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Die „(Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender, Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »on Inseraten bis vormittag m Uhr. Inserate werden mit 40 Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 91. Freitag, den 31. Juli 1903. 2. Jahrgang. Sertliches und Sächsisches. Gttendorf-Vkrilla, 30. Juli 1903. —* Wie aus dem Inseratenteil der heutigen Nr. ersichtlich, hat der hiesige Königlich Sachs. Militärverein an verschiedenen Stellen Dekora tionsreisig zur Schmückung der Straßen und Häuser zu der am 9. August stattfindenden Fahnenweihe zur unentgeltlichen Abnahme be reit liegen. —* Die Versteigerung eines einspännigen Leiterwagens findet Freitag den 31. Juli, vor mittags halb 9 Uhr in Rochs Restaurant statt. — Viele Landleute bemühen sich, bei ihren Feld- und Gartenarbeiten den Durst zu bekämpfen, um dem lästigen Schwitzen zu ent gehen. Dies ist nicht richtig gehandelt und kann unter Umständen zu schlimmen Zuständen, ost auch zu gefährlichen Krankheiten führen. Der Durst ist als Nahrungöbedürfnis zum Er sätze der dem Körper verloren gegangenen Flüssigkeiten anzusehen, und es treten daher bei Nichtbeachtung dieser Mahnung Blutverdickung, Austrocknung der Gewebe und schließlich der sogenannte Sonnenstich ein. Abgesehen von diesen schlimmsten Folgen ist es auch einleuchtend, daß durch den mangels Flüssigkeit geschwächten Stoffwechsel die Körperernährnng beeinträchtigt wird. Es ist daher keinesfalls rötlich, den Durst völlig zu unterdrücken, jedoch trinke man langsam und mäßig. Anzuempfehlen ist es, dem Trinkwasser etwas Zitronensäure (welche man kristallisiert in Drogen- usw. Handlungen erhält) oder einige Tropfen der billigen (ge reinigten) Salzsäure hinzuzusetzen. Es wird dadurch der durch die Wasserzufuhr bewirkten Veränderung der Magensäure in entsprechender Weise entgegengewirkt. — Folgende Regeln für Pilzfreunde seien mitgeteilt: Man wähle nur selche Alten von Pilzen, die man als unschädlich ganz genau kennt- Zum „Kennen" gehört auch die Be kanntschaft mit denjenigen Giftpilzen, mit denen eine Verwechselung möglich ist- Daß alle Blätterpilze giftig seien, daß das Gift in den Pilzen beim Kochen durch Anlaufen eines silbernen Löffels oder durch Schwarzwerden einer Zwiebel sich verrate, sind Ammenmärchen. Man sammle nur untadelhafte Exemplare, lasse dagegen alte, angeschimmelte oder zerfressene Exemplare ruhig stehen. Man sammle nicht bei nassem Wetter und bereite die Pilze bald zu. Man trete der leidigen Unsitte, die Pilze im Walde durch Umschlagen oder Zertreten zu verwüsten, überall entgegen I Auch die ver meintlichen Giftpilze sind zu schonen. — Die Ehescheidung ist durch die Bestimm ungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs erschwert; seit 1900 hat denn auch die Zahl der Ehe scheidungen einen bedeutenden Rückgang erfahren. Nach einer amtlichen Aufstellung kamen im deutschen Reiche auf je 10000 Ehen 1899: 9,8 Ehescheidungen, 1L00: 8,1 und 1901 nur 7,9. — Versuche mit einer neuen Gewehr- Munition werden seit einiger Zeit in der Armee gemacht; auch das in der Herstellung begriffene Gewehrmodell hat eine kleine Änder ung erfahren. Die Neuerungen sollen dem nächst von einem Berliner Garderegimcnt, das zu diesem Zwecke mit dem umgeänderten Ge wehr und den neuen Patronen ausgerüstet wird, erprobt werden. Sie ermöglichen, wie es heißt, beim Kernschuß eine erheblich weitere Distanz bei gleicher Treffsicherheit als bisher. Lomnitz. In der Nacht vom 27. zum 28. d. Ms. wurde hier in Felchners Restaurant mittels Einsteigens durch ein Fenster 6 Pakete Zigarren und 2 Pfund Kaffee sowie ein kleines Handkörbchen