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Ottendorfer Zeitung : 23.09.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190309230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19030923
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19030923
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-09
- Tag 1903-09-23
-
Monat
1903-09
-
Jahr
1903
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 23.09.1903
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politische kunälckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm ist am Freitag in Wien eingetroffen und vom Kaiser Franz Joseph und den Erzherzögen auf das herzlichste em pfangen worden. *Zu Ehren Kaiser Wilhelms fand Freitag abend in der Wiener Hofburg Galatafel statt. Kaiser FranzJosepH hieß in seinem Trinkspruch seinen „treuen Freund und Bundesgenossen herzlichst willkommen." Dem von ihm gehegten Wunsche des Wiedersehens sei Kaiser Wilhelm mit einer Bereit willigkeit nachgekommen, die in ihm das Gefühl warmer Erkenntlichkeit wachrufe und die „das schon so feste Gefüge unserer gegenseitigen Beziehungen gewiß mit neu erhöhter Kraft auSstatten wird. Von dieser Zuversicht durchdrungen, erhebe ich mein Glas auf Ihr Wohl sowie auf unsere unerschütterlicheFreundschaft." — In seiner Dankrede sagte Kaiser Wilhelm: „Nichts konnte mir willkommener sein, als dem Wunsche Ew. Majestät entsprechend hierher zu eilen, um meinen in Ehrfurcht geliebten und erhabenen Freund und Bundesgenossen zu begrüßen. Der Anblick Ew. Majestät stolzer Regimenter war mir eine Herzensfreude, denn den Bund unserer Länder tragen und festigen unsere beiden Heere zum Wohle des Friedens in Europa." *Jn einer von der ,Franks. Ztg.' an hervor ragender Stelle veröffentlichten, ihr zugegangenen Zuschrift werden allerlei düstere Betrachtungen und Vermutungen an den Ausfall des Besuches ge knüpft, den der Kaiser bei Gelegenheit seiner letzten Anwesenheit in Dresden der Deutschen Städte-Ausstellung hatte abstatten wollen. Es wird angedeutet, daß bei dem Kaiser eine ge wisse Abgeneigtheit den Städten gegen über vorhanden und daß sie auf den Ausfall der letzten Reichstagswahlen zurückzuführcn sei; auch wolle ein Gerücht wissen, daß Graf Bülow gegen den Besuch der Ausstellung durch den Kaiser gewesen sei. Demgegenüber wird offiziös darauf hingewiesen, daß die Verspätung, mit, der der Kaiser in Dresden cintraf und durch die sein Fernbleiben von der Ausstellung veranlaßt wurde, lediglich auf die unerwartet eingetretcnc Not wendigkeit, am Morgen in Berlin die tags vorher aufgeschobenc Parade über das Gardekorps abzu- haltcn, zurückzuführen ist. Sowie die neueren Dis positionen des Kaisers feststanden, hat sich ja über dies de. Kronprinz" in dessen Vertretung zur Besichtigung der Ausstellung nach Dresden begeben. Die Annahme, daß bei dem Kaiser, bei dem Kanzler, oder bei sonst irgend jemand in Berlin eine Ani mosität gegenüber den deutschen Städten im allge meinen, oder Städteausstellung und Slädtetag im besonderen bestehe, ist, wie versichert wird, völlig gegenstandslos. *Auf einer Generalstabsreise be finden sich gegenwärtig der Chef des General stabes, Generaloberst Graf v. Schlieffen, fünf Generale, neunzehn Generalstabs-Offiziere, vier Hauptleute und fünfzig Unteroffiziere und Ge meine. Die Generalstabsreise erstreckt sich auf Posen und Westpreußen. * Gegen Lie Kurpfuscher wünscht der Reichskanzler einenergischesVorgehen. Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hatte an den Glasen Bülow eine Petition gerichtet; darauf ant wortete er wie folgt: „Der Deutschen Gesell schaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrank heiten beehre ich mich ergebenst mitzuteilen, daß ich aus der überreichten Petition gern Ver anlassung genommen habe, den Herrn Staats sekretär des Innern um Erwägungen über die Bekämpfung der Kurpfuscherei, jedoch nicht für ein, sondern für alle Gebiete der Heil kunde, zu ersuchen. Bülow." *Die Frage der Entfestigung des rechtsrheinischen Kölner Stadtteiles dürfte als gelöst gelten. Zuverlässig verlautet, zwischen dem Kriegsministcrium und der Stadtverwal tung sei ein Übereinkommen erzielt worden, über dessen Einzelheiten Stillschweigen bewahrt wird. Näheres dürfte am Tage der Enthüllung der Denkmäler d»r verstorbenen Kaiserin Augusta und des Kan.rs Friedrich bekannt werden; die Enthüllung vollzieht bekanntlich der Kronprinz. Österreich-Ungarn. * Ein Armee-Befehl des Kaisers Franz Joseph, worin dieser auf das bestimmteste erklän, an der Einheit der Armee nicht rütteln lassen zu wollen, wird von den Wiener Blättern als eine Kundgebung des obersten Kriegsherrn bezeichnet, die mit größter Feier lichkeit und Entschiedenheit die Ansprüche der ungarischen Armeesprenger zurückweist. Gleich zeitig wird der Ansicht Ausdruck gegeben, daß diese sensationelleWillensäußerungdcs Monarchen einen gewaltigen Sturm in Ungarn entfesseln, aber schließlich doch zur Entwirrung der Krisis viel beitragen werde. Dagegen er klärt das Budapester Blatt Magyar Orszag', der Armeebefehl des Kaisers werde die größtenKonflikte herbeiführen. Derselbe könne nur mit Steuerverweigerung beantwortet werden. * In Bosnien, das seit dem Berliner Vertrage unter derVerwaltungOsterreich-Ungarns steht und wo der verstorbene Finanzchef v. Kalley eine so überaus erfolgreiche kulturelle Tätigkeit entfaltete, rebellieren die Türken nun auch gegen Österreich. Die Polizei hat mehrere geheime Waffenniederlagen entdeckt, auch ist es schon zu Zusammenstößen gekommen, bei denen die Musel manen den kürzern zogen. Frankreich. * Die beiden Tomaten-Attentäter, die Italiener Picolo und Dacchino, die am 9. August mit Tomaten nach dem Wagen des Ministerpräsidenten Combes geworfen hatten, wurden am Donnerstag vom Zuchtpolizeigericht in Marseille wegen Beschimpfung von Ministern in ihrer amtlichen Tätigkeit, wegen Wider standes gegen die Staatsgewalt und wegen Überschreitung des Verbotes Waffen zu tragen, zu 6 vezw. 3 Monat Gefängnis verurteilt. England. * Wider Erwarten schnell hat König Eduard das Entlassungsgesuch Chamber lains und seiner beiden gesinnungsverwandten Ministerkollegen angenommen. Es heißt, der Rücktritt Chamberlains bezwecke nur, diesem eine von Amtsbürden freie Zeit zur weiteren Agitation für seine Schutzzollpläne zu bieten. * Daily Chromels zufolge habe die Regie rung beschlossen, in Konstantinopel Vorstellungen behufs Beendigung der Metzeleien in Mazedonien zu machen. Den Vorstellungen solle durch Entsendung eines britischen Ge schwaders Nachdruck verliehen werden. Balkanstaaten. *Rußland und Osterreich-Ungarn sollen England neuerlich Vorschläge unterbreitet haben, die, wenn sie durchgeführt würden, er hoffen ließen, daß die Ordnung in Maze donien wiederhergestellt würde; es sei beab sichtigt, die Durchführung von Reformen von der Türkei so bald wie möglich zu er zwingen. * Eine Nachricht ans Sofia besagt, die bulgarische Regierung habe drei Divisionen unter die Waffen gerufen; die türkische Kommission habe gegen diese Mobili sierung Protest eingelegt und der bulgarische Ministerpräsident habe dem englischen diplomati schen Agenten, der um Aufklärung bat, erklärt, daß der Maßregel