verabfolgt. Gleichzeitig werden alle Vertreter von Personen, die unter Vormundschaft oder Pfleg schaft stehen, ingleichen alle Vertreter von juristischen Personen (Stiftungen, Anstalten, ein getragenen Vereinen, eingetragenen Genossenschaften. Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Berggewerkschaften u. s. w.), sowie die Vertreter von sonstigen mit dem Rechte des Vermögenserwerbs ausgestalteten Personenvereinen und Vermögensmassen aufgefordert, für die Vertretenen, soweit dieselben ein steuerpflichtiges Einkommen oder ergänzungssteuerpflichtiges Vermögen haben bez. in Ansehung der Ergänzungs steuer der Steuerpflicht überhaupt unterliegen, Deklarationen bei dem unterzeichneten Gemeinde vorstande auch dann einzureichen, wenn ihnen deshalb besondere Aufforderungen nicht zugehen sollten. Ottendorf-Moritzdorf, am 28. Oktober 1903. Der Gemrindevorstand. Lincke. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf.Okrilla, zo. Oktober 1903. — Die Vogelwelt hat im Monat Oktober eine vollständigeVeränderung erfahren. Schwalben, Stare, Lerchen, Bachstelzen, Rotschwänzchen und wie die bekannten Sänger alle heißen, haben uns verlassen. Aus Norden kommen Drosseln und ziehen weiter. Mancher nordischer Gast wird jetzt an den Flußniederungen beobachtet. Unsere Standvögel, namentlich die Sperlinge und Dohlen, richten sich jetzt auf den Winter ein. — Die Aufnahme von Wechselpro testen. Da die Höhe der durch die Aufnahme von Wechselprotesten abseits vom Sitze eines Gerichts oder Notars erwachsenden Kosten, namentlich der Nebenspesen, in Handels- und gewerblichen Kreiselt als ein Uebelstand em pfunden wird, so war vor einiger Zeit das Ministerium des Innern in Erwägungen ein getreten, ob es nicht angczeigt sei, durch Auf hebung der gegenwärtig geltenden Beschränkung der unmittelbaren Befugnis zur Protestaufnahme auf die Notare und Gerichte Abhilfe zu schaffen. Das Justizministerium erklärte sich jedoch außer stande, den in dieser Hinsicht geäußerten Wünschen entgegenzukommen aus folgenden Gründen: WaS zunächst den Vorschlag anlange, der am meisten einer Verbilligung der Wechselproteste auf dem Lande zu statten kommen würde, die Orts- oder FriedenSriä ter ober Gemeindebeamten zur Protcstausnahme zu ermächtigen, so sei er nicht ohne Abänderung des Artikels 87 der Wechselordnung ausführbar, unterliege aber auch überdies schweren Bedenken. Denn die Ansicht, die Aufnahme eines Wechselprotestes sei ein verhältnismäßig einfaches Geschäft, das ohne Rechtskenntnisse erledigt werden könne, beruhe auf einer Verkennung der Sache. In dec Mehrzahl der Fälle werde sich allerdings der Protcstakt in einfachen und mehr oder weniger gleichmäßigen Formen vollziehen. In anderen, immerhin zahlreichen Fällen böten sich dagegen Schwierigkeiten, daß selbst erfahrene Juristen in Zweifel über das zu beobachtende Verfahren gerieten. Nicht selten würden deshalb selbst von Notaren wie von Gerichtsbeamten Verstöße begangen, die zur Nichtigkeit des PrütestakteS und damit zum Verluste des Wechselanspruchs gegen die Indossanten und der Aussteller, bei Domizilwechseln mit be nanntem Domiziliaten auch gegen den Akzep tanten führten. Wiederholte, gerade in Sachsen vorgekommene Verstöße, die zur Erhebung von Ansprüchen gegen den Staatsfiskus geführt hätten, hätten denn auch das Justizministerium veranlaßt, in einer besonderen Verordnung (vom 25. März 1901) eine Anzahl Ver haltungsmaßregeln aufzustellen, die dann auch in die neue Geschäftsordnung für die Königlich Sächsischen Justizbehörden ausgenommen worden seien. Viele Friedensrichter und Gemeinde beamte würden nach ihrer ganzen Vorbildung außerstande sein, diese Anweisungen auch nur zu verstehen, geschweige denn sie richtig zu be folgen. Selbstverständlich könnten aber aus diesen Beamtengattungen nicht etwa einzelne befähigte Personen ausgewählt und für ihre Person mit der Befugnis zur Protestaufnahme betraut werden; vielmehr wäre eine gesetzliche Erstreckung nur in der Weise denkbar, daß die Befugnis ein für allemal einer ganzen Gattung von Beamten beigelegt würde, da der Wechsel inhaber im Falle des Protestbedürfnisses für jeden Ort ohne weiteres wissen müsse, welche Gattung von Beamten er mit der Protestauf nahme beauftragen könne. Dagegen sei nicht zu verlangen, daß