Volltext Seite (XML)
Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag za Uhr. Inserate werden mit zo Pf. ?für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Mr die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 124. Freitag, den 16. Oktober 1903. 2. Jahrgang. OerMches und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, zs. Oktober 1903. — Am kommenden Sonntag veranstaltet der hiesige landwirtschaftliche Verein im Gasthof zum „schwarzen Roß" einen von Herrn Dr. Schellenberger Meißen gehaltenen Vortrag über „Züchtung und Aufzucht des Rindes". Jedermann hat zu diesem inter essanten Vortrag freien Zutritt. — Am 16. Oktober haben wir einen bei den Landleuten in hohem Ansehen stehenden Tag: den St. Gallustag, an welchem alter Erfahrung gemäß alle Erntearbeiten auf den Feldern beendet und alle empfindlichen Pflanzen vom Gärtner geborgen sein müssen, da nun der Winter vor der Tür steht. Nach den vielen, auf den Gallustag bezug habenden Bauern regeln muß mit diesem Tage jeder Apfel im Sack sein und die Kuh im Stalle bleiben, denn „Sankt Gallen läßt Schnee fallen". Auch die Rüben- und Krauternte muß ihr Ende erreichen, und die Herbstbestellung ist zu beschleunigen, wenn anders nicht Simon und Judä (28 ) gleichfalls mit Schnee dazwischen fahren sollen. — Höhere Lederpreise. Der fortgesetzt hohe Preisstand aller Arten Häute und Aelle, sowie neuerdings die Preissteigerung für Que- brachoholz und -Extrakte haben bereits zahl reiche bedeutende Einzelfirmen veranlaß, die Preise für ihre Fabrikate entsprechend zu er höhen. Neuerdings macht sich nun eine Be wegung bemerkbar, seitens der Gewerbe vereinigungen eine gemeinschaftliche Erhöhung der Lederpreise herbeizuführen. Königsbrück. Im SonntagS-VormittagS- gotteSdienste der hiesigen Hauptkirche wurde Herr Predigtamtökandidat Thaiwitzer aus Chem nitz unter Assistenz der Herren Pfarrer Ruß- Schmorkau und Diakonus D. Skierl von hier durch Herrn Oberkirchenrat Meier-Bautzen feierlich ordiniert und in das Amt eines Vikars für diese Parochie infolge der für das Winter Halbjahr aus Gesundheitsrücksichten ((erfolgten Beurlaubung des Herrn Pfarrers Wauer an gewiesen. Radeberg. Nach dem Genuß selbstge- fammclter giftiger Pilze erkrankt ist hier eine Frau Neumann und deren beiden erwachsenen Söhne. Die Vergiftungserscheinungen sind be sonders bei dem älteren der Erkrankten, dem Buchdrucker Naumann, bedenklicher Art, sodaß derselbe ins Krankenhaus überführt worden ist. Die beiden anderen Erkrankten befinden sich in ihrer Wohnung in ärztlicher Behandlung. Dresden. Auf Antrag der Staatsanwalt schaft ist in diesen Tagen der frühere Inhaber eines hiesigen großen Weinrestaurants, jetzige Privatus W. Petras, wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels in Haft genommen worden. Die Angelegenheit spielt schon längere Zeit und dürfte demnächst zur Verhandlung kommen. — Vom Obstmarkte wird berichtet, daß dieses Jahr,auch in Amerika die Obsternte, be sonders in Äpfeln, sehr reichlich ausgefallen ist. Von allen Zweigen des Landbaus steht in den Vereinigten Staaten keiner auf einer so hohen Stufe wie der Obstbau. Er ist in den Ver einigten Staaten jetzt derart entwickelt, daß es schon bei einer halbwegs guten Ernte nicht Mehr möglich ist, auch nur die Hauptmasse im Inlands unterzubringen, und daß daher die Ausfuhr für die Prozudenten immer wichtiger wird. — Eine Dresdner Obstgroßhandlung, die auch in der Hauptmarkthalle vertreten ist, hat dieser Tage bereits die erste größere Send ung amerikanischer Äpfel erhalten und zum Verkaufe gestellt. Die Äpfel sind von vorzüg licher Beschaffenheit. — Se. Durchlaucht Fürst Chilkosi, der russische