kein Angriffs charakter inne wohne, sondern nur der Verteidigung des Landes dienen solle. * Das Anerbieten von 200 jungen Griechen, die nach Konstantinopel gekommen find, um gegen die Komitatschis zu kämpfen, hat der Sultan angenommen. Es soll zu diesem Zweckein selbständigesFreiwilligen- korps unter türkischen Offizieren gebildet werden. *Jn dem von Bulgaren'und Grie chen bewohnten Dorfe Evkarion wurden die griechischen Einwohner von einer Milttürabteilung aufgefordert, das Dorf zu ver lassen, da es als kompromittiert niederge brannt werden müsse. Die Einwohnerschaft leistete der Aufforderung Folge, inzwischen war aber Gewehrfeuer eröffnet worden, bei welchem 15 Griechen ums Leben kamen. Gne entsprechende Beschwerdeschrift ist dem griechischen Bischof, sowie dem Konsularkorps in Adrianopel zugegangen. Anch die andern Dörfer find von dem gleichen Schicksal, wie Evkarion, von feiten der Truppen und der Baschibozuks bedroht. *Ein kleines Zugeständnis hat König Peterden Gegnern der Königsmörder gemacht. Ein Ukas bestimmt, daß der erste Adjutant des Königs höchstens drei, die übrigen Adjutanten und Ordonnanzoffiziere nur ein Jahr in ihren Ämtern verbleiben können. * Der als serbischer Generalissi mus von seinem Bruder, König Peter, in Ausficht genommen gewesene Prinz Arsen, dessen Ernennung an dem Widerstande des serbischen Offizierkorps scheiterte, ist nach einer Meldung des ,Wölfischen Bureaus' am Donners tag aus Belgrad „zu mehrtägigem Aufenthalt nach Paris" ab gereist. Amerika. * Chile soll mit Argentinien sowie Brasilien einen Geheimbund abge schlossen haben zwecks Aufteilung Boli viens sowie des Acregebiets. Dieselben Mächte sind angeblich damit einverstanden, den no rd am erik anisch en Einfluß in Südamerika möglichst einzuschränken. Der chilenische Minister Herbero hat eine Rund reise angetreten, um Venezuela, Kolumbien, Ecuador und Peru für den südamerikanischen Bündnisgedanken energisch zu bearbeiten. Die Stellungnahme des kolumbianischen Senats in der Panamavertragsfrage ist anschei nend durch diese Agitation beeinflußt. Zus Men. über den schon kurz gemeldeten Skandal auf der türkischen Botschaft in Wien berichtet das ,Deutsche Volksbl.': Am Sonntag kam es auf der hiesigen türkischen Botschaft zwischen dem Botschafter Mahmud Nedim Bei und dem Bot schaftsarzt Dr. Djeved Abdullah Bei zu einem Streit, in dessen Verlauf der Arzt dem Bot schafter einige Ohrfeigen versetzte. Dr. Djeved äußerte sich einem Mitarbeiter unseres Blattes gegenüber über die Affäre folgendermaßen: „Ich bin seit vier Jahren in Wien und hatte stets mit dem Botschafter Streit, weil derselbe im gewissen Sinne auf mich eifer süchtig war. Ich erfreute mich nämlich der Gunst meines Souveräns, von dem ich zahl reiche Guustbeweise erhielt. Der Botschafter suchte mich stets beim Sultan zu verleumden und telegraphierte mehrere Male an denselben, wobei er mich politischer Umtriebe beschuldigte. In meiner literarischen Tätigkeit suchte der Bot schafter Anhaltspunkte für seine Behauptungen zu finden. Als ich mich vor kurzer Zeit auf einer Reise in London, Paris und Brüssel be fand, telegraphierte der Wiener türkische Bot schafter au den englischen und brachte meine Reise mit politischen Zwecken, insbesondere jungtürkischen, in Zusammenhang. Vor meiner Abreise von Wien hatte ich telegraphisch beim Sultan um Erlaubnis gebeten und sie erhalten. Ich erfuhr, daß der Wiener türkische Botschafter berichtete, ich sei in politischen Dingen im Aus land tätig, sei ein Verschwörer usw. Auch in dem Konstantinopeler Blatt ,Sava' wurde gegen mich gehetzt