in Sachsen der Staat die anderwärts nicht bestehende Haftung für Ver stöße übernehme, ohne daß hierzu ein zwingender Grund vorliege. — Interessant ist die in der heutigen Nummer unserer Zeitung sich befindende Glücks-Anzeige von Samuel Heckscher senr. in Hamburg. Dieses Haus hat sich durch seine prompte und ver schwiegene Auszahlung der hier und in der Umgegend gewonnenen Beträge einen dermaßen guten Ruf erworben, laß wir Jeden auf dessen heutiges Inserat schon an dieser Stelle auf merksam machen. Lausa-Friedersdorf. Am Mittwoch fand die Auefischung des reich mit Karpfen besetzten Großteiches statt, welcher Sr. Durchlaucht dem Prinzen v- Schönburg-Waldenburg auf Herms dorf gehört und von Herrn Hoffischhändler Jank-DreSden gepachtet ist. Dresden. Der Meisterfahrer Paul Leinert, der jetzt^sein äußerst verwegenes Radlerkunst stück, genannt „den Todessprung auf dem Zweirade durch die Manege", im ungarischen Zirkus Henry zum besten gibt und durch seine fabelhaften Leistungen das Erstaunen der Sport freunde im höchsten Maße wachruft, verunglückte am Mittwoch in der Nachmittagsvorstellung insofern, als er beim Aufschlagen auf das Polster, jenseit des leeren Raumes, die Balance verlor und kopfüber vom Rade stürzte. Der kühne Radfahrer konnte sich nicht allem wieder vom Platze erheben und mußte bewußtlos hmauS- getragen werden. Er erholte sich aber sehr bald wieder, so daß er in der Abendvorstellung schon wieder sein tollkühnes Unternehmen vor führen konnte, diesmal mit ausgezeichnetem Erfolge. Kleinzschachwitz. Envlich ist es gelungen, am Hauptbahnhofe in Dresden des jungen Menschen habhaft zu werden, der seit Wochen eine ganze Reihe von Einbrüchen in Gasthäusern von hier und Umgebung, wie in Pillnitz aus führte. Er nennt sich Wolf und will ein Metalldreher aus Leuben sein. Auch wurde der bis vor kurzem hier beschäftigt gewesene Expedient Heyl verhaftet. Eine ganze Anzahl von Unredlichkeiten ließ er sich insofern zu schulden kommen, als er sich quittierte, zur Er hebung von Geldbeträgen im Gemeindeamts bereitliegende Posteinzahlungen aneignete, die Beträge erhob und in seinem Nutzen verwendete. Auch ein mittelst Nachschlüssels begangener Gelddiebstahl fällt ihm zur Last. Blasewitz. Am Dienstag Nachmittag machte das aus dem Waldenburgischen stammende Dienstmädchen L., bei dem MedizinalratDr- Rasch hier bedienstet, seinem Leben durch einen Revolver- chuß ein Ende. Vor einiger Zeit schon hatte )ie Lebensüberdrüssige einen Vegiftungsversuch unternommen, der ihr jedoch mißglückt war. Siebenlehn. Hier sind im Laufe dieses Jahres 15 römisch-katholische Familienväter zur evangel.-luth. Kirche übergetreten. Ortrand. Zu den für das Telephonnetz erforderlichen Vorarbeiten sind jetzt aus Halle Arbeiter hier, welche die Eisenträger auf den Dächern befestigen, denn die Draytleitung soll von der Elsterwerdaer Chaussee nicht durch Stangen, sondern gleich über die Stadt geführt werden. Im grünen Wald. Erzählung von G. pandola. (Nachdruck verboten.) Herbst ist's. Am dunkeln Abendhimmel jagen sich die ebenso dunkeln Wolken und der wütend heulende Sturmwind .peitscht die schwer herabfallenden Regentropfen bald hierhin, bald dahin. Ein so recht gruseliger Herbstabend in einsamer Heide. Doch der Regen fällt heftiger, der grausige Sturmgeselle heult jämmerlicher und die schwarzen Wolken jagen schneller und werden mit jeder Minute dichter und verdecken nun den Mond, der bis vor kurzem noch sein rundes, volles Gesicht dann und wann auf wenige Augen blicke freundlich lächelnd der Erde und ihren Bewohnern zeigen konnte, dauernd und voll ständig, und machen nun den ohnehin nicht freundlichen Abend noch gruseliger und grauen hafter. Sturmmusik und Regengeplätscher zu dunkler Nacht im einsamen, menschenleeren Walde! Hui Aber was sagtest du? menschenleer? die Ge stalt, die da hinten in der Ferne, soweit man in dieser Dunkelheit überhaupt noch von Ferne sprechen kann, auftaucht, ist das kein Mensch? o doch. Langsam schreitet sie vorwärts, diese Gestalt, ein älterer Mann, groß und kräftig gebaut und doch beim Gehen den Körper nach vorn neigend und schwer und müde auf den derben Knoten stock stützend. Müde ist der Mann, man sieht es ihm woh' an, denn unsicher und langsam wird sein Schritt. Jetzt hält er inne. Er