Verkehrsminister, und der Kaiserlich russische Ingenieur v. Schuberöky trafen am Dienstag hier ein und nahmen die Heidebahn in Augenschein. Sie sprachen über das System Stoll ihre volle Befriedigung aus und es sollen in Südrußland am Schwarzen Meer auf eine Strecke von zunächst 500 Kilometer ähnliche Bahnen errichtet werden. Der Minister ist um 2 Uhr nachmittags bereits wieder nach Ruß land abgereist. — Eine öffentliche Maurerversammlung, die im „Trianoa" tagte, nahm folgende Resolution an: „Die versammelten Maurer erklären hiermit, daß sie gegen die Akkordarbeit im Rohbau und gegen das sogenannte reisende Putzen sind und verpflichten sich, diejenigen, die hiervon nicht lassen wollen, über die Schädlichkeit ihres Handelns aufzuklären. Zu Ehren der bei dem Gerüstzusammensturz verunglückten toten Zim merer erhoben sich die Versammelten von ihren Plätzen. Im verflossenen Sommer wurden, wie bekannt gegeben wurde, 56 Bauspsrren mit 982 Bauarbeitern durchgcsührt. Der hie- igen Maurerorganisation gehören 4349 Mit glieder an. — Am Dienstag nachmittag beobachtete ein Spaziergänger im Großen Ostragehege, wie ein Mann sich an einem Baume zu schaffen machte und mit einem Strick hantierte. Beim Heran- vmmen ließ der lebensmüde Mann von seinem Vorhaben ab und suchte nach Übigau zu das Weite. — Ein seit August von hier verschwundenes und bereits verschollen gehaltenes Dienstmädchen ist jetzt aufgegriffen und in Haft genommen worden. Das Mädchen hat von Mitte August an ein abenteuerliches Leben als Hochstaplerin geführt, in den besten Hotels in Radeberg, Bischofswerda und Neustadt i. S. sich durch ihr Auftreten Kredit zu verschaffen verstanden und allerwärts zu passender Gelegenheit, ohne zu zahlen, das Weite gesucht. Auch in Klotzsche hatte sie sich als Sommersrischlerin eingemietet und ohne alle Mittel Schulden gemacht. Niedersedlitz. Am neuen Güterbahnhofe hier wurde von der Leipziger Firma Sommer lad L Krey ein großes Stück Bauland zur Errichtung eines großen Industriewerkes (einer graphischen Anstalt) angekauft. Mit dem Bau soll sofort begonnen werden. Kleinzschachwitz. Ein junger, erst seit kürzerer Zeit beim hiesigen Postamte einge stellter Postgehilfe wurde wegen Veruntreu ungen im Amte dem Amtsgerichte Pirna über geben. Lo schwitz. Am Montag mittag kurz vor 12 Uhr wurden die Bewohner des Simmig'schen Ortsteiles durch eine heftige Detonation erschreckt. Wie es sich herausstellte, war in dem Herrn Hauptmann Kästner gehörigen, in hiesiger Rade berger Straße Nr. 10 gelegenen größeren Villengrundstück eine Gasexplosion erfolgt. Der Schlossermeister Schönfelder aus Dresden- Neustadt und sein Gehilfe waren im Erdgeschoß mit dem Verlegen von Gasrohr beschäftigt- In bisher noch unaufgeklärter Weise hatte sich nun in der Küche, wo die Arbeiten stattfanden, Gas angesammelt, das sich vermutlich beim Bearbeiten der Mauerteile durch Abspringen von Funken, begleitet von einem großen dumpfen Knall, entzündet hatte. Die beiden dort ar beitenden Personen, die der starke Luftdruck von ihren Leitern zu Boden geworfen hatte, erhielten insbesondere an Gesicht und Hinter kopf erhebliche Brandwunden. Der Gehilfe wurde nach der Diakonisfenanstalt in Dresden übergeführt. Das Gebäude war auch arg be schädigt worden. Roßwein. Der seit Dienstag von hier verschwundene Buchhalter Robert Appoldt soll in der ihm anvertrauten Stellung Unterschlag ungen von annähernd 1000 Mark begangen haben. Der Flüchtige war bei der Metall warenfabrik von F. M. Zieger in Stellung und verwaltete daselbst die Alters- und Jn- validenkasse, A. ist verheiratet und Vater von vier unversorgten Kindern. Radeburg. Vergangene Nacht wurde im hiesigen