und ich vermute, daß der Bot schafter der Inspirator der Artikel war. Mahmud Nedim Bei wollte mich um jeden Preis beim Sultan unbeliebt machen und informierte den selben unrichtig. Ich konnte meinen Unmut und meine Wut nicht länger bemeistern. Gestern um 11 Uhr vormittags ging ich in die türkische Botschaft in der Heugasse und trat beim Bot schafter ein, bei dem sich der Militärattache General Schuckri Pascha und die beiden Sekretäre Assim Bei und Salith Bei befanden. Ich grüßte, der Botschafter dankte und wies mir einen Platz an, den ich annahm. Die drei Herren verfaßten eben ein Telegramm an unsere Regierung. Nachdem ich einige Minuten ge wartet hatte, fragte mich der Botschafter: „Was wollen Sie, Doktor? Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, so bitte ich Sie, sich zu beeilen, wir sind sehr beschäftigt!" Ich stand auf, behielt die Hände in der Tasche und sagte: „Sie haben mich, Exzellenz, verleumdet; Sie haben die Zwecke meiner Reise entstellt; ich habe Be weise, daß Sie den Sultan betreffs meiner Person hinters Licht geführt haben. Geben Sie mir Rechenschaft, ich werde Sie zum Duell fordern." Der Botschafter gab keine Antwort auf diese im ungestümen Ton vorgebrachten Worte und sagte nur: „Geben Sie zuerst die Hände aus der Tasche! Ich gebe Ihnen keine Auskunft." Bei diesen in wegwerfendem Ton gesagten Worten ließ ich mich Hinreißen, dem Botschafter vier Ohrfeigen zu geben. General Schuckri Pascha und die beiden Sekretäre rissen mich zurück, worauf ich die Botschaft verließ. Ich telegraphierte sofort den Vorfall nach Konstantinopel und bat den Sultan, meine Rechtfertigung abzuwarten. Heute erhielt ich eine Vorladung zur Polizei, wohin ich mich mit meinem Rechtsfreund begab. Hier wurde mir mitgeteilt, daß ich wegen des gestrigen Vorfalls von Österreich ausgewiesen sei und sofort Wien zu verlassen habe. Ich erhielt schließlich eine Frist von 24 Stunden. Ich reise vorläufig nach Budapest, wo ich die Entscheidung des Sultans abwarte und wahr scheinlich dann nach Paris reisen werde." Dr. Abdullah Djeved Bei, ein asiatischer Türke, ist am 9. September 1869 in der kleinastatischen Stadt Arabkir geboren, studierte in Konstanti nopel Medizin, das er im Jahre 1894 alS diplomierter Arzt verließ. Schon als 21jähriger Student gab Dr. Djeved in türkischer Sprache eine Sammlung seiner Gedichte heraus und er regte die Aufmerksamkeit der literarischen Kreise. Schillers „Wilhelm Tell" übersetzte er ins Türkische; die zweite Gedichtesammlung Dr. Djevdes „Tulonat" („Morgendämmerungen") erzielte einen durchschlagenden Erfolg. Von unck fern. Ein dekorierter Mörder. Der deutschen Regierung ist anläßlich der Ordensverleihungen an die Offiziere des italienischen Expeditions korps in China, wie der Münchener Illg. Ztg.' aus Rom geschrieben wird, ohne ihr Verschulden ein peinliches Versehen unterlaufen. Unter anderen hat der Oberleutnant des Geniekorps, Vito Modugno, den Roten Adlerorden vierter Klaffe erhalten. Dieser Modugno aber fitzt nun schon seit Monaten in Untersuchungshaft unter der Anklage, die eigene Frau ermordet zu haben. Während der Untersuchung Hal sich daun auch herausgestellt, daß Modugno sich 1900 in China durch Raub und Plünderung bereicherte; durch den Verkauf der chinesischen Kostbarkeiten schuf er sich nach seiner Rückkehr ein Vermögen von 300 000 Frank. Befremdlich erscheint es, daß die deutsche Botschaft in Rom, auf der die italienischen Zeitungen doch verfolgt werden, auf den Tatbestand nicht aufmerksam wurde. Unglück über Unglück. Der Kaufmann Alwin Lehnkering aus Berlin hatte vor einiger