schaut sich wie orientierend und suchend um und wankt dann langsam und schwerfällig et was zur Seite. Da ist ein Steinhaufen, der kann ihm ja doch wohl als Ruheplätzchen dienen? Warum nicht? Der Alte läßt sich nieder. Greulich heult noch immer der Sturm, noch immer peitscht er den Regen hin und her; den Mann aber kümmert das alles nicht. Ec hat sein Plätzchen gefunden und das genügt ihm. Ec legt den Stock beiseite und stützt mit beiden Händen sein Haupt. Es scheint, als durchschwirrten ihn mancherlei Gedanken, denn hin und wieder schüttelt er den Kopf und murmelt eine nich gerade sehr zart klingenden Fluch zwischen den Zähnen hervor. Da horch! Was raschelt da? Der Alte hebt den Kopf und lauscht. Das selbe Rascheln. Schnell ergreift er den neben ihm liegenden Stock und hält ihn nun krampf- jaft fest in der schwieligen Faust. Er bleibt edoch auf dem Steinhaufen sitzen, hält den Atem an, um seine Anwesenheit so gut als möglich zu verbergen und starrt mit gespannter Erwartung nach der Gegend, von welcher das Geräusch erklang. Dort wird es wieder lebendig; ein noch maliges Rascheln und mit ein paar schnellen Sätzen ist das Gespenst aus dem Gehölz ge türmt, hat den am Buschrande sich hinziehenden Zraben übersprungen und steht nun oben auf dem Damm, in allernächster Nähe des Stein haufens, aus dem noch immer unser alter sitzt und starr und regungslos das Ungetüm anstarrt. Doch nur wenige Sekunden. Wild schleudert er seinen Stab zur Seite, stampft mit den Füßen den Boden und ein schauerliches Ge- ächter durchzittert die finstere grausenhafte Nacht. Drüben jenseits des Dammes läßt sich noch ein geringes Geräusch vernehmen und weit hinten schon ist das Gespenst. Warum lachte der Alte aber denn so schauer- ich? Etwa darüber, daß er sich beinahe ge fürchtet hätte? O wohl kaum. Aber das plötzliche Er- cheinen des Gespenstes mag in ihm noch andere und auch trübere Gedanken in plötzliche Er innerung gebracht haben, als er ohnehin schon hatte. Der Rehbock ist längst verschwunden; der kommt heute nicht mehr zu dieser Stelle, vor dem hat er nun Ruhe, der Alte auf dem Stein haufen. Er weiß das und stützt wiederum den Kopf mit beiden Händen, hat sich nach vorn geneigt und hält die Augen geschloffen und träumt und schläft, schläft und träumt * * * Im Frühling war's. Just zu der Zeit, da Frau Lampe für ihre Kinder ein Nestlein macht und Meister Reineke nach ihren Jungen trachtet. Ein mildes Früh lingslüftchen schüttelte sachte und leise die Wipfel und Gipfel der grünen Häuser draußen in der immergrünen Stadt. Seit mehreren Tagen schon hat Frau Reineke „Familie" bekommen; und der Herr Gemahl muß nun mehr denn je sich nach Nahrung für sich und die Seinigen umsehen. Mühe macht es ihm schon, dem alten Jsegrimm. Doch der Schlaukopf hat sich noch immer durchgeholfen und wird es darum auch weiter tun. Frei lich, im Winter, im tiefen Schnee da war ein leichtes, das entkräftete, ausgehungerte Nieder wild als sichere Beute nach dem Bau zu schleppen und für weniger günstige Zeiten aufzubewahren. Aber schließlich wird doch die reichste Vorrats kammer einmal leer und da muß ein guter und aufmerksamer Gatte und Vater eben immer wieder für Ersatz sorgen und auf Raub ausgehen, wie es eben in der Familie Reineke üblich ist. Für die Hasenmütter freilich ist diese Frühlingszeit eine schlimme. Gegen un zählige Feinde haben sie sich und ihre Jungen zu schützen und gehen gar oft, wenn sie sich ihrer Peiniger und Feinde nicht wehren können, zu Grunde, Der Fuchs ist nicht allein der Hasen Feind. Marder, Iltis und Wiesel sind ebenfalls so schlimm. Jedoch wagen sie sich an größeres Wild wohl kaum; die Jagd auf junge Rehböckchen überlassen sie den mutigeren Fuch». Aber auch gegen gefiederte Feinde haben sich Rehe und Hasen zu verteidigen. Hoch in den Lüften kreisen sie und suchen mit ihrem Mörder blick sichere Beute zu erspähen. Krähen, Falken, Sperbers und anderes Raubzeug räumt im Frühjahr gar tüchtig unter dem jungen Wildstande auf, zum Schrecken aller Jäger und Jagdfreunde. Große uud kleine, behaarte und gefiederte Feinde der Hasen und Rehe. Ihr Hasen und Rehe! Sind das eure ein zigen Feinde zu einer Jahreszeit, zu welcher ihr doch die auch notwendige und auch von den Menschen gegebene Schonzeit genießt? Fortsetzung folgt.