Schießhaus-Restaurant, sowie in der „Herberge zur Heimat" ein Einbruch verübt- In beiden Fällen geschah dies durch Einwerfen einer Fensterscheibe mittelst eines in ein Tuch gewickelten Steines. Im Schießhause fiel dem Einbrecher ein Geldbetrag von 6 Mark 67 Pf., sowie eine Cervelatwurst und ein Kistchen Zigarren in die Hände, während derselbe in der „Herberge zur Heimat" nach Erbrechen einiger Schränke und Kästen erfolglos wieder den Rückweg genommen hat. — Dienstag mittag verunglückte die 20- jährige Dienstmagd Anna Lauschke beim Fleischer meister Bruno Schlegel hier, indem dieselbe beim Futterholen in der Scheune durch das Balkenloch auf die Scheunentenne stürzte. Die Verunglückte wurde schwer verletzt und be sinnungslos aufgehoben und mittelst Siechkorbs in das städtische Krankenhaus geschafft. Meißen. In tiefes Dunkel ist das Ver schwinden des etwa 8 Jahre alten Sohnes eines hier wohnhaften Fabrikarbeiters gehüllt. Der Vermißte wurde zuletzt auf dem Jahr märkte gesehen, der Ende September hier ab gehalten wurde. Die Eltern vermuten, daß ihr Sohn vom sogenannten fahrenden Jahr marktsvolke mit fortgenommen worden ist und von diesem in Gefangenschaft gehalten wird. — Eine Brieftasche mit 2005 M. ist nach einer Anzeige am 9. d. M- in hiesiger Stadt in Verlust geraten. Der Finder hat sich bis her noch nicht gemeldet. Der Betrag soll in zwei Eintausendmarknoten und einem Fünf markschein bestehen. Meißen. Hier wurde der Schutzmann Uhlig auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden verhaftet unter der Beschuldigung, in einer Beleidigungsklage vor dem hiesigen Schöffengericht gegen zwei dortige Einwohner einen Meineid geleistet zu haben. — Die Wein- ese in den Bergen der Umgegend von hier ist zum Teil bereits beendet. Im Ratsberge wird die Lese nächste Woche beginnen. Der diesjährige Most bietet einen ganz besonderen Genuß, da er nicht künstlich versüßt zu werden braucht und dabei nach Oechsle 80 bis 84 Grad wiegt. Lommatzsch. Am Freitag nachmittag wurde der Glasmachergehilfe Willy Lottermann von hier verhaftet, da er beschuldigt wird, an einem der letzten Abende auf dem Wege nach Scheerau gegen eine aus Zehren stammende, in Scheerau bedienstete Wirtschafterin ein Sittlichkeitsattentat verübt zu haben. Colditz. Ein Gänsehändler hatte seine Gänseherde auf ein Stoppelfeld im benachbarten Thumirnicht getrieben, auf welchem Mäusepillen ausgestreut waren. Am anderen Morgen war die ganze Herde bis auf vier Stück verendet- Döbeln. Das Dunkel über die Herkunft des am vorigen Sonnabend hier in der Mulde aufgefundenen elegant gekleideten Frauenleich nams ist noch nicht gelichtet. Man vermutet in ihr eine auswärtige Kellnerin. Der Leich nam wurde photographiert, bevor die Beerdig ung erfolgte. Leipzig. Lebensversicherungsgesellschaft zu Leipzig, auf Gegenseitigkeit errichtet 1830 (alte Leipziger). In den ersten drei Vierteljahren des Jahres 1903 sind 5485 Anträge über M- 42649750 Versicherungssumme (Mark 3549050 mehr als in der gleichen Zeit des Vorjahres) eingegangen und 4690 Versicher ungen über M. 35676800 (M. 2207900 mehr als in der gleichen Zeit des Vorjahres) abgeschlossen worden. Es hat sich damit der Versicherungsbestand auf 669 Millionen Mark gehoben, während das Vermögen auf 236 Millionen Mark angewachsen ist. Bei der alten Leipziger Gesellschaft, die eine reine Gegenseitigkeitsanstalt ist, fließen alle Über schüsse in Gestalt von Dividenden den Ver sicherten wieder zu, die auf diese Weise bis jetzt 84 Millionen Mark erhalten haben. Im laufenden Jahre beträgt die Dividende für die länger als fünf Jahre bestehenden Versicher ungen beim Dividendenplan wie seit mehr als einem Jahrzehnt, 