Zeit das Löschkesche Geschäft in Rathenow über nommen. Kürzlich beging sein Buchhalter nun bedeutende Unterschlagungen, durch die L. arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Trotzdem hoffte er sich über Wasser zu halten und ver lobte sich an seinem Geburtstage mit einer Rathenower BürgerStocher. Kaum war dies ge schehen, als zwei auswärtige Kohlenlieferanten, die 6000 Mark von Lehnkering zu fordern hatten, den Konkurs über sein Vermögen er öffnen ließen. Infolgedessen wurde die Ver lobung wieder rückgängig gemacht, was sich L. derartig zu Herzen nahm, daß er sich abends in den Schleusenkanal stürzte, aus dem er aber lebend wieder herausgezogen wurde. Der unterbrochene Schulunterricht. Durch den Einsturz eines Teils der Decke wurde im Physiksaal der höheren Mädchenschule zu Potsdam am Mittwoch der Unterricht jäh unter brochen. Ein Lehrer unterwies gerade in dem Saal die Seminaristinnen und hatte eben ein Mikroskop erklärt, als mit Donnergetöse ein zwei Quadratmeter großes Stück der Decke, daS etwa einen Zentner schwer war, dicht bei ihm herabsauste. Anscheinend haben Erschütterungen, welche durch den Anbau eines Schulgebäudes veranlaßt wurden, an dem Unfall schuld. Der „Naturmensch" Gustav Nagel wird am 9. Oktober mit seiner Braut Meta Lätitia Konhäuser Hochzeit machen. Aus dem Standesamt in Arendsee bestellten beide das Aufgebot, wobei Nagel ein weißes Kleid, das bis zum Knie reichte und Arme und Beine frei ließ, seine Braut ein graues Kleid und dazu einen türkischen Fes trug. K Dianens brbe. 13s Erzählung von A. I. Groß v. Trockau. (Fortsetzung.) So stand ich ganz allein im Leben. Allein und frei! Frei, meine Schritte zu lenken, wo hin es mir beliebte, frei, dem Zuge meines Herzens zu folgen. Immer mächtiger erwachte in meiner Seele die Sehnsucht nach Lianen, so daß ich nach Ab lauf des Trauerjahres mich entschloß den Kon tinent nach ihrer Spur zu durchreisen, und diesen Entschluß auch sofort zur Ausführung brachte. Ich war abgereist, ohne daran zu denken, von meinen Freunden und Standesgenossen Abschied zu nehmen und diese mochten sich nicht wenig gewundert haben, als sie endlich mein Verschwinden gewahr wurden; keiner jedoch ahnte das Motiv, das mich in die Welt Hinausgetrieben. * * * Es war in Paris, zwei Jahre nach Adelens Tod, bei einem Empfangsabend meiner Freunde, der Dorset, daß ich Lianen wieder fand. Ich hatte an jenem Abend mein Coups bestiegen, um mich zu Dorset zu begeben. In der miß mutigsten Laune lehnte ich in den weichen Polstern meines Wagens, während die schnellen Rosse mich durch die elegantesten Viertel von Paris trugen. Das Leben müßigen Genusses, welches ich seit dem letzten Jahre geführt, fing an, mir unerträglich zu werden, zumal dessen Ziel, Lianen^ Spur zu finden, m''' immer unerreich barer erschien. Ich sehnte mich jetzt wieder nach der Heimat, nach einem Kreis ernster und fester Pflichten, welche ich als Herr meiner ausgedehnten Besitzungen allzu lange schon ver nachlässigt hatte und beschloß daher, daß dieser Abend der letzte sein sollte, welchen ich in der Fremde verlebte. Ich wollte heute Abschied nehmen von meinen Freunden und am nächsten Tage der Heimat wieder zueilen. Niemand in dem ausgedehnten Kreis meiner Pariser Freunde würde mich lange vermissen, indes dort in der Heimat das Auge des Herrn vonnöten sein würde. Ja, ich wollte meine so lange vernach lässigte Pflicht mit Gewissenhaftigkeit wieder aufnehmen, wollte meinen Besitz überwachen, verbessern, verschönen und in dieser Tätigkeit, wenn möglich, Vergessen und Frieden finden. Für wen aber würde ich dies