gestohlen. Der Verdacht lenkte sich sofort auf den am Abend dort gewesenen 17 Jahre alten Einträger Bauer aus Otten dorf. Nach erfolgter Anzeige bei der Gen darmerie fand eine Haussuchung bei demselben statt und wurden die gestohlenen Gegenstände auf dem Oberboden gefunden. Bauer wurde sofort in Haft genommen und nach Dresden lra: sportiert. Klotzsche. Die nach Klatzsche-Königswald verkehrende Heidebahn mußte auf ministerielle Anordnung bis auf weiteres ihren Betrieb ein stellen infolge ungenügender Sicherheit in der Führung der elektrischen Oberleitung. Auf die Klagen der Anwohner über das Geräusch der gleislosen Bahn und den von ihr aufgewirbelten Staub hat das Ministerium nicht eingehen können, da die Anwohner mit diesen Übelständen "chon bei der gutachtlichen Äußerung über die Erteilung der Genehmigung zum Betriebe zu rechnen gehabt hätten. Dresden. Auch unter den hiesigen Fenster putzern macht sich eine Bewegung geltend. Wie die Straßenbahnern sind auch sie von dem Handels- und Transportarbeiterverband unzu frieden gemacht worden. In einer am Mon tag abend abgehaltenen Versammlung der Fensterputzer wurde beschlossen, auf Erhöhung der Löhne zu dringen. Als Termin der von den Unternehmern hierauf zu erwartenden Ant wort wurde der heutige Abend festgesetzt. Ist bis dahin eine Zusage noch nicht erfolgt, so soll in den Streik eingetreten werden. — Die Direktionen der hiesigen Straßen bahnen haben durch Rundschreiben ihre sämt lichen Angestellten auffordern lasten, aus dem Transportarbeiterverbande auszutreten, worauf ihre Forderungen bewilligt werden würden. Dem Oberbürgermeister Beutler haben die Direktionen versichern lasten, daß cs nicht zum Streik kommen werde, da sie sich mit ihrem Personal einigen würden. Am Montag abend sanden wieder Verhandlungen statt, und in der Nacht zum Donnerstag wollten die gesamten Straßenbahner Stellung zu den Ergebnisten dieser Verhandlungen nehmen- — Beim Ab bruch eines Hauses an der Pillnitzer Straße sand man ein menschliches Skelett, dessen Schädel am Hinterkopfe ein Loch aufwies. Man scheint somit das Opfer eines Verbrechens gefunden zu haben. Die Polizei hat bereits festgestellt, daß vor ungefähr 20 Jahren ein Bewohner dieses Hauses verschwunden ist. Die Frau des damals Verschollenen lebt im Siechen- hause. — Am 1. August 1903 werden 9 automa tische Feuermelder dem Betriebe übergeben und 3 Meldestellen wieder aufgehoben. — Einen dummen Streich erlaubte sich am Sonntag abend ein mit dem 8-Uhr-Zug von hier abreisender junger Mann. Zwischen Kötzschenbroda und Coswig zog er ohne jeden Grund die Notleine, sodaß der Zug auf freiem Felde halten blieb und die Mitreisenden ver wundert durch die Wagenfenster blickten. Den Nachforschungen des Zugpersonals gelang es, den Täter zu ermitteln, welcher auf Befragen die Antwort gab, er habe sehen wollen, ob die Leitung ^funktioniere. (!) Bei der Ankunft in Meißen wurde durch den Stationsvorsteher seine Person festgcstellt. Die Strafe wird ihn hoffentlich über die richtige Benutzung der Not leine belehren. Brießnitz. Am Sonnabend wurde der hiesige Gemeindeexpedient Arno Wolf wegen Unterschlagung und Diebstahls bei verschiedenen K sten der Gemeinde verhaftet. Gegen Wolf wurde infolge seiner großen Ausgaben Verdacht rege. Die Veruntreum gen belaufen sich auf etwa 1400 M. Für das Defizit ist der Kas sierer haftbar. Weinböhla. Eine herumziehende Zigeuner bande machte am vergangenen Sonnabend unsere Umgebung unsicher. So sollen dieselben in Coswig mit Gärtnern zusammengeraten und mit Mestern auf dieselben eingegangen sein. Auf der Chaussee zwischen Coswig und hier versuchten sie dem Lehrling des hiesigen Bäckermeisters Vetterlein das Brot