42 pCt. der ordentlichen (lebenslänglichen) Jahresbeiträge, bei abgekürzten Versicherungen außerdem noch 1,5 pCt. der Summe der gezahlten Zusatzprämien; beim Dividendenplan L gelten steigenve, nach der Dauer der Versicherung abgestufte Dividenden sätze, die die Leipziger Gesellschaft in der von Anfang an in Äussicht gestellten Höhe fort gewährt, während viele andere Gesellschaften sich gezwungen gesehen haben, ihre steigende Dividende herabzusetzen. Leipzig. Der Malergehilfe Hübner, der seine frühere Geliebte, die Falzerin Schacht, durch einen Revolverschuß lebensgefährlich ver letzte und dann auf sich selbst einen Schuß ab gab, wurde aus dem Krankenhause der königl. Staatsanwaltschaft zugeführt; er wird sich wegen Mordversuchs zu verantworten haben, da er die Tat mit Überlegung ausgeführt hat. Leipzig. Dienstag mittag stürzte sich der 78jährige Schneidermeister Aldag aus dem dritten Stockwerk auf die Straße herab und war sofort tot. Andauernde Krankheit trieb den Greis zum Selbstmord. — Ein junges, etwa 16 Jahre altes Mädchen ward ertränkt im Johannaparkteich aufgefunden. Crimmitschau. Für die vergangene Woche, die siebente seit Beginn des hiesigen Textil arbeiter-Ausstandes, wurden die Unterstützungs- gclder in der alten Höhe ausgezahlt. Die nötigen Gelder sollen auch noch für die nächsten Wochen vorhanden sein. Im übrigen ist die Lage unverändert, wenn auch vielleicht bei manchem Arbeiter sich die Überzeugung auf drängt, daß der Kampf verloren geht. Meerane. Der Crimmitschauer Kampf scheint jetzt die hiesigen Spinnereiarbeiter eben- alls zum Ausstand verleiten zu wollen, da die hiesige Arbeiterschaft vermutet, daß hier Streik- arbsit angefertigt wird. In mehreren öffent lichen Textilarbeiterversammlungen wurde des- wlb energisch hiergegen protestiert und das Ansinnen, für Crimmitschau weiter Arbeit zu verrichten, zurückgewiesen und mit Streik ge droht. Nauhein b. Hartha. Hier verunglückte am Sonntag abend gegen 9 Uhr ein bei dem Guts besitzer Z. bedienstetes 13 Jahre altes Mädchen dadurch tödlich, daß selbiges infolge der an diesem Abend herrschenden Finsternis sich auf dem Nachhausewege verirrte und in einen in der Nähe befindlichen Teich stürzte, worin sie leider ertrinken mußte. Rotenkirchen. Die Frage der Entschädig ung der Verunglückten bei der Eisenbahn- katastrophe bei Rotenkirchen ist nahezu gelöst. Durch die Eisenbahndirektion Zwickau erhalten die in Planitz wohnhaften Verletzten für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit Unterstützung. Für die Angehörigen der tödlich Verunglückten (zwei Witwen und ein Witwer) wird von der Generaldirektion der Staatsbahnen eine Rente festgesetzt. Schedewitz. Der Fabrikarbeiter Meinolt in Crimmitschau hat seine hier separiert lebende Ehefrau durch Messerstiche in den Rücken schwer verletzt. Er ist in das Gerichtsgefängnis Zwickau eingeliefert worden. Zwickau. Der ArbeiterFiegert stürzte, als er mit Dacharbeit an der Marienhütte in Cainsdorf beschäftigt war, ab und war sofort tot. Er hinterläßt Frau und drei Kinder. Aus dem Vogtlande. Hier hat es am Sonntag früh heftig geschneit. Reichenbach. Hier tagte am Sonntag die 36. Wandervsrsammlung des deutschen Philatelistenverbandes, wozu sich namentlich von auswärts zahlreiche Teilnehmer eingefunden hatten. Den Hauptpunkt der Beratungen bildete die für den Verband wichtige Frage der Schaffung einer eigenen Versicherung für die umlaufenden Markentauschsendungen, die ein stimmig beschlossen wurde. Interne Fragen und ein reger Markenaustausch, bei dem Samm lungen van vielen Tausenden Mark Wert ver treten waren, sowie ein geselliges Beisammen sein beschlossen die Wanderversammlung.