alles voll bringen ? Für wen arbeiten und mich mühen, wenn kein liebendes Weib sich mit mir daran freuen konnte, wenn kein Erbe meines Namens den Lohn meiner Mühe ernten sollte? Wie ein kalter Schauer überkam mich das Bewußtsein meiner Einsamkeit. Und dennoch vermochte ich den Gedanken an eine zweite, wiederum aus weltlichen Rücksichten geschlossme Ehe nicht zu fassen. Ich hatte zu wenig Glück geerntet in den konventionellen Banden meiner Vereinigung mit Adelen, die Erinnerung an die Qual der vergangenen Jahre lag nur noch zu frisch im Sinne, als daß ich ein ähnliches Experiment hätte wagen sollen. Allein und ein sam mußte ich in Zukunft bleiben, der letzte meines Stammes und meines Namens. Es waren recht unliebsame Betrachtungen, die sich mir dy ausgedrängt hatten, und ich war herzlich froh, als mein Wagen jetzt auf dem Boulevard St. Michel vor dem Palais Dorset hielt und so der trübe Gang meiner Gedanken jäh unterbrochen wurde. Rasch sprang ich auS dem Wagen und eilte die festlich erleuchtete Treppe hinan, förmlich gejagt von dem Ver langen nach dem Anblick hellerleuchteter Räume, nach den Menschen und ihrem fröhlichen Ge plauder, welches die trüben Empfindungen be täuben sollte, die so eben sich um meine Seele gesponnen. Beim Eintritt in den Saal eilte mir die Hausfrau entgegen, eine hübsche, muntere Blon dine, faßte meinen Arm und zog mich, immer plaudernd, weiter durch die menschengefüllten Säle. „Welch ein Glück, daß Sie kommen, lieber Baron," rief sie fröhlich erregt. „Sie sollen sogleich unserem neuen Gast, meiner liebsten Pensionsfreundin vorgestellt werden. Meine liebe Linni hat vor einem Jahre ihre Pflege mutter verloren und soll nun meine Haus genossin bleiben, um mir die Zeit zu kürzen, welche mein schlimmer Mann dem Sport und den Klubs widmet. Sie müssen ihr Verehrer werden!" „Ich stehe ganz zu Diensten, Marquise," erwiderte ich auf diese Flut von Worten. „Sie sehen mich bereit, für Ihre junge Freundin zu schwäiinen wie ein Jüngling; vorausgesetzt, daß dieselbe Ihnen gleiche!" „Schmeichler!" entgegnete die hübsche Frau, indem sie mir einen leichten Schlag mit dem Fächer versetzte, „man glaubt nicht an eure galanten Redensarten und freut sich doch dar über. übrigens ist Linni von mir so ver schieden, wie eine stille, hehre Sommernacht von einem Hellen Apriltage. Sie ist tausendmal schöner als ich! Doch urteilen Sie selbst! Hier ist sie!" Die Marquise ließ meinen Arm los und eilte mir voran, einer jungen Dame entgegen, deren Anblick mich so erschütterte, daß mir schien, als drehe sich das ganze hohe Gemach mit mir im Kreise. Denn vor mir stand Liane Jung, welche mit einen: freundlichen Lächeln die Ansprache der Freundin beantwortete, indes hohe Röte mit jäher Blässe auf ihrem Antlitz wechselte, als die Marquise, zurücktretend, auf mich wies und lebhaft sagte: „Sieh hier, meine liebe Liane, einen teuren Hausfreund von uns, Baron Altheim!" Dann sich zu mir wendend, der ich wie verzaubert stand, fügte sie bei: „Meine Freundin, Liane Jung, Linni genannt hier im Hause. Ich hoffe, daß. ihr Gefallen aneinander finden möget!" Ich hatte während dieser wortreichen Vor stellung Zeit gefunden, mich zu fassen uw. beugte mich jetzt leicht var Liane, indem ich. sprach: „Wir sind alte Bekannte, Marquise! Ich hoffe, daß auch Fräulein Jung sich meiner er innern wird." Liane schlug jetzt die dunklen Augen zu mir auf, aus denen mir ein feuchter Glanz ent- gegcnschimmerte, und antwortete mit einer Stimme, die noch weicher klang als sonst in ihrer Un» sicherheit-
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