wegzunehmen, wurden aber durch den hinzukommenden Schutz mann von Coswig daran verhindert. Beim Passieren unseres Ortes in der Mittagsstunde wurde das Haupt dieser unsicheren Landstraßen kantonisten verhaftet und nach Meißen trans portiert, daselbst aber alsbald wieder freige lassen. Der 17jährige Sohn desselben ist flüchtig. Eisenberg-Moritzburg. Wie unratsam es ist, Kinder allein in den Wald zu schicken, beweist wiederum nachstehendes Vorkommnis: Fünf im benachbarten Weinböhla wohnende Kinder im Alter von 9 bis 13 Jahren haben sich, wie von zuverlässiger Seite verlautet, am 24. d. M. aus der elterlichen Wohnung ent fernt, um im Walde nach „Neuer Anbau" zu Beeren und Pilze zu suchen. Da nun die selben bis heute nicht zurückgekehrt, auch über deren Aufenthalt nichts bekannt geworden ist, und die Möglichkeit irgend eines Verbrechens an denselben nicht ausgeschlossen ist, so werden unsere verehrten Leser ersucht, etwaige Wahr nehmungen bezw. Auffindung eines der Ver mißten sofort an zuständiger Stelle anzuzeigen. Die Vermißten heißen Johanna Martha Bauer, 12 Jahre alt; Paul Max Hopfstock, 13 Jahre alt; Anna Hulda Hopfstock, 12 Jahre alt; Martha Lina Hopfstock, 10 Jahre alt, und Otto Hugo Hopfstock, 9 Jahre alt. Großenhain. Einer Frau auf der Wcß- nitzer Straße wurden in der Nacht vom 24. zum 25. d. M. von der im Garten zum Bleichen auSgebreiteten Wäsche fünf der besten Stücke gestohlen. Leider ist aber hier vom Täter keine Spur vorhanden; nur daß er zwischen 11 und 12 Uhr den Diebstahl aus geführt haben dürfte, ließ sich aus besonderen Wahrnehmungen vermuten. Der Polizei ist sofort Anzeige erstattet worden. — Im benachbarten Göltzscha brannte am Dienstag früh das Herrn Riste in Mülbitz ge hörige Wohnhaus nieder. Die Entstehungs ursache ist noch unbekannt. Riesa. An den drei letzten Tagen der vergangenen Woche wurde auf der hiesigen Güterverwaltung der Staatseisenbahn je ein falsches Markstück angehalten, eingezogen und der Ortspolizei übergeben. Die falschen Stücke machten sich erkennbar durch fettiges Aeußere, durch Biegsamkeis von etwas Gewalt und trugen sämtlich die Jahreszahl 1881. Riesa. Der mit zirka 12 000 Zentnern böhmischer Braunkohlen befrachtete große Deck kahn des Schiffseigners Böttcher aus Elster bei Wittenberg erlitt bei Niedergrund totale Havarie. Das Fahrzeug erhielt ein so starkes Leck, daß es nicht möglich war, es über Wasser zu halten. Es ging nach ziemlich kurzer Zeit samt Ladung vollständig auf Grund und wird vom Strome überflutet. Ladung und Fahrzeug sind ver sichert. Canitz. Am Montag nachmittag wurde der am 10. Mai bei einer Kahnfahrt in der Mulde ertrunkene Sohn des Schlossermeisters Schulz in Wurzen vom Fischermeister Ungewiß aus Eilenburg auf hiesiger Flur aufgefunden. Der Leichnam, der so lange im Master gelegen hatte, konnte nur durch die Kleidung, Uhr usw. von den Angehörigen rekognosziert werden. Wurzen. Von einer Anzahl hiesiger Ein wohner wird der „Wurzener Hausbesitzer- und Mieter-Verein" öffentlich ersucht, zur Gründ ung einer Schutzvereinigung für Wurzen und Umgegend gegen die übermäßig hohe Einschätz ung zur Einkommensteuer nach dem Vorbilde Leipzigs eine öffentliche gemeinschaftliche Ver sammlung einzuberufen, um eventuell aus dieser eine Kommission zu bilden, welche sich die Auf gabe zu stellen hat, entweder durch Deklaration oder durch Rechtsschutz bis in die höchsten In stanzen die Einschätzungen der Mitglieder zu überwachen. Leipzig. Der Fabrikdirektor Jeßnitzer aus Schkeuditz wurde im Walde erschossen aufge funden. Lim ba ch. Bei einem Bahnübergänge in der Nähe der Haltestelle Kändler wurde am Diens tag nachmittag das mit zwei Pferden bespannte Geschirr des Grünwarenhändlers Schuster aus Chemnitz von einem Personenzuge überfahren. Dem Geschirrführer Schuster wurde der Kopf vom Rumpfe getrennt und ein Arm abgefahren, während ein Pferd mitten durchschnitten wurde und das andere unverletzt blieb. Der Wagen ist vollständig zertrümmert. Buchholz. Nachdem am Sonntag bereits m Annaberg die Beerdigung der bei dem hie- igen Eisenbahnunglück umgekommenen Frau verw. Meyer aus Marienberg stattgefunden, chlossen sich am Montag die Erdhügel über ne übrigen drei Opfer der traurigen Katastrophe. In Bärenstein wurde der Kaufmann Grund von dort bestattet und in Sehma erfolgte die Beerdigung des Husarenunteroffiziers Langer, sowie der Frau Postvermalter Otto. Hinter edem Sarge schritt wieder eine Deputation der 'taktischen Kollegien zu Buchholz und einige jähere Eisenbahnbeamte von den benachbarten Bahnhöfen erster Klasse in Buchholz und Weipert. Vor den mit Blumen und duftenden Gewinden geschmückten Särgen trug je ein Schutzmann der hiesigen Stadt die von dieser jedem der Opfer g widmete Trauerspende, ein Palmen arrangement mit den Widmungsschleifen in den Stadtfarben. Zu Ehren des auf der Heimreise in die Garnison Großenhain verunglückten Husarenunterosfiziers waren in Sehma außer dem erschienen der Schwadronschef des Heim gegangenen, Herr Ritimeister v. Hoven, ein Wachtmeister, zwei Trompeter und vier Unter offiziere. Ferner nahmen an dem Grabgeleite eil die königlich sächsischen Militärvereine von hier und Sehma, sowie der Turnverein letzteren Ortes, sämtlich ihre umflorten Fahnen mit sich ührend. Nack vielen Hunderten zählende Leid ragende schlossen sich an beiden Orten dem Kondukt an, der sich zunächst nach dem GotteS- ;ause zur Abhaltung des Gedächtnisgottesdienstes lewegte. Die Geistlichen hielten in beiden Orten tief zu Herzen dringende Predigten. Am Grabe des getöteten Husarenunteroffiziers wid mete diesem Herr Rittmeister v Hoven namens des Husarenregiments Nr. 18 einen Nachruf. Feierliche Musik und erbauender Gesang um rahmten die Beerdigungen — Für den beim Bahnunglück verunglückten Geschäftsreisenden Faust, Vertreter der Firma Julius Irmisch in Plauen, besteht, wie entgegen anderslautenden Meldungen von unterrichteter Seite mitgeteilt wird, keine unmittelbare Lebensgefahr. Herr Faust hat bei dem Unglück einen doppelten Armbruch und Verletzungen der Schädelhaut davongetragcn. Er ist wie einige andere Fahr gäste des Unglückszuges durch einen gewaltigen Stoß durch das Fenster des Wagenabteils ge schleudert worden und war neben den getöteten Husarenunteroffizier Langer zu liegen gekommen. Crimmitschau. Bei der bereits gemeldeten Forderung auf Einführung der zehnstündigen Arbeitszeit seitens der hiesigen Filiale des deutschen Textilarbeiterverbands kommen ins gesamt 73 Betriebe mit 6- bis 7000 Arbeitern (von denen ungefähr 3800 organisiert sind) in betracht und es würde bei dem Ausstand wöchentlich eine Summe von rund 76 000 M. gebraucht werden. Die Fabrikanten sollen auf gefordert werden, auf das ihnen vorgelegte Ge such bis nächsten Freitag Antwort zu geben. Im Interesse unserer ganzen Stadt und ins besondere unserer Arbeiterschaft ist zu wünschen, daß der Beschluß, eventuell in einen General streik zu treten, nicht zur Durchführung kommt, denn die Verhältnisse liegen für einen Streik gar nicht günstig. Ölsnitz. Ein schwerer Unglücksfall trug sich auf dem hiesigen Kohlenwerke „Hedwig- schacht" zu. Der 23 Jahre alte Bergarbeiter Fanghähnel wurde von einem Hunte derart gequetscht, daß er an den erhaltenen schweren Verletzungen kurz darauf verschied. Halle. Im Stadtpark von Nordhausen wurde ein unbekanntes, gutgekleidetes, etwa 20jähriges Mädchen ermordet aufgefunden.